Chicorée: "Purpur" (Live-Album)
![]() Titel: Seite 1: "Hör mich", "Halt die Zeit für mich an", "Der Ausbruch", "Im Wunderland", "Käfer auf'm Blatt" Seite 2: "Es tut mir leid", "Auf der Flucht vor Dir", "Wir sind schön", "Trott", "Plem Plem" |
Rezension:
Auf die Geschichte der Gruppe Chicorée möchte ich an dieser Stelle gar nicht groß eingehen. Wer sich näher mit der Band beschäftigen will, findet auf unserer Seite viele Informationen oder kann im Begleittext des Booklets der neuen, hier nun vorgestellten Schallplatte nachlesen. Dort wird die Geschichte ausführlich beleuchtet. Was man dabei erfährt, ist, dass Chicorée während ihrer aktiven Zeit in der DDR nie die Möglichkeit hatte, eine eigene Platte zu veröffentlichen. Diese Chance wurde der Band seitens des staatlichen Plattenlabels AMIGA verwehrt.
Denkt man an Chicorée, kommt einem neben den ersten musikalischen Schritten Dirk Zöllners auch unweigerlich der Song "Käfer auf'm Blatt" in den Sinn - ihr einziger Hit, von dem es auch ein Video auf YouTube gibt. Dann gab es da noch eine "Kleeblatt"-LP mit vier Songs der Gruppe. Viel mehr kennt man von Chicorée aber eigentlich nicht, es sei denn, man war Fan der ersten Stunde und hat damals Konzerte erlebt. Ihr gesamtes Material, das vom Rundfunk der DDR bei Konzerten mitgeschnitten wurde, ist in Archiven verschwunden und selbst nach der Wende nie auf Platte, CD oder in digitaler Form veröffentlicht worden.
Das hat sich nun geändert: Das Label ROKKfilm ist tief in die Archive hinab gestiegen und hat einen Live-Mitschnitt des Auftritts der Band bei der Veranstaltung "Rock für den Frieden" am 16. Januar 1987 im Palast der Republik in Ostberlin gefunden. Dieses Material wurde klanglich restauriert und nun erstmals als Schallplatte herausgebracht - die erste Veröffentlichung von Chicorée überhaupt, und das fast 40 Jahre nach ihrer Auflösung!
Die Platte erscheint in zwei Versionen und ist streng limitiert: Eine Vorab-Auflage mit 100 Exemplaren auf purpurnem Vinyl war schnell ausverkauft. Eine weitere Auflage mit 400 Exemplaren auf schwarzem Vinyl ist aktuell noch erhältlich. Insgesamt gibt es also nur 500 Stück dieses Albums. Wenn sie weg sind, sind sie weg - Nachpressungen wird es nicht geben. Eine Veröffentlichung auf CD, als Stream oder als MP3-Download ist nicht geplant, was ich persönlich sehr erfreulich finde. Als besonderes Extra liegt jeder der 500 Platten ein Poster bei - perfekt für alle Fans, die auch heute noch gerne ihre Wände mit Bildern ihrer Lieblingsbands schmücken. Ein schönes Gimmick, das man noch aus den guten alten Zeiten aus den 80ern kennt.
Noch bevor die Platte auf dem Teller liegt, beeindruckt sie bereits durch ihre außergewöhnliche Präsentation. Hier handelt es sich nicht um ein Massenprodukt, sondern um ein mit viel Liebe zum Detail gefertigtes Sammlerstück. Die Platte steckt nicht in einer einfachen Papierhülle, sondern in einer gefütterten Tasche, die sie vor Kratzern schützt - ein eigentlich wenig beachtetes Detail und "nur" ein Pfennigartikel, der heutzutage von vielen großen Plattenfirmen eingespart wird, denn Platten stecken fast ausschließlich nur in diesen einfachen Papiertaschen. Zusätzlich wurde der Platte ein umfangreiches Booklet beigelegt. Dieses enthält nicht nur Fotos, die seinerzeit unser Freund Herbert Schulze von der Band geschossen hat, sondern auch ausführliche Begleittexte vom Journalisten und Label-Chef Jens-Uwe Berndt und die Lyrics zu den einzelnen Liedern. Schwer vorstellbar, wie das Artwork der Platte hätte aussehen können, hätte es die vielen tollen Fotos Schulzes nicht gegeben. Sie geben dem Cover nicht nur die feine Farbwahl sondern seinem Besitzer beim Hören auch die richtigen Eindrücke mit auf den Weg. Damit wird das Musikerlebnis um visuelle und inhaltliche Aspekte ergänzt - ein Genuss für Auge, Ohr und Geist.
Wenn die Platte schließlich auf dem Plattenteller ihre Runden dreht, beeindruckt sie ein weiteres Mal. Natürlich ist da die Musik, zu der ich gleich noch komme, doch besonders bemerkenswert ist der Klang. Schließlich handelt es sich um einen Live-Mitschnitt, der fast 40 Jahre alt ist. Zu jener Zeit gab es noch nicht die heutigen technischen Möglichkeiten, um Live-Aufnahmen in solch herausragender Qualität zu realisieren, wie man sie heute gewohnt ist. Hinzu kommt, dass dieser Mitschnitt vom Rundfunk der DDR angefertigt wurde. Obwohl dort Profis und hochqualifizierte Experten arbeiteten, war deren technisches Equipment oft begrenzt. Das ist ein bekanntes Problem, das viele Musiker aus der ehemaligen DDR hier in Interviews schon angesprochen haben, deren Live-Produktionen damals unter diesen Umständen entstanden sind. Hier jedoch wurde gute Arbeit gemacht und nachträglich ebenfalls gute Arbeit geleistet - und zwar von Jörg-Rainer Friede, der das Tonmaterial einer Frischzellenkur unterzog und ein herausragendes Remastering leistete. Der Klang ist glasklar, die Musik hat einen ausgezeichneten Druck und lässt insgesamt keinerlei Wünsche offen. Dass alles auf 180 Gramm Vinyl gepresst wurde, sei hier nur am Rande erwähnt, alles andere wäre dieser feinen Arbeit am Ende auch unwürdig gewesen.
Auf dem Rock-Pop-Trampolin sind bis heute schon viele rumgehüpft, aber nicht jeder hat nach dem Absprung eine gute Figur in luftigen Höhen gemacht. Dies haben die Jungs von Chicoree aber sehr wohl, und beim Hören der Lieder darf man sich wohl die Frage stellen, wieso niemand bei AMIGA auf die Idee gekommen ist, mit den Jungs eine ganze Platte zu machen. Zu gut und zu erfolgsversprechend ist das, was hier zu hören ist. Die Songs hätten in den End-80ern durchaus auch gesamtdeutsch das Zeug zu was Großem gehabt, aber wir West-Kinder bekamen davon ja leider nicht wirklich was mit. Vielleicht lässt sich das Musikalische mit dem der Gruppe WAS (NOT WAS) vergleichen, aber ich scheue mich der Eigenständigkeit der Chicorée-Musik wegen vor Vergleichen mit anderen, international erfolgreichen Kapellen und deren Output.
Gitarrist Garret Matzko macht auf diesem Mitschnitt bei jedem Song, bei dem er auf der Bühne seine sechs Saiten heulen lassen durfte, eine ausgesprochen gute Figur und spielt dort Läufe auf einem wirklich hohen Niveau. Besonders hervorzuheben sind z. B. seine Soloarbeit in "Halt die Zeit für mich an" oder der funky Sound seiner Sechsaiter in "Trott". Nicht weniger appetitlich ist die Arbeit der Rhythmusabteilung, u. a. die fast schon hypnotisch wirkende Spielweise des Bassisten Frank "Brandy" Brennecke im Song "Der Ausbruch", in dem er sein Arbeitsgerät munter vor sich hin bubbern lässt, oder in den Stücken "Es tut mir leid" und "Auf der Flucht vor Dir" bei denen er förmlich um sein Leben "slappt". Nicht unerwähnt sollte auch das präzise Spiel des Schlagzeugers Achim Schulze bleiben, der hier über die volle Distanz das Übrige zum perfekten Konzerterlebnis beisteuert, oder die überzeugende Tastenarbeit von Andre Kunze, der passende und teils auch überraschende Keyboard-Töne und Klangeppiche liefert. Überraschend auch die in "Wir sind schön" plötzlich auftauchende Mundharmonika, von der nicht überliefert ist, wer von den Jungs sie da gespielt hat. Das sind diese vielen dezenten Kleinigkeiten, die aus dem kurzen hier zu hörenden Programm ein Rundumvergnügen machen.
Auch Zöllners bekannt feine Kunst, mit Worten die schönsten Bilder zu malen, wird auf dieser Platte bereits deutlich. In den Jahren nach Chicorée, also mit Die Zöllner, hat er verdammt geile Texte abgeliefert, die hier schon mehr als nur zu erahnen sind. Besonders hervorzuheben ist zum Beispiel der Song "Im Wunderland", in dem er das perfekte Land beschreibt und ganz herrlich Kritik verpackt, die so zu der damaligen Zeit eigentlich gar nicht möglich gewesen ist. Und er kroch einem damals schon mit der Stimme in innerste Ecken und Winkel, um Wärme und Gänsehaut zu erzeugen. Am Ende darf in "Trott" nochmal jeder von den Jungs bei der Vorstellung einen kleinen solistischen Ausflug unternehmen und man darf ihnen als Hörer beim Rausschmeißer "Plem plem" lauschen, dann ist es auch schon vorbei, das Abenteuer mit Chicorée. Viel zu kurz, und man sitzt da angefixt vor dem Plattenspieler und wünscht sich mehr. Kleine Anmerkung am Rande: Kann man haben! Im kommenden Sommer in Neuruppin beim Treffen der Ostmusik, denn Chicorée gehört dort zum Line Up!
Ein Fazit ist bei den durchweg positiven Tönen, die hier über die Scheibe zu lesen sind, kaum noch nötig: Was uns hier vorliegt, ist ein rundum gelungenes Produkt - ein echtes Sammlerstück, für das man fast neue Superlative erfinden müsste. Verpackung und Inhalt sind außergewöhnlich hochwertig und suchen ihresgleichen. Hier spürt man die investierte Arbeit, Zeit und Kreativität in jedem Detail. Und auch den Anspruch der Macher, nicht einfach nur irgendwas raus zu hauen, sondern die vorgestellte Musik und ihre Künstler perfekt in Szene setzen zu wollen. Zwar mag der Preis angesichts der kurzen Laufzeit des Programms zunächst hoch erscheinen, doch die fein ausgearbeiteten Details rechtfertigen ihn vollkommen. Ob diese Veröffentlichung tatsächlich das Comeback der Gruppe Chicorée "verursacht" hat und ob ihr angekündigter Auftritt im Sommer beim Festival in Neuruppin der Startschuss für weitere Aktivitäten der Kapelle sein wird, bleibt abzuwarten und müsste bei den Protagonisten mal erfragt werden. Sicher ist jedoch, dass es erfreulich ist, die Band bald wieder live erleben zu können - ebenso wie die Tatsache, dass es endlich eine Publikation ihrer Musik gibt, selbst wenn diese erst Jahrzehnte in Händen zu halten ist und auf den heimischen Anlagen genossen werden kann. Klarer Fall: Alle Daumen hoch für dieses beeindruckende Werk!
(Christian Reder)
Denkt man an Chicorée, kommt einem neben den ersten musikalischen Schritten Dirk Zöllners auch unweigerlich der Song "Käfer auf'm Blatt" in den Sinn - ihr einziger Hit, von dem es auch ein Video auf YouTube gibt. Dann gab es da noch eine "Kleeblatt"-LP mit vier Songs der Gruppe. Viel mehr kennt man von Chicorée aber eigentlich nicht, es sei denn, man war Fan der ersten Stunde und hat damals Konzerte erlebt. Ihr gesamtes Material, das vom Rundfunk der DDR bei Konzerten mitgeschnitten wurde, ist in Archiven verschwunden und selbst nach der Wende nie auf Platte, CD oder in digitaler Form veröffentlicht worden.
Das hat sich nun geändert: Das Label ROKKfilm ist tief in die Archive hinab gestiegen und hat einen Live-Mitschnitt des Auftritts der Band bei der Veranstaltung "Rock für den Frieden" am 16. Januar 1987 im Palast der Republik in Ostberlin gefunden. Dieses Material wurde klanglich restauriert und nun erstmals als Schallplatte herausgebracht - die erste Veröffentlichung von Chicorée überhaupt, und das fast 40 Jahre nach ihrer Auflösung!
Die Platte erscheint in zwei Versionen und ist streng limitiert: Eine Vorab-Auflage mit 100 Exemplaren auf purpurnem Vinyl war schnell ausverkauft. Eine weitere Auflage mit 400 Exemplaren auf schwarzem Vinyl ist aktuell noch erhältlich. Insgesamt gibt es also nur 500 Stück dieses Albums. Wenn sie weg sind, sind sie weg - Nachpressungen wird es nicht geben. Eine Veröffentlichung auf CD, als Stream oder als MP3-Download ist nicht geplant, was ich persönlich sehr erfreulich finde. Als besonderes Extra liegt jeder der 500 Platten ein Poster bei - perfekt für alle Fans, die auch heute noch gerne ihre Wände mit Bildern ihrer Lieblingsbands schmücken. Ein schönes Gimmick, das man noch aus den guten alten Zeiten aus den 80ern kennt.
Noch bevor die Platte auf dem Teller liegt, beeindruckt sie bereits durch ihre außergewöhnliche Präsentation. Hier handelt es sich nicht um ein Massenprodukt, sondern um ein mit viel Liebe zum Detail gefertigtes Sammlerstück. Die Platte steckt nicht in einer einfachen Papierhülle, sondern in einer gefütterten Tasche, die sie vor Kratzern schützt - ein eigentlich wenig beachtetes Detail und "nur" ein Pfennigartikel, der heutzutage von vielen großen Plattenfirmen eingespart wird, denn Platten stecken fast ausschließlich nur in diesen einfachen Papiertaschen. Zusätzlich wurde der Platte ein umfangreiches Booklet beigelegt. Dieses enthält nicht nur Fotos, die seinerzeit unser Freund Herbert Schulze von der Band geschossen hat, sondern auch ausführliche Begleittexte vom Journalisten und Label-Chef Jens-Uwe Berndt und die Lyrics zu den einzelnen Liedern. Schwer vorstellbar, wie das Artwork der Platte hätte aussehen können, hätte es die vielen tollen Fotos Schulzes nicht gegeben. Sie geben dem Cover nicht nur die feine Farbwahl sondern seinem Besitzer beim Hören auch die richtigen Eindrücke mit auf den Weg. Damit wird das Musikerlebnis um visuelle und inhaltliche Aspekte ergänzt - ein Genuss für Auge, Ohr und Geist.
Wenn die Platte schließlich auf dem Plattenteller ihre Runden dreht, beeindruckt sie ein weiteres Mal. Natürlich ist da die Musik, zu der ich gleich noch komme, doch besonders bemerkenswert ist der Klang. Schließlich handelt es sich um einen Live-Mitschnitt, der fast 40 Jahre alt ist. Zu jener Zeit gab es noch nicht die heutigen technischen Möglichkeiten, um Live-Aufnahmen in solch herausragender Qualität zu realisieren, wie man sie heute gewohnt ist. Hinzu kommt, dass dieser Mitschnitt vom Rundfunk der DDR angefertigt wurde. Obwohl dort Profis und hochqualifizierte Experten arbeiteten, war deren technisches Equipment oft begrenzt. Das ist ein bekanntes Problem, das viele Musiker aus der ehemaligen DDR hier in Interviews schon angesprochen haben, deren Live-Produktionen damals unter diesen Umständen entstanden sind. Hier jedoch wurde gute Arbeit gemacht und nachträglich ebenfalls gute Arbeit geleistet - und zwar von Jörg-Rainer Friede, der das Tonmaterial einer Frischzellenkur unterzog und ein herausragendes Remastering leistete. Der Klang ist glasklar, die Musik hat einen ausgezeichneten Druck und lässt insgesamt keinerlei Wünsche offen. Dass alles auf 180 Gramm Vinyl gepresst wurde, sei hier nur am Rande erwähnt, alles andere wäre dieser feinen Arbeit am Ende auch unwürdig gewesen.
Auf dem Rock-Pop-Trampolin sind bis heute schon viele rumgehüpft, aber nicht jeder hat nach dem Absprung eine gute Figur in luftigen Höhen gemacht. Dies haben die Jungs von Chicoree aber sehr wohl, und beim Hören der Lieder darf man sich wohl die Frage stellen, wieso niemand bei AMIGA auf die Idee gekommen ist, mit den Jungs eine ganze Platte zu machen. Zu gut und zu erfolgsversprechend ist das, was hier zu hören ist. Die Songs hätten in den End-80ern durchaus auch gesamtdeutsch das Zeug zu was Großem gehabt, aber wir West-Kinder bekamen davon ja leider nicht wirklich was mit. Vielleicht lässt sich das Musikalische mit dem der Gruppe WAS (NOT WAS) vergleichen, aber ich scheue mich der Eigenständigkeit der Chicorée-Musik wegen vor Vergleichen mit anderen, international erfolgreichen Kapellen und deren Output.
Gitarrist Garret Matzko macht auf diesem Mitschnitt bei jedem Song, bei dem er auf der Bühne seine sechs Saiten heulen lassen durfte, eine ausgesprochen gute Figur und spielt dort Läufe auf einem wirklich hohen Niveau. Besonders hervorzuheben sind z. B. seine Soloarbeit in "Halt die Zeit für mich an" oder der funky Sound seiner Sechsaiter in "Trott". Nicht weniger appetitlich ist die Arbeit der Rhythmusabteilung, u. a. die fast schon hypnotisch wirkende Spielweise des Bassisten Frank "Brandy" Brennecke im Song "Der Ausbruch", in dem er sein Arbeitsgerät munter vor sich hin bubbern lässt, oder in den Stücken "Es tut mir leid" und "Auf der Flucht vor Dir" bei denen er förmlich um sein Leben "slappt". Nicht unerwähnt sollte auch das präzise Spiel des Schlagzeugers Achim Schulze bleiben, der hier über die volle Distanz das Übrige zum perfekten Konzerterlebnis beisteuert, oder die überzeugende Tastenarbeit von Andre Kunze, der passende und teils auch überraschende Keyboard-Töne und Klangeppiche liefert. Überraschend auch die in "Wir sind schön" plötzlich auftauchende Mundharmonika, von der nicht überliefert ist, wer von den Jungs sie da gespielt hat. Das sind diese vielen dezenten Kleinigkeiten, die aus dem kurzen hier zu hörenden Programm ein Rundumvergnügen machen.
Auch Zöllners bekannt feine Kunst, mit Worten die schönsten Bilder zu malen, wird auf dieser Platte bereits deutlich. In den Jahren nach Chicorée, also mit Die Zöllner, hat er verdammt geile Texte abgeliefert, die hier schon mehr als nur zu erahnen sind. Besonders hervorzuheben ist zum Beispiel der Song "Im Wunderland", in dem er das perfekte Land beschreibt und ganz herrlich Kritik verpackt, die so zu der damaligen Zeit eigentlich gar nicht möglich gewesen ist. Und er kroch einem damals schon mit der Stimme in innerste Ecken und Winkel, um Wärme und Gänsehaut zu erzeugen. Am Ende darf in "Trott" nochmal jeder von den Jungs bei der Vorstellung einen kleinen solistischen Ausflug unternehmen und man darf ihnen als Hörer beim Rausschmeißer "Plem plem" lauschen, dann ist es auch schon vorbei, das Abenteuer mit Chicorée. Viel zu kurz, und man sitzt da angefixt vor dem Plattenspieler und wünscht sich mehr. Kleine Anmerkung am Rande: Kann man haben! Im kommenden Sommer in Neuruppin beim Treffen der Ostmusik, denn Chicorée gehört dort zum Line Up!
Ein Fazit ist bei den durchweg positiven Tönen, die hier über die Scheibe zu lesen sind, kaum noch nötig: Was uns hier vorliegt, ist ein rundum gelungenes Produkt - ein echtes Sammlerstück, für das man fast neue Superlative erfinden müsste. Verpackung und Inhalt sind außergewöhnlich hochwertig und suchen ihresgleichen. Hier spürt man die investierte Arbeit, Zeit und Kreativität in jedem Detail. Und auch den Anspruch der Macher, nicht einfach nur irgendwas raus zu hauen, sondern die vorgestellte Musik und ihre Künstler perfekt in Szene setzen zu wollen. Zwar mag der Preis angesichts der kurzen Laufzeit des Programms zunächst hoch erscheinen, doch die fein ausgearbeiteten Details rechtfertigen ihn vollkommen. Ob diese Veröffentlichung tatsächlich das Comeback der Gruppe Chicorée "verursacht" hat und ob ihr angekündigter Auftritt im Sommer beim Festival in Neuruppin der Startschuss für weitere Aktivitäten der Kapelle sein wird, bleibt abzuwarten und müsste bei den Protagonisten mal erfragt werden. Sicher ist jedoch, dass es erfreulich ist, die Band bald wieder live erleben zu können - ebenso wie die Tatsache, dass es endlich eine Publikation ihrer Musik gibt, selbst wenn diese erst Jahrzehnte in Händen zu halten ist und auf den heimischen Anlagen genossen werden kann. Klarer Fall: Alle Daumen hoch für dieses beeindruckende Werk!
(Christian Reder)
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