Rainer Oleak: "… spielt Holger Biege" (Album)
VÖ: 26.08.2022; Label: Künstlerhafen; Katalognummer: 4260486640794; Musiker: Rainer Oleak (Flügel); Produzenten: Rainer Oleak, Dirk Mahlstedt; Beschreibung: CD im aufklappbaren Pappcover (Gatefold). Ohne Booklet, aber mit abgedrucktem Vorwort von Wolfgang Martin auf der Innenseite des Covers;
Titel: "Wenn der Abend kommt", "Sagte mal ein Dichter", "Reichtum der Welt", "Sag ihr auch", "Robinson", "Deine Liebe und mein Lied", "Bleib doch", "Dein Gesicht", "Will alles wagen", "Wenn der Abend kommt (Outro)" |
Rezension:
Der Komponist und Interpret so großer Hits wie "Sagte mal ein Dichter", "Reichtum der Welt", "Deine Liebe und mein Lied" oder "Will alles wagen", Holger Biege, wäre im kommenden Monat (September 2022) 70 Jahre alt geworden. Allein mit seinen beiden ersten Alben "Wenn der Abend kommt" (1978) und "Circulus" (1979) machte sich Biege innerhalb von nur wenigen Monaten als Künstler unsterblich. Als Mensch war er dies jedoch wie jeder andere auch. Sein viel zu früher Tod vor vier Jahren nahm seiner Frau Cordelia nicht nur den geliebten Mann, sondern der deutschen Musikszene auch einen großen Musiker und uns allen die Gelegenheit, seinen Geburtstag mit ihm gemeinsam - seiner Person und dem Anlass entsprechend - groß zu feiern. Also kein Album mit neuen Liedern zum 70. Wiegenfest, kein Geburtstagskonzert mit Gästen und auch kein Holger am Klavier, seine Hits voller Hingabe spielend und sie mit dieser unverwechselbaren Stimme singend. Diese ist am 25. April 2018 für immer verstummt, und will man seine Lieder zu so einem Anlass wirklich von anderen gesungen hören? Diese Frage ist schwer zu beantworten. Sein Berufskollege Rainer Oleak hat da eine andere Möglichkeit gefunden, die 70 doch zu feiern und dabei etwas Neues anzubieten, und das Ergebnis seiner Überlegungen stelle ich Euch heute hier vor …
Die Wege von Rainer Oleak und Holger Biege kreuzten sich erstmals im Jahre 1977. Oleak hatte gerade sein Studium für "Messtechnik und Raumakustik" an der TU Dresden abgeschlossen und war frisch zur Jazz-Rock-Gruppe NEUE GENERATION gestoßen. Dort übernahm er die Stelle als Keyboarder. Holger Biege hatte sich genau zu der Zeit gerade diese Gruppe als Studioband für die Produktion seines Albums "Wenn der Abend kommt" ausgesucht. Während Rainers Band-Kollegen dann die Songs für Holger einspielten, musste er jedoch zuschauen, denn die Parts an den Tasten spielte der Hauptakteur nämlich selbst ein. Für Oleak aber trotzdem eine gute Gelegenheit, dem Kollegen als stiller Beobachter und Zuhörer auf die Finger zu schauen. Neben den Liedern für sein eigenes Album nahm Holger Biege damals auch zwei Stücke auf, die später sein Bruder Gerd Christian singen sollte, darunter der Hit "Sag ihr auch". Beeindruckt von der Arbeitsweise und den hohen Ansprüchen Bieges an sich und das "Umfeld", sowie dem, was und wie er dort im Studio spielte und sang, blieb diese Begegnung in Oleaks Erinnerung. Mehr noch: er nahm davon einiges mit in sein eigenes Wirken als Musiker und später auch als Produzent. Das, wozu Rainer Oleak vor 45 Jahren nicht kam, nämlich die Kompositionen von Holger Biege auf seinem Instrument mit zum Leben zu erwecken, holt er nun auf seinem Album "Rainer Oleak spielt Holger Biege" nach. Und zwar allein und mit dem größten Respekt vor Biege und seinen Vorlagen.
Oleak sitzt dafür an seinem Flügel, einem Bösendorfer Imperial, und lässt seine Finger über die weißen und schwarzen Tasten tanzen. Insgesamt neun Kompositionen aus Holger Bieges Feder hat er sich ausgesucht, um diese instrumental und nur am Flügel zu spielen. Dabei blieb er komplett bei den Vorlagen, hat sie nur harmonisch erweitert. "Ich bin ein absoluter Gegner davon, aus ‚Über sieben Brücken' einen Bossa Nova zu machen", sagt Oleak und ergänzt, "und deshalb habe ich mich unheimlich streng an die originale Harmonik der Stücke gehalten". Und so ist es auch auf der CD zu hören. Wenn überhaupt etwas dazu genommen wurde, dann höchstens mal ein sogenannter Slash-Akkord, der die Harmonik ein wenig erweitert. Ansonsten klingen die Lieder genau so, wie Biege sie erdacht hat. Eine große Aufgabe stellte sich Rainer Oleak selbst damit, die Lieder allesamt instrumental aufzunehmen. Nicht die eigene Stimme oder die irgendwelcher Gastsänger einzusetzen, sondern nur das Instrument klingen zu lassen, war das Ziel. Dabei leben die Lieder von Biege im Original von den Texten und vom Gesang. Dazu kommt, dass alle Stücke im Original durcherzählte Lieder mit einem A-B-Schema sind, d.h. einer Strophe folgt ein Refrain und dem Refrain dann wieder eine Strophe usw. Es gibt darin weder C-Teile oder Soli noch Intros oder Outros. Daraus dann reine Instrumentals zu machen ist gar nicht so einfach, wenn man die Grundkompositionen nicht durch einen Wechsel des Stils oder der Gangart verfälschen will. Und das Kunststück, diese Probleme zu lösen und etwas Gutes entstehen zu lassen, ist Oleak gelungen. Die Liedstrukturen wurden erhalten und es wurden zusätzlich kleine Intros oder ein kleiner Zwischenteil, immer harmonisch zum Original, eingebaut. Damit wurde hier lediglich erweitert, aber nichts verändert, womit sich auch Holger hätte anfreunden können, der es gar nicht mochte, wenn an seiner Musik "rumgemacht" wurde. "Ich bin da äußert vorsichtig mit umgegangen", sagt Oleak, der keinesfalls übergriffig werden und den Nachlass des Kollegen mit viel Fingerspitzengefühl und seiner Kunstfertigkeit am Flügel wiedergeben wollte.
In den 10 Liedern gibt es dann aber doch eine Stelle, an der zusätzlich zum Flügel ein weiteres Instrument zum Einsatz kommt, nämlich eine Bassdrum in "Deine Liebe und mein Lied", dies aber auch nur, um noch eine weitere Dynamikstufe mit einzubauen. Ansonsten stammt jeder Ton auf dieser CD aus Oleaks Flügel. Die bei manchem Leser möglicherweise aufkeimende Befürchtung, auf Dauer könne das ziemlich langweilig werden, kann ich an dieser Stelle guten Gewissens zerstreuen. Das wird es nicht! Dafür sorgen allein schon die nach wie vor spannenden und sich irgendwie nicht abnutzenden Kompositionen Bieges. Zu den zu Beginn dieser Rezension genannten Liedern gesellen sich auch noch weitere Stücke der ersten beiden LPs und der Gerd-Christian-Hit "Sag ihr auch". Das Programm wird mit "Wenn der Abend kommt" eröffnet und mit der gleichen Nummer als Outro auch beendet. Ein gut zusammengestelltes Paket, bestehend aus 10 Tracks, das alles mitbringt, was der Biege-Fan erwartet und der "Neukunde" zuerst kennenlernen sollte.
Die Schönheit mancher Komposition kommt erst zum Vorschein, wenn man das ursprüngliche Arrangement auf ein Minimum herunter bricht. Die Vorlagen mit Gesang und Text waren (und sind) schon echte Perlen, aber Oleaks Ausflüge auf der Tastatur ermöglichen dem Hörer eine ganz andere Art des Hörens und Entdeckens der Biege'schen Ideen von Musik. "Ich wollte unbedingt vermeiden, dass es so klingt, als spiele einer in der Hotelbar Holger-Biege-Stücke am Klavier", schildert Oleak seine Gedanken während der Produktion. Dem ist auch nicht so. Vielmehr ist es eine Andacht geworden, eine Messe für Biege und eine entspannte Stunde wunderbarer Musik, die man - vielleicht mit einem Glas Wein- geschlossenen Auges einfach mal auf sich wirken lassen kann. Eintauchen, abtauchen, dieser Welt für ein paar Minuten entfliehen. Vielleicht am Geburtstag des Künstlers, der ja - wie schon erwähnt - im großen Stile nicht gefeiert werden kann?! Dann eben im Kleinen, daheim und mit dieser CD.
(Christian Reder)
Der Komponist und Interpret so großer Hits wie "Sagte mal ein Dichter", "Reichtum der Welt", "Deine Liebe und mein Lied" oder "Will alles wagen", Holger Biege, wäre im kommenden Monat (September 2022) 70 Jahre alt geworden. Allein mit seinen beiden ersten Alben "Wenn der Abend kommt" (1978) und "Circulus" (1979) machte sich Biege innerhalb von nur wenigen Monaten als Künstler unsterblich. Als Mensch war er dies jedoch wie jeder andere auch. Sein viel zu früher Tod vor vier Jahren nahm seiner Frau Cordelia nicht nur den geliebten Mann, sondern der deutschen Musikszene auch einen großen Musiker und uns allen die Gelegenheit, seinen Geburtstag mit ihm gemeinsam - seiner Person und dem Anlass entsprechend - groß zu feiern. Also kein Album mit neuen Liedern zum 70. Wiegenfest, kein Geburtstagskonzert mit Gästen und auch kein Holger am Klavier, seine Hits voller Hingabe spielend und sie mit dieser unverwechselbaren Stimme singend. Diese ist am 25. April 2018 für immer verstummt, und will man seine Lieder zu so einem Anlass wirklich von anderen gesungen hören? Diese Frage ist schwer zu beantworten. Sein Berufskollege Rainer Oleak hat da eine andere Möglichkeit gefunden, die 70 doch zu feiern und dabei etwas Neues anzubieten, und das Ergebnis seiner Überlegungen stelle ich Euch heute hier vor …
Die Wege von Rainer Oleak und Holger Biege kreuzten sich erstmals im Jahre 1977. Oleak hatte gerade sein Studium für "Messtechnik und Raumakustik" an der TU Dresden abgeschlossen und war frisch zur Jazz-Rock-Gruppe NEUE GENERATION gestoßen. Dort übernahm er die Stelle als Keyboarder. Holger Biege hatte sich genau zu der Zeit gerade diese Gruppe als Studioband für die Produktion seines Albums "Wenn der Abend kommt" ausgesucht. Während Rainers Band-Kollegen dann die Songs für Holger einspielten, musste er jedoch zuschauen, denn die Parts an den Tasten spielte der Hauptakteur nämlich selbst ein. Für Oleak aber trotzdem eine gute Gelegenheit, dem Kollegen als stiller Beobachter und Zuhörer auf die Finger zu schauen. Neben den Liedern für sein eigenes Album nahm Holger Biege damals auch zwei Stücke auf, die später sein Bruder Gerd Christian singen sollte, darunter der Hit "Sag ihr auch". Beeindruckt von der Arbeitsweise und den hohen Ansprüchen Bieges an sich und das "Umfeld", sowie dem, was und wie er dort im Studio spielte und sang, blieb diese Begegnung in Oleaks Erinnerung. Mehr noch: er nahm davon einiges mit in sein eigenes Wirken als Musiker und später auch als Produzent. Das, wozu Rainer Oleak vor 45 Jahren nicht kam, nämlich die Kompositionen von Holger Biege auf seinem Instrument mit zum Leben zu erwecken, holt er nun auf seinem Album "Rainer Oleak spielt Holger Biege" nach. Und zwar allein und mit dem größten Respekt vor Biege und seinen Vorlagen.
Oleak sitzt dafür an seinem Flügel, einem Bösendorfer Imperial, und lässt seine Finger über die weißen und schwarzen Tasten tanzen. Insgesamt neun Kompositionen aus Holger Bieges Feder hat er sich ausgesucht, um diese instrumental und nur am Flügel zu spielen. Dabei blieb er komplett bei den Vorlagen, hat sie nur harmonisch erweitert. "Ich bin ein absoluter Gegner davon, aus ‚Über sieben Brücken' einen Bossa Nova zu machen", sagt Oleak und ergänzt, "und deshalb habe ich mich unheimlich streng an die originale Harmonik der Stücke gehalten". Und so ist es auch auf der CD zu hören. Wenn überhaupt etwas dazu genommen wurde, dann höchstens mal ein sogenannter Slash-Akkord, der die Harmonik ein wenig erweitert. Ansonsten klingen die Lieder genau so, wie Biege sie erdacht hat. Eine große Aufgabe stellte sich Rainer Oleak selbst damit, die Lieder allesamt instrumental aufzunehmen. Nicht die eigene Stimme oder die irgendwelcher Gastsänger einzusetzen, sondern nur das Instrument klingen zu lassen, war das Ziel. Dabei leben die Lieder von Biege im Original von den Texten und vom Gesang. Dazu kommt, dass alle Stücke im Original durcherzählte Lieder mit einem A-B-Schema sind, d.h. einer Strophe folgt ein Refrain und dem Refrain dann wieder eine Strophe usw. Es gibt darin weder C-Teile oder Soli noch Intros oder Outros. Daraus dann reine Instrumentals zu machen ist gar nicht so einfach, wenn man die Grundkompositionen nicht durch einen Wechsel des Stils oder der Gangart verfälschen will. Und das Kunststück, diese Probleme zu lösen und etwas Gutes entstehen zu lassen, ist Oleak gelungen. Die Liedstrukturen wurden erhalten und es wurden zusätzlich kleine Intros oder ein kleiner Zwischenteil, immer harmonisch zum Original, eingebaut. Damit wurde hier lediglich erweitert, aber nichts verändert, womit sich auch Holger hätte anfreunden können, der es gar nicht mochte, wenn an seiner Musik "rumgemacht" wurde. "Ich bin da äußert vorsichtig mit umgegangen", sagt Oleak, der keinesfalls übergriffig werden und den Nachlass des Kollegen mit viel Fingerspitzengefühl und seiner Kunstfertigkeit am Flügel wiedergeben wollte.
In den 10 Liedern gibt es dann aber doch eine Stelle, an der zusätzlich zum Flügel ein weiteres Instrument zum Einsatz kommt, nämlich eine Bassdrum in "Deine Liebe und mein Lied", dies aber auch nur, um noch eine weitere Dynamikstufe mit einzubauen. Ansonsten stammt jeder Ton auf dieser CD aus Oleaks Flügel. Die bei manchem Leser möglicherweise aufkeimende Befürchtung, auf Dauer könne das ziemlich langweilig werden, kann ich an dieser Stelle guten Gewissens zerstreuen. Das wird es nicht! Dafür sorgen allein schon die nach wie vor spannenden und sich irgendwie nicht abnutzenden Kompositionen Bieges. Zu den zu Beginn dieser Rezension genannten Liedern gesellen sich auch noch weitere Stücke der ersten beiden LPs und der Gerd-Christian-Hit "Sag ihr auch". Das Programm wird mit "Wenn der Abend kommt" eröffnet und mit der gleichen Nummer als Outro auch beendet. Ein gut zusammengestelltes Paket, bestehend aus 10 Tracks, das alles mitbringt, was der Biege-Fan erwartet und der "Neukunde" zuerst kennenlernen sollte.
Die Schönheit mancher Komposition kommt erst zum Vorschein, wenn man das ursprüngliche Arrangement auf ein Minimum herunter bricht. Die Vorlagen mit Gesang und Text waren (und sind) schon echte Perlen, aber Oleaks Ausflüge auf der Tastatur ermöglichen dem Hörer eine ganz andere Art des Hörens und Entdeckens der Biege'schen Ideen von Musik. "Ich wollte unbedingt vermeiden, dass es so klingt, als spiele einer in der Hotelbar Holger-Biege-Stücke am Klavier", schildert Oleak seine Gedanken während der Produktion. Dem ist auch nicht so. Vielmehr ist es eine Andacht geworden, eine Messe für Biege und eine entspannte Stunde wunderbarer Musik, die man - vielleicht mit einem Glas Wein- geschlossenen Auges einfach mal auf sich wirken lassen kann. Eintauchen, abtauchen, dieser Welt für ein paar Minuten entfliehen. Vielleicht am Geburtstag des Künstlers, der ja - wie schon erwähnt - im großen Stile nicht gefeiert werden kann?! Dann eben im Kleinen, daheim und mit dieser CD.
(Christian Reder)
Seh- und Hör-Bar: