Nena: "Nena" (Album)
VÖ: 01.11.2024; Label: BMG Records; Katalognummer: n.n.b.; Musiker: Gabriele "Nena" Kerner (Gesang), Carlo Karges (Gitarre), Jörn-Uwe Fahrenkrog-Petersen (Keyboards), Jürgen Dehmel (Bass), Rolf Brendel (Schlagzeug); Produzent: Manne Praeker, Reinhold Heil; Bemerkung: Wiederauflage des 1984er Studio-Albums mit Bonus-Titeln. Erhätlich auf Doppel-CD und Doppel-Vinyl;
Titel: CD/LP 1: "Kino", "Indianer", "Vollmond", "Nur geträumt", "Tanz auf dem Vulkan", "99 Luftballons", "Zaubertrick", "Einmal ist keinmal", "Leuchtturm", "Ich bleib im Bett", "Noch einmal", "Satellitenstadt" CD/LP 2: "Kino (live)", "Nur geträumt (live)", "Zaubertrick (live)", "Ganz oben", "Just A Dream", "Amour Camdide", "Noch einmal (live)", "Vollmond (live)", "Ganz oben (live)", "Satellitenstadt (live)" |
Rezension:
Die Entscheidung der Plattenfirma BMG, dass dieses Album noch einmal auf Wiedervorlage kommt und somit erneut in den Mittelpunkt der Aufmerksamkeit gerückt wird, ist mehr als richtig. Man kann zu NENA als Sängerin stehen wie man will, aber über die Qualität der auf dieser Platte zu hörenden Musik und der Leistung von Musikern und Produzenten gleichermaßen wird es - so denke ich - keine zwei Meinungen geben. Wir haben es hier mit einem echten Musik-Klassiker zu tun, der damals handwerklich und musikalisch auf internationalem Niveau unterwegs war, seiner Zeit echt weit voraus war, und der tiefe Spuren in der deutschen Musikgeschichte hinterlassen hat.
Die Wurzeln dieser Scheibe liegen schon vier Jahre bevor sie eigentlich erschien, nämlich bei der aus Hagen in Westfalen stammenden Band THE STRIPES. Neben Frank Becking, Jürgen Meier und Rainer Kitzmann spielten dort ein junger Mann namens Rolf Brendel und seine Freundin, eine gewisse Gabriele Kerner. Ein Jahr nach Gründung ihrer Kapelle erschien beim Label CBS das nach sich selbst benannte Album, das insgesamt 13 Songs aus dem Bereich Indie-Rock/Indie-Pop enthält, die wiederum auch Elemente von Reggae und ein Stück weit auch Punk in sich tragen. Ein wenig auf den Spuren von BLONDIE wandelnd aber die ROLLING STONES als Vorbilder habend, war die Band mit ihrer Platte aus kommerzieller Sicht jedoch ein Flop. Man spielte noch bis etwa 1981, dann entschieden sich Brendel und Kerner vom beschaulichen Hagen in die Metropole Berlin umzuziehen. Aus Gabriele wurde schließlich NENA, und neben ihr als Sängerin und ihrem Partner und Schlagzeuger Rolf formierte sich eine neue Band, zu der am Ende Carlo Karges (Gitarre), Jörn-Uwe Fahrenkrog-Petersen (Keyboards) und Jürgen Dehmel (Bass) gehören sollten.
Die Geschicke dieser Gruppe nahm damals kein Geringerer als Jim Rakete in seine Hände, der bereits Gruppen wie INTERZONE und SPLIFF weit nach vorn brachte, und der für sie als Manager fungierte. Was lag da näher, als der jungen Nachwuchsformation sein Vorzeigeunternehmen SPLIFF an die Seite zu stellen, die 1982 die deutsche Musiklandschaft mit ihren beiden LPs "85555" und "Herzlichen Glückwunsch" mal eben auf links gezogen hatten … So entstanden die Lieder für das hier als Neuauflage vorliegende Album der NENA BAND nicht nur im SPLIFF-Studio, sondern die beiden Mitglieder Manne Praeker und Reinhold Heil verliehen ihnen mit ihrer Handschrift als Produzenten diesen markanten und von ihrer Band schon bekannten Sound. Mit "Einmal ist keinmal" steuerte Praeker sogar einen von ihm komponierten und getexteten Titel bei. Damit war der Grundstein für einen Welterfolg (!) gelegt. Die Debüt-Single "Nur geträumt" räumte nach dem Auftritt der NENA BAND im Musikladen richtig ab und machte Sängerin und Kapelle über Nacht berühmt. Kam diese Single damals "nur" auf Platz 2 der Single-Charts, sorgte die nächste, "99 Luftballons", hingegen für einen richtig lauten Knall. Sie landete nicht nur in Deutschland, Österreich, Schweiz und England auf Platz 1 der jeweiligen Single-Charts, sondern kam in den US-Billboard-Charts bis auf Platz 2. Etwas, das ein Lied aus Deutschland bis dahin noch nie geschafft hatte. Soviel zur Geschichte …
Sieht man mal von den Hits ("Nur geträumt", "99 Luftballons" und "Leuchtturm") ab, die auf dieser Platte zu finden sind, bringt das Album noch weitere echte Songperlen mit, die manch einer vielleicht schon vergessen oder gar nicht auf dem Schirm hat. Schon der Opener "Kino" ist ein echter Ohrwurm und hätte es selbst verdient gehabt, als Single losgelassen zu werden. Geiler Beat, wunderbare Keyboard-Sounds und ein wild-geslappter Bass sind neben der Stimme der Sängerin die herausstechenden Merkmale dieses Klassesongs, der uns mit in ein Lichtspielhaus nimmt und die Faszination, die vor vielen Jahren mal Hollywood in uns auszulösen vermochte, und die Romantik eines alten Kinos greifbar macht. Inhalt und Umsetzung dieser Nummer dürften noch heute so manche Kollegen neidisch machen, die sich wünschen, ihnen wäre die Idee dazu gekommen.
Etwas ganz anderes bietet die Band ihren Hörern mit "Indianer" an, nämlich eine treibende und zugleich auch hypnotisch wirkende Nummer, in der das Ensemble inhaltlich das Lebensgefühl und die Einstellungen amerikanischer Ureinwohner auf sich selbst überträgt. Insgesamt ein Stück, das so gar nicht massentauglich - und damit auch nicht radiotauglich - wirkt, und darum auch erfreulich experimentell daher kommt.
Dem folgt das entspannt-relaxt arrangierte Stück "Vollmond", das den Hörer mit seiner jazzig angehauchten Gitarre empfängt und zu smoothen Klängen vom Nachtleben und von Schlaflosigkeit erzählt, und nur im Refrain kurzzeitig "tanzbar" wird. Eine tolle Nummer.
Tanzbar sind dann aber wieder Lieder wie "Tanz auf dem Vulkan", das wirklich mitreißende "Zaubertrick" und der Song "Noch einmal". Mit zuletzt genannter Nummer hat die NENA BAND eine Verbeugung vor den großen Vorbildern, den STONES, erschaffen. Hier hat man mal locker eine Keith Richards-Gitarre ins Arrangement rein gelötet und im STONES-Sound munter dahin musiziert. Das geht ins Bein, macht Freude und zu allem Überfluss schlüpft Frau Kerner dann auch gefühlt in die Jagger-Haut, und tut es vom Gesangsstil her ihrem großen Idol gleich.
Zurück in alte STRIPES-Zeiten unternimmt die Formation mit dem Song "Ich bleib im Bett", der von seiner Machart her ein wenig an "Don't You Think I'm A Lady" der Vorgänger-Formation erinnert, einen schmackhaften Ausflug. Die Reggae-Nummer erzählt über eine Auszeit, die man sich vom hektischen Alltag nimmt, und untermalt das Ganze mit "karibischen" Klängen. Ein gelungener Farbtupfer, der geschickt ins Gesamtbild dieses Albums gesetzt wurde.
Neben vielen lauten Tönen kommen aber auch die Leisen nicht zu kurz. Mit der schon erwähnten Praeker-Komposition "Einmal ist keinmal" tut man dies z.B. besonders ansprechend. Hier ist die SPLIFF-DNA wirklich deutlich heraus zu hören und auch die den Kollegen Praeker, Heil und Mitteregger so liegende Experimentierfreude beim Arrangieren und Komponieren.
Eine weitere ruhige Nummer ist der Abschlusstitel "Satellitenstadt", in dem die damals vorhandenen digitalen Spielereien und Möglichkeiten beim Arrangieren so richtig zum Einsatz kommen. Mehr nach ALPHAVILLE statt nach NENA BAND klingend, haute die Kapelle hier noch eine weitere Geschmacksrichtung raus, die nach dem Genuss der bis dahin gehörten Songs ziemlich überraschend gewirkt haben dürfte. Synthie-Teppiche und Ausflüge mit zur damaligen Zeit teils angesagten, teils knackig frischen Keyboard-Sounds beherrschen das Bild, und über allem thront die Stimme einer Sängerin, der man die Lust an der Arbeit mit jeder gesungenen Note anhören kann (wie auch bei all den anderen Titeln auf dieser Platte).
Diese Neuauflage wird seitens der Plattenfirma mit einer Bonus-CD gereicht, auf der sich bis dato unveröffentlichtes Material befindet. Dazu gehören Live-Aufnahmen aus dem Jahr 1984 von Konzerten in Berlin, Köln und Offenbach, sowie die B-Seite der Debüt-Single "Nur geträumt" ("Ganz oben") und die englische und französische Version des Songs "Nur geträumt". Besonders beeindruckt kann man einerseits von der Tonqualität der Live-Aufnahmen sein, bei der man sich fragt, wieso das in den vergangenen 40 Jahren nicht schon längst mal auf einem Live-Album das Licht der Welt erblicken durfte. Andererseits nötigt es einem Respekt ab, was die Band dort außerhalb eines Tonstudios abgeliefert hat. Das ist fett, das ist voller Leben und das macht auch 40 Jahre später noch richtig viel Spaß, dem Treiben da zuzuhören. Ich ziehe meinen Hut!
Das Debüt-Album der NENA BAND bildet alle Stärken der Musiker und den Ideenreichtum ab, der seinerzeit in der Formation steckte. Die Kombination aus jungen Musikern und "alten Hasen", die sich bei der Studioarbeit gegenseitig befruchtet haben, dürfte hier wohl das Salz in der Suppe sein. Auf der einen Seite die NENA BAND, die hier ihr Debüt eingespielt hat, und auf der Anderen die Herren von SPLIFF, die die Erfahrungen aus ihrer aktuellen Musikgruppe und von ihrem Mitwirken bei der NINA HAGEN BAND, BAKMAK und LOK KREUZBERG haben einfließen ließen. Dies kann nur als absoluter Glücksfall bezeichnet werden, und verantwortlich dafür war Jim Rakete. Diese dadurch freigesetzte Energie entlädt sich in den Liedern wie eine Sektflasche, die man vor dem Öffnen mal kräftig geschüttelt hat. Wie schon geschrieben, war die Scheibe ihrer Zeit weit voraus und die NENA BAND dürfte diesbezüglich wohl vergleichbar mit der Gruppe SILLY sein, die damals noch auf der anderen Seite der Mauer operierte (bzw. operieren musste) und Alleinstellungsmerkmale aufwies. NENA selbst ist hier auf einem ihrer Höhepunkte zu hören. Viele können mit ihrer Stimme nichts anfangen, andere mögen sie persönlich nicht. Aber das ist halt Geschmackssache. In den hier zu hörenden Liedern spiegeln sich all ihre Stärken wieder und man kann den Aufnahmen ferner die Freude an dem ablesen, die die Sängerin bei den Aufnahmen gehabt zu haben scheint. Ihre Band steht dem in nichts nach. Das rappelt alles ordentlich und ist auch an Abwechslung nicht zu toppen. Das macht dieses Album zu einer der besten Platten des Jahres (wenn nicht DEM Besten) und - wie schon erwähnt - zu einem Klassiker. Wer dieses Album bisher noch nicht im Schrank hat, bekommt nun die Gelegenheit dies schleunigst nachzuholen. Wer sie aber schon hat kommt dagegen in Versuchung, sie sich ein weiteres Mal zuzulegen. Immerhin kommt auf der Bonus CD noch reichlich Material dazu, das jedem NENA-Fan noch fehlen wird.
Dem Label kann man als letzte Worte zu dieser Rezension nur den Wunsch hinterher schicken, solche Wiederauflagen zu anderen Klassikern ebenfalls folgen zu lassen. Aus gleichem Hause kommend hätte ich mir vor zwei Jahren z.B. solche Verbeugungen vor den hier schon genannten SPLIFF-Scheiben und in diesem Jahr zu denen von Herwig Mitteregger oder den ACE CATS gewünscht. Aber dazu fehlte wohl wieder mal der Mut (oder das Interesse).
(Christian Reder)
Die Wurzeln dieser Scheibe liegen schon vier Jahre bevor sie eigentlich erschien, nämlich bei der aus Hagen in Westfalen stammenden Band THE STRIPES. Neben Frank Becking, Jürgen Meier und Rainer Kitzmann spielten dort ein junger Mann namens Rolf Brendel und seine Freundin, eine gewisse Gabriele Kerner. Ein Jahr nach Gründung ihrer Kapelle erschien beim Label CBS das nach sich selbst benannte Album, das insgesamt 13 Songs aus dem Bereich Indie-Rock/Indie-Pop enthält, die wiederum auch Elemente von Reggae und ein Stück weit auch Punk in sich tragen. Ein wenig auf den Spuren von BLONDIE wandelnd aber die ROLLING STONES als Vorbilder habend, war die Band mit ihrer Platte aus kommerzieller Sicht jedoch ein Flop. Man spielte noch bis etwa 1981, dann entschieden sich Brendel und Kerner vom beschaulichen Hagen in die Metropole Berlin umzuziehen. Aus Gabriele wurde schließlich NENA, und neben ihr als Sängerin und ihrem Partner und Schlagzeuger Rolf formierte sich eine neue Band, zu der am Ende Carlo Karges (Gitarre), Jörn-Uwe Fahrenkrog-Petersen (Keyboards) und Jürgen Dehmel (Bass) gehören sollten.
Die Geschicke dieser Gruppe nahm damals kein Geringerer als Jim Rakete in seine Hände, der bereits Gruppen wie INTERZONE und SPLIFF weit nach vorn brachte, und der für sie als Manager fungierte. Was lag da näher, als der jungen Nachwuchsformation sein Vorzeigeunternehmen SPLIFF an die Seite zu stellen, die 1982 die deutsche Musiklandschaft mit ihren beiden LPs "85555" und "Herzlichen Glückwunsch" mal eben auf links gezogen hatten … So entstanden die Lieder für das hier als Neuauflage vorliegende Album der NENA BAND nicht nur im SPLIFF-Studio, sondern die beiden Mitglieder Manne Praeker und Reinhold Heil verliehen ihnen mit ihrer Handschrift als Produzenten diesen markanten und von ihrer Band schon bekannten Sound. Mit "Einmal ist keinmal" steuerte Praeker sogar einen von ihm komponierten und getexteten Titel bei. Damit war der Grundstein für einen Welterfolg (!) gelegt. Die Debüt-Single "Nur geträumt" räumte nach dem Auftritt der NENA BAND im Musikladen richtig ab und machte Sängerin und Kapelle über Nacht berühmt. Kam diese Single damals "nur" auf Platz 2 der Single-Charts, sorgte die nächste, "99 Luftballons", hingegen für einen richtig lauten Knall. Sie landete nicht nur in Deutschland, Österreich, Schweiz und England auf Platz 1 der jeweiligen Single-Charts, sondern kam in den US-Billboard-Charts bis auf Platz 2. Etwas, das ein Lied aus Deutschland bis dahin noch nie geschafft hatte. Soviel zur Geschichte …
Sieht man mal von den Hits ("Nur geträumt", "99 Luftballons" und "Leuchtturm") ab, die auf dieser Platte zu finden sind, bringt das Album noch weitere echte Songperlen mit, die manch einer vielleicht schon vergessen oder gar nicht auf dem Schirm hat. Schon der Opener "Kino" ist ein echter Ohrwurm und hätte es selbst verdient gehabt, als Single losgelassen zu werden. Geiler Beat, wunderbare Keyboard-Sounds und ein wild-geslappter Bass sind neben der Stimme der Sängerin die herausstechenden Merkmale dieses Klassesongs, der uns mit in ein Lichtspielhaus nimmt und die Faszination, die vor vielen Jahren mal Hollywood in uns auszulösen vermochte, und die Romantik eines alten Kinos greifbar macht. Inhalt und Umsetzung dieser Nummer dürften noch heute so manche Kollegen neidisch machen, die sich wünschen, ihnen wäre die Idee dazu gekommen.
Etwas ganz anderes bietet die Band ihren Hörern mit "Indianer" an, nämlich eine treibende und zugleich auch hypnotisch wirkende Nummer, in der das Ensemble inhaltlich das Lebensgefühl und die Einstellungen amerikanischer Ureinwohner auf sich selbst überträgt. Insgesamt ein Stück, das so gar nicht massentauglich - und damit auch nicht radiotauglich - wirkt, und darum auch erfreulich experimentell daher kommt.
Dem folgt das entspannt-relaxt arrangierte Stück "Vollmond", das den Hörer mit seiner jazzig angehauchten Gitarre empfängt und zu smoothen Klängen vom Nachtleben und von Schlaflosigkeit erzählt, und nur im Refrain kurzzeitig "tanzbar" wird. Eine tolle Nummer.
Tanzbar sind dann aber wieder Lieder wie "Tanz auf dem Vulkan", das wirklich mitreißende "Zaubertrick" und der Song "Noch einmal". Mit zuletzt genannter Nummer hat die NENA BAND eine Verbeugung vor den großen Vorbildern, den STONES, erschaffen. Hier hat man mal locker eine Keith Richards-Gitarre ins Arrangement rein gelötet und im STONES-Sound munter dahin musiziert. Das geht ins Bein, macht Freude und zu allem Überfluss schlüpft Frau Kerner dann auch gefühlt in die Jagger-Haut, und tut es vom Gesangsstil her ihrem großen Idol gleich.
Zurück in alte STRIPES-Zeiten unternimmt die Formation mit dem Song "Ich bleib im Bett", der von seiner Machart her ein wenig an "Don't You Think I'm A Lady" der Vorgänger-Formation erinnert, einen schmackhaften Ausflug. Die Reggae-Nummer erzählt über eine Auszeit, die man sich vom hektischen Alltag nimmt, und untermalt das Ganze mit "karibischen" Klängen. Ein gelungener Farbtupfer, der geschickt ins Gesamtbild dieses Albums gesetzt wurde.
Neben vielen lauten Tönen kommen aber auch die Leisen nicht zu kurz. Mit der schon erwähnten Praeker-Komposition "Einmal ist keinmal" tut man dies z.B. besonders ansprechend. Hier ist die SPLIFF-DNA wirklich deutlich heraus zu hören und auch die den Kollegen Praeker, Heil und Mitteregger so liegende Experimentierfreude beim Arrangieren und Komponieren.
Eine weitere ruhige Nummer ist der Abschlusstitel "Satellitenstadt", in dem die damals vorhandenen digitalen Spielereien und Möglichkeiten beim Arrangieren so richtig zum Einsatz kommen. Mehr nach ALPHAVILLE statt nach NENA BAND klingend, haute die Kapelle hier noch eine weitere Geschmacksrichtung raus, die nach dem Genuss der bis dahin gehörten Songs ziemlich überraschend gewirkt haben dürfte. Synthie-Teppiche und Ausflüge mit zur damaligen Zeit teils angesagten, teils knackig frischen Keyboard-Sounds beherrschen das Bild, und über allem thront die Stimme einer Sängerin, der man die Lust an der Arbeit mit jeder gesungenen Note anhören kann (wie auch bei all den anderen Titeln auf dieser Platte).
Diese Neuauflage wird seitens der Plattenfirma mit einer Bonus-CD gereicht, auf der sich bis dato unveröffentlichtes Material befindet. Dazu gehören Live-Aufnahmen aus dem Jahr 1984 von Konzerten in Berlin, Köln und Offenbach, sowie die B-Seite der Debüt-Single "Nur geträumt" ("Ganz oben") und die englische und französische Version des Songs "Nur geträumt". Besonders beeindruckt kann man einerseits von der Tonqualität der Live-Aufnahmen sein, bei der man sich fragt, wieso das in den vergangenen 40 Jahren nicht schon längst mal auf einem Live-Album das Licht der Welt erblicken durfte. Andererseits nötigt es einem Respekt ab, was die Band dort außerhalb eines Tonstudios abgeliefert hat. Das ist fett, das ist voller Leben und das macht auch 40 Jahre später noch richtig viel Spaß, dem Treiben da zuzuhören. Ich ziehe meinen Hut!
Das Debüt-Album der NENA BAND bildet alle Stärken der Musiker und den Ideenreichtum ab, der seinerzeit in der Formation steckte. Die Kombination aus jungen Musikern und "alten Hasen", die sich bei der Studioarbeit gegenseitig befruchtet haben, dürfte hier wohl das Salz in der Suppe sein. Auf der einen Seite die NENA BAND, die hier ihr Debüt eingespielt hat, und auf der Anderen die Herren von SPLIFF, die die Erfahrungen aus ihrer aktuellen Musikgruppe und von ihrem Mitwirken bei der NINA HAGEN BAND, BAKMAK und LOK KREUZBERG haben einfließen ließen. Dies kann nur als absoluter Glücksfall bezeichnet werden, und verantwortlich dafür war Jim Rakete. Diese dadurch freigesetzte Energie entlädt sich in den Liedern wie eine Sektflasche, die man vor dem Öffnen mal kräftig geschüttelt hat. Wie schon geschrieben, war die Scheibe ihrer Zeit weit voraus und die NENA BAND dürfte diesbezüglich wohl vergleichbar mit der Gruppe SILLY sein, die damals noch auf der anderen Seite der Mauer operierte (bzw. operieren musste) und Alleinstellungsmerkmale aufwies. NENA selbst ist hier auf einem ihrer Höhepunkte zu hören. Viele können mit ihrer Stimme nichts anfangen, andere mögen sie persönlich nicht. Aber das ist halt Geschmackssache. In den hier zu hörenden Liedern spiegeln sich all ihre Stärken wieder und man kann den Aufnahmen ferner die Freude an dem ablesen, die die Sängerin bei den Aufnahmen gehabt zu haben scheint. Ihre Band steht dem in nichts nach. Das rappelt alles ordentlich und ist auch an Abwechslung nicht zu toppen. Das macht dieses Album zu einer der besten Platten des Jahres (wenn nicht DEM Besten) und - wie schon erwähnt - zu einem Klassiker. Wer dieses Album bisher noch nicht im Schrank hat, bekommt nun die Gelegenheit dies schleunigst nachzuholen. Wer sie aber schon hat kommt dagegen in Versuchung, sie sich ein weiteres Mal zuzulegen. Immerhin kommt auf der Bonus CD noch reichlich Material dazu, das jedem NENA-Fan noch fehlen wird.
Dem Label kann man als letzte Worte zu dieser Rezension nur den Wunsch hinterher schicken, solche Wiederauflagen zu anderen Klassikern ebenfalls folgen zu lassen. Aus gleichem Hause kommend hätte ich mir vor zwei Jahren z.B. solche Verbeugungen vor den hier schon genannten SPLIFF-Scheiben und in diesem Jahr zu denen von Herwig Mitteregger oder den ACE CATS gewünscht. Aber dazu fehlte wohl wieder mal der Mut (oder das Interesse).
(Christian Reder)
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