André Herzberg: "Von woanders her" (Album)
VÖ: 14.04.2023; Label: Reptiphon/Broken Silence; Katalognummer: 4250137238494; Musiker: André Herzberg (Gesang, Gitarre), Hans Rohe (Gitarre), Karl Neukauf (Diverse Instrumente); Produktion: Karl Neukauf; Bemerkung: Dieses Album ist ausschließlich auf CD erschienen;
Titel: "Von woanders her", "Dem Tod von der Schüppe gesprungen", "Du musst dumm sein", "Ich schreibe ein Lied", "Viel zu tun und hänge rum", "Das Auge des Kindes", "Dunkelheit geht vorüber", "Diktator" |
Rezension:
Es gibt putzige Zeitgenossen, die tragen das Friedenssymbol betont auffällig und für jedermann gut sichtbar, aber wenn der Vorhang zugezogen ist, dissen und mobben sie ihre Arbeitskollegen. Dann gibt es Pausenclowns, die ihren Zuhörern was von Kälte in der Gesellschaft und fehlender Herzenswärme erzählen, sich dann umdrehen und dem Nebenmann erst mal das Leben zur Hölle machen. Man muss also schon genau hinschauen, wo man es mit schauspielerischem Talent und wo mit dem wahren Charakter eines Menschen zu tun hat. Das ist in der Musik besonders wichtig, denn hier geht es um die Glaubwürdigkeit der transportierten Inhalte. Kann man dem vortragenden Künstler glauben, was er da singt? Kommen die Inhalte aus seinem Inneren oder singt er sie, weil sie bei den Leuten einfach nur gut ankommen? Einer, der immer geradeaus ist, dem man jedes Wort glauben kann, was er sagt (und singt) und der sich nie über andere erhebt, ist André Herzberg. Eine ehrliche Haut, ein einfühlsamer Mensch, voller Empathie und Zurückhaltung und vor allem jemand, der niemandem etwas vorspielt. Und diese besonderen Eigenschaften weiß er auch gut in seine Lieder zu übertragen. Schon seit vielen Jahren. Und jetzt wieder. Auf seinem neuen Album.
Die neuen Lieder hat André Herzberg nicht, wie der Titel seines Albums vermuten lassen könnte "Von woanders her" geholt, sondern tief aus seinem Innersten. Es sind seine eigenen Lieder. Aber es sind oftmals Inspirationen und Ideen, die von außen zu einem fließen, und entsprechend "von woanders her" kommen. Und so sind es auch auf seinem fünften Studio-Album wieder einmal Texte über eigene Beobachtungen, über Gefühle, die ihn zurzeit bewegen und über Erfahrungen, die er in seinem Leben gemacht hat und die er nun teilen möchte. Und er schaut mit dem Eintritt ins Rentenalter (Herzberg ist inzwischen 67 Jahre alt) erstmals auf sein Leben und die Restzeit, die ihm hier auf Erden noch bleibt.
Dies tut er gleich zu Beginn der Platte in dem Song, der dem Album auch seinen Namen gibt. "Hab mir nicht ausgesucht, wer mich geboren hat. Weder den Ort, noch war´s die Zeit", singt er da resümierend. Und da geht es ihm wie uns allen. Er singt davon, Glück und auch das Gegenteil davon gehabt zu haben, und auch darüber, dass er manchmal innerlich ganz anders fühlt, auch wenn er nach außen lächelt und lustig ist. Bemerkenswert ist in dem Text die Stelle, an der er die Welt wissen lässt, dass er in den kommenden paar Jahren, die ihm auf Erden noch bleiben, auf die große Ehr´ pfeift. Das kann man nur sagen, wenn man das alles schon erreicht hat, was Herzberg erreicht hat, und wenn man die Lebenserfahrung sammeln konnte, über die er inzwischen verfügt. Eine solche Ansage hat nix mit Arroganz zu tun, es ist vielmehr eine Philosophie, der man sich aus voller Überzeugung anschließen kann, denn auch ohne diese "Ehr'" lässt es sich prima leben. Die wummernde Deutschrocknummer, in die er seinen Blick aufs eigene Leben verpackt hat, ist stilistisch ein typischer Herzberg-Song, wie ihn der Rezensent schon auf dem "Tohuwabohu"-Album vor 30 Jahren vor- und schon damals für extrem gut befunden hat. Ein appetitanregender Einsteiger in das neue Solo-Album des PANKOW-Sängers, das seine altbekannte Klasse aufblitzen und - sicher auch durch die ausgezeichnete Mischkunst des Produzenten Neukauf verursacht - noch neue Nuancen deutlich hervortreten lässt.
Wie eine Dampflock stampft und zischt dann "Dem Tod von der Schüppe gesprungen" durch die gute Stube. Diese treibende Blues-Rock-Nummer rüttelt mächtig am Gestänge und macht richtig Bock, sich zur Musik dem Takt entsprechend zu bewegen. Es ist eine rockig verpackte Nahtoderfahrung ("Ich hab die Ewigkeit geseh`n | Montag früh um acht | Jetzt ist es um mich gescheh'n | habe ich gedacht"), der man sich nicht entziehen kann. Ein tanzbarer Ohrwurm mit saftigen Gitarren, wunderbaren Piano-Klängen und feinstem Männerchor, der Dich lange nach dem Hören noch durch den Tag begleitet und der ein Anwärter für den kommenden Radio-Hit sein könnte - vorausgesetzt, man spielt ihn mal im Tagesprogramm vom Rundfunk neben den ganzen gleichschenkligen Dreiecken aus den großen Musikfabriken in Hamburg und München. Man, ist das eine fette Nummer!
Ihr folgt mit "Du musst dumm sein" ein herrlicher Rock'n Reggae, der ein Kommentar des Musikers zum täglichen Geschrei der Menschen in den sozialen Netzwerken und den Medien ist. "Ich bin manchmal fassungslos, mit welcher Vehemenz Menschen laut um sich rum schreien, irgendwelchen Quatsch von sich geben und wie bereitwillig viele andere Menschen dem dann folgen", sagt er, und hat dies zum Thema eines Liedes gemacht - diesem Lied hier ("Du musst dumm sein | mit Gründlichkeit und Akribie | dumm sein …)".
Ein Hauch Gospel umweht das Ohr in der straff nach vorn gehenden Blues-Rock-Schöpfung "Ich schreibe ein Lied". Dieser von mir als Gospel-Gesang ausgemachte Frauenchor wirkt hier wie ein Mutmacher, und als solcher ist er wohl auch zum Einsatz gekommen. In dem Lied lässt Herzberg nämlich nochmal die Corona-Zeit mit dem Weggeschlossen sein, der tagtäglichen Eintönigkeit in der Isolation und dem zum Nichtstun verurteilt sein auf seine Art an uns vorbei ziehen ("Der Tag wird nicht besser | als er gestern war | Und morgen wird´s genauso | ja, ich seh die Gefahr"). Und was macht man in dieser Situation? Man schreibt ein Lied. Einen Muntermacher, einen Mutzusprecher, einen eine positive Stimmung erzeugenden Song. Und was für einen! Ebenfalls hitverdächtig, ebenfalls ein absolutes Brett wie alles, was bis hierher zu hören war.
Und so geht es auch weiter, wenn auch ein paar Takte ruhiger, wie in dem Blues-Schleicher "Viel zu tun und hänge rum" oder dem auf den ersten Blick etwas finster klingenden und doch so voller Optimismus steckenden "Dunkelheit geht vorüber".
Eine weitere flott arrangierte Nummer ist "Das Auge des Kindes", das von der Schlagzahl her mit "Dem Tod von der Schüppe gesprungen" verwandt ist. André Herzberg hat eine große Liebe zu Kindern, ist selbst Vater und Großvater, und lebt seit er Mitte 20 ist mit seinem eigenen Nachwuchs zusammen. Und da fällt einem dann halt irgendwann dieser besondere Blick auf, den kleine Kinder haben. Er sieht in diesen Augen sowas wie eine höhere Macht, wie er sagt. "Wenn man so will, sehe ich darin das Auge Gottes", fügt er an. Dieses Lied schrieb er gar nicht mal in Bezug auf seine eigenen Kinder, sondern eher auf Momente, in denen er fremden Kindern auf der Straße begegnet ist und mit denen sich die Blicke trafen. Was sehen diese Kinderaugen, wenn sie einen für sie Fremden beobachten? Durchschauen sie einen? Ertappen sie einen bei irgendwas? Es ist dieser kurze Moment, in dem man dieses Gefühl hat, und der sich nur schwer beschreiben lässt. Herzberg versucht es aber in dieser Nummer und ich finde, es ist ihm gut gelungen.
Das Album wird geschlossen mit dem "Diktator". Noch einmal ein Blues, noch einmal mitreißend, aber dieses Mal weniger fröhlich und eher bedrohlich klingend. Es ist kein auf den Hörer einreden, warum man jetzt gerade Putin scheiße zu finden hat, sondern ein Verarbeiten von Erfahrungen aus dem eigenen Leben des Musikers und Autors, der ja bekanntlich selbst in einer Diktatur aufwuchs. Er weiß, worüber er da spricht bzw. singt. Im Klassenzimmer schon von den gerahmten Konterfeis der "Führer" Ulbricht und Honecker "beobachtet", blickt er nun auf den "Teufel mit Menschengesicht" Putin, der gerade am Frieden der Welt rum manipuliert. Mit dem Blick in die eigene Lebensgeschichte sagt er in dem Song, dass dieser Diktator gestoppt werden muss. Kein blindes Bashing und in Sippenhaft nehmen aller Russen, kein Speichellecken beim Ami, sondern das Ausmachen des Übeltäters und der Wunsch nach Frieden und Freiheit. Es ist Herzbergs persönliche Sicht auf das Thema Putin und das Thema Diktatur im Allgemeinen, weniger den Krieg betreffend, auch wenn dieser seit einem Jahr leider auf so unschöne Art und Weise zum Thema dazu gehört. Unaufdringlich aber eindringlich. Großartig! Was könnte zu diesem Thema auch anderes passen als Moll-Töne? Eben. Und die werden hier in ausreichender Menge verwendet.
Die Platte eingespielt hat das André Herzberg Trio, bestehend aus dem Meister höchstpersönlich sowie Hans Rohe an der Gitarre, der schon am Vorgänger-Album "Was aus uns geworden ist" fleißig mitgewerkelt hat, den man außerdem auch als Begleitmusiker von Jenny Kittmann und Danny Dziuk kennt, und der auch schon mit einigen eigenen Alben auffällig geworden ist, sowie Karl Neukauf, der hier mit dem Spiel auf diversen Instrumenten und als Produzent zum Gelingen der Scheibe beitrug, der ebenfalls bereits als Solist in Erscheinung getreten ist und der außerdem zu den Mitgliedern des 3 HIGHligen-Ensembles zählt. Die Kreativität Herzbergs in Sachen Komposition und Texten, das Talent von Karl Neukauf als Produzent und das Zusammenspiel der eben genannten Operateure sind die wichtigen Zutaten für erfolgreiche Entstehen lassen dieser wunderbaren Lieder. Doch bei all den lobenden Worten kommt gleich das große "aber" hinterher, denn leider sind es nur acht Lieder mit knapp 35 Minuten Laufzeit geworden, die auf dem neuen Herzberg-Album zu finden sind. Was soll man denn nach diesen 35 Minuten mit dem angebrochenen Nachmittag machen? Und vor allem, was soll das? Erst wirst Du in Brand gesetzt und noch bevor Du richtig erkennen kannst, wer da der Brandstifter war, ist dieser auch schon wieder weg? Das ist einfach zu wenig, man will nach diesen Songs einfach mehr als nur ´ne knappe halbe Stunde haben. Diese ist aber - und da gibt es eigentlich keine zwei Meinungen - mit sattem Sound, tollem Inhalt, handgemachter Musik und am Ende der Erkenntnis versehen, dass die Worte von Heinz Rudolf Kunze, der da einst sagte, der Rock'n Roll sei tot weil inzwischen jeder Ton gespielt wurde, ein Irrglaube des Hannoveraner Niedermachers war. Der Rock'n Roll ist dank solcher Scheiben hier noch lange nicht tot. Ganz im Gegenteil!
(Christian Reder)
Die neuen Lieder hat André Herzberg nicht, wie der Titel seines Albums vermuten lassen könnte "Von woanders her" geholt, sondern tief aus seinem Innersten. Es sind seine eigenen Lieder. Aber es sind oftmals Inspirationen und Ideen, die von außen zu einem fließen, und entsprechend "von woanders her" kommen. Und so sind es auch auf seinem fünften Studio-Album wieder einmal Texte über eigene Beobachtungen, über Gefühle, die ihn zurzeit bewegen und über Erfahrungen, die er in seinem Leben gemacht hat und die er nun teilen möchte. Und er schaut mit dem Eintritt ins Rentenalter (Herzberg ist inzwischen 67 Jahre alt) erstmals auf sein Leben und die Restzeit, die ihm hier auf Erden noch bleibt.
Dies tut er gleich zu Beginn der Platte in dem Song, der dem Album auch seinen Namen gibt. "Hab mir nicht ausgesucht, wer mich geboren hat. Weder den Ort, noch war´s die Zeit", singt er da resümierend. Und da geht es ihm wie uns allen. Er singt davon, Glück und auch das Gegenteil davon gehabt zu haben, und auch darüber, dass er manchmal innerlich ganz anders fühlt, auch wenn er nach außen lächelt und lustig ist. Bemerkenswert ist in dem Text die Stelle, an der er die Welt wissen lässt, dass er in den kommenden paar Jahren, die ihm auf Erden noch bleiben, auf die große Ehr´ pfeift. Das kann man nur sagen, wenn man das alles schon erreicht hat, was Herzberg erreicht hat, und wenn man die Lebenserfahrung sammeln konnte, über die er inzwischen verfügt. Eine solche Ansage hat nix mit Arroganz zu tun, es ist vielmehr eine Philosophie, der man sich aus voller Überzeugung anschließen kann, denn auch ohne diese "Ehr'" lässt es sich prima leben. Die wummernde Deutschrocknummer, in die er seinen Blick aufs eigene Leben verpackt hat, ist stilistisch ein typischer Herzberg-Song, wie ihn der Rezensent schon auf dem "Tohuwabohu"-Album vor 30 Jahren vor- und schon damals für extrem gut befunden hat. Ein appetitanregender Einsteiger in das neue Solo-Album des PANKOW-Sängers, das seine altbekannte Klasse aufblitzen und - sicher auch durch die ausgezeichnete Mischkunst des Produzenten Neukauf verursacht - noch neue Nuancen deutlich hervortreten lässt.
Wie eine Dampflock stampft und zischt dann "Dem Tod von der Schüppe gesprungen" durch die gute Stube. Diese treibende Blues-Rock-Nummer rüttelt mächtig am Gestänge und macht richtig Bock, sich zur Musik dem Takt entsprechend zu bewegen. Es ist eine rockig verpackte Nahtoderfahrung ("Ich hab die Ewigkeit geseh`n | Montag früh um acht | Jetzt ist es um mich gescheh'n | habe ich gedacht"), der man sich nicht entziehen kann. Ein tanzbarer Ohrwurm mit saftigen Gitarren, wunderbaren Piano-Klängen und feinstem Männerchor, der Dich lange nach dem Hören noch durch den Tag begleitet und der ein Anwärter für den kommenden Radio-Hit sein könnte - vorausgesetzt, man spielt ihn mal im Tagesprogramm vom Rundfunk neben den ganzen gleichschenkligen Dreiecken aus den großen Musikfabriken in Hamburg und München. Man, ist das eine fette Nummer!
Ihr folgt mit "Du musst dumm sein" ein herrlicher Rock'n Reggae, der ein Kommentar des Musikers zum täglichen Geschrei der Menschen in den sozialen Netzwerken und den Medien ist. "Ich bin manchmal fassungslos, mit welcher Vehemenz Menschen laut um sich rum schreien, irgendwelchen Quatsch von sich geben und wie bereitwillig viele andere Menschen dem dann folgen", sagt er, und hat dies zum Thema eines Liedes gemacht - diesem Lied hier ("Du musst dumm sein | mit Gründlichkeit und Akribie | dumm sein …)".
Ein Hauch Gospel umweht das Ohr in der straff nach vorn gehenden Blues-Rock-Schöpfung "Ich schreibe ein Lied". Dieser von mir als Gospel-Gesang ausgemachte Frauenchor wirkt hier wie ein Mutmacher, und als solcher ist er wohl auch zum Einsatz gekommen. In dem Lied lässt Herzberg nämlich nochmal die Corona-Zeit mit dem Weggeschlossen sein, der tagtäglichen Eintönigkeit in der Isolation und dem zum Nichtstun verurteilt sein auf seine Art an uns vorbei ziehen ("Der Tag wird nicht besser | als er gestern war | Und morgen wird´s genauso | ja, ich seh die Gefahr"). Und was macht man in dieser Situation? Man schreibt ein Lied. Einen Muntermacher, einen Mutzusprecher, einen eine positive Stimmung erzeugenden Song. Und was für einen! Ebenfalls hitverdächtig, ebenfalls ein absolutes Brett wie alles, was bis hierher zu hören war.
Und so geht es auch weiter, wenn auch ein paar Takte ruhiger, wie in dem Blues-Schleicher "Viel zu tun und hänge rum" oder dem auf den ersten Blick etwas finster klingenden und doch so voller Optimismus steckenden "Dunkelheit geht vorüber".
Eine weitere flott arrangierte Nummer ist "Das Auge des Kindes", das von der Schlagzahl her mit "Dem Tod von der Schüppe gesprungen" verwandt ist. André Herzberg hat eine große Liebe zu Kindern, ist selbst Vater und Großvater, und lebt seit er Mitte 20 ist mit seinem eigenen Nachwuchs zusammen. Und da fällt einem dann halt irgendwann dieser besondere Blick auf, den kleine Kinder haben. Er sieht in diesen Augen sowas wie eine höhere Macht, wie er sagt. "Wenn man so will, sehe ich darin das Auge Gottes", fügt er an. Dieses Lied schrieb er gar nicht mal in Bezug auf seine eigenen Kinder, sondern eher auf Momente, in denen er fremden Kindern auf der Straße begegnet ist und mit denen sich die Blicke trafen. Was sehen diese Kinderaugen, wenn sie einen für sie Fremden beobachten? Durchschauen sie einen? Ertappen sie einen bei irgendwas? Es ist dieser kurze Moment, in dem man dieses Gefühl hat, und der sich nur schwer beschreiben lässt. Herzberg versucht es aber in dieser Nummer und ich finde, es ist ihm gut gelungen.
Das Album wird geschlossen mit dem "Diktator". Noch einmal ein Blues, noch einmal mitreißend, aber dieses Mal weniger fröhlich und eher bedrohlich klingend. Es ist kein auf den Hörer einreden, warum man jetzt gerade Putin scheiße zu finden hat, sondern ein Verarbeiten von Erfahrungen aus dem eigenen Leben des Musikers und Autors, der ja bekanntlich selbst in einer Diktatur aufwuchs. Er weiß, worüber er da spricht bzw. singt. Im Klassenzimmer schon von den gerahmten Konterfeis der "Führer" Ulbricht und Honecker "beobachtet", blickt er nun auf den "Teufel mit Menschengesicht" Putin, der gerade am Frieden der Welt rum manipuliert. Mit dem Blick in die eigene Lebensgeschichte sagt er in dem Song, dass dieser Diktator gestoppt werden muss. Kein blindes Bashing und in Sippenhaft nehmen aller Russen, kein Speichellecken beim Ami, sondern das Ausmachen des Übeltäters und der Wunsch nach Frieden und Freiheit. Es ist Herzbergs persönliche Sicht auf das Thema Putin und das Thema Diktatur im Allgemeinen, weniger den Krieg betreffend, auch wenn dieser seit einem Jahr leider auf so unschöne Art und Weise zum Thema dazu gehört. Unaufdringlich aber eindringlich. Großartig! Was könnte zu diesem Thema auch anderes passen als Moll-Töne? Eben. Und die werden hier in ausreichender Menge verwendet.
Die Platte eingespielt hat das André Herzberg Trio, bestehend aus dem Meister höchstpersönlich sowie Hans Rohe an der Gitarre, der schon am Vorgänger-Album "Was aus uns geworden ist" fleißig mitgewerkelt hat, den man außerdem auch als Begleitmusiker von Jenny Kittmann und Danny Dziuk kennt, und der auch schon mit einigen eigenen Alben auffällig geworden ist, sowie Karl Neukauf, der hier mit dem Spiel auf diversen Instrumenten und als Produzent zum Gelingen der Scheibe beitrug, der ebenfalls bereits als Solist in Erscheinung getreten ist und der außerdem zu den Mitgliedern des 3 HIGHligen-Ensembles zählt. Die Kreativität Herzbergs in Sachen Komposition und Texten, das Talent von Karl Neukauf als Produzent und das Zusammenspiel der eben genannten Operateure sind die wichtigen Zutaten für erfolgreiche Entstehen lassen dieser wunderbaren Lieder. Doch bei all den lobenden Worten kommt gleich das große "aber" hinterher, denn leider sind es nur acht Lieder mit knapp 35 Minuten Laufzeit geworden, die auf dem neuen Herzberg-Album zu finden sind. Was soll man denn nach diesen 35 Minuten mit dem angebrochenen Nachmittag machen? Und vor allem, was soll das? Erst wirst Du in Brand gesetzt und noch bevor Du richtig erkennen kannst, wer da der Brandstifter war, ist dieser auch schon wieder weg? Das ist einfach zu wenig, man will nach diesen Songs einfach mehr als nur ´ne knappe halbe Stunde haben. Diese ist aber - und da gibt es eigentlich keine zwei Meinungen - mit sattem Sound, tollem Inhalt, handgemachter Musik und am Ende der Erkenntnis versehen, dass die Worte von Heinz Rudolf Kunze, der da einst sagte, der Rock'n Roll sei tot weil inzwischen jeder Ton gespielt wurde, ein Irrglaube des Hannoveraner Niedermachers war. Der Rock'n Roll ist dank solcher Scheiben hier noch lange nicht tot. Ganz im Gegenteil!
(Christian Reder)