TELEFONIE: "Telefonie" (Album)

telefonie 20250128 1269870586VÖ: 21.02.2025; Label: ROKKfilm; Katalognummer: RFLP 007; Musiker: Petra Schwerdt, Michael Barakowski (beide Gesang), Katarina König (Kinderstimme, Gesang), Jürgen Matkowitz (alle Instrumente, Programming), Alexamder "Ali" Kirfe (Saxofon), Jörg-Rainer Friede (Gitarre); Musik: Jürgen Matkowitz; Texte: Hartmut König alias Hartmut Egk; Produzent: Jens-Uwe Berndt & Jörg-Rainer Friede; Remastering: Jörg-Rainer Friede; Bemerkung: Dieses Album ist ausschließlich auf Schallplatte und in einer auf 300 Exemplare limitierten Auflage erhältlich;

Titel:
Seite 1: "Mutti is aleene", "Telefoniemals zuvor", "Abenddämmerung", "Jetzt kommt die Nacht", "Pusteblume", "Träumeland", "Berührungsangst", "Unter Strom"
Seite 2: "Wie die Kippe danach", "Ich wollte frei sein", "Ich verliere jedes Spiel", "Hoffnung", "Panzer um meine Haut", "Smile", "Die andere Stimme"


Rezension:


Knapp 37 Jahre schlummerte dieses Material im Archiv, wobei von einem Archiv eigentlich keine Rede sein kann, denn Jürgen Matkowitz hatte die Bänder mit den Aufnahmen irgendwo bei sich zu Hause rumliegen - unbeachtet, fast schon vergessen. 1987 entstand dieses Projekt, das TELEFONIE genannt wurde, und die Idee dazu hatte Hartmut König, der Liedermacher und Journalist, der vielen von euch sicher noch als Mitglied der Gruppe TEAM 4 von Thomas Natschinski bekannt sein dürfte. Auch als Teil des Oktoberklubs machte er auf sich aufmerksam. Er hatte Ende der 80er diese Idee für eine Geschichte, in der es um geschiedene Menschen ging. Davon hatte die DDR damals ja ein paar mehr, als ihr lieb sein konnte. Frauen und Männer, die plötzlich wieder "auf dem Markt" waren und natürlich auch großes Interesse an Zweisamkeit und einer neuen Familie für sich und eventuell schon vorhandenen Nachwuchs hatten.

Um diesen Fakt herum kreierte König Texte für Lieder, und diese wollte er musikalisch in Szene gesetzt wissen. Darum sprach König den Musiker Jürgen Matkowitz von der Gruppe PRINZIP an. Dieser hatte schon zu DDR-Zeiten ein eigenes Tonstudio und produzierte dort die Musik vieler Solisten und Bands. In Michael Barakowski von der Gruppe PERL und Petra Schwerdt fanden sich schnell zwei geeignete Stimmen, die diese Geschichten in Liedform erzählen sollten. Es dauerte nicht lange, und schon war man in Matkowitz' Studio und nahm die Lieder auf. Als die Produktion beendet war und das Material reif für eine Plattenveröffentlichung, platzte der Traum von der "Telefonie". Sängerin Petra Schwerdt war plötzlich nicht mehr da.

War Petra Schwerdt aus der DDR geflüchtet? Hatte sie einen Ausreiseantrag gestellt? Niemand wusste es. Und wenn ein Mensch - aus welchen Gründen auch immer - plötzlich kein DDR-Bürger mehr war, wurden die bis dahin produzierten Sachen auch nicht mehr veröffentlicht und nicht mehr in Funk und Fernsehen gesendet. So war das damals und so war es in diesem Fall auch, weshalb es die fertig produzierten Lieder nur auf irgendwelche Bänder geschafft haben, die dann in Matkowitz' Zuhause eingelagert wurden.

Im Herbst 2024 führte der Journalist Jens Uwe Berndt ein Interview mit Matkowitz. Dabei kam auch zur Sprache, dass es noch unveröffentlichtes Tonmaterial in seinem Studio gibt. Die alten Bänder mit den TELEFONIE-Songs wechselten daraufhin den Besitzer. Matkowitz übergab sie Jens Uwe Berndt, der außer von Beruf Journalist auch Betreiber des Plattenlabels ROKKfilm ist. Seit zwei Jahren bringt das Label in Vergessenheit geratenes Tonmaterial auf Schallplatten heraus. Und so kommen wir nun in den Genuss, die Lieder des Projekts TELEFONIE endlich auch hören zu können. Denn am 21. Februar erscheint das Material bei ROKKfilm als limitierte Vinyl.

Die erste Frage, die man sich stellen muss, ist, wie 40 Jahre altes Tonmaterial klingen muss, das auf alten Bändern in irgendeiner Schublade gelegen hat. Sowas leidet doch … ist das überhaupt noch brauchbar? Kriegt man das nochmal zum Klingen? Dies kann man kurz und knapp mit einem deutlichen "Ja" beantworten. Man bekommt es zum Klingen. Jörg Rainer Friede, der auch bei allen bisher erschienenen Produktionen von ROKKfilm Hand an Demo- und Live-Material gelegt hatte, tat dies auch hier wieder und leistete dabei nochmals Unvorstellbares. So hören sich das Intro und die beiden Zwischenspiele als auch die zwölf vollständigen Lieder sehr gut an, ja fast schon erstklassig, und nicht wie irgendwelche Demo-Fundstücke aus den 80ern. Höhen und Tiefen sind wunderbar gemischt und der Sound des Albums besticht durch eine herrliche Transparenz.

Eingeleitet wird das Programm durch ein von einer Kinderstimme gesprochenes Intro. Das Kind ist Katharina König, offenbar die Tochter von Hartmut König, die hier das Programm einleitet. Und dann bricht es schon los - das geniale Programm, das uns bis heute vorenthalten blieb. Beim Song "Telefoniemals zuvor" darf erstmals Michael Barakowski zeigen, was er kann. Dies tat er bereits bei der Gruppe PERL sehr eindrucksvoll, aber hier macht es einmal mehr richtig Spaß, ihm bei der Arbeit zuzuhören. In unserem Interview zur Veröffentlichung dieser Platte meinte Jürgen Matkowitz noch, dass die Musik von TELEFONIE nicht wirklich zur Gruppe PRINZIP gepasst hätte, weshalb ja auch ein eigenständiges Bandprojekt ins Leben gerufen wurde. Dem kann man beim ersten Titel, der hier zu hören ist, gepflegt widersprechen, denn diese herrliche Deutschrocknummer hätte auch dieser Band gut zu Gesicht gestanden. Aber es ist eben nur ein Lied aus dem gesamten Programm. Schon beim folgenden Stück namens "Jetzt kommt die Nacht", bei dem erstmals Petra Schwerdt am Mikro zu hören ist, kann man dann Matkowitz' Einwurf nachvollziehen. Diese Nummer hätte tatsächlich nicht zu PRINZIP gepasst. Es ist eine wunderbare Ballade, die eher im Pop als in härteren Rockmusik-Gefilden beheimatet ist. Bei dieser Nummer ist dann auch Ali Kirfe am Sachsenfunk zu hören, der dem Stück mit seinem Spiel eine ganze Menge Tiefe verleiht. Dieser Ballade schließt sich schließlich gleich wieder ein etwas rockigeres Stück an, denn in "Pusteblume" rührt Michael Barakowski einmal mehr Rockbeton an. Ich suche immer gerne mal nach vergleichbarem Material, um Musik zu beschreiben, aber es fällt schwer, diese Musik hier mit irgendetwas anderem nebeneinander zu stellen. Aber eins fiel mir gleich auf: Gerade dieses Lied hätte ganz hervorragend in den Soundtrack zu "Miami Vice" gepasst. Es trägt musikalisch dieses Lebensgefühl von damals in sich. Dieser für die Endachtziger so typische Rock war weltweit angesagt und lebt auch in diesem Stück (und anderen hier zu hörenden Nummern) auf, ohne ihn aber bei irgendeinem anderen Interpreten schon vorab mal gehört zu haben. So richtig Gänsehaut bekommst du dann beim Song "Unter Strom". Und "unter Strom" wirst du damit auf jeden Fall gesetzt, denn Barakowski und Schwerdt sind hier im Duett zu hören. Das knallt dermaßen gut, dass man nur von einer Schande sprechen kann, dass diese Nummer damals nicht als Single veröffentlicht werden konnte. Es ist nichts anderes als ein Hit, der keiner sein durfte, den wir hier zu hören kriegen. Unglaublich, wie viel Potenzial in dieser Ballade schlummert und wie viel dadurch verloren gegangen ist, dass sie nie offiziell erscheinen durfte. Das ist schade. Auch das langsame und getragene Stück "Wie die Kippe danach" (Gesang Petra Schwerdt), die hymnenhafte Rocknummer "Ich wollte frei sein" (Gesang Michael Barakowski) oder der hardrockende Klopper "Panzer um meine Haut" (Gesang Petra Schwerdt) sind nichts anderes als potenzielle Hits, die - meiner bescheidenen Meinung nach - zu der damaligen Zeit die Rockszene (sicher nicht nur im Osten) ordentlich aufgewühlt hätten, wären sie denn an den Start gegangen. Etwas heraus sticht das Lied "Ich verliere jedes Spiel", das mit seinem "Plastikbass" dann tatsächlich den End-80er-Zeitgeist spiegelt, mit dem uns Stock-Atiken-Waterman jahrelang mächtig auf den Sack gingen. Wenn man will, stellt dieses Stück den einzigen Schwachpunkt der Scheibe dar, ist auf der anderen Seite allerdings ein Zeitdokument, das einfach dazugehört, wenn man in dieser Zeit unterwegs ist.

Dass Matkowitz in dem hier schon erwähnten Interview in den höchsten Tönen von Petra Schwerdt schwärmt, kann absolut nachvollzogen werden. Sie wandelt hier tänzerisch auf balladeskem und rockmusikalischem Parkett und lässt an keiner Stelle Zweifel darüber aufkommen, dass hier eine große Karriere in den Startlöchern stand. Keine Ahnung, warum diese nicht zünden wollte bzw. durfte und stattdessen am Ende im Nichts versandete. Aber meiner Meinung nach haben hier die ganz wichtigen Leute auf den wichtigen Chefsesseln gepennt, denn Frau Schwerdt hätte mit ihrem Instrument internationale Erfolge einfahren können. Schade drum. Über die Künste eines Michael Barakowski muss man an dieser Stelle nicht mehr viele Worte verlieren. Seine Arbeit spricht für sich - sowohl die, die es bereits auf Platte gibt, als auch diese hier, die man ab dem 21. Februar endlich auf Platte kaufen kann. Das ist alles große Kunst, das sind zwei große Stimmen und eine wirklich tolle Aufnahme.

Das fertige Produkt - sprich die Schallplatte - liegt hier noch nicht vor. Aber es kann jetzt schon gesagt werden, dass die Aufmachung genauso hochwertig sein wird wie die der Vorgängerplatte von CHICORÉE. Die hier mit den Songs mitgeschickten Druckvorlagen für das Cover verraten bereits, dass man wieder einmal viel Arbeit, Mühe und Liebe ins Detail gesteckt hat. Nicht nur das Cover mit Zeichnungen von Crow, das von Grit M. Wolf gestaltet wurde, sondern auch das Booklet, das einmal mehr mit beschreibenden Texten von Jens Uwe Berndt gefüllt ist, versprechen bereits in der Theorie, dass zusätzlich zur Schallplatte ein tolles Zusatzprogramm mitgeliefert wird. Die Schallplatte wird wieder limitiert sein. Es wird sie also nicht ohne Ende geben, sondern in einer Auflage von 300 Exemplaren. Wenn weg, dann weg. Also sollte man schnellstens zusehen, sich eines der Exemplare zu sichern. Spaß wird man sowohl an der Verpackung als auch am Inhalt haben. Dies kann an dieser Stelle schon mal versprochen werden. Schon jetzt viel Freude damit!
(Christian Reder)









   
   
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