Label: Best.-Nr.: Titel: |
Marktkram / Buschfunk 2007 BF 05222 Beethoven hatte kein Hörgerät |
Info der Plattenfirma zur CD:
Ausschnitte aus einer Veranstaltung mit Christian "Kuno" Kunert zur Leipziger Museumsnacht am 21. April 2007 in der "Runden Ecke", der ehemaligen Stasi-Bezirkszentrale und heutigen BStU, Außenstelle Leipzig.
Nach einem Jahr Pause, erzwungen durch den Verlust des Hörvermögens, trat KUNO, einst RENFT-Sänger, Keyboarder, Gitarrist und Songschreiber, hier zum ersten Mal wieder öffentlich auf. Dass er seinen Humor nicht verloren hat, wird deutlich, wenn man ihn von seinen mehr oder weniger lustigen Begegnungen mit der Stasi erzählen hört, die sich bis heute durch sein Leben ziehen. Kuno ließ es sich nicht nehmen, an diesem speziellen Ort, auch ein paar Songs zum Besten zu geben.
Ins Fadenkreuz der Geheimen war er geraten durch seine Freundschaft zu Gerulf Pannach und seine Begegnungen mit Wolf Biermann und Robert Havemann. Es folgten Auftrittsverbot, Haft und erzwungene Ausreise aus der DDR und bis 1993 Duo Pannach & Kunert. 1999 bis 2005 war Kuno Frontmann der neuformierten Klaus Renft Combo.
Meinung aus der Redaktion:
Wenn es diesen Monat eine ungewöhnliche CD neu vorzustellen gilt, dann wohl diese. Das Fazit vorweg: Jeder, der zum Thema Stasi und Ostmusik etwas sagen möchte, sollte diese CD gehört haben. Einer der sich auskennt gibt seine Erfahrungen zum Besten. Nicht belehrend sondern so, dass einem das Gesagte lange in Gedanken bleibt. Wer sich die Mühe macht und über das Gehörte etwas nachdenkt, sieht die DDR und die Staatssicherheit mit anderen Augen.
Worum geht es? Christian Kuno Kuhnert berichtete am 21. April 2007 in Leipzig aus seinen Erinnerungen und über seine Erlebnisse mit dem Ministerium für Staatssicherheit. Der Ort war passend gewählt, die ehemalige Bezirksverwaltung des MfS in Leipzig, besser bekannt als „Runde Ecke“. Insgesamt dauerte die Veranstaltung über 2 kurzweilige und höchst interessante Stunden, von denen auf der vorliegenden CD 77 Minuten wiedergegeben sind.
Die Veranstaltung an sich ist um so erstaunlicher, als Kuno sehr schlecht hört und daher starke technische Hilfsmittel für den Vortrag benötigt. Das tat der guten Laune Kunos keinen Abbruch, so dass das heikle Thema mit viel Witz und Ironie aber ungeschönt behandelt wurde. Kunos schauspielerisches und kabarettistisches Geschick (Insidern längst bekannt, zumal er in der Wendezeit als Kabarettist auf der Bühne stand), wird einmal mehr unter Beweis gestellt.
Die vorliegende CD, die vom langjährigen Renftbegleiter Bodo Strecke geradezu meisterhalt produziert wurde, gibt vielfältige Einblicke in das Prinzip der staatlichen Repressionen in der DDR. In 22 Episoden von wenigen Minuten Länge unterteilt, wird sie zu keinem Augenblick langweilig. Im Gegenteil: Kunert spielt mit seinem Publikum (unter dem sich sicher einige befanden, die gekommen waren, um Kuno singen zu hören). Sprechrhythmus, Pausen und die Stimme erzeugen geradezu plastisch handelnde und behandelte Personen. Und immer hat Kuno, dem die Stasi arg mitgespielt hat, ein Zwinkern im Auge, findet ein paar scheinbar flapsige Worte oder erzählt eine Geschichte.
Zum Lachen komisch, mit dem Talent eines Clowns nimmt Kuno sein Publikum nicht singend sondern sprechend mit auf eine Reise durch sein Leben. Hinterfragt man jedoch die einzelnen Titel, gefriert einem das Lachen angesichts der real existierenden Gewalt der Staatssicherheit und deren Methoden, unliebsame Mitbürger aus dem Alltag zu drängen. Und... insofern ist nur zu verständlich, dass es Menschen gibt, die Kuno bewegen möchten, das alles ein wenig ausführlicher in Buchform einer großen Öffentlichkeit zugänglich zu machen.
Kuno vermittelt einige interessante Hintergründe. Begonnen bei Informationen zur „runden Ecke“ über Fakten aus der Renft-Ära bis zu Informationen zu Havemann, Biermann, Fuchs und vielen anderen. Weiter an Wert gewinnt die CD durch die anschauliche Art, mit der Kuno seine Geschichte mitteilt und dabei das Publikum quasi mit einbezieht. Da gibt es im 4. Track eine Wortspielerei, wie sie im Kabarett nicht besser sein könnte, wird im 12. Teil ein gewaltiger Seitenhieb ausgeteilt, geben mehrere Punkte den „Fall“ der Gruppe Renft vom Sieger eines Wettbewerbs bis zum Verbot anschaulich wieder.
3 Passagen möchte ich besonders hervorheben: Kunos Gedanken „Zur Sache“ in Track 9, die mit allem Ernst und sehr prägnant vorgetragene und begründete heutige Stellung Kunos zur Staatssicherheit in Track 13 und der namensgebende Track 20 „das muss sie gar nicht interessieren ...“.
Wie bereits angedeutet leidet Kuno an einem sehr schlechten Gehör, so dass man sich um die Gesangsauftritte ernsthaft sorgen musste. Doch Kuno meistere auch das. Es waren zwar nur 3 Titel, aber schon nach dem ersten war klar: Kuno hat nichts verlernt! Seine Stimme ist immer noch die alte. Und es stellt sich die Frage, ob und wann Kuno wieder seine Songs singen wird. Drücken wir die Daumen.
Jeder, der sich für DDR-Geschichte interessiert, sollte Kunos Ausführungen wenigstens einmal gehört haben. Eine derartig kurzweilige und gleichzeitig tiefgründige Geschichtsstunde kann ich nur jedem empfehlen. (Fred Heiduk)