Silent Running o.c.p.r.: "War In My Head" (Album)

sonst01 20221220 1173479710VÖ: 05/2022; Label: Iron Friends Recordings; Katalognummer: ohne; Musiker: Olaf "Ole" Bandoly (Gesang, Gitarre), Tom "Major" Kollakowski (Gitarre, Gesang), Thomas "Eisi" Eisenblätter (Keyboard, Sequenzer), Bernd Neumann (Bass, Gesang), Peter "Paule" Fincke (Schlagzeug, Percussion); Gast: Todd Phipps (Hammond); Musik/Texte: Silent Running; Produzent: Sebastian Bonczek; Bemerkung: CD im Jewel-Case (Plastik-Hülle) inkl. Booklet ohne Abdruck der Songtexte;

Titel:
"Comin' Home", "Devils in Heaven", "War In My Head", "Sick Of", "Silence", "Fat Ass", "The River", "Cry", "Freunde (Bonustrack)"


Rezension:


Gar nix ist hier "silente"
SILENT RUNNING o.c.p.r., so heißt das Olds Cool Prog'n Roll-Ensemble (dafür steht auch das Kürzel hinter dem eigentlichen Bandnamen) aus Berlin, das mit "War In My Head" ihr neun Titel umfassendes Erstlingswerk auf die Menschheit losgelassen hat. Wer denkt, bei SILENT RUNNING handelt es sich um eine Gruppierung Jugendlicher, die soeben die Vorzüge einer lauten Stromgitarre und das angenehme Prickeln, das Bässe und Schlagzeuge auslösen können, entdeckt haben, muss sich beim Blick auf die Besetzungsliste eines Besseren belehren lassen. Es sind vielmehr jung gebliebene Herren mittleren Alters, von denen sich zwei bereits auf anderen Baustellen mit ihrer Handwerkskunst einen Promi-Status erarbeitet haben.

Ein Name sticht hier besonders heraus, nämlich der von Peter "Paule" Fincke, in den 80ern Schlagzeuger der DDR-Metal-Band FORMEL 1. Ein weiterer alter Bekannter bei den 2015 noch als Unplugged-Projekt gegründeten "stillen Läufern" ist Uwe Kerstan am Bass, dem einen oder anderen unserer Leser möglicherweise noch von der SOZCOMBO bekannt. Die Band wurde vom Sänger und Gitarrist Olaf "Ole" Bandoly, im bürgerlichen Leben Gesangslehrer, auf die Beine gestellt. Zu den bereits näher bezeichneten Musikanten gesellen sich außerdem noch der Gitarrist Thomas "Tom" Kollakowski, dem man als Konzertbesucher auch schon bei der 1985 in Berlin gegründeten Rockband DARK ANGEL über den Weg gelaufen sein könnte, sowie der Tastatur-Virtuose Thomas "Eisi" Eisenblätter. Bei der Albumproduktion hat allerdings noch Bernd Neumann den Bass gezupft, der nach den Aufnahmen aus gesundheitlichen Gründen jedoch aussteigen musste. Als Gast ist auf "War In My Head" zusätzlich der aus Wisconsin/USA stammende Todd Phipps bei drei Songs an der Hammond B3 zu hören.

Die Arbeiten an dem hier vorliegenden Album begannen bereits im vergangenen Jahr. Dafür wurde mit "Iron Friends Recordings" sogar ein eigenes Studio aufgebaut. Darin hat das Berliner Quintett mit seinem US-Gast unter der Leitung von Toningenieur Sebastian Bonczek neun gitarrenbetonte Lieder aus dem Heavy-Metal-Bereich mit mal mehr, mal weniger dezenten Progressive-Rock-Einspritzungen eingetütet, die sich wirklich sehen bzw. hören lassen können. Entsprungen sind die teils in Überlänge ausgefallenen Stücke der eigenen Kreativabteilung, die aus jedem einzelnen Herrn der Runners besteht. Komponiert, getextet und arrangiert wird hier nämlich gemeinschaftlich, wobei "Ole" aber wohl der Hauptideengeber ist, wie man dem Pressetext entnehmen kann.

Für eine Rockscheibe eher ungewöhnlich, wird man beim Opener "Comin' Home" mit Mönchsgesang und einem Keyboard-Teppich empfangen, ehe dem Hörer nach wenigen Sekunden mit brettharten Gitarren und einem stampfenden Schlagzeug eine Gewitterwand aus Sounds vor den Latz geknallt wird. Die hier wirbelnde Arbeitsgemeinschaft entfaltet einen enormen Druck, der sofort in Mark und Bein fährt und nur der Vorbote für das ist, was einem in den nächsten Minuten hier noch so ins Ohr tropfen wird.
Ist man nach der ersten Nummer tatsächlich "zu Hause angekommen", weiß man gar nicht so recht, wieso sich das hier zu hörende Rock-Kraftwerk ausgerechnet das Wort "Silent" in den Bandnamen geschraubt hat. Hier ist nämlich gar nix "silent" … Es rumpelt jedenfalls auch im folgenden "Devils In Heaven" nicht weniger kraftvoll. Auch wenn es laut und heftig zugeht, ist das Stück insgesamt doch recht melodiös und wartet mit einer mitsingbaren Hookline auf, die sich schnell im Gedächtnis des Hörers niederlässt. Hier ist erstmals die schon erwähnte Hammond des US-Amerikaners Todd Phipps zu hören. Ihm und seinen flinken Fingern an den Tasten begegnen wir später nochmals bei "Sick Of" und "Freunde".
So richtig "ruhig" will es auf dem Album aber auch im weiteren Verlauf nicht zugehen. Selbst eine Ballade wie "Sick Of" wühlt mit dem Gitarren- und Keyboard-Part im Mittelteil tief in dir rum und sorgt für mächtig Unruhe im Inneren.
Mein persönlicher Favorit auf der CD ist aber "The River", das massive Prog-Einschläge implantiert und ein hammergeiles Gitarrensolo im Mittelstück verpasst bekommen hat. Diese extrem treibende Nummer lässt einen nicht in Ruhe, schon gar nicht ruhig sitzen, womit wir wieder beim Thema wären: Was, bitte schön, soll hier "silent" sein??? Was für ein fettes Brett!
Das letzte Stück der CD trägt den Titel "Freunde", ist das einzige Lied, das auf Deutsch gesungen ist, und sticht aus all den anderen bis dahin gehörten Liedern richtig heraus. Es hat eine ruhige Einleitung mit akustischer Gitarre und entwickelt sich im Verlauf zu einem reißenden musikalischen Fluss mit einem Männerchor am Ende. Eine Power-Ballade mit Hymnen-Charakter, die - auch wenn nur als "Bonus" beschriftet - ein dickes Ausrufezeichen hinter ein insgesamt schwer beeindruckendes Rock-Album setzt.

Dass ältere Herrschaften nicht zwingend im AMIGOS-Sound und SANTIANO-Fahrwasser unterwegs sein müssen, zeigen uns die Mannen von SILENT RUNNING mit ihrem Album "War In My Head" sehr eindrucksvoll. Es bummst, es scheppert und es knallt alles ganz ordentlich, und trotzdem ist den lauten Liedern eine feine und gekonnte Spielweise zu entnehmen. Das hier operierende Quintett weiß, was es tut, und beherrscht, was es bedient. In der guten alten Stube ist nach dem Einlegen der Silberscheibe jedenfalls ordentlich Bambule, und man hat für ein paar Minuten richtig Struktur im Alltag. Dieses Debüt-Album bietet ehrlichen Hardrock und Metal, und bleibt hoffentlich nicht ihr letztes, denn das hier macht eine Menge Spaß und verlangt nach nicht nur einer Fortsetzung.
(Christian Reder)









   
   
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