CITY:: "Die letzte Runde" (Doppel-Album)

lp33 20220311 1969200035VÖ: 01.04.2022; Label: Electrola/Universal Music; Katalognummer: n.n.b.; Musiker: Toni Krahl (Gesang, Gitarre), Fritz Puppel (Gitarre), Joro Gogow (Bass, Geige), Manfred Hennig (Tasteninstrumente); Gäste: Roger Heinrich (Schlagzeug), André Kuntze (Keyboards), B.Deutung (Cello), Berliner Symphoniker, Dirk Michaelis, Dieter Birr. Henning Wehland, AnNa R., Matthias Reim (alle Gesang),. SILLY, Reinhard "Herr" Petereit; Produzent: André Kuntze, außer "Glastraum" (Ingo Politz) und "z.B. Susann" (Uwe Hassbecker); Bemerkung: Als CD und auf Schallplatte erschienen. Abdruck der Songtexte in CD-Booklet und auf der Album-Hülle;

Titel:
CD 1: Die Hymne (Come Together) • Tanz mit mir • Wir haben Wind gesät • Die Sonne geht auf • Is' soweit • Ticket nach Athen • Die glorreichen Zwei • Apokalypso • Ja, ich lebe • Aus der Ferne 2.0 • Du hast mich berührt (feat. B.Deutung) • Nach Hause • Mit offenen Armen
CD 2: Klarer Fall [Born In The GDR] (feat. Maschine & Dirk Michaelis) • Die erste Runde (Medley) • z.B. Susann (Silly feat. AnNa R.) • Glastraum (Dirk Michaelis) • Gute Gründe (Henning Wehland, Reinhard Petereit) • Casablanca (Dieter "Maschine" Birr & Uwe Hassbecker) • Wand an Wand (feat. Matthias Reim & Berliner Symphoniker) • Am Fenster (feat. Berliner Symphoniker) • Wir haben Wind gesät (feat. Berliner Symphoniker) • Die Sonne geht auf (feat. Berliner Symphoniker) • War gut

 
 
Rezension:


Ich und der (CITY-)Rock
Sie wird fuffzich in diesem Jahr, die CITY ROCK BAND, die kurz und knackig schon seit Ewigkeiten nur noch CITY heißt. So alt wie ich inzwischen auch geworden bin, und 30 dieser 50 Jahre begleitet sie mich nun. Mit der "Best of" ging es 1992 bei mir los. "Die sind geil. Die CD musst Du Dir holen", pries mir mein Cousin damals die Kapelle an als ich auf Familienbesuch in Anklam (MeckPomm) war und diese Kopplung in der Plattenabteilung des dortigen Einkaufsmarktes entdeckte. Die Scheibe und die darauf befindliche Werkschau wurde nicht nur der Soundtrack dieser Reise, sie waren außerdem Auslöser einer fortan als heiß und innig empfundenen Liebe zur CITY-Musik und Teil interessanter Begegnungen, die ich mit ihr hatte. Ich setzte sie als DJ in einem Club hier im Ruhrgebiet ein und spielte sie auch in der Videothek, in der ich als Student jobbte. Mehrfach wurde ich von Leuten darauf angesprochen, was das für eine interessante Musik sei, die ich da gerade spielen würde. Im Jahre 1997 erlebte ich erstmals die Veröffentlichung einer neuen Platte der fünf Berliner Musiker, als "Rauchzeichen" erschien. Das Ding kam raus und lief danach in Dauerschleife. Seitdem habe ich jede Albumveröffentlichung von CITY miterlebt, habe die neuen Lieder mit Spannung schon Wochen vor der VÖ erwartet, nach Erhalt wie ein Schwamm aufgesogen und abgefeiert. Die Herren Puppel, Krahl & Co. haben mich in den 30 Jahren nie mit ihren Erzeugnissen enttäuscht. Ich unterstreiche dick das Wort "NIE"! Am 1. April erscheint mit "Die letzte Runde" wieder ein neues Album und NEIN, es ist kein April-Scherz: Es wird das letzte Album der Band sein.

Rockerrente
Ein letztes Mal darf ich auf Entdeckungsreise gehen, neue CITY-Lieder kennenlernen und diesen besonderen Moment des Erstkontakts erleben. Es ist immer ein ähnliches Gefühl wie das gewesen, was man vor einem ersten Date hat. Ein Gefühl, das mir - außer einer der beim als Vergleich heran gezogenen Date ausgeführten Damen - eigentlich nur ganz wenige Bands und Solisten mit ihren Neuerscheinungen bescheren konnten. SILLY, KARAT mit Herbert Dreilich und natürlich auch Herwig Mitteregger. Die schaff(t)en das auch. Wenn ich dieses von CITY mit ihrer neuen Produktion ausgelöste Gefühl noch einmal erlebt habe, werden Fritz Puppel, Toni Krahl, Joro Gogow und Manne Hennig noch einmal auf Tour gehen und nach der letzten Mugge am 30. Dezember 2022 in Berlin das letzte Kapitel ihrer Bandgeschichte abschließen. Weitere Seiten soll es in dem CITY-Buch nicht mehr geben, denn Fritz und Toni gehen in Rente. Definitiv, absolut verdient und ohne das Vorhaben, bei eintretender Langeweile im Ruhestand zwei Jahre später wieder aufzutauchen. Diese besonderen Momente mit neuen Platten aus dem Hause CITY, wie ich sie eben beschrieb, wird es dann nie wieder geben. Keine aufsteigende Hitze, wenn Melodien oder Textzeilen einen zum ersten Mal packen und Toni näselnd seine Geschichten zu den von seinen Kollegen erzeugten Klängen erzählt. Das ist sehr schade und ein echter Grund, traurig zu sein. Aber einmal können wir ja noch … einmal haben wir sie noch … Gennießen wir sie …

Die letzte Runde
Der Neuling ist ein Doppel-Album mit vielen bis hierher ungehörten und diversen bekannten Klängen. Zum Abschied lässt es das Ensemble nochmal richtig laut werden und bringt dazu nicht nur neue Ideen sondern auch ein paar Kumpels mit, die sie beim Verabschieden unterstützen. Auf der ersten CD befinden sich die letzten neuen Lieder und es ist mir sehr schwer gefallen, nur ein paar Beispiele heraus zu picken, um sie näher vorzustellen. Aber es musste sein, ein paar Lieder müssen aus Platzgründen hier unerwähnt bleiben. Diese Rezension wird aus aktuellem Anlass eh schon sehr umfangreich
Mit "Die Hymne (Come Together)" geht es nach dem Start des Programms dann auch gleich richtig zur Sache. Der Name des Songs verspricht nicht zu wenig, denn hier erwartet den Hörer eine echte Hymne in STATUS QUO-Manier mit reichlich Momenten zum Feiern und Mitsingen. Es geht um Gleichheit und Gemeinsamkeit, und das ist doch mal echt ein Grund zum Feiern, oder?
Die gleiche musikalische DNA steckt in der bereits als Single veröffentlichten Ballade "Wir haben Wind gesät", in der es einmal mehr um uns Menschen und unsere Leistungen geht und die ein weiteres Mal die Gelegenheit für die Fans mitbringt, Toni bei Konzerten vor der Bühne tatkräftig im Chor zu unterstützen.
Ebenfalls neu und ebenfalls ein Ohrwurm ist "Die Sonne geht auf", dessen Refrain sich umgehend ins Gedächtnis gräbt und für einen Ohrwurm beim Hörer sorgt.
Das Cabrio-Dach auf, Fuß aufs Gas und immer der Straße entlang, während der Song "Is soweit" laut aus dem Radio in die Landschaft perlt. Die folkig-rockige Nummer und Tonis besonderer Einsatz seines Instruments machen das Lied zu einem Anwärter auf den nächsten Sommerhit, bei der Fritze eine gepflegte Chris Rea-Gitarre auspackt. Quasi "Driving Home for Summer".
Über eine eingeschlafene Liebe und veränderte Verhältnisse innerhalb einer Ehe berichtet uns die Berliner Band in ihrem Song "Ticket nach Athen", in dem die gefrustete Ehefrau für eine Abenteuerreise nach Griechenland flieht. Natürlich unter Einsatz unverzichtbarer Elemente eines griechischen Sirtaki, eingebaut in einen zeitlosen CITY-Rocksong.
Der wohl typischste CITY-Song auf dieser Platte dürfte vom Strickmuster her die treibende Rocknummer "Die glorreichen Zwei", eine Hommage an eine gut funktionierende Beziehung zwischen Mann und Frau, sein ("Keiner von uns muss der Stärkere sein | wenn's der eine verbockt, springt der andere ein"). Eine weitere Hymne, die sich das eine oder andere Paar sicher zu ihrem Song machen wird, denn besser lässt sich ein gut funktionierendes Team, bei dem ein Rädchen ins andere greift, nicht beschreiben.
Ein Musikstück für den Fall, dass mal kräftig was in die Hose geht und Dinge passieren, die so nicht hätten passieren dürfen, hat CITY auf diesem Album auch dabei. Mit "Apokalypso" kommt aber nicht nur ein Song im Happy-Sound zum Aufmuntern, sondern gleich auch noch der dazu passende Tanz mit Angabe der Schrittfolge daher.
Was nach den ersten Tönen an eine neue Version von SILLYs "Ein Lied für die Menschen" erinnert, ist aber CITYs neuer Song "Du hast mich berührt". Das wohl langsamste Lied auf der CD, in dem es darum geht, wie es eine Person geschafft hat, die andere völlig von sich zu begeistern und sie letztlich auch einzunehmen, ist textlich und im Arrangement ein weiteres Highlight dieser CD.
Mit "Nach Hause" liefert uns CITY noch einen vertonten Road Trip. Toni nimmt uns in einer treibenden Popnummer mit auf den Weg durch die Nacht, in den frühen Morgen und auf die Reise nach Hause. Feine mit Worten gemalte Bilder bekommt der Hörer hier präsentiert. Ein toller Song!

Alte Bekannte, neue Eindrücke und Abschiedslieder
Auf der zweiten CD gibt es u.a. ein Wiederhören mit älteren Stücken in neuem Gewand und in neuer Besetzung. Darunter befinden sich Klassiker wie z.B. "Glastraum", gesungen von Dirk Michaelis. Ihn und CITY verbindet ja schon seit Jahren eine Freundschaft. Sie gingen gemeinsam auf Weihnachtstour und als Toni bei der Rock Legenden-Tour mit Lungenentzündung ausfiel, nahmen sie ihn als Ersatz mit. Daher ist er auf dem letztem Album auch völlig zurecht mit dabei.
Ebenfalls eine Verbeugung vor dem Werk der CITYs machen die Kollegen von SILLY mit der Sängerin AnNa R. AnNa berlinert ordentlich in dem Remake des Klassikers "z.B. Susann", während die Herren das Stück rockmusikalisch in die heutige Zeit übertragen - aber nicht ohne den nötigen Retro-Anstrich, hergestellt von Ritchie an den Tasten.
So richtig krachen lassen es Maschine und Uwe Hassbecker (SILLY), die dem ´87er Klassiker "Casablanca" mittels lauter Stromgitarre und fettem Beat die Patina von der Oberfläche blasen. Bei den Strophen noch zurückhaltend, rumst es im Refrain dann aber so richtig. Diese Version schreit förmlich danach, laut gehört zu werden. Wenn das mal nicht schon unter "Neuer Deutscher Härte" einsortiert werden muss
… Weitere Gäste sind Henning Wehland von den H-Blockx und Reinhard Petereit von Rockhaus mit dem Song "Gute Gründe", sowie Matthias Reim mit dem Stück "Wand an Wand".
Dazu kommen noch ein paar alternative Versionen von CITY-Songs, die Krahl & Co. zusammen mit den Berliner Symphonikern aufgenommen haben ("Am Fenster", "Wir haben Wind gesät", "Die Sonne geht auf"). Sie sind ein Vorgeschmack auf die gemeinsame Tournee mit den Symphonikern, die im Sommer d.J. laufen wird und am 23. Juli auf der Parkbühne in der Berliner Wuhlheide ihren Abschluss finden wird.
Was gibt es noch? Ach ja … im Abliefern von Hymnen ist CITY ja bekanntlich nicht faul. Auch auf dem zweiten Silberling gibt es mit "Klarer Fall" eine solche. Unterstützt von Maschine und Dirk Michaelis werfen die Musiker einen Blick auf ihre Wurzeln in der DDR und wie sie "den Rock'n'Roll in den Osten gebracht haben". Unnötig zu erwähnen, dass es hier musikalisch wieder ordentlich rappelt und dem Hörer kräftig am Ohr gezogen wird.
Dies tut das Ensemble auch in ihrem Medley "Die erste Runde" - ebenfalls auf CD 2 zu finden. Wer glaubt, Originale kann man nicht besser machen, mag zwar Recht haben, aber man kann sie in die heutige Zeit übertragen und mit jetzt zur Verfügung stehenden Mitteln neu aufnehmen. Dies taten CITY hier u.a. mit "Es ist unheimlich heiß". "Der King vom Prenzlauer Berg" und "Meister aller Klassen" von ihrem allerersten Album, die hier in neuem Klangkleid als Mix gereicht werden. Großartiger Sound, großartiges Arrangement und ein Garant für kräftiges Zucken im Tanzbein.
Das definitiv letzte Album der Band wird mit dem Lied "War gut" geschlossen, das vor knapp zwei Jahren als Verbeugung vor und Abschiednehmen von ihrem leider verstorbenen Schlagzeuger und Mitbegründer Klaus Selmke als Single veröffentlicht wurde. Einmal noch jagt uns die zum Quartett geschrumpfte Rockband Gänsehaut über den Körper, dann ist Schluss. Der letzte Ton ist verklungen.

War gut
Auch mit der letzten Runde steht dem Hörer keine Enttäuschung ins Haus. Im Gegenteil, CITY liefert was von ihnen erwartet wird. Solide Handwerkskunst in zeitlosem und ansteckendem Klang. Umso trauriger ist es, dass die Herren tatsächlich aufhören wollen. Eine weitere geile Band mit stets guten Ideen geht und lässt uns mit den vielen gleichschenkeligen Dreiecken allein, die sich nicht mehr voneinander unterscheiden lassen und in Truppenstärke den schon lange nervenden Zeitgeist bedienen. Ich werde ihnen lange hinterher trauern und auch gleich nach Beendigung meiner endlosen Schreiberei ein wenig rum jammern. Oder ich höre mir "Die letzte Runde" nochmal an. Oder beides ...
(Christian Reder)





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