Das Phänomen "Deutsche-Mugge"

Interview: Marc-André Meier
("Augenschmaus" Ausgabe Mai '09)

 


Was man in zwei Jahren erreichen kann, zeigt das Beispiel www.deutsche-mugge.de. Die Macher der Seite haben innerhalb kürzester Zeit ein interaktives Musikmagazin erschaffen, das von vielen Menschen tagtäglich angesteuert wird, und das täglich mit neuen Beiträgen aufwartet. Konzertberichte aus ganz Deutschland, CD-Rezensionen, Interviews und vieles mehr gibt es immer wieder auf's Neue zu entdecken. Was dabei besonders erwähnenswert ist: Die Seitenbetreiber arbeiten alle ehrenamtlich! Für unsere aktuelle Ausgabe haben wir mit Christian Reder und Knechtel Family von www.deutsche-mugge.de gesprochen:

 

Was glauben Sie, macht Deutsche-Mugge, das ehemaligen Ostrockforum, interessant für andere Leute?
Christian Reder: Eins vorweg: Das Ostrockforum ist nach wie vor existent. Es ist Teil von Deutsche-Mugge. Deutsche-Mugge ist das vorgeschaltete Magazin, und von dort können Sie das Ostrockforum ansteuern. Es ist im Großen und Ganzen identisch mit dem, was Michael Rösch im Jahre 2004 ins Netz gestellt hat, mit dem Unterschied, dass es unser eigenes Forum ist, und kein "kostenloses" Board eines Anbieters, bei dem Sie keinen Einfluss auf die dort geschaltete Werbung haben. Das Ostrockforum ist mit dem Ostmugge-Forum vor 2 Jahren verschmolzen und bildet nun eine Einheit unter dem Dach von "Deutsche-Mugge".
Zu Ihrer Frage: Wir alle sind selbst überrascht, dass sich dieses Projekt einer so großen Akzeptanz und einer solchen Beliebtheit, auch bei den Musikern selbst, erfreut. Sie können hier zusehen, wann und wieviele Leute uns entdecken und unsere Angebote nutzen. Dafür gab es kein Rezept. Wir haben die Seite ins Netz gestellt und haben geschaut, was passiert. Was "Deutsche-Mugge" heute ist, ist der Verdienst all derer, die als Autoren der Beiträge genannt sind. Das sind "feste Familienmitglieder", wie wir unsere Kollegen im Team nennen, aber auch ganz viele Nutzer, die Spaß daran gefunden haben, ihre Meinung über Konzerte oder CD-Käufe mit anderen zu teilen, und darüber Rezensionen schreiben. Hier alle zu nennen, die "Deutsche-Mugge" mit Beiträgen versorgen, würde den Rahmen sprengen. Wer unsere Seite aufsucht wird sehen, wieviele verschiedene Leute hier ein Gesamtwerk erschaffen haben. Für mich ist das alles nach wie vor unglaublich!
Knechtel Family: Für die Frage sind wir die falschen Ansprechpartner. Die Leute, die regelmäßig (oder sporadisch) zu uns kommen, haben sicher ganz individuelle Ansichten darüber, was sie interessiert und was nicht. Natürlich hoffen wir, daß möglichst viele dabei sind, die die gesamte Palette unseres Angebots schätzen. Doch jene, die nur wegen bestimmter Einzelaspekte der Seite da sind, sind uns genauso willkommen.

Wie ist die Arbeit bei Deutsche-Mugge verteilt?
Christian Reder: Ganz einfach: Jeder macht, was er kann, und wozu er Lust hat. Hier ist alles "KANN" und nichts "MUSS". Anders kann sowas auch nicht laufen. Wo bleibt der Spaß, wenn man was machen muss, auf das man keinen Bock hat? Hier gibt es keine Abgabefristen und keinen Zeitdruck. Bei uns gibt es Leute, die haben ein gutes Händchen, was das Fotografieren von Konzerten betrifft. Da ist der Rüdiger Lübeck, die Patricia Heidrich (selbst Musikerin), der André Serfas (auch selbst Musiker) oder Dietmar Meixner, der zuletzt sogar eine eigene Ausstellung mit seinen Fotografien hatte. Alles Leute, die auf einem hohen professionellen Niveau fotografieren. Schauen Sie sich mal die Fotos an, da geht mir bei jeder Postsendung mit Bildern nach einem Konzert immer wieder das Herz auf. Dann gibt es Leute, die richtig gut Konzertberichte schreiben können, wie unsere Kollegin Petra Heinzel oder Kollege Andreas Hähle (ebenfalls selbst Musiker), ohne dass sie sich selbst wiederholen. Jeder Bericht ist anders und immer interessant. Dann machen einige von uns die Interviews, wie Knechtel Family, Fred Heiduk oder ich. Plattenkritiken und andere Beiträge werden je nach Vorliebe oder Zeit von allen erstellt. Dann haben wir noch unsere Manu und unseren Lajos, die im Hintergrund fleißig Infos sammeln, den Kalender führen und die Veranstalter-Datenbank pflegen. Auch die Kollegen, die ich jetzt nicht genannt habe, sorgen für ein abwechslungsreiches und umfangreiches Angebot. Aber die Grenzen sind fließend. Die, die häufig Konzertberichte schreiben, machen auch Interviews, wenn sie bei dem betreffenden Gast einen Zugang finden. Aber auch die, die Interviews in der Hauptsache machen, machen auch ab und an mal einen Konzertbericht, wie Fred z.B. vor einigen Tagen bei der Pressekonferenz der SONY/AMIGA in Leipzig, wo die u.a. die Roten Gitarren aus Polen aufgetreten sind, oder ich, der sich im letzten Jahr ins Getümmel der Love-Parade in Dortmund gestürzt hat, oder nächste Woche zu Angelo Branduardi gehen wird.
Knechtel Family: Keine Abgabefristen und keinen Zeitdruck, lieber Christian? Hört, hört... Also, da muß man dann doch mal relativieren, denn so ganz ohne zeitlichen Rahmen läuft das bei "Deutsche Mugge" auch nicht immer. Wir haben ja hin und wieder ganz konkrete Anlässe, zu denen Interviews, Live-Berichte und Rezensionen gemacht werden und da ist es dann schon wichtig, daß man auch pünktlich ist. In dieser Hinsicht hat es bisher aber nie Probleme gegeben, deshalb scheint es vielleicht so, als sei alles ganz easy. Ansonsten ist es freilich richtig, daß die Arbeitsverteilung hauptsächlich nach Interessenlage geschieht. Zentraler Anlaufpunkt dabei ist Christian.

Wie klappt das Miteinander im Team von "Deutsche-Mugge"? Immerhin wohnen die einzelnen Kollegen an unterschiedlichen Orten in Deutschland.
Christian Reder: Super! Ganz ehrlich. Es gibt keinen Zank, keine Unruhe. Unsere Stärke ist, dass wir uns gegenseitig respektieren und alle prima zusammenarbeiten können. Die örtliche Distanz ist in Zeiten des Internet überhaupt kein Problem mehr. Es gab bei uns zwar auch schon zwei Kollegen, die der Meinung waren, sie stünden nicht genug in der Sonne, aber das war wirklich eine Ausnahme, und die sind inzwischen auch nicht mehr dabei. Ich persönlich bin meinen Kollegen z.B. sehr dankbar dafür, dass sie mir im letzten Jahr, wo es mir phasenweise wirklich nicht gut ging, mit ihrer Art und ihrem Einsatz die Laune erheblich verbessert haben. Sowas ist unbezahlbar und ein Glücksfall. Das ist eben 'ne Familie :-)
Knechtel Family: Die unterschiedlichen Wohnorte sind in dem Medium, in dem wir uns bewegen, eher Vorteil als Nachteil. So kann sich "Deutsche Mugge" fast flächendeckend überall im Lande blicken lassen, wo gerade etwas ansteht. Ist ja auch für die Besucher schöner, nicht immer nur Konzertberichte aus einer Ecke lesen zu müssen. Darüberhinaus ist das "Miteinander" kein Thema. Meinungsverschiedenheiten gibt es hin und wieder, aber die werden ohne blaue Flecken und ausgeschlagene Zähne auf der Basis gegenseitigen Respekts geklärt.

Ganz werbefrei ist Deutsche-Mugge nicht, oder?
Christian Reder: Nein, aber wir haben nur ausgewählte Sponsoren auf der Seite. Die Altenburger Brauerei, Elly Seidl in München und Housetune in Berlin sind mehr als nur Geldgeber. Wir machen für sie Werbung, weil wir von diesen Firmen überzeugt sind. Im Gegenzug unterstützen sie ein Projekt, das inzwischen sehr vielen Leuten im Land täglich Freude bereitet. Sie ermöglichen Live-Konzerte, eine eigene Radiosendung und tragen mit ihrem Einsatz bei uns die Unkosten. Aber da sind noch so viele andere Leute und Firmen, die uns auch helfen und unterstützen, ohne dass Geld fließt.
Knechtel Family: Warum sollte "Deutsche Mugge" auch werbefrei sein? Die Kosten, die so ein Projekt vereinnahmt, tragen sich nicht von alleine und wir sind alle keine Millionäre. Die Unterstützung von Sponsoren ermöglicht Dinge, die wir uns ansonsten nicht leisten könnten. Davon profitieren am Ende alle. Und ehrlich: Wir zahlen trotzdem noch drauf.

"Deutsche-Mugge" ist nicht der einzige Anbieter, der sich mit Musik aus dem Osten beschäftigt, oder?
Christian Reder: Nein, ich nenne hier gerne mal zwei weitere Webprojekte. Z.B. ostbeat.de, das für uns schon seit eh und je DAS Lexikon über Musik aus der ehemaligen DDR und dem ehemaligen Ostblock ist. Die Infos die da zu finden sind, sind inhaltlich richtig und stimmig. Da muss man aufpassen, denn man findet auch eine Menge Infos im Netz, die einfach nicht stimmen oder die eigene Meinung des Verfassers wiederspiegeln. Ingolf Rötsch, der Betreiber, ist mit so viel Liebe zum Detail an seinem Projekt beschäftigt, dass man davor den Hut ziehen muss. Sein Einsatz findet neben seinem Beruf statt, und trotzdem hat er eine solch umfangreiche und großartige Seite ins Netz gestellt. Das macht das Ganze so bemerkenswert, und darum ist ostbeat.de bei uns auch zurecht als "Interpreten-Nachschlagewerk" verlinkt. Dann gibt's noch das Puhdys-Forum, bei dem auch extrem viele Musikliebhaber aktiv sind, und die auch bei uns Beiträge veröffentlichen. Mit beiden Seiten verbindet uns nicht nur eine Partnerschaft, das ist schon eher eine Freundschaft. Kollegen aus unserem Team sind mit Leuten vom Puhdys-Forum befreundet, Ingolf Rötsch kenne ich inzwischen sogar schon persönlich, und andere Kollegen aus dem Team auch. Die Liebe zur Musik verbindet uns. Eins ist ganz besonders wichtig: Ich wage mal zu behaupten, dass keiner der Kollegen dieser drei Webangebote, also ostbeat, Puhdys-Forum und Deutsche-Mugge/Ostrockforum, sich selbst in den Vordergrund stellt. Alle lieben die Musik und helfen den Musikern, dass es eine reelle und faire Chance auf dem gesamtdeutschen Musikmarkt gibt. Und das, ohne dafür eine Gegenleistung zu erwarten. Andere Musikfans stellen sich schonmal gerne selbst in den Vordergrund als "Retter" oder "Beste ihres Fachs". Aber diese Leute kann man auch ganz schnell als das Gegenteil von dem enttarnen, was sie vorgeben zu sein. Da habe ich über die Jahre wirklich schon komische Figuren kennenlernen müssen, die sich selbst viel wichtiger nehmen als das Projekt an dem sie arbeiten. Und das ohne Rücksicht auf Verlust von Freundschaften und Anstand, bzw. der guten Sitten.
Knechtel Family: Man muß auch betonen, daß sich "Deutsche Mugge" ja nicht am sogenannten "Ostrock" erschöpft, der zwar die Basis des Projekts darstellt aber nicht die Ausrichtung bestimmt. Da gehen wir wesentlich weiter als andere Projekte. Es geht bei "Deutsche Mugge" nicht nur darum, die Musik aus dem Osten zu unterstützen sondern auch darum, Brücken zu bauen. Zwischen Regionen ebenso wie zwischen verschiedenen Genres.

Gibt es Konkurrenzdenken unter den Anbietern?
Christian Reder: Ich finde Konkurrenzdenken bei einer Sache wie dieser extrem kleingeistig. Die Fanwelten der Ostmusik-Anhänger, der Deutschrock-Anhänger oder der Fans der Neuen Deutschen Welle sind eh schon sehr klein. Warum sollte man da auf irgendwen oder irgendwas neidisch sein? Jeder hat das Recht, seinen Helden im Netz ein Denkmal zu setzen oder sich dort frei zu entfalten. Das alles hilft der Kultur. So entstehen nicht selten Dinge, für die die hochbezahlten Medienvertreter entweder zu doof oder zu ignorant sind. Sich bei so einer Sache hinzustellen und zu sagen: "Nö, ich mach mein Ding lieber alleine..." - diese Leute haben in meinen Augen einen rostigen Nagel im Kopf. Nur die Gemeinschaft kann was erreichen, und ich zitiere hier gerne mal einen meiner internationalen Lieblinge, Peter Gabriel: You can blow out a candle, but you can't blow out a fire. Ich finde die Melodie & Rhythmus mit ihrem Angebot und ihrer Aktualität fantastisch. Eine Musikzeitschrift nach meinem Geschmack. Ich finde die vorhin schon erwähnten Webprojekte ostbeat.de und Puhdys-Forum ebenfalls großartig. Da sind Leute am Werk, die von dem, was sie da schreiben, auch Ahnung haben. Was kann es besseres geben? Warum darauf neidisch sein oder sie als Konkurrenz betrachten? Das hier ist Hobby, und ich glaube diese Ellenbogentaktik und dieser Egoismus in der Gesellschaft ist eh schon groß und weiter verbreitet, als einem lieb sein kann. Nö, bei uns ist keiner neidisch auf andere Leute. Wir freuen uns, wenn an anderer Stelle etwas erscheint, das der Sache, der Musik zu helfen, dienlich ist.
Knechtel Family: Es gibt Konkurrenzdenken, aber nicht bei uns. Wir sind von Beginn an schnurgerade UNSEREN Weg gegangen, den wir nach UNSEREN Vorstellungen gestaltet haben. Wir richten uns nicht danach aus, ob andere vielleicht etwas Besseres auf die Beine gestellt haben könnten oder selbst unbedingt die Besten zu sein. "Deutsche Mugge" ist echt und funktioniert nach eigenen Gesetzen, die nichts mit Zugriffszahlen oder Gewinn zu tun haben. Wer so denkt, hat eh schon verloren...

Wie sieht die Zukunft von Deutsche-Mugge aus?
Christian Reder: Rosig ;-) Was soll ich dazu sagen? Das kann keiner sagen, was im nächsten Jahr sein wird. Unser Ziel, eine gerechte Berichterstattung über die deutsche Musikszene anzubieten, ist noch lange nicht erreicht. Solange es in den Medien scheinbar nie eine Kulturszene in der DDR gegeben hat, solange qualitativ hochwertige Musik "Made in Germany" gegen den Müll aus Übersee und aus Castingshows hinten anstehen muss, und solange es immer noch grünschnäblige Medienvertreter gibt, die der Meinung sind, es müsse nur ihre Lieblingsmusik gepusht werden, solange müssen wir einen Gegenpart dazu anbieten. Von daher ist das Internet ein großes Geschenk für alle Menschen. Es bietet Vielfalt, und das nicht nur bei uns... Aber selbst wenn sich das alles über Nacht schlagartig ändern würde, würde es uns sicher noch geben. Wir sind zwar nur ein kleines Projekt, aber wenn die täglichen Zugriffszahlen immer näher an den vierstelligen Bereich rücken, scheinen viele Leute dieses Angebot gerne zu nutzen. Solange man das Angebot der "Mugge" mag und nutzt, solange werden wir auch unser Bestes geben, dass es noch lange mit dem Projekt weitergeht. Und eins ist dabei garantiert: Wir lieben, was wir tun! Wer kann das schon von sich behaupten?
Knechtel Family: Die Zukunft sieht genauso aus wie die Gegenwart und die Vergangenheit. Wir ziehen unser Ding durch und freuen uns über jeden, der daran Freude hat. Änderungen und Ausdehnungen auf neue Bereiche hat es bei uns immer gegeben und das wird auch zukünftig stattfinden. Die Beteiligten entwickeln sich, neue Leute werden hinzukommen und so wird sich auch das Projekt selbst immer weiter entwickeln. Wir freuen uns auf die Zukunft und sind gespannt darauf.

 


   
   
© Deutsche Mugge (2007 - 2023)

Wir nutzen Cookies auf unserer Website. Einige von ihnen sind essenziell für den Betrieb der Seite, während andere uns helfen, diese Website und die Nutzererfahrung zu verbessern (Tracking Cookies). Sie können selbst entscheiden, ob Sie die Cookies zulassen möchten. Bitte beachten Sie, dass bei einer Ablehnung womöglich nicht mehr alle Funktionalitäten der Seite zur Verfügung stehen.