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"Stark" Koch / Universal September 2009 1. Noch immer mittendrin |
Als HOWARD CARPENDALE vor rund zwei Jahren (ENDLICH!!!) den "richtigen Moment" für gekommen hielt, seinen ‚Rücktritt vom Rücktritt' zu erklären und mittels eines brandneuen Albums ins deutsche Showgeschehen zurückzukehren, atmeten Hunderttausende Fans des blonden Sudafrikaners erleichtert auf. Wir alle hatten Howard doch arg vermisst, nachdem er 2004 angekündigt hatte, nie mehr singen zu wollen, nie mehr ein Tonstudio und/oder eine Konzertbühne zu betreten.
Sein Comebackalbum "20 Uhr 10" schlug ein wie die sprichwörtliche Bombe, und gilt als eine der kommerziell erfolgreichsten Carpendale-Produktionen überhaupt. Es stieg umgehend nach Veröffentlichung auf Rang 4 in die offiziellen "Media Control"-Charts ein und wurde kurz darauf für über 100.000 verkaufte Einheiten mit "Gold" ausgezeichnet. Es folgte erst eine Hallen-, dann eine Open-Air-Tournee; nahezu jeder Termin war restlos ausverkauft, die Kritiker lobten Album wie Konzerte gleichermaßen in überschwänglichem Ton. Howard war zurück - und dies auf absolut hohem künstlerisch-kreativem Niveau. Nun erschien kürzlich das zweite Studioopus der neuen Carpendale-Ära. Dieses nennt sich schlicht und einfach "Stark" (KOCH/Universal) - und macht fraglos seinem Namen alle Ehre!
Zwölf elitäre Kleinode, stilistisch angesiedelt zwischen Rock, Pop, Jazz/Blues, Ballade und nur noch ganz, ganz wenig traditionellem Schlager, sehr amerikanisch arrangiert und produziert, durchwegs eingängig, aber stets, sowohl musikalisch, als auch lyrisch, mit spannenden Widerhaken versehen. Für Kompositionen und Texte zeichnen ausnahmslos Andre' Franke (u.a. für Claudia Jung, Bernhard Brink, Nino de Angelo, Mathias Reim tätig) und Howards langjähriger Freund und Arbeitspartner Joachim "Knibble" Horn-Bernges verantwortlich. Als Instrumentalisten konnten europaweit begehrte Koryphäen, wie z.B. Prof. Peter Weihe (git), Nils Tuxen (git), Stefan Pintev (vio), Jörg Sander (git) oder Thorsten Brötzmann (key) gewonnen werden.
"Stark" beginnt mit der aktuellen Singleauskoppelung "Noch immer mittendrin" - ein autobiographisch angehauchter, aufmunternder Hymnus für mehr Lebensfreude, Aktivität und Attraktivität; modern und zeitnah ausgestaltet, aber niemals unnötig nervtötend rhythmisiert oder gar Alt-Fans abstoßend. Auch die im Januar 2009 veröffentlichte Single "Yes we can" wurde auf "Stark" noch einmal berücksichtigt. Hierbei handelt es sich um eine vor Hoffnung nur so strotzende, einem Gospel nicht unähnliche Ehrerbietung für den neuen US-Präsidenten Barack Obama, der mittlerweile, trotz aller innen-, gesundheits- und wirtschaftspolitischer Probleme in seinem Heimatland, mittenmang dabei ist, einiges des Unsinns, den die Bush-Administration angerichtet hatte, kongenial und human zu bereinigen.
Von diesen beiden, bereits bekannten Titeln abgesehen, vernehmen wir auf "Stark" enorm edlen, überaus sympathisch, locker und leger vor sich hin swingenden US-Hochglanzpop in trefflichster 80er-Jahre-Manier ("Du passt so gut zu mir", "Wo soll das noch enden?"), melancholische Pop/Rock-Balladen bester Machbart ("Jetzt bist Du weg", "Weck mich im Septemberwind"), vorantreibenden, gitarren-lastigen, hier wiederum mehr britisch wirkenden Up-Tempo-Rock a la Chris Rea oder "Dire Straits" ("Alles überlebt") oder eher konventionell ausgerichteten Pop/Rock mittleren Tempos ("Geh aus meinen Träumen", "Alles live").
Im opulenten, bläserbetonten Bluesrocker "Das bin ich nicht" erläutert Howard betörend ehrlich seine eingangs erwähnte, 2003 getroffene Entscheidung hinsichtlich eines geplanten Karriere-Endes, die daran anschließend einsetzende Leere und Langeweile in seinem Leben; Fakten, die ihn letztlich dazu veranlassten, vor zwei Jahren, eines schönen Abends, um 20.10 Uhr, erneut die ‚Bretter, die die Welt bedeuten' zu betreten, um seine Freunde und Anhänger glücklich zu machen.
Der liebevolle Schleicher "Das hätt' ich nie gedacht" erzählt von einem Mann, der ‚auf seine alten Tage' nochmals eine freche, aufreizende, mitreißende, vermutlich jüngere, lebenslustige Frau trifft, die ihn mit ihrem Charme und ihrer Jugendlichkeit dazu verführt, etwa auf einmal "Irish Coffee" zu trinken, sich an der Uni zwecks Philosophiestudiums einzuschreiben, und sogar den brachialen Hardrock von "AC/DC" zu goutieren (ich sehe schon Howard auf seiner kommenden Tournee im Frühjahr 2010… plötzlich beginnen die Gitarren loszudröhnen… er schmeißt sich die Lederhacke um… und grölt lauthals "I'm on a Highway to Hell" ;))) - eine traumhafte Geschichte, die unter die Haut geht, dem Rezensenten nur allzu bekannt ist, und von der er selbst ein Lied zu singen weiß (und dies vielleicht 2010 ja auch tun wird, nicht wahr, Tina? ;))
Das persönliche Lieblingslied des Verfassers dieser Zeilen aus "Stark" ist die von "Knibble" wahrlich "stark" ausformulierte Edel-Ballade "London" - hierin geht es um ein Paar, das sich aus reinem Zufall in der britischen Hauptstadt getroffen hatte, einige "geile Tage" (Textzitat) dort verbrachte, an der Abbey Road flanierte, am Buckingham Palast vorbeiging und das Wachsfigurenkabinett von "Madame Tussauds" besuchte - sehr wohl wissend, daß sich die beiden kurz darauf wiederum trennen müssen - und jeder für sich, nach diesen surreal-verträumten Urlaubstagen, in seinen jeweiligen Alltag zurückkehren muß, ohne zu wissen, ob man sich jemals im Leben in "London" wieder sieht. Ein toller, sehr gelungener Plot, wunderschön, packend, prickelnd, gefühlvoll dargeboten!!!
Howard Carpendale, immerhin schon 63 Jahre alt, ist 2009 besser denn je. Er war 1985 (zu Zeiten seiner gleichnamigen LP) "Mittendrin" - und er ist 24 Jahre später ohne jegliche Zweifel "Noch immer mittendrin"; sein selbst auferlegter Rückzug 2003 ließ ihn recht schnell erkennen: "Das bin ich nicht": Am Strand liegen, Cocktails trinken, alles schön und gut… aber, auf der Bühne zu stehen und zu singen, ist doch eine weitaus größere Herausforderung - so daß einer der vielseitigsten Gratwandler zwischen Schlager und Pop/Rock, den die bundesdeutsche Musikwelt jemals hervorgebracht hat, nun erneut zur Hochform, nein, sagen wir ruhig: Höchstform, aufläuft: "20 Uhr 10" war schon super, aber "Stark" ist schlicht und einfach nur "Stark"!
Gesamtnote: Bestwertung!
(Holger Stürenburg)