Heinz Rudolf Kunze: "Können vor Lachen" (Album)
VÖ: 26.05.2023; Label: Meadow Lake Music; Katalognummer: MEADOW021-2; Musiker: Heinz Rudolf Kunze (Gesang, Gitarre, Piano), Jens Carstens (Schlagzeug, Musical Director), Manuel Lopez (Gitarre, Backing Vocals), Andreas Gräser (Gitarre, Backing Vocals), Matthias Ulmer (Keyboard, Backing Vocals), Leo Schmidthals (Bass, Backing Vocals); Bemerkung: Dieses Album wurde außer auf Schallplatte/Vinyl auch auf CD veröffentlicht;
Titel: Seite 1: "Halt mich fest", "Halt das Herz an", "Können vor Lachen" Seite 2: "Du tust mir gut", "Igor", "Die furchtbaren herrlichen Jahre", "Kein Zeitgefühl" Seite 3: "Immer nur um Dich", "Klar hab ich geweint", "Trostlosigkeitsallee " Seite 4: "Der Irrsinn hat System", "Lass uns tun was geht", "Liebes Lied", "Leuchtturm" |
Rezensionen:
Eine Meinung der Redaktion:
Es gibt Erlebnisse für einen Moment, und dann gibt es Momente, die für die Ewigkeit sind. Naja, das klingt zugegebenermaßen jetzt etwas hoch gegriffen. Doch einen Moment für die Ewigkeit gab es für mich tatsächlich Ende 2020. Ich arbeite nun schon eine ganze Weile für Deutsche Mugge und habe auch schon mehr als ein Interview geführt - führen dürfen. Aber ein Highlight in der Reihe bleibt für mich auf jeden Fall das Interview mit Heinz Rudolf Kunze. Es war ein sehr kurzweiliges, ehrliches und direktes Gespräch.
Natürlich ist es mir da auch eine Herzensangelegenheit, das neue - inzwischen 39. - Album zu besprechen. Auffallend ist schon die Hyäne auf dem Cover, die ihre gefährlichen Zähne zeigt und irgendwie doch auch spitzbübisch guckt. Zudem hat sie eine Brille. Die Querverweise zu HRK sind sicher nur zufällig. ;-) Für mich zeichnen sich die Texte des HRK dadurch aus, dass man schon sehr genau und auch mehrmals hinhören muss, um den Inhalt und die Aussagen zu verstehen. Oberflächliche Schunkelhits sind seine Sache nicht. Dies stellt er gleich mit dem Opener "Halt mich fest" unter Beweis. Nicht nur, dass er mit einem tollen Gitarrensound sofort ins Ohr geht. Kritisch setzt sich Kunze mit der aktuellen Zeit auseinander - und wünscht sich zeitgleich Halt. "Können vor Lachen" steht dem in nichts nach. Wobei es hier darum geht, dass sich viele Zeitgenossen siegessicher wähnen, aber dann eben wenig dahinter steckt. In "Der Irrsinn hat System" hebt HRK ebenfalls den Zeigefinger unter anderem gegen die aktuelle Politik. Natürlich ist er ein Demokrat, das sei an dieser Stelle betont. Doch nimmt er wahr, dass eben die Politik die Leute nur noch schwer erreicht und immer weniger mitnimmt. "Du tust mir gut" ist eines der Liebeslieder, die auf dem Album zu finden sind. "Halt das Herz an" gehört ebenfalls dazu, was auch die erste Single-Auskopplung ist. Die zweite Singleauskopplung ist "Igor": Der bildet einen krassen Gegensatz zu der ersten Auskopplung. Kunze arbeitet in seinen Texten oft auch politische Themen auf, so auch in dem Song. Hier geht es um einen jungen russischen Soldaten, der im Ukraine-Krieg eingesetzt ist. Der Musikus arbeitet hier allerdings sehr gut heraus, dass nicht alle Russen freiwillig in den Krieg ziehen und dahinter stehen. Die Nummer baut sich auch musikalisch immer weiter auf und findet den Höhepunkt im Refrain. So geht der Song nicht nur ins Ohr, sondern auch ins Herz. Für mich ist es die Nummer, die am meisten herausragt. Von der Länge her herausragend ist "Trostlosigkeitsallee" mit fast sieben Minuten. Hier malt sich Kunze aus, wie verschiedene große Köpfe zusammensitzen, Schach spielen oder diskutieren.
Zusammenfassend muss ich sagen, dass mich das Album sehr an den Kunze der 1980er und 90er Jahre erinnert. Er hat nichts von seinem Scharfsinn eingebüßt. Er ist und bleibt ein Dichter, Denker und Mahner. In der Fanbox ist ebenfalls eine DVD mit einer Dokumentation zu der 40-jährigen Karriere des HRK enthalten. Dort gibt es überraschend private Einblicke. Zu sehen ist auch, wo er den Großteil seiner Texte schreibt. Ein paar Weggefährten kommen auch zu Wort, so zum Beispiel Reinhard Mey. Es sind sehr kurzweilige 60 Minuten. Ich empfehle auf jeden Fall den Kauf. Zur Sprache kommt dort ebenfalls, dass Künstler durch Streaming so gut wie nichts verdienen. Also liebe Leser, bitte die CDs original kaufen und damit die Künstler unterstützen, die ihr mögt.
(Antje Nebel)
(Antje Nebel)
Die Meinung des Fan-Clubs:
01. - Beim Opener "Halt mich fest", der fast noch druckvoller daherkommt als "Der Prediger", haben wir die seltene Besonderheit, dass der Song nach kurzem Intro schon in den Versen fett los rockt, der Refrain aber im Stil einer Klavierballade mit Violine und ganz weichen Keyboards zurückfährt, und die Botschaft deshalb umso eindringlicher vermittelt. Es findet eine wütende Aufzählung von Missständen statt, die dann aber mit einem hoch melodischen Therapieangebot beantwortet wird. Am Ende bahnt sich ein geiles und knackiges Gitarrensolo seinen Weg.
02. - Die erste Single "Halt das Herz an" polarisiert ja mal wieder ein wenig. Heinz hatte sich ja mit Matthias Ulmer getroffen, um einen fertigen Song für Pur zu schreiben. Als das erledigt war, sagte Matthias: "Ich habe da noch was", und führte die Komposition vor, aus der dann später "Halt das Herz an" wurde. Da der Song bereits bekannt ist, müssen wir ihn nicht beschreiben. Er stellt zum Opener aber einen Kontrast da, der ein fast ein bisschen heftig ausfällt.
03. - Das Titelstück "Können vor Lachen" ist toll, schönes Gitarrenriff, fluffiges Keyboard, ein bisschen 60s-Feeling, hier lohnt es sich aber schon einmal, darauf hinzuweisen, dass Udo Rinklin seine Arbeitsweise auf diesem Album noch stärker durchgedrückt hat. Das wird schon für manch einen etwas ungewohnt sein, was man aber zunächst mal wertfrei beurteilen sollte. HEINZ singt so ziemlich alle Backing Vocals selbst, es wird noch etwas häufiger mit Verfremdung der Stimme gearbeitet, und gelegentlich wirklich ungewöhnlich arrangiert. Da ist dieses von HEINZ selbst gesungene "Uh-lalala" im Hintergrund von "Können vor Lachen" zunächst mal gewöhnungsbedürftig, und deshalb ein schönes Beispiel. Jedenfalls bei den ersten beiden Durchgängen, jetzt im Gehörgang höre ich, dass alles seinen Platz gefunden hat. Ansonsten hat HEINZ ja die Doppeldeutigkeit des Titeltracks in diversen Interviews schon erklärt, da er mehrfach danach gefragt wurde. Ist aber natürlich eigentlich selbsterklärend.
04. - Track 4 kommt sehr unschuldig, und mit einer sehr einfachen Message daher, auch musikalisch. Er ist fast schon zu eingängig, und der Titel "Du tust mir gut" wird gefühlt etwa 100 Mal wiederholt. Wir hatten ihn als zweite Single vermutet, und ihn ehrlich gesagt auch lieber als Single B-Seite untergebracht. Man muss auch ein bisschen vorsichtig sein, wenn man ihn zu oft hört. Dann kriegt man ihn nämlich gar nicht mehr aus dem Kopf.
Bis hierhin ist die Anordnung der Songs auf dem Album für den langjährigen Kunze-Hörer ein bisschen gewöhnungsbedürftig, weil der Flow etwas gestört wird, wie wir meinen. Nun nimmt das Album aber richtig Fahrt auf!
05. - IGOR ist Kunze pur, der klug gewählte zweite Vorabtrack, und inzwischen ja bereits mit drei Versionen im Umlauf. Die auf dem Album ist logischerweise die opulenteste, allerdings betont düster angelegt, und mit einer wunderschönen Leadgitarre versehen. Gänsehaut entsteht dann spätestens im ersten Refrain, der von einer ziemlich starken Orgel unterstützt wird. Der Instrumentenpark baut sich dann weiter auf, zu den elektronischen Drums gibt nun Jens den Ton an, und zum Ende hin wird dann richtig Wall of Sound gespielt. Man darf neugierig sein, ob es den Song dann auf der Tour akustisch und gesetzt gibt, oder ob die Band diesen kaskadenartigen Aufbau wählt. Der Text lädt zu einer fruchtbaren Diskussion ein, wie man politische Lieder am besten anlegt und wie sie dann in der Regel altern.
06. - Auch der nächste Song "Die furchtbar herrlichen Jahre" ist absolut typisch Kunze. Würde man 200 Songs von HEINZ wahllos in einen Trichter werfen, und einen Computer darauf programmieren daraus einen einzigen zu machen, dann käme etwa so etwas dabei raus. Zumal die Nummer in der Tat auch davon handelt, wie man das Auf und Ab des Hundelebens über einen großflächigen Zeitraum in der Rückschau beurteilen soll. "Diese furchtbaren herrlichen Jahre" enthält ganz wunderbare Wortspiele und ist einer dieser Songs, wo man auch beim zehnten Hören noch etwas Neues entdeckt. Sehr schöne Uptempo-Nummer mit viel Text und sehr schönem Harmonika-Einsatz. HEINZ selbst nennt nach kurzem Überlegen diesen Song als mögliches Lieblingsstück aus dem Album. Das hört man gern, denn er muss unbedingt ins Liveprogramm. Eigentlich sogar in beide Live-Programme.
07. - Und schon kommt das nächste Prachtstück. "Kein Zeitgefühl" wird getrieben von einem wunderbaren Klavierthema, rockt wie die Sau, und glänzt mit einem fantastisch arrangierten Refrain. Es ist ganz sicher der schweißtreibenste Song auf dem Album, der nur leider mit 3:18 zu kurz geraten ist. Die Lyrics handeln übrigens von dem Problem, in dem heutigen Nachrichten Overkill den Überblick zu behalten.
08. - Wir haben ja schon angedeutet, dass die beiden Liebeslieder Track 2 und 4 unserer Meinung nach nicht so richtig Kunze sind und manch einem Wuki oder "Fan der ersten Stunde" etwas oberflächlich daherkommen könnten. Vor allem, wenn man sie mit dem wunderbaren "Immer nur um Dich" vergleicht. Das ist nämlich wiederum zum Niederknien. Instrumentierung und Stimmung erinnern an "Ich brauch dich jetzt", die Effekte auf Gitarre und Keyboard liegen auf den Punkt, HEINZ arbeitet sich spielend durch beträchtliche Höhenunterschiede. Die Message ist übrigens auch hier nicht besonders kompliziert, aber sie wird musikalisch einfach großartig unterfüttert.
09. - "Klar hab ich geweint" ist zunächst mal ein großartiger Songtitel, der dann auch hält was er verspricht. Musikalisch erinnert er ein wenig an "Wenn du ohne Liebe bist" aus dem letzten Album. Ein sehr eingängiger und gut herausgearbeiteter Refrain, und eine unaufgeregte, schön arrangierte Instrumentierung, so klar, dass man den Boden sehen kann. Auch diese Nummer wäre eine wunderschöne Single gewesen.
10. - Der nächste Song "Trostlosigkeitsallee", der inzwischen fast traditionelle Siebenminüter, ist auch wieder so einer, wie man ihn nur bei Kunze bekommt. Akustisch, ziemlich auf Retro gemacht und vollgepackt wie ein Film. Und der spielt in einer Straße namens "Trostlosigkeitsallee". Dort ist eine ganze Reihe von großen Geistern gestrandet, die dort so etwas wie ein Zusammenleben versuchen, wobei sich auch ein bisschen der Charme einer besonderen Heilanstalt vermittelt. Diese Nummer baut sich trotz ihrer Länge nur zögernd auf, erinnert deshalb auch ein wenig an "Herzschlagfinale".
11. - "Der Irrsinn hat System" ist der wütendste Song auf dem Album, was er auch musikalisch deutlich darstellt. Laut, rotzig, kompromisslos mit Bratgitarren. Man fühlt sich schnell an "Pervers" erinnert. Worin der Irrsinn besteht, bleibt allerdings etwas im Nebel, da wird HEINZ nicht so richtig konkret und fördert, wie so oft damit die Kopfarbeit seiner Hörer.
12. - Track 12 ist die Durchhalteparole "Lass uns tun was geht" mit einem sehr ulkigen Beginn. Ein Westernklavier begrüßt den Hörer, und wird nach ein paar Takten unterstützt von einem Gospelchor. Cool gemacht, aber bevor der Gesang einsetzt ist der Spuk schon wieder vorbei. So gesehen ist die Nummer die Antwort auf den "Irrsinn" davor. Also nicht krakeelen und verzweifeln, sondern selbst etwas tun.
13. - Das "Liebes Lied" (nein, oder doch "Liebeslied") ist ein schönes und kommt recht harmlos daher. Aber mit einer anderen textlichen Raffinesse als z.B. "Du tust mir gut'". Statt Westernklavier diesmal eine kräftige Westerngitarre mit schön viel Hall, wir haben es hier nämlich mit einem Country Songs zu tun.
Wir sind bislang nur kurz darauf eingegangen, man nimmt es eigentlich auch immer als Selbstverständlichkeit, aber auch die Gesangsaufnahmen für dieses Album sind überaus gelungen und gut gemacht. Heinz trifft jeden Ton, singt ausdrucksstark und mühelos, und wird dabei großartig eingefangen. Es ist keinesfalls erforderlich bei irgendwelchen Gesangslinien Tonarten zu transponieren oder sonst irgendwie zu tricksen.
14. - Der Track "Leuchtturm" ist für den Schluss des Albums ebenso gut gewählt, wie "Dunkelheit" auf dem Vorgänger. "Leuchtturm" kommt allerdings aus der mysteriöseren Schublade, Es wabert zunächst elektronisch durch die einsetzende Dunkelheit. Text und Musik beginnen nebulös, entwickeln sich dann aber zunehmend klarer. Thematisch zeichnet HEINZ hier Bilder, die man auf ganz viele Bereiche übertragen könnte. Richtungslosigkeit, Verwirrung, Suche nach Bedeutung. Ein vielsagendes: "Was soll ich denn sonst machen?" Dieser Song hat vermutlich das höchste Suchtpotenzial und regt die Fantasie am stärksten an. Deshalb eine vorzügliche Schlussnummer.
(Kalle Prigge )
Für weitere Infos zum Album lest bitte auch das Interview, das der Fanclub mit HRK geführt hat: HIER klicken
01. - Beim Opener "Halt mich fest", der fast noch druckvoller daherkommt als "Der Prediger", haben wir die seltene Besonderheit, dass der Song nach kurzem Intro schon in den Versen fett los rockt, der Refrain aber im Stil einer Klavierballade mit Violine und ganz weichen Keyboards zurückfährt, und die Botschaft deshalb umso eindringlicher vermittelt. Es findet eine wütende Aufzählung von Missständen statt, die dann aber mit einem hoch melodischen Therapieangebot beantwortet wird. Am Ende bahnt sich ein geiles und knackiges Gitarrensolo seinen Weg.
02. - Die erste Single "Halt das Herz an" polarisiert ja mal wieder ein wenig. Heinz hatte sich ja mit Matthias Ulmer getroffen, um einen fertigen Song für Pur zu schreiben. Als das erledigt war, sagte Matthias: "Ich habe da noch was", und führte die Komposition vor, aus der dann später "Halt das Herz an" wurde. Da der Song bereits bekannt ist, müssen wir ihn nicht beschreiben. Er stellt zum Opener aber einen Kontrast da, der ein fast ein bisschen heftig ausfällt.
03. - Das Titelstück "Können vor Lachen" ist toll, schönes Gitarrenriff, fluffiges Keyboard, ein bisschen 60s-Feeling, hier lohnt es sich aber schon einmal, darauf hinzuweisen, dass Udo Rinklin seine Arbeitsweise auf diesem Album noch stärker durchgedrückt hat. Das wird schon für manch einen etwas ungewohnt sein, was man aber zunächst mal wertfrei beurteilen sollte. HEINZ singt so ziemlich alle Backing Vocals selbst, es wird noch etwas häufiger mit Verfremdung der Stimme gearbeitet, und gelegentlich wirklich ungewöhnlich arrangiert. Da ist dieses von HEINZ selbst gesungene "Uh-lalala" im Hintergrund von "Können vor Lachen" zunächst mal gewöhnungsbedürftig, und deshalb ein schönes Beispiel. Jedenfalls bei den ersten beiden Durchgängen, jetzt im Gehörgang höre ich, dass alles seinen Platz gefunden hat. Ansonsten hat HEINZ ja die Doppeldeutigkeit des Titeltracks in diversen Interviews schon erklärt, da er mehrfach danach gefragt wurde. Ist aber natürlich eigentlich selbsterklärend.
04. - Track 4 kommt sehr unschuldig, und mit einer sehr einfachen Message daher, auch musikalisch. Er ist fast schon zu eingängig, und der Titel "Du tust mir gut" wird gefühlt etwa 100 Mal wiederholt. Wir hatten ihn als zweite Single vermutet, und ihn ehrlich gesagt auch lieber als Single B-Seite untergebracht. Man muss auch ein bisschen vorsichtig sein, wenn man ihn zu oft hört. Dann kriegt man ihn nämlich gar nicht mehr aus dem Kopf.
Bis hierhin ist die Anordnung der Songs auf dem Album für den langjährigen Kunze-Hörer ein bisschen gewöhnungsbedürftig, weil der Flow etwas gestört wird, wie wir meinen. Nun nimmt das Album aber richtig Fahrt auf!
05. - IGOR ist Kunze pur, der klug gewählte zweite Vorabtrack, und inzwischen ja bereits mit drei Versionen im Umlauf. Die auf dem Album ist logischerweise die opulenteste, allerdings betont düster angelegt, und mit einer wunderschönen Leadgitarre versehen. Gänsehaut entsteht dann spätestens im ersten Refrain, der von einer ziemlich starken Orgel unterstützt wird. Der Instrumentenpark baut sich dann weiter auf, zu den elektronischen Drums gibt nun Jens den Ton an, und zum Ende hin wird dann richtig Wall of Sound gespielt. Man darf neugierig sein, ob es den Song dann auf der Tour akustisch und gesetzt gibt, oder ob die Band diesen kaskadenartigen Aufbau wählt. Der Text lädt zu einer fruchtbaren Diskussion ein, wie man politische Lieder am besten anlegt und wie sie dann in der Regel altern.
06. - Auch der nächste Song "Die furchtbar herrlichen Jahre" ist absolut typisch Kunze. Würde man 200 Songs von HEINZ wahllos in einen Trichter werfen, und einen Computer darauf programmieren daraus einen einzigen zu machen, dann käme etwa so etwas dabei raus. Zumal die Nummer in der Tat auch davon handelt, wie man das Auf und Ab des Hundelebens über einen großflächigen Zeitraum in der Rückschau beurteilen soll. "Diese furchtbaren herrlichen Jahre" enthält ganz wunderbare Wortspiele und ist einer dieser Songs, wo man auch beim zehnten Hören noch etwas Neues entdeckt. Sehr schöne Uptempo-Nummer mit viel Text und sehr schönem Harmonika-Einsatz. HEINZ selbst nennt nach kurzem Überlegen diesen Song als mögliches Lieblingsstück aus dem Album. Das hört man gern, denn er muss unbedingt ins Liveprogramm. Eigentlich sogar in beide Live-Programme.
07. - Und schon kommt das nächste Prachtstück. "Kein Zeitgefühl" wird getrieben von einem wunderbaren Klavierthema, rockt wie die Sau, und glänzt mit einem fantastisch arrangierten Refrain. Es ist ganz sicher der schweißtreibenste Song auf dem Album, der nur leider mit 3:18 zu kurz geraten ist. Die Lyrics handeln übrigens von dem Problem, in dem heutigen Nachrichten Overkill den Überblick zu behalten.
08. - Wir haben ja schon angedeutet, dass die beiden Liebeslieder Track 2 und 4 unserer Meinung nach nicht so richtig Kunze sind und manch einem Wuki oder "Fan der ersten Stunde" etwas oberflächlich daherkommen könnten. Vor allem, wenn man sie mit dem wunderbaren "Immer nur um Dich" vergleicht. Das ist nämlich wiederum zum Niederknien. Instrumentierung und Stimmung erinnern an "Ich brauch dich jetzt", die Effekte auf Gitarre und Keyboard liegen auf den Punkt, HEINZ arbeitet sich spielend durch beträchtliche Höhenunterschiede. Die Message ist übrigens auch hier nicht besonders kompliziert, aber sie wird musikalisch einfach großartig unterfüttert.
09. - "Klar hab ich geweint" ist zunächst mal ein großartiger Songtitel, der dann auch hält was er verspricht. Musikalisch erinnert er ein wenig an "Wenn du ohne Liebe bist" aus dem letzten Album. Ein sehr eingängiger und gut herausgearbeiteter Refrain, und eine unaufgeregte, schön arrangierte Instrumentierung, so klar, dass man den Boden sehen kann. Auch diese Nummer wäre eine wunderschöne Single gewesen.
10. - Der nächste Song "Trostlosigkeitsallee", der inzwischen fast traditionelle Siebenminüter, ist auch wieder so einer, wie man ihn nur bei Kunze bekommt. Akustisch, ziemlich auf Retro gemacht und vollgepackt wie ein Film. Und der spielt in einer Straße namens "Trostlosigkeitsallee". Dort ist eine ganze Reihe von großen Geistern gestrandet, die dort so etwas wie ein Zusammenleben versuchen, wobei sich auch ein bisschen der Charme einer besonderen Heilanstalt vermittelt. Diese Nummer baut sich trotz ihrer Länge nur zögernd auf, erinnert deshalb auch ein wenig an "Herzschlagfinale".
11. - "Der Irrsinn hat System" ist der wütendste Song auf dem Album, was er auch musikalisch deutlich darstellt. Laut, rotzig, kompromisslos mit Bratgitarren. Man fühlt sich schnell an "Pervers" erinnert. Worin der Irrsinn besteht, bleibt allerdings etwas im Nebel, da wird HEINZ nicht so richtig konkret und fördert, wie so oft damit die Kopfarbeit seiner Hörer.
12. - Track 12 ist die Durchhalteparole "Lass uns tun was geht" mit einem sehr ulkigen Beginn. Ein Westernklavier begrüßt den Hörer, und wird nach ein paar Takten unterstützt von einem Gospelchor. Cool gemacht, aber bevor der Gesang einsetzt ist der Spuk schon wieder vorbei. So gesehen ist die Nummer die Antwort auf den "Irrsinn" davor. Also nicht krakeelen und verzweifeln, sondern selbst etwas tun.
13. - Das "Liebes Lied" (nein, oder doch "Liebeslied") ist ein schönes und kommt recht harmlos daher. Aber mit einer anderen textlichen Raffinesse als z.B. "Du tust mir gut'". Statt Westernklavier diesmal eine kräftige Westerngitarre mit schön viel Hall, wir haben es hier nämlich mit einem Country Songs zu tun.
Wir sind bislang nur kurz darauf eingegangen, man nimmt es eigentlich auch immer als Selbstverständlichkeit, aber auch die Gesangsaufnahmen für dieses Album sind überaus gelungen und gut gemacht. Heinz trifft jeden Ton, singt ausdrucksstark und mühelos, und wird dabei großartig eingefangen. Es ist keinesfalls erforderlich bei irgendwelchen Gesangslinien Tonarten zu transponieren oder sonst irgendwie zu tricksen.
14. - Der Track "Leuchtturm" ist für den Schluss des Albums ebenso gut gewählt, wie "Dunkelheit" auf dem Vorgänger. "Leuchtturm" kommt allerdings aus der mysteriöseren Schublade, Es wabert zunächst elektronisch durch die einsetzende Dunkelheit. Text und Musik beginnen nebulös, entwickeln sich dann aber zunehmend klarer. Thematisch zeichnet HEINZ hier Bilder, die man auf ganz viele Bereiche übertragen könnte. Richtungslosigkeit, Verwirrung, Suche nach Bedeutung. Ein vielsagendes: "Was soll ich denn sonst machen?" Dieser Song hat vermutlich das höchste Suchtpotenzial und regt die Fantasie am stärksten an. Deshalb eine vorzügliche Schlussnummer.
(Kalle Prigge )
Für weitere Infos zum Album lest bitte auch das Interview, das der Fanclub mit HRK geführt hat: HIER klicken