Die Zöllner: "Portugal" (Album)
VÖ: 29.09.2023; Label: SPV Records; Katalognummer: 886922453328; Musiker: Dirk Zöllner (Gesang), André Gensicke (Keyboards, Backing-Vocals), Lars Kutschke (Gitarre), Oliver Klemp (Bass), Stephan "Stoppel" Salewski (Schlagzeug), Davin "Skip" Reinhart (Trompete), Frank Fritsch (Saxophon), Gerald Meier (Posaune); Gäste: Steffi Breiting (Gesang), Stephan Bohm (Posaune), Rubini Zöllner (Backing-Vocals), Tobias Hillig (Backing-Vocals), Holly Loose (Backing-Vocals); Musik: André Gensicke, Dirk Zöllner, David Reinhart, Lars Kutschke, u.a.; Texte: Dirk Zöllner, Andreas Hähle, Henry-Martin Klemt, Jürgen Gutsch, Werner Karma, Harald Wandel; Bemerkung: Das Album erscheint auf CD und Schallplatte;
Titel: " Misst!", "Mama unser", "Der alte Zorn", "Zwei blinde Passagiere", "Kullerkeks", "Portugal", "Alles auf Anfang", "Wenn die Masken endlich fallen", "Sie lacht und schwingt", "Machandeltal", "Mach das Licht an", "Immer Du und ich" |
Rezension:
In die Gassmühle Rotta in Kemberg haben sich Dirk Zöllner und sein genialer Kollege André Gensicke inmitten der Pandemie zurückgezogen, um an Liedern für ein neues Album zu arbeiten. Es war nicht nur die Pandemie, die hier Einfluss auf Inhalt und Ausarbeitung nahm, denn auch der Ukraine-Krieg begann im Februar 2022, im Sommer des Jahres feierte der Musikant seinen 60. Geburtstag mit einem rauschenden Fest auf Rügen, und der kleine hinterfotzige Virus nahm auch vom Musiker Zöllner, den viele liebevoll nur "Scholle" nennen, Besitz. Vieles ist also in dieser Zeit passiert, in der eigentlich aber so gar nichts passieren durfte. Und vieles davon - und darüber hinaus noch mehr - findet sich nun auf einem Werk namens "Portugal" wieder, das sowohl auf CD als auch auf Vinyl bald in den Regalen der Plattenläden stehen wird.
Schwer verliebt und doch verirrt hat sich Scholle gleich im Opener, denn die Hauptdarstellerin des Songs, Miss Townsend, ist die Auserwählte, die er nicht nur ehelichen und vervielfältigen möchte, sondern die sich nach dem Liebesgeständnis in sexueller Hinsicht leider auch als gleich gepolt outet. "Misst!"
Die Frage, ob es Gott wirklich gibt und wenn ja, welchen Geschlechts er ist, stellen sich viele Menschen schon seit Generationen. Im Gegenstück zum Vater unser, dem "Mama unser", hat sich Dirk Zöllner vom Texter Henry-Martin Klemt genau aufschreiben lassen, wie Gott wohl wäre, wenn es ihn wirklich gäbe. Gott wäre nämlich eine "pechschwarze Frau" mit grauen Haaren, die ihren Sohn ganz sicher nicht auf die Erde entsenden würde, um ihn - für was auch immer - sterben zu lassen. Überhaupt würde Gott als Göttin viele Dinge nicht zu- und manche Missstände gar nicht erst aufkommen lassen. Weil Frauen eben ganz anders sind als Männer. Mit dem Herzen denkend und den Blick auch zur Seite richtend. Und diese Göttin würde - so sagt es die letzte Zeile - auch genau sehen, was Du so treibst.
Über die Angst vor dem Mob, der vor Wut auf die Straßen zieht, um seinem Unmut Luft zu machen und dabei nicht friedlich bleiben will, hat der gleiche Textdichter für Dirk auch die richtigen Worte zum Song "Der alte Zorn" gefunden. Hier steht man aber nicht etwa auf und bietet der Meute und ihrem lauten Schreien die Stirn, sondern resigniert scheinbar und zieht sich lieber ins eigene Kämmerlein zurück. Ein bedrückendes Szenario, das hier mit Noten und Gesang verarbeitet wurde.
Eher poetisch - und damit auch mit einem großzügigen Interpretationsspielraum - geht es dann im Song "Zwei blinde Passagiere" weiter. Hierbei handelt es sich um einen Text von Werner Karma, dessen Arbeit Scholle ja bereits auf dem Album "Dirk & das Glück" ein Denkmal setzte. Dort begegnete man auch schon seiner Duett-Partnerin Steffi Breiting, mit der er hier das Lied von den "Zwei blinde(n) Passagiere(n)" singt. Warum Frau Breiting die Allzweckwaffe in Sachen Rock und Blues geworden ist, der man inzwischen bei zahlreichen Projekten (z.B. den Klosterbrüdern) über den Weg läuft, kann man dieser Nummer hier sehr gut ablesen. Stimmlich hat die Dame reichlich auf der Pfanne und steht damit jedem Lied und jeder Spielart gut zu Gesicht.
Ein Wiedersehen gibt es auch mit einem anderen Menschen, der uns allen, die ihn kannten und liebten, sehr fehlt: Andreas Hähle. Für sein neues Album hat Scholle den Text zu "Portugal" von ihm genommen und zeitgeschichtlich etwas angepasst. Es geht darin um die Begegnung zweier Menschen in Berlin. Der Eine will flanieren, der Andere demonstrieren (Oha, das reimt sich sogar …). Während der Eine ziemlich aufgebracht ist, ist der Andere eher gechillt, zieht ein Berliner Stadtderby im Fußball der Demo vor, und verweist noch auf die Option, auch nach "Portugal" fliehen zu können, wenn Berlin eben zu kalt geworden sein sollte. Eine feine Geschichte, über die man durchaus mal nachdenken darf und aus der der eigene Fluchtreflex des Herrn Zöllner durchschimmert …
Scholle hat den Ort, wo er gern alt und grau werden möchte, wohl gefunden. Es ist das Machandeltal auf der Insel Rügen. Vor knapp einem Jahr lud er viele Freunde dorthin ein, um seinen 60. Geburtstag mit ihm zu feiern. Auch ich bekam eine Einladung, war damals gesundheitlich aber leider ziemlich angeschlagen, so dass ich die Reise dorthin nicht antreten konnte. So entging mir nicht nur das Hochleben lassen des lieben Dirk, sondern auch das Kennenlernen dieses wunderschönen Fleckchen Erde, das er da entdeckt hat. Diesem "Machandeltal" hat der Kollege Harald Wandel sogar einen Text gewidmet, den Scholle nun vertont hat. Eine Hymne auf den Ort und das Leben, das man dort führen könnte. Es wird davon geträumt, wer dahin mitkommen soll und festgelegt, wen man dort nicht sehen möchte. Es könnte ein Paradies werden … aber nicht, ohne auch selbst was dafür zu tun.
Aus Fehlern lernt man bekanntlich und oft ist da der Wunsch, an einem bestimmten Punkt im Zeitgeschehen nochmal neu starten zu können. Davon singt uns Dirk Zöllner im von ihm getexteten Song "Alles auf Anfang". Und diese Nummer lässt sich wunderbar vom Kleinen ins Große übertragen. Bei einem Blick auf das aktuelle Geschehen in dieser Republik könnte diese Nummer hier schnell zum Lied einer Bewegung derer werden, die gute alte Ideen neu aufgreifen möchte und versuchen will, sie besser umzusetzen als die, die sie gerade vermurkst haben. Wer weiß … vielleicht wird "Alles auf Anfang" ja genau das.
Dass der Satz "Wenn die Masken endlich fallen" mal nicht im übertragenen Sinne ausgesprochen würde, hätten viele von uns vor der Pandemie wohl nicht gedacht. Über zwei Jahre mussten wir mit einer Maske vor dem Gesicht durch die Welt laufen, um uns und andere nicht anzustecken. Und diese Masken haben viel verborgen, was plötzlich nicht mehr zu sehen war. Wer von uns war denn nun "der Schöne" und wer "das Biest"? Steckt hinter dem weißen Mund- und Nasenschutz jemand, dessen Ganzes einem schon beim bloßen Anschauen aus den Schuhen heben würde oder würde man wohl Abstand von ihm oder ihr nehmen? Die Antworten darauf bekommt man erst, "wenn die Masken fallen", und in dem einmal mehr von Henry-Martin Klemt getexteten Song.
An dieser Stelle möchte ich meine Vorstellung der Lieder auf "Portugal" mal enden lassen, denn die Rezension hier ist einmal mehr schon wieder viel zu lang geworden. Die hier jetzt fehlenden Stücke darf der neugierig gemachte Leser selbst erkunden, und er wird dabei nicht enttäuscht sein …
Musikalisch hatte ich beim ersten Hören das Gefühl, "Portugal" ist ein eher ruhiges Album geworden. Aber dies scheint nur auf den ersten Blick der Fall zu sein. Entstanden ist der Eindruck, weil Dirk Zöllner sein neues Album mit einer getragen schönen Klavier-Ballade eröffnet, womit er zu Beginn den Herd nicht gleich auf den letzten Punkt anschmeißt. Dazu kommt, dass das als Single vorab veröffentlichte "Zwei blinde Passagiere" vom Arrangement her die Leute auch nicht gleich auf die Tanzfläche stürmen lässt. Vielmehr nimmt sich das hier operierende Ensemble bei diesen zwei Songs etwas zurück, ohne aber dabei selbst einzuschlafen oder den Zuhörer zu chloroformieren. Und daneben bringt "Portugal" genug Songs mit, bei denen es instrumental ordentlich was auf die Zwölf gibt. Gleich die zweite Nummer "Mama unser" ist so ein Vertreter. Das Stück erinnert vom Gebläse her ein wenig an den Sound der Gruppe Panta Rhei. Es klingt verschärft nach Protzmanns Jazzrock-Kapelle, und die Bläser werden direkt neben einer neuzeitlich klingenden und krachenden Stromgitarre und ins Bein fahrenden Trommelschlägen geparkt. Eher funky ist "Der alte Zorn" arrangiert, während das Lied "Portugal" von der Machart her entfernt an Reinhard Lakomys Handschrift erinnert und ein echter Swing geworden ist. "Kullerkeks" ist eine Nummer für das Nachtprogramm im Radio, das man auf längeren Autofahrten einschaltet und von dem man dort gut unterhalten wird, und "Alles auf Anfang", "Machandeltal" sowie "Wenn die Masken endlich fallen" überzeugen durch ihre sommerlich-leichte Lockerheit. Auf dem neuen Zöllner-Album legt man wieder viel Wert auf Feinheiten, die es zu entdecken gilt, und verspielte Kleinigkeiten, die dem markanten Zöllner-Sound weitere Farbtupfer verleihen. Es ist nichts in irgendwelche Formen gepresst, Grenzen werden spielend überschritten und damit eine breite Palette von Spielarten angeboten. Die neuen Lieder fügen sich stilistisch prima in die lange Reihe toller Produktionen wie der bereits genannten Gruppe Panta Rhei oder denen von Modern Soul oder auch Manne Krug ein. Frisch und knackig wird der Sound schließlich durch zeitgemäße und doch zeitlose Elemente aus dem Rock- und Pop-Bereich. Kurz: Die Scheibe ist so bunt und prächtig im Farbenspiel wie die Cover der drei vorab veröffentlichten Singles. Von außen feiner Stoff fürs Auge, und drinnen feiner Stoff fürs Ohr …
(Christian Reder)
Schwer verliebt und doch verirrt hat sich Scholle gleich im Opener, denn die Hauptdarstellerin des Songs, Miss Townsend, ist die Auserwählte, die er nicht nur ehelichen und vervielfältigen möchte, sondern die sich nach dem Liebesgeständnis in sexueller Hinsicht leider auch als gleich gepolt outet. "Misst!"
Die Frage, ob es Gott wirklich gibt und wenn ja, welchen Geschlechts er ist, stellen sich viele Menschen schon seit Generationen. Im Gegenstück zum Vater unser, dem "Mama unser", hat sich Dirk Zöllner vom Texter Henry-Martin Klemt genau aufschreiben lassen, wie Gott wohl wäre, wenn es ihn wirklich gäbe. Gott wäre nämlich eine "pechschwarze Frau" mit grauen Haaren, die ihren Sohn ganz sicher nicht auf die Erde entsenden würde, um ihn - für was auch immer - sterben zu lassen. Überhaupt würde Gott als Göttin viele Dinge nicht zu- und manche Missstände gar nicht erst aufkommen lassen. Weil Frauen eben ganz anders sind als Männer. Mit dem Herzen denkend und den Blick auch zur Seite richtend. Und diese Göttin würde - so sagt es die letzte Zeile - auch genau sehen, was Du so treibst.
Über die Angst vor dem Mob, der vor Wut auf die Straßen zieht, um seinem Unmut Luft zu machen und dabei nicht friedlich bleiben will, hat der gleiche Textdichter für Dirk auch die richtigen Worte zum Song "Der alte Zorn" gefunden. Hier steht man aber nicht etwa auf und bietet der Meute und ihrem lauten Schreien die Stirn, sondern resigniert scheinbar und zieht sich lieber ins eigene Kämmerlein zurück. Ein bedrückendes Szenario, das hier mit Noten und Gesang verarbeitet wurde.
Eher poetisch - und damit auch mit einem großzügigen Interpretationsspielraum - geht es dann im Song "Zwei blinde Passagiere" weiter. Hierbei handelt es sich um einen Text von Werner Karma, dessen Arbeit Scholle ja bereits auf dem Album "Dirk & das Glück" ein Denkmal setzte. Dort begegnete man auch schon seiner Duett-Partnerin Steffi Breiting, mit der er hier das Lied von den "Zwei blinde(n) Passagiere(n)" singt. Warum Frau Breiting die Allzweckwaffe in Sachen Rock und Blues geworden ist, der man inzwischen bei zahlreichen Projekten (z.B. den Klosterbrüdern) über den Weg läuft, kann man dieser Nummer hier sehr gut ablesen. Stimmlich hat die Dame reichlich auf der Pfanne und steht damit jedem Lied und jeder Spielart gut zu Gesicht.
Ein Wiedersehen gibt es auch mit einem anderen Menschen, der uns allen, die ihn kannten und liebten, sehr fehlt: Andreas Hähle. Für sein neues Album hat Scholle den Text zu "Portugal" von ihm genommen und zeitgeschichtlich etwas angepasst. Es geht darin um die Begegnung zweier Menschen in Berlin. Der Eine will flanieren, der Andere demonstrieren (Oha, das reimt sich sogar …). Während der Eine ziemlich aufgebracht ist, ist der Andere eher gechillt, zieht ein Berliner Stadtderby im Fußball der Demo vor, und verweist noch auf die Option, auch nach "Portugal" fliehen zu können, wenn Berlin eben zu kalt geworden sein sollte. Eine feine Geschichte, über die man durchaus mal nachdenken darf und aus der der eigene Fluchtreflex des Herrn Zöllner durchschimmert …
Scholle hat den Ort, wo er gern alt und grau werden möchte, wohl gefunden. Es ist das Machandeltal auf der Insel Rügen. Vor knapp einem Jahr lud er viele Freunde dorthin ein, um seinen 60. Geburtstag mit ihm zu feiern. Auch ich bekam eine Einladung, war damals gesundheitlich aber leider ziemlich angeschlagen, so dass ich die Reise dorthin nicht antreten konnte. So entging mir nicht nur das Hochleben lassen des lieben Dirk, sondern auch das Kennenlernen dieses wunderschönen Fleckchen Erde, das er da entdeckt hat. Diesem "Machandeltal" hat der Kollege Harald Wandel sogar einen Text gewidmet, den Scholle nun vertont hat. Eine Hymne auf den Ort und das Leben, das man dort führen könnte. Es wird davon geträumt, wer dahin mitkommen soll und festgelegt, wen man dort nicht sehen möchte. Es könnte ein Paradies werden … aber nicht, ohne auch selbst was dafür zu tun.
Aus Fehlern lernt man bekanntlich und oft ist da der Wunsch, an einem bestimmten Punkt im Zeitgeschehen nochmal neu starten zu können. Davon singt uns Dirk Zöllner im von ihm getexteten Song "Alles auf Anfang". Und diese Nummer lässt sich wunderbar vom Kleinen ins Große übertragen. Bei einem Blick auf das aktuelle Geschehen in dieser Republik könnte diese Nummer hier schnell zum Lied einer Bewegung derer werden, die gute alte Ideen neu aufgreifen möchte und versuchen will, sie besser umzusetzen als die, die sie gerade vermurkst haben. Wer weiß … vielleicht wird "Alles auf Anfang" ja genau das.
Dass der Satz "Wenn die Masken endlich fallen" mal nicht im übertragenen Sinne ausgesprochen würde, hätten viele von uns vor der Pandemie wohl nicht gedacht. Über zwei Jahre mussten wir mit einer Maske vor dem Gesicht durch die Welt laufen, um uns und andere nicht anzustecken. Und diese Masken haben viel verborgen, was plötzlich nicht mehr zu sehen war. Wer von uns war denn nun "der Schöne" und wer "das Biest"? Steckt hinter dem weißen Mund- und Nasenschutz jemand, dessen Ganzes einem schon beim bloßen Anschauen aus den Schuhen heben würde oder würde man wohl Abstand von ihm oder ihr nehmen? Die Antworten darauf bekommt man erst, "wenn die Masken fallen", und in dem einmal mehr von Henry-Martin Klemt getexteten Song.
An dieser Stelle möchte ich meine Vorstellung der Lieder auf "Portugal" mal enden lassen, denn die Rezension hier ist einmal mehr schon wieder viel zu lang geworden. Die hier jetzt fehlenden Stücke darf der neugierig gemachte Leser selbst erkunden, und er wird dabei nicht enttäuscht sein …
Musikalisch hatte ich beim ersten Hören das Gefühl, "Portugal" ist ein eher ruhiges Album geworden. Aber dies scheint nur auf den ersten Blick der Fall zu sein. Entstanden ist der Eindruck, weil Dirk Zöllner sein neues Album mit einer getragen schönen Klavier-Ballade eröffnet, womit er zu Beginn den Herd nicht gleich auf den letzten Punkt anschmeißt. Dazu kommt, dass das als Single vorab veröffentlichte "Zwei blinde Passagiere" vom Arrangement her die Leute auch nicht gleich auf die Tanzfläche stürmen lässt. Vielmehr nimmt sich das hier operierende Ensemble bei diesen zwei Songs etwas zurück, ohne aber dabei selbst einzuschlafen oder den Zuhörer zu chloroformieren. Und daneben bringt "Portugal" genug Songs mit, bei denen es instrumental ordentlich was auf die Zwölf gibt. Gleich die zweite Nummer "Mama unser" ist so ein Vertreter. Das Stück erinnert vom Gebläse her ein wenig an den Sound der Gruppe Panta Rhei. Es klingt verschärft nach Protzmanns Jazzrock-Kapelle, und die Bläser werden direkt neben einer neuzeitlich klingenden und krachenden Stromgitarre und ins Bein fahrenden Trommelschlägen geparkt. Eher funky ist "Der alte Zorn" arrangiert, während das Lied "Portugal" von der Machart her entfernt an Reinhard Lakomys Handschrift erinnert und ein echter Swing geworden ist. "Kullerkeks" ist eine Nummer für das Nachtprogramm im Radio, das man auf längeren Autofahrten einschaltet und von dem man dort gut unterhalten wird, und "Alles auf Anfang", "Machandeltal" sowie "Wenn die Masken endlich fallen" überzeugen durch ihre sommerlich-leichte Lockerheit. Auf dem neuen Zöllner-Album legt man wieder viel Wert auf Feinheiten, die es zu entdecken gilt, und verspielte Kleinigkeiten, die dem markanten Zöllner-Sound weitere Farbtupfer verleihen. Es ist nichts in irgendwelche Formen gepresst, Grenzen werden spielend überschritten und damit eine breite Palette von Spielarten angeboten. Die neuen Lieder fügen sich stilistisch prima in die lange Reihe toller Produktionen wie der bereits genannten Gruppe Panta Rhei oder denen von Modern Soul oder auch Manne Krug ein. Frisch und knackig wird der Sound schließlich durch zeitgemäße und doch zeitlose Elemente aus dem Rock- und Pop-Bereich. Kurz: Die Scheibe ist so bunt und prächtig im Farbenspiel wie die Cover der drei vorab veröffentlichten Singles. Von außen feiner Stoff fürs Auge, und drinnen feiner Stoff fürs Ohr …
(Christian Reder)
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