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"Allein im Ring" Ralf Goldkind MOM sonic 21. September 2012 1. Alles zu Ende |
Der Name Ralf Goldkind dürfte in erster Linie mit der Band LUCILECTRIC in Verbindung gebracht werden. Hier hat er Anfang bis Mitte der 90er als Musiker zusammen mit Luci van Org Erfolge feiern können. Songs wie "Mädchen" oder "Hey Süsser" tragen seine Handschrift. Insbesondere "Mädchen" ist heute ein Klassiker - nach wie vor oft gespielt und wohl jedem Musikfreund noch im Ohr. Doch dann wird's schon schwieriger... Was hat der Mann danach gemacht? Untätig war er jedenfalls nicht, denn 1995 produzierte er das Album "Freud Euch" von Nina Hagen. Im Jahre 1998 wirkte er am Solo-Album von Thomas D mit. Auch beim Album "4:99" der Fantastischen Vier, das nur ein Jahr später (1999) veröffentlicht wurde, wirkte er mit. Seine Spuren hat er aber auch noch an anderen Stellen hinterlassen. Diese alle aufzuführen würde den Rahmen sprengen. Erst jetzt, viele Jahre nach seinen ersten Schritten in der Musikszene, bringt er mit "Allein im Ring" sein erstes Solo-Album auf den Markt.
Der Album-Titel "Allein im Ring" dürfte für die Entstehung der Scheibe stehen, denn mit Ausnahme von wenigen Gästen (Backgroundgesang) hat Ralf sein Album komplett allein auf die Beine gestellt. Angefangen vom Songwriting über das Arrangieren und Spielen der Instrumente, bis zur Produktion, ja sogar bis zum Coverartwork, zeichnet der Meister allein verantwortlich. Und hält man ein Ohr in seine CD sind Überraschungen und tolle Momente garantiert. Gleich der Opener "Alles zu Ende", der im Februar d.J. schon als Single vorab veröffentlicht wurde, lässt aufhorchen. Diese Nummer hätte ganz prima in die Neue Deutsche Welle gepasst. Recht spartanisch instrumentiert, hört man elektronische Musik mit einer schlichten Gitarre. Nicht jeder Ton, der auf einen anderen folgt, will richtig passen, aber das macht den Charme dieses Songs aus. Dazu kommt diese Endzeitstimmung im Text (zumindest am Anfang). Wenn man so will, könnte als Interpret auch Joachim Witt hinter dem Song stehen. Das fängt ja gut an. Das Video dazu ist am Ende der Seite zu finden.
Der zweite Titel heißt "Propaganda" und erinnert musikalisch stark an die Sisters Of Mercy. Düstere EBM vom Feinsten mit einem trotzigen Text. Das Lied-Ich will partout nicht zugeben, dass ihn die Trennung vom Partner sehr wohl trifft - alles nur "Propaganda". Auch das Video zu diesem Stück ist am Ende dieses Textes eingebaut.
Überraschender Besuch erwartet den Hörer beim dritten Stück "Niemals Wiedersehen". Kein Geringerer als Marian Gold von Alphaville ist als Gastsänger dabei. Die Geschichte, wie es dazu kam, ist schnell erzählt. Mit dem Musiker FJ Krüger (Mitbegründer der Gruppe IDEAL, später bei den Lassie Singers und auch bei Alphaville aktiv) hatten Goldkind und Gold einen gemeinsamen Freund. Als dieser 2007 starb kam irgendwann die Idee auf, dass Marian Gold als Gastvokalist in Goldkinds Komposition mitwirkt. Gefragt, zugesagt, aufgenommen... Recht düster kommt die Nummer daher, und wenn man den eben geschilderten Hintergrund kennt, weiß man auch, wem diese Nummer gewidmet ist... Gänsehaut garantiert!
Schon nach den ersten drei Songs merkt man, wie vielschichtig die Musik und die Inhalte auf dem Album sind. Es ist elektronische Musik mit Einflüssen von Rock- und Punkmusik. Die Texte auf "Allein im Ring" sind teilweise reine Poesie. Goldkind verleiht seinen Songs Tiefgang und fordert seine Hörer dazu auf, genau hinzuhören... zu interpretieren. Seine Lieder sind ganz weit weg vom Mainstream. Hier hat sich jemand Gedanken gemacht, wollte keine Musik von der Stange machen und hat viele Ideen und Gedanken in Liedform umgewandelt. Dabei muss es nicht immer "laut" sein. Es darf auch gerne mal ruhiger zugehen ("Dann kamst Du", "Dein Leuchten", "Ich höre auf"). Aber nur, um im nächsten Moment die Schlagzahl wieder zu erhöhen und von der Umsetzung her experimenteller zu werden ("Es ist wahr..."). An anderer Stelle lässt Goldkind dem Hörer Freiraum, sein eigenes Kopfkino starten zu lassen. So hat er mit "Die Nacht, die U-Bahn und ich" ein Instrumental-Stück aufgenommen. Schließt man beim Hören jedoch die Augen, laufen automatisch Bilder vor dem inneren Auge ab, die von der Musik getragen werden. Probiert es mal aus... möglicherweise findet Ihr Euch auch nachts in der S-Bahn wieder. Dieses Lied braucht keinen Text!
"Mein Leben am Strand" ist dagegen ein vertonter Strandurlaub. Etwas skurril zwar, aber es kommt ganz von selbst ein wenig Sommerfeeling auf. Dieses Lied hätte auch mit "Beobachtungen am Strand" überschrieben werden können.
Etwas Wehmut kommt dann beim letzten Song "Ich lass dich geh'n" auf. Die CD ist an dieser Stelle leider zu Ende - sie hätte gut und gerne noch ein paar Songs mehr haben können. "Ich lass' dich geh'n" ist ein ideales Stück, um eine CD abzuschließen. Goldkind lässt seine Hörer quasi nach dem Hören seiner CD erleuchtet gehen und verabschiedet sich mit dem Lied ("Ich bleibe hier im Dunkeln steh'n / Du kannst jetzt ins Licht hinein"). Eine runde Sache...
Ich habe bewusst nicht jedes einzelne Lied beschrieben, denn ich möchte dem interessierten Hörer nicht die Spannung nehmen, die sich beim Hören dieser CD völlig automatisch einstellt. Das muss man einfach selbst erleben.
Als Fazit bleibt zu sagen, dass "Allein im Ring" ein Wiedersehen mit den guten alten 80ern ist. Aber die sind im Moment ja sowieso wieder schwer angesagt... Ralf Goldkind zeigt sich als Schöpfer eines eigenen Stils, der sich unüberhörbar an großen Vorlagen orientiert. Goldkinds Musik vereint die guten Elemente der Musik von OMD, den frühen Depeche Mode, Erasure oder Human League mit seinen eigenen Ideen. Diese Eindrücke lassen sich manchmal gar nicht direkt an der Musik festmachen, sondern am Gefühl, das ein Lied beim Hören erzeugt. An anderer Stelle werden Einflüsse dann wieder sehr deutlich. Seine Geschichten und in Worte gefassten Träume bilden das Herzstück eines jeden Liedes. Ein großer Sänger ist Ralf Goldkind sicher nicht. Da gibt es bessere. Aber das ist hier gar nicht als Schwachpunkt auszumachen, sondern verleiht den Liedern nur zusätzlich eine Einzigartigkeit und stellt gleichzeitig auch die Ecken und Kanten dar, die gute Musik braucht und die sie vom Mainstream-Müll der Neuzeit unterscheidet. Goldkind schafft es scheinbar mit Leichtigkeit, seinen Hörer einzufangen und an seine Musik zu binden. Es sind die musikalischen Feinheiten, die sich auch in schlicht instrumentierten Stücken finden lassen, und immer wieder die Texte, die sein Album zu einem tollen Werk haben werden lassen. Vom ersten Ton an fragt man sich unweigerlich, was wohl als nächstes kommt, und wird Stück für Stück mit neuen Entdeckungen belohnt. Wer sich nicht grundsätzlich elektronischer und experimenteller Musik verschließt, wird an der CD seine helle Freude haben. "Allein im Ring" ist insgesamt gesehen aber kein Album für die Massen. Und das ist durchaus nicht als Kritik zu verstehen!
(Christian Reder)
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Das Video zu "Alles zu Ende"