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"A Little Courage" Jeanine Vahldiek Band Tonicum Music Januar 2013 1. Intro |
Ja, ich liebe Rockmusik - je härter, umso besser. Und ja, ich liebe den Blues in all seinen Variationen. Deshalb war ich über mich selber erstaunt, als ich mich vor ziemlich genau einem Jahr auf das Wagnis einließ, für Deutsche Mugge ein Konzert der Jeanine Vahldiek Band zu besuchen. Die Tatsache, dass auf der Bühne vermutlich nur eine Harfe und ein paar Percussion-Instrumente zu finden sein würden, ließ mich zugegebenermaßen seinerzeit eher skeptisch den Weg in die Friedrichshagener Location antreten. Am Ende dieses Abends jedoch hatte ich eine innere Ruhe und Zufriedenheit gefunden wie selten nach einem Konzert. Zum damaligen Zeitpunkt war das Berliner Duo Jeanine Vahldiek und ihr musikalischer (wie auch Lebens-) Partner Steffen Haß gerade im Begriff, sich mit ihrem einzigartigen, verträumten Harfen-Pop einen Namen zu erspielen. Das Debütalbum "Come with me" legte eindrucksvolles Zeugnis davon ab, dass man eine Konzert-Harfe auch anders spielen kann als man es gemeinhin kennt und hört.
Vor einigen Tagen brachten Jeanine und Steffen nun ihr zweites Album an den Start, und man durfte sehr gespannt sein, ob sie das Niveau des Erstlings halten konnten. Es ist wie im Sport: Meister werden ist nicht schwer, Meister bleiben dagegen sehr. Oder anders gesagt, das nächste Album ist immer das Schwerste, weil die Fanmeute eine gewisse Erwartungshaltung aufbaut, die es zu erfüllen gilt. Vielleicht hat der Titel der CD, "A little courage" deshalb auch Symbolcharakter. Es braucht nämlich für Jeanine Vahldiek und Steffen Haß tatsächlich etwas Mut, ihrem sehr eigenwilligen und ungewöhnlichen Soundkonzept treu zu bleiben. Das soll jetzt keineswegs abwertend klingen, sondern ist eher als eine Verbeugung meinerseits zu werten vor dem Weg, den die beiden jungen Musiker bereit sind zu gehen.
Hört man die Musik der Jeanine Vahldiek Band zum ersten Mal, wirkt die Klangkulisse doch eher fremd für unsere vom Alltagssound vorgeprägten Gehörsinne. Gibt man der Musik aber eine Chance, lässt man sich, ohne es zu merken, sehr schnell darauf ein. Schon der erste Song "Scream" ist ein gutes Beispiel dafür. Es beginnt sehr verhalten, Jeanine singt mit sanfter Stimme von ihren Träumen und Wünschen und begleitet sich selbst dazu mit spartanischem Zupfen der Saiten ihrer Harfe. Im Refrain hoppelt der Song dann richtig los - Amy McDonald lässt grüßen. Die soeben erzeugte wohlige Grundstimmung wird bei mir jedoch gleich wieder etwas runter gefahren, denn "I feel alive" klingt mir viel zu sperrig und kommt nicht so richtig in die Gänge. Von dieser Sorte finde ich noch einen zweiten Titel auf der Scheibe, nämlich "Back off". Nein, es sind beileibe keine Lückenfüller, aber beide Nummern langweilen mich dennoch ein bisschen. Doch das ist natürlich Ansichtssache und nur meine ganz persönliche Meinung. Es gibt dafür aber auch (mindestens) drei richtig gute Songs. Schon bei meinem Konzertbesuch vor einem Jahr ließ ich die Bemerkung fallen, dass vor allem "A little courage" Hitpotential in sich trägt. War ich ein kleiner Hellseher? Heute hält jene Nummer als Titelsong des neuen Albums her, und "A little courage" ist gleichzeitig auch die erste Auskopplung. Was mich überhaupt nicht wundert, denn es ist nach wie vor eine erstklassige Nummer. Eher balladesk gehalten und mit einer wunderschönen Melodik ausgestattet, von Jeanine mit viel Gefühl gesungen, entwickelt sich das Liedchen zu einem Ohrwurm, den man so schnell nicht wieder los wird. Beim nächsten Song, der "You made it" heißt, reitet man gerne weiter auf der Welle des eben erzeugten unterschwelligen Wohlfühlens. Man glaubt hier übrigens eine komplette Rhythmusgruppe zu hören, was aber natürlich nur eine Illusion ist, denn alles, was hier nach Bass, Drums oder/und Percussions klingt, wird alleine von Steffen Haß auf der Cajon und diversen anderen Schlag-, Rassel- und Schüttelinstrumenten erzeugt. Wer jemals ein Konzert der Band erlebt hat, der weiß, wie beeindruckend Steffens diesbezüglicher Beitrag ist. Und dann gibt es noch den Titel Nr. 8, schlicht "Don't doubt" benannt. Für mich die eigentliche Überraschung des Albums, denn er sticht mit seinem leichten Latin-Rhythmus doch etwas hervor. Irgendwie denke ich hier wehmütig daran, dass mein nächster Urlaub noch fast 5 Monate weg ist...
Entgegen Jeanines Überzeugung, ihre Lieder auf Englisch zu singen, befinden sich diesmal sogar drei deutschsprachige Songs auf dem Album. Vermutlich ist das eine Art Kompromiss, da ihre Fans sie immer wieder löcherten, doch auch mal eine Nummer zu schreiben, die jeder versteht. "Was man so sagt" hat schon eine ganze Weile seinen festen Platz in ihrem Konzertprogramm (Das Video dazu findest Du unten auf der Seite). Auf den Silberling gepresst wurden nun noch "Humor" und "Stille". Darf ich ehrlich sein? So sehr ich ein Freund deutschsprachiger Texte bin - mich hauen sie nicht vom Hocker. Gut, "Stille" hat sehr besinnliche Lyrics und geht deshalb in Ordnung:
"Mein Körper entspannt, gedankenlos in Stille verführt, Mein Geist erlangt, dass meine Seele mich tief berührt. Nichts in mir schreit mehr nach warum, denn in Stille sind auch Fragen stumm. Ich habe gewartet, bis ich bin Ich habe gewartet, bis ich bin."
Die Texte der anderen beiden Songs wirken auf mich ein bisschen erzwungen. So nach dem Motto "Oh Gott, ich muss jetzt unbedingt Deutsch singen...". Bin ich zu pingelig? Mag sein. Doch mir fallen immer wieder Jeanines Bedenken gegenüber deutschen Texten ein, und so ungern ich es auch zugebe, sie sollte auf ihr Bauchgefühl hören. Das ist ähnlich wie bei Doro oder den Scorpions, die zwischendurch auch mal einen Song in ihrer deutschen Muttersprache einstreuten, aber damit ziemlich unglaubwürdig wirkten.
Doch das sind peanuts, die den positiven Gesamteindruck beim Hören der CD nur minimal schmälern. Jeanine und Steffen - der übrigens wieder sehr effektiv die Tieftöner und dezenten BumBum-Geräusche beisteuert, nebenher auch noch die Rolle des Backgroundsängers ausübt - haben mit "A little courage" ein gelungenes Werk geschaffen, auch wenn bei mir nicht alle Nummern das gleiche Hochgefühl auslösen. Doch das ist völlig normal. Nenne mir jemand eine Platte, die von vorn bis hinten top ist - ich kenne sie nicht. Der Sound ist hier jedenfalls prima, klingt deutlich ausgeklügelter und vielseitiger als auf dem Debütalbum, woran Produzent Jan Rase wohl nicht ganz unschuldig sein dürfte. Die Kompositionen, die wieder sämtlichst aus Jeanines Feder geflossen sind, machen Spaß, überzeugen durch Abwechslung und einige Überraschungsmomente. Wer die Gelegenheit hat, sollte sich unbedingt auf einem Live-Auftritt der Band von der Magie verzaubern lassen, den diese so ureigene Musik der beiden erzeugt. Sie sind auf "A little courage" ihrem Stil treu geblieben, und haben sich doch hörbar weiter entwickelt. Deshalb bin ich überzeugt, sie werden weiter ihren Weg machen und auch ohne eine große Plattenfirma im Hintergrund ihren Bekanntheitsgrad steigern, so wie es seit 2010 permanent der Fall ist. Das Album, welches nach wie vor nur im Direktvertrieb und auf Konzerten der Band erhältlich ist, wird das Seine dazu leisten, denn jeder einzelne Song hebt sich wohltuend ab von all dem Schund, der tagein, tagaus auf diesen "Beste Songs der 70er, 80er usw."-Radiostationen in die Hirne der Hörerschaft gehämmert wird. Nur wird man da die Jeanine Vahldiek Band vermutlich niemals hören. Liebe Jeanine, lieber Steffen, nehmt es als Kompliment!
Letztlich sei noch erwähnt, dass von jeder verkauften CD 1 € für das soziale Projekt "Lebensraum" gespendet wird.
(Torsten Meyer)
o Off. Homepage der Jeanine Vahldiek Band: www.jeanine-vahldiek.com
o Homepage des Mehrgenerationenprojekts "Lebensraum": www.lebensraum-sh.de