Eric Fish: "Gezeiten" (Album)
VÖ: 21.08.2020; Label: Esox Music; Katalognummer: ESOX009CD; Musiker: Eric Fish (Gesang, Gitarre, Bouzouki, Cinco), Gerit Hecht (Klavier, Akkordeon), Rainer Michalek (Gesang, Gitarre, Harp), Friedemann Mäthger (Schlagwerk, Gesang); Bemerkung: CD im aufklappbaren Digipak, inkl. Booklet mit Abdruck der Songtexte. Dieses Album war außerdem Bestandteil des "Fish-Förderer Pakets" zur Unterstützung der Musiker in der Corona-Kriese. Auf dieser Version des Albums befindet sich noch der Bonus-Track "Unten am Fluss";
Titel: Hoffnung • Gaia • Elemente • Sonnenwonnen • Unterm halben Mond • Lass mich los • Im Norden • Aurora • Gestrandet • Mutter • An die Kinder • Dazwischen |
Rezension:
Wenn Eric Fish nicht gerade mit der U-Bahn unterwegs zu Sally ist, tritt er mit seiner eigenen Band auf, gibt Konzerte und veröffentlicht Platten bzw. CDs. Und das nunmehr seit über 20 Jahren! Dabei hat er über all die Jahre eine eigene Handschrift entwickelt, über die man ihn auch bei einer Sichtweite unter 50 Metern sofort wiedererkennen kann. Nach dem Album "Mahlstrom" (2016) und einem Ausflug mit der Gruppe BANNKREIS ist nun mit "Gezeiten" Erics sechstes Studioalbum erschienen.
Gemeinsam mit seinen Freunden (die "Friends" hinter seinem Namen) Gerit Hecht an Klavier und Akkordeon, Rainer Michalek an Gesang, Gitarre und Harp, sowie Friedemann Mäthger an den Schlagwerkzeugen hat der blonde Barde 12 neue Lieder eingespielt. Dafür schöpfte Fish einmal mehr aus der scheinbar unerschöpflichen Quelle seiner Kreativität und bedient sich dabei Themen, die für uns alle greifbar, nachvollziehbar und teils auch nacherlebbar sind. Der größte Teil an Musik und Text stammt aus seiner Feder, manchmal wird er dabei jedoch von seinem langjährigen Kollegen Gerit Hecht kreativ unterstützt.
Mit dem verheißungsvollen Titel "Hoffnung" starten wir ins Programm, und in dieser temperamentvoll arrangierten Nummer geht es über das Auf und Ab im Leben und darum, dass man nicht dauerhaft oben auf dem Olymp sitzen bleiben kann. Manchmal darf man den Zug durchaus auch abfahren lassen und stattdessen mit dem Fahrrad am Stau vorbei brausen.
Im zweiten Song "Gaia" geht es vom Tempo her etwas ruhiger zur Sache. Eine dezent gezupfte Akustikgitarre, Klavier und Schlagzeug bilden das unaufgeregt klingende Fundament für Erics Appell an unsere Vernunft. Das Wort "Gaia" entstammt übrigens der griechischen Mythologie und bezeichnet dort die personifizierte Erde. Und um unsere Erde geht es in dem Stück auch. Hier werden dem Hörer Fragen nach Dingen gestellt, die wir im Prinzip alle als selbstverständlich betrachten, die aber direkt mit unserer Erde und der Umwelt zu tun haben. Und er ermahnt uns, besser auf sie Acht zu geben, da wir nur diese eine Erde haben. Klingt in der Theorie so wie viele andere Lieder zu diesem Thema auch, aber Eric Fish geht es von einer anderen Warte aus an, denn er erhebt nicht als Moralapostel den Zeigefinger und schimpft, sondern regt uns alle an, sensibler mit unserem Planeten umzugehen. Ferner weist er darauf hin, dass "Du nicht immer nur nehmen kannst, sondern dicht am Abgrund tanzt".
Von den "Elementen" Wind, Sonne, Regen und Kälte erzählt der gleichnamige Song direkt im Anschluss. Es geht um den Genuss und auch den Respekt vor diesen von der Natur geschenkten Wetteroptionen. Man genießt es, im Regen zu stehen und sich die Tropfen von der Sonne wieder trocknen zu lassen, man hat aber auch großen Respekt vor dem Wind, der sich zum Sturm aufbäumen kann. Die Elemente sind eine ständige Erinnerung daran, dass man selbst klein und nur aus Staub gemacht ist. Eine Verbeugung vor des Schöpfers Werken. Wie auf Angelo Branduardis Spuren arbeitet das Ensemble beim Musikzieren mit Elementen des Mittelalters in Verbindung mit dem Sound von heute, während der mehrstimmige Gesang im Refrain zusätzliche und als äußerst positiv empfundene Akzente setzt.
Einmal mehr wird eine Figur der griechischen Mythologie in "Sonnenwonnen" heran gezogen. Dieses Mal ist es Helios, der Sonnengott, und die Sonne selbst, die alles Leben entstehen lässt. Eric Fish beschreibt den Himmel, an dem er eine Wolke sieht, die vor der Sonne steht und es deshalb so aussieht, als hätte sie einen Heiligenschein. Dieses Bild nimmt er als Ausgangspunkt dafür, die Schönheit eines Sonnentages und das durch sie ausgelöste Glücksgefühl zu beschreiben. Dazu passend ist auch das Kleid aus Noten gewählt, denn auch musikalisch verbreitet das Lied eine positive Stimmung. Ein wunderbarer und sonnenlichtdurchfluteter Folk-Song.
Eine ebenso positive Stimmung erweckt auch das folgende Lied. Über eine Nacht, in der der Mond nur zur Hälfte erwacht ist, und die Möglichkeiten, unter ihm neue Träume Gestalt annehmen zu lassen, geht es in "Unterm halben Mond". Hier beschreibt der Künstler die Welt und die Situation einer Nacht im Spätsommer so greifbar, als säße man beim Hören selbst unter diesem halben Mond im Gras, durch das der Wind weht, und wo die Weingläser durch die hereinziehende Kühle beschlagen. Nein, es ist nichts dabei, sich irgendwelchen Sentimentalitäten hinzugeben, zu Träumen und in Gedanken seine Wünsche zu formen. Eine Einladung dazu ist jedenfalls dieses Lied, das mit seiner feinen und eingängigen Melodie seinem Hörer einen Ohrwurm beschert. Auf der Suche nach sich selbst, Veränderungen oder einer Verbesserung der Lebenssituation … Wer kennt das nicht? Manchmal möchte man fliehen, alles zurücklassen und einfach nur weit weg sein. Diesen Wunsch äußert hier auch das Lied-Ich und bittet darum, dass losgelassen wird und man ihn ziehen lässt. Nur was gehen kann, kann am Ende auch wieder zurück finden, heißt es weiter. Ein ins Bein fahrender Beat durchzieht diesen zwischen den Zeilen eher ruhigen Folk-Song, der sich nur im Refrain anschickt, etwas lauter zu werden. Auch hier überzeugt der mehrstimmige Gesang, der die Aufforderung, loszulassen, zusätzlich unterstreicht.
Über den Norden, dem Land aus Eis und Steinen, wo seine Wurzeln liegen, singt Eric Fish in "Norden". Eine Hommage an das Land "der alten Sagen", und wo die Weite einen befreit, und ein Lied über die enge Verbundenheit zur Gegend am Meer, die rau zu sein scheint, aber trotzdem einen großen Reiz hat. Auch hier begegnet man mittelalterlichen Klängen, die bei diesem Lied aber - anders als bei "Elemente" - im Vordergrund stehen.
"Aurora" ist die römische Göttin der Morgenröte aber auch die wissenschaftliche Bezeichnung des Polarlichts. Und "Aurora" heißt auch Erics Song über eine Reise der Jungen, denen die Sagen der Alten inzwischen zu wenig sind und die selbst auf die Suche nach Erkenntnis gehen, westwärts übers. Meer und der Sonne entgegen. Man greift nachts nach den Sternen und enträtselt ein Geheimnis - vielleicht ja das des Polarlichts?! Und wenn man dann wieder heimkehrt sind es neue Lieder, die man singt. Dieses Mal über die junge Generation und die Dinge, die sie bei ihrer Erkundungs-Tour gesehen haben. Musikalisch erinnert das Stück ein wenig an Lieder von Loreena McKennitt, ohne dabei wie eine Kopie zu klingen.
"Des Menschen Natur ist nicht zum Teilen bereit", heißt eine Textzeile im Song "Gestrandet". Und damit "Willkommen in der Wirklichkeit". Es geht um Egoismus und um Gier, denn "Genug wird uns nie genügen", heißt es hier. Wieder wird anhand einer Seefahrer-Geschichte das Thema abgebildet, dabei teils in unschönen Bildern erzählt ("es floss Blut beim Kampf ums letzte Rettungsboot") und heraus gestellt, dass sich dieser Wesenszug besonders im Überlebenskampf deutlich zeigt. Die Band hüllt diese unbequeme Wahrheit und die dazu erzählte Story in einen entsprechend dunklen Sound-Rahmen, an dem wohl nur der eingestreute Mundharmonika-Part einen hellen Punkt setzt.
Ähnliche Farben im Klang wählen Eric Fish & Friends im Stück "Mutter". Eine Klaviermelodie leitet das Lied ein, bevor sich die Stimme von Eric erhebt. Ist es wirklich die eigene Mutter, die in diesem Lied der Adressat seiner Ansprache ist, oder wendet er sich an eine ganz andere? An Mutter Natur zum Beispiel … Er fühlt sie unter seiner Haut, er hört sie, denn ihr Schmerz sei laut, und er fragt sie, ob sie ihm noch Zeit gibt. Möge sich jeder von Euch beim Hören selbst ein Bild machen und eigene Interpretationen anstellen. Mit einem an Indianer-Folklore erinnernden "Heya Heya Heya Ho"-Gesang setzen Fish und seine Mannen am Ende des Stücks einen weiteren Akzent im bunten Farbenspiel der Elemente auf "Gezeiten".
"An die Kinder" richtet sich das gleichnamige Lied, in dem selbstreflektierend feststellt wird, dass man nicht immer der ideale Vater war. Das Erwachsenwerden der Kinder ging viel zu schnell und jetzt gehen sie auf einmal ihre eigenen Wege. Es kommt die Erkenntnis, dass viele wichtige Momente einfach verpasst worden sind. Man war vielleicht aus beruflichen Gründen unterwegs und hat deshalb die ersten Schritte des Kindes nicht sehen können Auch hat man vielleicht zu hohe Ansprüche an das Kind gestellt, die es dann nicht erfüllen konnte. Aber trotzdem liebt man es von ganzem Herzen und macht sich gerade deshalb Gedanken über die Dinge, die besser hätten laufen können. Am Grab des Vaters aber soll das Kind tanzen und nicht unglücklich sein, so der formulierte Wunsch an den Nachwuchs. Eine ruhig dahin gleitende Rock-Ballade bildet den Mantel um diesen Wunsch des Vaters, und beschert dem aufmerksamen Zuhörer die pure Gänsehaut. Es klingt in ihm so schwer nach Abschied ...
Mit "Dazwischen" endet das Album und es gibt noch einen Spaziergang durch eine nicht näher bezeichnete Stadt mit ihren Denkmälern "dazwischen". "Es flüstern Marmor, Ton und Stein von der gestorbenen Zeit", und erzählen dem Betrachter von der Zeit zwischen Geburt und Tod, zwischen Stern und Kreuz, also von der Zeit "dazwischen". Die Musik, in das dieser wunderbare Text verpackt wurde, wirkt wie das Meer. Die Klaviermelodie hat was von Wellen, die eine nach der anderen das Land berühren, während der dezent getrommelte Beat den Takt vorgibt. Eric lässt dazu seine Stimme mitspielen und zieht die Worte so in die Länge, dass aus Musik und Gesang eine Einheit wird, die dem Hörer die Bilder zum Inhalt vor das innere Auge projiziert. So flott und "laut" wie wir in die "Gezeiten" eingestiegen sind, so ruhig und entschleunigt werden wir hier auch wieder entlassen.
Eric Fish und seinen Freunden ist es mit "Gezeiten" gelungen, ein Album im Stile eines Liedermachers abzuliefern, das weit mehr zu bieten hat, als Inhalte, gesungen zur Wanderklampfe. In jedem der Lieder steckt eine Geschichte mit Denkanstößen und Mut machenden Botschaften für die Hörer. Diesen Inhalten wurden ideenreich umgesetzte und teils sehr filigrane Arrangements zur Seite gestellt, die dem Album insgesamt eine enorme Tiefe geben. Als Hörer wünscht man sich nach dem Genuss dieser Scheibe, der Protagonist möge die nächste U-Bahn in Richtung Sally verpassen und auch sein Fahrrad nicht finden, damit er weiter so schöne Lieder schreiben und uns bald mit dem nächsten bunten Album überraschen kann.
(Christian Reder)
Wenn Eric Fish nicht gerade mit der U-Bahn unterwegs zu Sally ist, tritt er mit seiner eigenen Band auf, gibt Konzerte und veröffentlicht Platten bzw. CDs. Und das nunmehr seit über 20 Jahren! Dabei hat er über all die Jahre eine eigene Handschrift entwickelt, über die man ihn auch bei einer Sichtweite unter 50 Metern sofort wiedererkennen kann. Nach dem Album "Mahlstrom" (2016) und einem Ausflug mit der Gruppe BANNKREIS ist nun mit "Gezeiten" Erics sechstes Studioalbum erschienen.
Gemeinsam mit seinen Freunden (die "Friends" hinter seinem Namen) Gerit Hecht an Klavier und Akkordeon, Rainer Michalek an Gesang, Gitarre und Harp, sowie Friedemann Mäthger an den Schlagwerkzeugen hat der blonde Barde 12 neue Lieder eingespielt. Dafür schöpfte Fish einmal mehr aus der scheinbar unerschöpflichen Quelle seiner Kreativität und bedient sich dabei Themen, die für uns alle greifbar, nachvollziehbar und teils auch nacherlebbar sind. Der größte Teil an Musik und Text stammt aus seiner Feder, manchmal wird er dabei jedoch von seinem langjährigen Kollegen Gerit Hecht kreativ unterstützt.
Mit dem verheißungsvollen Titel "Hoffnung" starten wir ins Programm, und in dieser temperamentvoll arrangierten Nummer geht es über das Auf und Ab im Leben und darum, dass man nicht dauerhaft oben auf dem Olymp sitzen bleiben kann. Manchmal darf man den Zug durchaus auch abfahren lassen und stattdessen mit dem Fahrrad am Stau vorbei brausen.
Im zweiten Song "Gaia" geht es vom Tempo her etwas ruhiger zur Sache. Eine dezent gezupfte Akustikgitarre, Klavier und Schlagzeug bilden das unaufgeregt klingende Fundament für Erics Appell an unsere Vernunft. Das Wort "Gaia" entstammt übrigens der griechischen Mythologie und bezeichnet dort die personifizierte Erde. Und um unsere Erde geht es in dem Stück auch. Hier werden dem Hörer Fragen nach Dingen gestellt, die wir im Prinzip alle als selbstverständlich betrachten, die aber direkt mit unserer Erde und der Umwelt zu tun haben. Und er ermahnt uns, besser auf sie Acht zu geben, da wir nur diese eine Erde haben. Klingt in der Theorie so wie viele andere Lieder zu diesem Thema auch, aber Eric Fish geht es von einer anderen Warte aus an, denn er erhebt nicht als Moralapostel den Zeigefinger und schimpft, sondern regt uns alle an, sensibler mit unserem Planeten umzugehen. Ferner weist er darauf hin, dass "Du nicht immer nur nehmen kannst, sondern dicht am Abgrund tanzt".
Von den "Elementen" Wind, Sonne, Regen und Kälte erzählt der gleichnamige Song direkt im Anschluss. Es geht um den Genuss und auch den Respekt vor diesen von der Natur geschenkten Wetteroptionen. Man genießt es, im Regen zu stehen und sich die Tropfen von der Sonne wieder trocknen zu lassen, man hat aber auch großen Respekt vor dem Wind, der sich zum Sturm aufbäumen kann. Die Elemente sind eine ständige Erinnerung daran, dass man selbst klein und nur aus Staub gemacht ist. Eine Verbeugung vor des Schöpfers Werken. Wie auf Angelo Branduardis Spuren arbeitet das Ensemble beim Musikzieren mit Elementen des Mittelalters in Verbindung mit dem Sound von heute, während der mehrstimmige Gesang im Refrain zusätzliche und als äußerst positiv empfundene Akzente setzt.
Einmal mehr wird eine Figur der griechischen Mythologie in "Sonnenwonnen" heran gezogen. Dieses Mal ist es Helios, der Sonnengott, und die Sonne selbst, die alles Leben entstehen lässt. Eric Fish beschreibt den Himmel, an dem er eine Wolke sieht, die vor der Sonne steht und es deshalb so aussieht, als hätte sie einen Heiligenschein. Dieses Bild nimmt er als Ausgangspunkt dafür, die Schönheit eines Sonnentages und das durch sie ausgelöste Glücksgefühl zu beschreiben. Dazu passend ist auch das Kleid aus Noten gewählt, denn auch musikalisch verbreitet das Lied eine positive Stimmung. Ein wunderbarer und sonnenlichtdurchfluteter Folk-Song.
Eine ebenso positive Stimmung erweckt auch das folgende Lied. Über eine Nacht, in der der Mond nur zur Hälfte erwacht ist, und die Möglichkeiten, unter ihm neue Träume Gestalt annehmen zu lassen, geht es in "Unterm halben Mond". Hier beschreibt der Künstler die Welt und die Situation einer Nacht im Spätsommer so greifbar, als säße man beim Hören selbst unter diesem halben Mond im Gras, durch das der Wind weht, und wo die Weingläser durch die hereinziehende Kühle beschlagen. Nein, es ist nichts dabei, sich irgendwelchen Sentimentalitäten hinzugeben, zu Träumen und in Gedanken seine Wünsche zu formen. Eine Einladung dazu ist jedenfalls dieses Lied, das mit seiner feinen und eingängigen Melodie seinem Hörer einen Ohrwurm beschert. Auf der Suche nach sich selbst, Veränderungen oder einer Verbesserung der Lebenssituation … Wer kennt das nicht? Manchmal möchte man fliehen, alles zurücklassen und einfach nur weit weg sein. Diesen Wunsch äußert hier auch das Lied-Ich und bittet darum, dass losgelassen wird und man ihn ziehen lässt. Nur was gehen kann, kann am Ende auch wieder zurück finden, heißt es weiter. Ein ins Bein fahrender Beat durchzieht diesen zwischen den Zeilen eher ruhigen Folk-Song, der sich nur im Refrain anschickt, etwas lauter zu werden. Auch hier überzeugt der mehrstimmige Gesang, der die Aufforderung, loszulassen, zusätzlich unterstreicht.
Über den Norden, dem Land aus Eis und Steinen, wo seine Wurzeln liegen, singt Eric Fish in "Norden". Eine Hommage an das Land "der alten Sagen", und wo die Weite einen befreit, und ein Lied über die enge Verbundenheit zur Gegend am Meer, die rau zu sein scheint, aber trotzdem einen großen Reiz hat. Auch hier begegnet man mittelalterlichen Klängen, die bei diesem Lied aber - anders als bei "Elemente" - im Vordergrund stehen.
"Aurora" ist die römische Göttin der Morgenröte aber auch die wissenschaftliche Bezeichnung des Polarlichts. Und "Aurora" heißt auch Erics Song über eine Reise der Jungen, denen die Sagen der Alten inzwischen zu wenig sind und die selbst auf die Suche nach Erkenntnis gehen, westwärts übers. Meer und der Sonne entgegen. Man greift nachts nach den Sternen und enträtselt ein Geheimnis - vielleicht ja das des Polarlichts?! Und wenn man dann wieder heimkehrt sind es neue Lieder, die man singt. Dieses Mal über die junge Generation und die Dinge, die sie bei ihrer Erkundungs-Tour gesehen haben. Musikalisch erinnert das Stück ein wenig an Lieder von Loreena McKennitt, ohne dabei wie eine Kopie zu klingen.
"Des Menschen Natur ist nicht zum Teilen bereit", heißt eine Textzeile im Song "Gestrandet". Und damit "Willkommen in der Wirklichkeit". Es geht um Egoismus und um Gier, denn "Genug wird uns nie genügen", heißt es hier. Wieder wird anhand einer Seefahrer-Geschichte das Thema abgebildet, dabei teils in unschönen Bildern erzählt ("es floss Blut beim Kampf ums letzte Rettungsboot") und heraus gestellt, dass sich dieser Wesenszug besonders im Überlebenskampf deutlich zeigt. Die Band hüllt diese unbequeme Wahrheit und die dazu erzählte Story in einen entsprechend dunklen Sound-Rahmen, an dem wohl nur der eingestreute Mundharmonika-Part einen hellen Punkt setzt.
Ähnliche Farben im Klang wählen Eric Fish & Friends im Stück "Mutter". Eine Klaviermelodie leitet das Lied ein, bevor sich die Stimme von Eric erhebt. Ist es wirklich die eigene Mutter, die in diesem Lied der Adressat seiner Ansprache ist, oder wendet er sich an eine ganz andere? An Mutter Natur zum Beispiel … Er fühlt sie unter seiner Haut, er hört sie, denn ihr Schmerz sei laut, und er fragt sie, ob sie ihm noch Zeit gibt. Möge sich jeder von Euch beim Hören selbst ein Bild machen und eigene Interpretationen anstellen. Mit einem an Indianer-Folklore erinnernden "Heya Heya Heya Ho"-Gesang setzen Fish und seine Mannen am Ende des Stücks einen weiteren Akzent im bunten Farbenspiel der Elemente auf "Gezeiten".
"An die Kinder" richtet sich das gleichnamige Lied, in dem selbstreflektierend feststellt wird, dass man nicht immer der ideale Vater war. Das Erwachsenwerden der Kinder ging viel zu schnell und jetzt gehen sie auf einmal ihre eigenen Wege. Es kommt die Erkenntnis, dass viele wichtige Momente einfach verpasst worden sind. Man war vielleicht aus beruflichen Gründen unterwegs und hat deshalb die ersten Schritte des Kindes nicht sehen können Auch hat man vielleicht zu hohe Ansprüche an das Kind gestellt, die es dann nicht erfüllen konnte. Aber trotzdem liebt man es von ganzem Herzen und macht sich gerade deshalb Gedanken über die Dinge, die besser hätten laufen können. Am Grab des Vaters aber soll das Kind tanzen und nicht unglücklich sein, so der formulierte Wunsch an den Nachwuchs. Eine ruhig dahin gleitende Rock-Ballade bildet den Mantel um diesen Wunsch des Vaters, und beschert dem aufmerksamen Zuhörer die pure Gänsehaut. Es klingt in ihm so schwer nach Abschied ...
Mit "Dazwischen" endet das Album und es gibt noch einen Spaziergang durch eine nicht näher bezeichnete Stadt mit ihren Denkmälern "dazwischen". "Es flüstern Marmor, Ton und Stein von der gestorbenen Zeit", und erzählen dem Betrachter von der Zeit zwischen Geburt und Tod, zwischen Stern und Kreuz, also von der Zeit "dazwischen". Die Musik, in das dieser wunderbare Text verpackt wurde, wirkt wie das Meer. Die Klaviermelodie hat was von Wellen, die eine nach der anderen das Land berühren, während der dezent getrommelte Beat den Takt vorgibt. Eric lässt dazu seine Stimme mitspielen und zieht die Worte so in die Länge, dass aus Musik und Gesang eine Einheit wird, die dem Hörer die Bilder zum Inhalt vor das innere Auge projiziert. So flott und "laut" wie wir in die "Gezeiten" eingestiegen sind, so ruhig und entschleunigt werden wir hier auch wieder entlassen.
Eric Fish und seinen Freunden ist es mit "Gezeiten" gelungen, ein Album im Stile eines Liedermachers abzuliefern, das weit mehr zu bieten hat, als Inhalte, gesungen zur Wanderklampfe. In jedem der Lieder steckt eine Geschichte mit Denkanstößen und Mut machenden Botschaften für die Hörer. Diesen Inhalten wurden ideenreich umgesetzte und teils sehr filigrane Arrangements zur Seite gestellt, die dem Album insgesamt eine enorme Tiefe geben. Als Hörer wünscht man sich nach dem Genuss dieser Scheibe, der Protagonist möge die nächste U-Bahn in Richtung Sally verpassen und auch sein Fahrrad nicht finden, damit er weiter so schöne Lieder schreiben und uns bald mit dem nächsten bunten Album überraschen kann.
(Christian Reder)
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