Alex Wurlitzer: "Big Business" (Album)

wurlitzer2022 20220826 2019699969VÖ: 12.08.2022; Label: Cactus Rock Records; Katalognummer: 4260288880336; Musiker: Alex Wurlitzer (Gesang, Gitarren, Pedal-Steel, Mundharmonika), Toni Wendenburg (Schlagzeug, Percussion), Kevin Rödiger (Bass), Peter Häseler (Bass), Anna Reiland (Chor-Gesang), Maria Hofmüller (Akkordeon, Santur, Nyckelharpa, Chor-Gesang), Silas Hofmüller (Flöte, Mandoline), Katharina Guhlmann (Violine, Chor-Gesang), Linda Trillhaase (Viola, Akkordeon, Chor-Gesang), Marius Leicht (Hammond Orgel), Hanna Rautzenberg (Gesang); Produzent: Alex Wurlitzer; Kompositionen/Texte: Alex Wurlitzer; Bemerkung: CD im aufklappbaren Digipak inkl. Booklet mit Abdruck der Songtexte. Die CD gibt es u.a. bei Red Blooms;

Titel:
"Streets I Know", "Big Business", "Circles Around the Sun", "Deep Blue Sea", "Point of No Return", "If I Can't Have a Martin Guitar", "I've Been High", "Bird Without a Song", "Travelin' Star", "Greedy Weeds of Darkness", "Wishing Well"


Rezension:
Wohin unsere Welt steuert, wissen wir alle nicht. Krieg, Seuchen, Dürre und andere Katastrophen gehören mittlerweile zum Alltag und man möchte gar nicht weiter darüber nachdenken, was als nächstes kommen wird. "Deshalb tun, was man tun möchte, solange es noch geht", sagt Alex Wurlitzer, Musiker, Produzent, Komponist und Gitarrenlehrer aus Thale im Harz. "Ich bin froh, dass ich zu allen möglichen Instrumenten Musiker kenne, die ich einfach anrufen kann und die auch zum Großteil meine Freunde sind", fügt er hinzu und zeigt voller Stolz sein neues Album "Big Business", das vor Kurzem erschienen und nach "Out Of Stock" (2013) sein zweites Solowerk ist.

Zu diesen Musikern, die er so kennt und nur anrufen muss, gehört u.a. auch Hanna Rautzenberg, die wir bei uns mit ihrem Album "Soulmate" vor knapp zwei Jahren hier vorgestellt haben. Bei der Produktion dieser CD saß er hinter den Reglern im Studio. Im Gegenzug singt sie auf seinem Album bei vier Liedern mit. Auch andere Namen in der Studioband hat man schon mal hier und da gehört. Wurlitzer selbst ist ja ebenfalls kein Unbekannter, hat als Musiker u.a. schon auf den Platten von Jule Werner oder der Gruppe BUBE DAME KÖNIG mitgespielt. Auch bei den hier schon vorgestellten Alben "Kopf aus'm Sand" von Micha Berndt und "Weiter" von Anna Maria Zinke trat er als Produzent in Erscheinung. Es stehen also einige Referenzen in seiner Vita. Nun also wieder als Hauptdarsteller mit Gesang, Gitarre, Pedal-Steel und Harp in eigener Mission.

Auch wegen Corona war zuletzt genügend Zeit dafür, etwas Eigenes zu gestalten. Zwischen November 2021 und Februar 2022 wurde an der CD gearbeitet. Alex Wurlitzer sagt, dass er sich am liebsten als Teil einer funktionierenden Band sieht. Diesen Wunsch nach Geselligkeit und Gemeinschaft hat er sich auch bei seinem Solo-Projekt erfüllt, denn an den Aufnahmen zu "Big Business" waren 10 andere Musiker und Freunde im Studio beteiligt. Lediglich beim Komponieren zog er die Stille und Einsamkeit vor. Etwa fünf oder sechs der Lieder entstanden im vergangenen Herbst, mitten in der (was Konzerte betrifft) "geschlossenen" Phase der Pandemie, der Rest sind Kompositionen, die schon in den Jahren davor von ihm geschrieben wurden und nun endlich das Licht der Welt erblicken. Wurlitzer hat die Lieder nicht nur alle selbst erdacht, sondern sie für sein Album auch selbst aufgenommen und gemischt. Für das Mastering holte er sich mit Bob Katz aber doch Verstärkung ins Boot.

Beim Arbeitsprozess herausgekommen ist nun ein Programm mit 11 Liedern aus dem Rock- und Folk-Bereich, mit erfrischenden Spritzern aus den Pop- und Country-Schubladen. Schon beim ersten Lied "Streets I Know" wird man mit einer positiven Stimmung im Arrangement und einer Melodie abgeholt, die sich gleich im Ohr festsetzt. Zeitlos schöne Musik, die in Sachen "handgemacht" nicht nur Tendenzen aufweist, sondern tatsächlich ein in voller Blüte stehender Blumengarten ist. Das ist qualitativ im Vergleich zu den aus Plastikgranulat gebackenen Popnümmerchen der vielen Ed Sheerans, Mark Forsters und Sarah Connors, mit der unsere Ohren medial bis zur Besinnungslosigkeit geflutet werden, in einer völlig anderen Liga beheimatet. Dies gilt übrigens auch für jeden anderen Song dieser Platte!
Dem Album seinen Namen gibt der Song "Big Business", in dem neben der wirklich guten Gesangsstimme Wurlitzers als zweite Stimme die von Hanna Rautzenberg zu hören ist. Wurlitzer legt vor, Frau Rautzenberg antwortet und beweist auch hier, dass sie - egal ob instrumental, von Baustellenlärm oder Hundegebell begleitet - scheinbar aus allem ein tolles Lied gestalten kann. Diese treibende Pop-Rock-Nummer mit deutlichen Americana-Einschlägen wird nicht zuletzt auch durch sie zum idealen Soundtrack für den nächsten Roadtrip. Fenster runter kurbeln, Arm raus und entspannt zu dieser Musik die Landstraße entlang cruisen. Feine Sache … Hanna begegnet uns - wie schon erwähnt - auf diesem Album noch öfter.
Bei "Deep Blue Sea" ist Alex Wurlitzer ein Song in der Tradition von Simon & Garfunkel gelungen. Im ersten Moment denkt man auch an ein Comeback der beiden Altstars, aber das ist nur ein kurzer Anflug. Stimmlich ist Wurlitzer woanders und auch beim instrumentalen Ausschmücken seiner Song-Idee befindet er sich zwar im gleichen Genre, aber nicht im gleichen Studio wie das erwähnte Duo. Entsprechend viel Spaß entwickelt sich beim Hören dieser wunderbaren Komposition.
Beim Song "I've Been High" könnte man meinen, Tom Petty grüßt aus der Ferne, denn von der Machart her ist die Nummer ganz nah am leider schon verstorbenen US-Musiker. Es handelt sich hier um eine locker und luftig klickende Ballade, in der Alex Wurlitzer sein Können auch an der Mundharmonika zeigen kann.
Grüßte gerade noch Tom Petty, wird man in "Travelin' Star" an die Lieder von Chris Isaac erinnert. Wie schon sein kalifornischer Kollege lässt auch Alex Wurlitzer hier seine Stimme nur von einer dezent gespielten Gitarre und einem ebenso sacht eingesetzten Schlagzeug begleiten, und rückt sein Hauptinstrument damit in den Vordergrund.
Weitere echte Song-Perlen warten darauf, von Euch selbst entdeckt zu werden. Verraten darf ich aber, dass auf "Big Business" kein Füllstoff, sondern tatsächlich 11 starke und gleichwertige Lieder zu finden sind.

Ich betone ganz deutlich, dass sich die Musik auf dieser CD NICHT wie die der genannten Kollegen aus den Staaten anhört, sondern lediglich an sie erinnert. Diese Art der Beschreibung ist nur deshalb gewählt, um in der Theorie beschreiben zu können, was man auf dieser CD hören kann. Alex Wurlitzer hat auf "Big Business" seine eigenen Ideen umgesetzt und dabei Elemente der Musik gewählt, die man hauptsächlich in den Staaten finden kann. Eigentlich bin ich kein Freund davon, wenn deutsche Musiker diesen Weg wählen und sich an "folkloristischen" US-Sounds versuchen. Peinlichkeiten wie TRUCK STOP oder das, was Familie Hertel unter dem Firmennamen MORE THAN WORDS da in Umlauf bringt, sind abschreckende Beispiele genug. Aber Wurlitzer "versucht" hier nichts, er ergänzt und erweitert sogar. Er scheint diese Musikrichtung in sich aufgesogen zu haben und das hört man den Liedern dieser CD auch an. Da wurde nix kopiert oder imitiert, sondern weiter gedacht und neu ersonnen. Die Produktion dieses Albums ist erstklassig und hält internationalen Ansprüchen stand. Eigentlich hätte es auch aus dem Land kommen können, von dessen Musik der Künstler ganz offenbar mehr als nur angetan zu sein scheint, und würde dort höchstwahrscheinlich eine breite Masse an Hörern erreichen. Dies dürfte mit unserer ausschließlich auf Schlager und Tinnef gebürsteten Medienlandschaft nur schwer hinzubekommen sein, aber zumindest beim Radiosender rockradio.de ist die Platte in der Zeit vom 25. bis 31. August 2022 das "Album der Woche". Ich drücke die Daumen, dass sich das äußerst ansprechende Liedgut auf dieser CD möglichst breit streuen kann. Egal, wohin die Welt auch steuert …
(Christian Reder)







   
   
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