Lukas Meister: "Lieder für vor, während
und nach der Apokalypse" (Album)


meister2022 20220316 2093711945VÖ: 18.03.2022; Label: Kick The Flame; Katalognummer: KTF 0395CD; Musiker: Lukas Meister (Gesang, Gitarre, Klavier, Mundharmonika), Matthias Kasparick (Kontrabass, Trompete, Posaune, Klavier, Cello, Begleitgesang), Caroline Weber (Schlagzeug), Veronika Glotz (Begleitgesang), Marianne Jurek (Querflöte, Begleitgesang), Héloise Lefevbre (Geige, Bratsche), Theresa Glotz (Akkordeon), Benni Benson (E-Gitarre), Michele Fortunato (Posaune); Bemerkung: CD im aufklappbaren Digipak inkl. Booklet mit Abdruck der Songtexte; Künstler-Homepage: www.lukasmeister.tumblr.com

Titel:
Das letzte Stück • Das Ende • Die Entzauberung der Welt • Mondlied • Die Herrschaft der Delfine • Grau und Weiss • Ein halbwegs erträglicher Tag • Nevada • Loretto • Selbstgespräch • Hundert Euro • Der Boxer • Tief ist die Seine


Rezension:
Zwischen dem Album "Leuchten" (Februar 2019) und der nunmehr vorliegenden Scheibe "Lieder für vor, während und nach der Apokalypse" liegen genau drei Jahre. In dieser Zeit ist viel passiert und die Ereignisse überschlugen sich. So fiel die Wahl des Titels für die neue CD noch in die Zeit vor den Moment, in dem ein russischer Staatenlenker der Meinung war, er müsse mit seiner Armee und allerlei Kriegsgerät beim Nachbarn vorstellig werden, um damit die Welt in Angst und Schrecken zu versetzen. Dies geschah erst, als das Album ins Presswerk und das Cover in Druck ging, und lässt die Wahl des Titels nun etwas … sagen wir mal … anstößig wirken. Aber das ist höhere Gewalt für die Lukas Meister nix kann und bringt uns die Erkenntnis, dass schneller als man gucken kann aus einer witzigen Idee der Stein des Anstoßes werden kann. Wie dem auch sei, es ist nicht nur der Krieg ein paar hundert Kilometer östlich von uns, der die Unbekümmertheit von uns allen mehr als nur eingetrübt hat, denn wir hatten und haben immer noch auch mit Corona zu tun, das unser Leben komplett auf den Kopf stellte und den Musiker des hier vorliegenden Werks in eine "Schreibblockade im Schockzustand des ersten Lockdowns" manövrierte.

Dieser Musiker ist Lukas Meister, ein noch 35-jähriger, Vollbart tragender Liederschreiber und Sänger, gebürtig aus dem im Landkreis Breisgau-Hochschwarzwald gelegenen und von knapp 6400 Seelen bewohnten Heitersheim und inzwischen in der Hauptstadt wohnhaft. Euch, unseren Lesern, vielleicht noch von der Vorstellung eben erwähnten Vorgänger-Albums "Leuchten" (Rezension siehe HIER) und als Begleitmusiker der hier ebenfalls schon mehrfach zum Thema gemachten Sarah Lesch bekannt. Falls nicht, jetzt besonders gut aufpassen!

Ganze zwei bis zweieinhalb Jahre benötigte Meister laut eigener Aussage für diese Sammlung von Songs, die nach Überwindung der eben erwähnten Blockade sowie den anschließenden Entdeckungen des eigenen Ichs und der Tatsache, dass er auch ohne Konzerte so ´ne Art Musiker ist, entstanden sind. Im Herbst 2020 veröffentlichte Lukas Meister als erstes Lebenszeichen "Das letzte Stück" und beschloss daraufhin, weitere neue Lieder für ein Album aufzunehmen. Er besorgte sich die passende Ausrüstung, um in den eigenen vier Wänden oder im Proberaum aufnehmen zu können, und los ging die experimentelle Reise im "mobilen" Tonstudio. Aller Anfang war schwer und es gab Tage, da entstanden am Tag etwa 70 Takes, die noch am gleichen Abend allesamt im Papierkorb landeten, beschreibt der Künstler diese Phase.

Peu a peu kamen Songideen und -skizzen zusammen, die dann nicht der "Löschtaste" zum Opfer fielen und schließlich bei seinem Bassisten Matthias Kasparick landeten, der seinerseits eine Demo-Spur darüber legte. Einiges entstand über viele Kilometer Entfernung - dem Internet sei Dank. So gibt es auf dem Album Lieder, bei denen Musiker zusammen zu hören sind, die sich untereinander noch nie gesehen und ihre Parts auch nicht in ein und demselben Studio eingespielt haben. So wurden die Geigen in Paris, die Posaunen irgendwo in Italien und eine der Gitarrenspuren in Augsburg aufgenommen, während Lukas Meister den Gesang und das Gitarrenspiel in seinem "Homeoffice" auf Band verewigte. Doch sieben der insgesamt 13 Lieder entstanden tatsächlich innerhalb von zwei Tagen live in einer Trio-Besetzung und in einem richtigen Studio. Lukas (Gesang, Gitarre), Matthias Kasparick (Kontrabass) und Caroline Weber (Schlagzeug) erledigten dies und fertig war das Songmaterial für dieses Album. Der Künstler selbst beschreibt den Entstehungsprozess als "ziemlichen Ritt", der beim Hören aber keinesfalls als solcher im negativen Sinn empfunden wird.

Beginnen möchte ich die Beschreibung des Gehörten mit der Vorstellung meines persönlichen Lieblingssongs, "Hundert Euro", einer zu Musik gewordenen Geschichte, die auf einer wahren Begebenheit beruht. Zu einer fröhlichen Melodie, die vom Arrangement her bei einem Treffen zwischen Johnny Cash und Bob Dylan entstanden sein könnte, erzählt Lukas Meister, wie er einen "Hunni" auf der Straße fand, ihn einsteckte und auf dem weiteren Weg darüber nachdachte, was damit alles angestellt werden könnte. Die Story nimmt kurz vor Schluss eine unerwartete Wendung und zeigt, dass nicht "jedes Geld" am Ende glücklich macht.
Ein weiterer Song, der hier stellvertretend für das Album herhalten soll, ist "Die Herrschaft der Delfine". Hier treffen sich zwei Aale im Mittelmeer die sich darüber wundern, wo die vielen Menschen abgeblieben sind. Die haben sich - wie einst die Dinosaurier, die die drohende Gefahr für sich selbst auch nicht gesehen haben - offenbar verursacht durch eine Pandemie scheinbar schon komplett vom Planeten verabschiedet und hinterlassen nun eine Lücke, was die Herrschaft über den Globus betrifft. Wie es damit nun weitergehen soll, erörtern die beiden Aale und glauben, dass diese Stellung nur die Delfine einnehmen können. Eine wahrlich "fabelhafte" Geschichte, wunderbar getextet, und ganz einfach nur in einer entspannten Gitarrenmelodie eingekleidet. Soviel Spaß kann Schlichtheit machen!
Ebenfalls um das Ende der Menschheit, bzw. des gesamten Planeten, geht es in "Das Ende". Dieses kommt - ganz im Gegensatz zum in Kinostreifen stets mit einem lauten Bumms angekündigten Finale - wohl ganz geräuschlos und auf leisen Sohlen. Kein Meteorit, keine Bombe, keine Naturkatastrophe … halt ganz unspektakulär und anders als erwartet geht der ganze Laden hier unter. Dazu gepasst hätte eine besäufniserregend düstere Musik in Moll, aber Lukas Meister entschied sich doch für eine luftig-lockere Akustik-Folk-Nummer mit Gute-Laune-Effekt. Ändern ließe sich ein solches Szenario eh nicht, warum dann nicht auch musikalisch im Fun-Modus bleiben? Und wer schon immer wissen wollte, wie beschissen sich dieses Ge-Gendere in Songtexten und letztlich in gesungener Form anhört, achte bei dieser Nummer mal genau auf das, was sich hier eingeschlichen hat.
Überhaupt nicht kacke sind dagegen Lukas' Beobachtungen in Bezug auf junge und aufstrebende Karrieremenschen mit Hauptwohnsitz und fettem Job in Berlin-Mitte und Wochenendschlösschen im brandenburgischen Umland, die er im Country-Sound mit seinem Song "Nevada" zu erzählen hat. Oder auch das Lied über die "Entzauberung der Welt", das im Foxtrott-Rhythmus davon handelt, was sich alles durch den Klimawandel und andere äußere Einflüsse verändert - ob es uns gefällt oder nicht.
Doch damit erstmal Schluss mit dem Verraten von Inhalten und Verpackungen auf dieser Scheibe. Den Rest der 13 Lieder und seine Inhalte soll der nun hoffentlich neugierige Leser bitte selbst erforschen. Soviel vorweg: Es wird nicht langweiliger!

Lukas Meister beschreibt diese Sammlung neuer Lieder als "Gefühlswelten die aufeinander prallten oder einfach koexistierten" und die nun in Liedform vorliegen. Dies sollte dann auch die Sache mit dem auf den ersten Blick so provokanten Albumtitel erklären. "Lieder für vor, während und nach der Apokalypse" ist ein rundum gelungenes Werk, das sowohl auf den ersten als auch auf den zweiten, dritten und vierten Blick Spaß macht. Die Art und Weise des Musikers, wie er mit unserer Sprache arbeitet und sie einsetzt, beeindruckt mich bei jedem Hören aufs Neue. Da verzeiht man ihm dann auch die "Expert*Innen" in "Das Ende", die - Gott sei Dank - ein Einzelfall auf der CD sind. Das Gendern gehört auf ein behördlliches Formular, verhunzt aber unsere Sprache und hat in der Kunst einfach nichts verloren!
(Christian Reder)





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