cdb2016a 20160929 1413134197 Titel:
Interpret:
Label:
VÖ:

Inhalt:
"Nine"
Club des Belugas
Glamjazz Records
30. September 2016

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Rezension:
Immer wenn eine echt gute Band oder ein äußerst kreativer Solist aufhört Musik zu machen, bricht es einem das Herz. Bei einem Blick auf den Zettel, was das Mainstream-Publikum so alles für dufte und kaufenswert befindet, wird einem das Herz dann noch schwerer, denn immer wenn ein Ende verkündet wird, rücken drei bis vier dieser Plastik- und Zuckerwatte-Popbands nach und verklibbern einem die Gehörgänge. Immer wenn mir mal wieder eine dieser temporären Störungen eine Schneise der Verwüstung in mein Zentrum für Geschmack geschlagen hat, griff ich in den letzten Jahren immer wieder mal gerne zu einer CD der Gruppe CLUB DES BELUGAS. Die holten einen garantiert wieder zurück. Dummerweise haben gerade sie jetzt angekündigt, keine neuen Platten mehr aufnehmen zu wollen. Die Ansage kloppt dem von ihrer Musik entflammten Fan erstmal die Füße weg. Da kann einen auch der Hinweis, man werde aber in Zukunft weiter live spielen, erstmal nicht wieder auf die Beine helfen, zumal Konzerte gerade in meiner Ecke nicht gerade häufig vorkommen. Ich hoffe nun schon seit einiger Zeit auf ein Gastspiel in erreichbarer Nähe. Zum Abschied aus dem Studio kredenzt uns die Kapelle aus dem bergischen Land aber nochmals ein Album. Es ist ihr neuntes, und das hat es wieder einmal in sich!

Gleich auf zwei mit insgesamt 30 Liedern gefüllten CDs feuern Maxim Illion und seine Kollegen die volle Ladung Kreativität und Spielfreude ab. Insgesamt 14 ganz neue Titel und 16 meist bisher unveröffentlichte Remixe eigener und fremder Titel sind zu hören. Es geht auf der ersten CD gleich mit "It's Only Music", vorgetragen vom Briten Ashley Slater, richtig los. Der Beat geht in die Gliedmaßen, die Musik gräbt sich tief ins Ohr und bleibt dort hängen. Seltsamer Name für den Song, denn es ist eben nicht einfach "nur Musik", die man da hört. Das ist ein Brett, das dem Hörer gleich zu Beginn des Albums schon eins vor den Schädel hämmert.
Und so haben auch Stücke wie "Pogo Porn", veredelt mit dem Saxophon-Spiel Karlos Boes', "Ai mi morena", das einen schon mit den ersten Tönen in einen Club nach Cuba katapultiert, "Manteca" das ebenfalls lateinamerikanisches Flair versprüht oder das die Freunde der Diskomusik ansprechende "Hip Hip Chin Chin" alle die Traute, dem Hörer gepflegt ans Bein zu greifen und ihn mit ihren flotten Rhythmen und verspielten Arrangements in Hochstimmung und Tanzlaune zu versetzen.
Songs wie z.B. "Quiet Dawn", der Schleicher "I Just Want To Make Love To You", beide ebenfalls mit einem geilen Saxophon gewürzt, oder das mit Akkordeon- und Klarinetten-Tönen angereicherte "Wheelspin" sorgen dagegen für die ruhigeren und entspannteren Momente auf der ersten CD.
Entlassen wird man aus dem ersten Teil des Albums mit einem Stück, das das Kopfkino so richtig in Gang bringen soll, denn die "Parade der wilden Tiere" ("Animal Parade") ist eine lupenreine Filmmusik mit orchestralem Arrangement und der Lizenz zum Abtauchen in die Tiefen der eigenen Vorstellungskraft.

Ebenso flott wie die erste CD startet auch der zweite Silberling. Ein treibender Beat und die Bläser-Sektion stehen neben dem tief unter die Haut gehenden Gesang von Brenda Boykin im Vordergrund des Stücks "Hard Swing Travellin' Man". Immer wieder faszinierend, wenn die Frau anfängt mit der Stimme und Tönen zu spielen. Die Dame singt dann auch den nächsten Song, "Serious Woman", der mit funkigen Gitarren und verspielten 70er-Jahre Soul-Elementen zu überzeugen weiß. Mr. James Brown lässt grüßen. Einen ebenso treibenden Beat weist der Song "But Rich Rhythms" vor, in dem wieder ein toller Bläser-Part und eine funkig gespielte Gitarre, sowie ein munter blubbernder Bass für ordentlich Rumms sorgen.
Dazu gibt es wieder allerlei Buntes zu entdecken, denn der CLUB lässt sich in Sachen Abwechslungsreichtum nicht lumpen. Besonders erwähnenswert finde ich noch den Song "Under The Neon Light", von der Ungarin Veronika Harcsa im Stile der Isländischen Sängerin BJÖRK vorgetragen, das ruhig und entschleunigend auf den Hörer einwirkt. Fast schon in Richtung Chill-Out wirken die orchestralen Parts und der psychodelisch anmutende Rhythmus im Einklang mit der faszinierenden Stimme der Sängerin. Für mich steckt in der Nummer eine Menge Suchtpotential!
Auch "Quicker With The Trigger", das einen gehörigen Einschlag von 70er Disko-Musik inne hat, wirkt wie ein Gute-Laune-Spender, der nicht zuletzt auch durch die einzigartige Gesangsleistung der Schwedischen Sängerin Anna-Luca so richtig zur Wirkung kommt.
"You and I" mit seinem "Billy-Jean-Beat" ist ein echter Schleicher, der sich wohltuend in die Seele schleicht und einen von innen wärmt. Wunderschön! Beim Instrumentalstück "Moon Lagoon", einer weiteren ruhigen Nummer aus dem Bereich "Chill Out", wurden einige bekannte Töne miteinander verwoben, wobei FRANKIE GOES TO HOLLYWOODs "The Power of Love" im Hauptthema des Songs unüberhörbar heraus sticht.
Auch auf der zweiten CD wird die Phantasie des Hörers erneut gefordert, denn mit "Mojo's Walk" gibt es eine weitere Nummer im Stil einer Filmmusik. Ebenso wie das vorher gehörte "Moon Lagoon" als Instrumental angelegt, stehen hier wieder die orchestralen Arrangements im Vordergrund und ein Wechsel zwischen ruhigen und flotten Passagen sorgen für reichlich Leben.
CD 2 wird beendet, und damit das Album geschlossen, mit der bereits als Single ausgekoppelten Nummer "Bye Bye Baby I Won't Come Back", das erneut vom Schweden-Export Anna-Luca gesungen wird. Passend zum angekündigten Rückzug aus den Tonstudios wird uns beschwingt "Auf Wiedersehen" gesagt. Künstlich erzeugte Traurigkeit und unnötiges auf die Tränendrüse des Hörers drücken hat man sich gespart, und lieber eine lockere Mischung aus Soul, R&B und Jazz abgeliefert. Klasse!

Ob es nun unbedingt der verschiedenen Remixe eigener Songs gebraucht hat, besonders im Hinblick darauf, dass die Originale bereits erstklassig und kaum zu toppen sind, lasse ich einfach mal im Raume stehen. Ich bräuchte sie nicht, aber da ist jeder Hörer mit einem anderen Geschmack ausgestattet. Ansonsten ist das Doppel-Album prall voll mit Lebensfreude, internationaler Klasse und großen Gefühlen in Musikform. Dass sowas aus Deutschland kommt, ist für mich nach wie vor fast unglaublich. Zurecht ist diese Formation international erfolgreich und gilt als eine der innovativsten Nu-Jazz-Kapellen der Welt. Wenn es darum geht, diesen Ruf in Zukunft nicht durch schwache Produktionen aus Mangel an Ideen zu zerstören, und deshalb keine weiteren Alben mehr aufnehmen zu wollen, ist der Entschluss der CLUB-Mitglieder, Aufnahmestudios in Zukunft zu meiden, absolut verständlich und begrüßenswert. Wenn es aber an rückläufigen Verkaufszahlen bei CDs liegt, dass man sich den Aufwand nicht mehr antun möchte (die Abteilung Jazz hat es da ja wesentlich schwerer als Pop- oder Rockbands), dann ist das Hör- und Kaufverhalten der Leute im Lande einmal mehr ein Ärgernis. Qualität kostet Geld, braucht erstklassige Musiker und ein gutes Umfeld. Das gibt es nicht für die paar Cents, die man beim Download oder Streaming verdienen kann. "Nine" ist jedenfalls ein großartiges Album geworden, dass den Abschied ein wenig versüßt. Es gibt 30 Songs, die für jeden Geschmack etwas bereit halten, aber dennoch dem Bereich Jazz zuzuordnen sind. Man sollte sich als Musikfreund, der mit Jazz noch nicht allzu viel zu tun hatte, nicht von dem Genre abschrecken lassen, denn das Album macht wirklich sehr viel Spaß! Ich würde sogar wetten, dass es auch den Hardcore-Verweigerern gefallen wird, die eher harte Gitarren bevorzugen. Traut Euch, es lohnt sich!
(Christian Reder)




   
   
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