Potsch Potschka: "... spielt SPLIFF" (CD Album)
VÖ: 23.02.2018; Label: inakustik; Katalognummer: INAK 9155 CD; Musiker: Potsch Potschka (Gitarren, Effekte), Sven Sander (Gesang), Peter Stahl (Gitarre), Wolfy Ziegler (Bass), Minas Suluyan (Perkussion), Johannes Zeiss (Schlagzeug); Produzent: Potsch Potschka; Bemerkung: CD im Jewel-Case (Plastik) ohne Abdruck der Texte im Booklet. Das Album ist gleichzeitig auch als Schallplatte erschienen;
Titel: Deja vu • Das Blech • Radio • Tag für Tag • Herzlichen Glückwunsch • Carbonara • Jerusalem • Heut Nacht • Notausgang • Augen zu • Rand der Welt |
Rezension:
Es gibt Musik, die einfach nicht klein zu kriegen ist. Die hört man immer wieder, und sie verliert nichts an ihrem Reiz. Für mich gehören die Songs von SPLIFF und von Herwig Mitteregger zu eben dieser Musik, die ich zu jeder Tages- und Nachtzeit aus meinem Regal fingern und hören kann. Leider kann man weder SPLIFF noch Mitteregger heute mehr live erleben und neues Material der 80er-Kultband ist ebenfalls nicht zu erwarten. Umso schöner ist es, wenn Teile der Kapelle die alte Zeit wieder mal neu aufleben lassen. Frontmann und Drummer Herwig Mitteregger hatte auf seinen 2008 und 2009 erschienenen Alben je eine alte Komposition aus SPLIFF-Zeiten aufgemöbelt und nach seinem heutigen Musikverständnis neu eingespielt. Potsch Potschka, bekanntermaßen der Saitenhexer dieser Berliner Formation, hat dies bereits mit BOCKX AUF SPLIFF, einem gemeinsamen Projekt von ihm und dem leider schon verstorbenen SPLIFF-Bassisten Manne Praeker, getan, hatte nur vergessen diese Unternehmung zu dokumentieren und auf einem Tonträger für die Nachwelt festzuhalten. Die Idee hat er vor ein paar Jahren aber neu aufgegriffen, 11 Lieder seiner ehemaligen Band hergenommen und - mit seiner heutigen Handschrift versehen - neu in Umlauf gebracht. "Potsch Potschka spielt SPLIFF" heißt dann nicht nur das Bühnenprogramm, mit dem er seit 2016 inklusive Rockband auftritt, sondern auch die neue Langrille, die Potsch mit diesen Neubearbeitungen gefüllt und beim Label Inakustik veröffentlicht hat.
Zurückgelehnt und losgelegt mit "Deja Vu", das das Album eröffnet. Die Inhalte der elf Klassiker muss man dem Leser nicht mehr vorstellen. Einzelne Lieder sind inzwischen Evergreens, wenn nicht sogar schon Volkslieder. So auch eben erwähntes "Deja Vu", das von Hause aus schon mit einem düster-aggressiven Grundton daher kommt, der von Potsch in seiner Neubearbeitung noch eine Portion dessen obendrauf bekommen hat. Und so entdeckt man in jedem Lied auf der Platte die Lust auf Veränderung und Anpassung an den heute herrschenden rockmusikalischen Zeitgeist. Potsch und seinen Musikanten gelingt es dabei nahezu spielerisch, siedend-heiße und knallharte Rocksounds mit Radiotauglichkeit zu vermischen. Dabei haben die Musikanten an keiner Stelle den Fokus auf Dynamik und Druck verloren. Besonders viel Spaß - und das tat sie schon beim Live-Konzert - macht die Spielweise von Bassist Wolfy Ziegler, der jeder Nummer mit seinem Bassspiel das gewisse Etwas mit auf den Weg gibt und damit Manne ganz großartig "vertritt". Besonders gut zu hören ist das in den Stücken "Notausgang", "Carbonara" und "Augen zu". Spannend zu beobachten (und anzuhören) ist zudem die Leistung von Sänger Sven Sander, der die wohl größte und zugleich schwierigste Aufgabe in der Band zu wuppen hat, nämlich die, das Publikum mit Liedern abzuholen, die für drei verschiedene Sänger - von denen er keiner ist - gemacht worden sind. Live gelingt ihm das sehr gut und auch auf dem Album hinterlässt er bleibende Spuren, aber so mancher von Mitteregger, Heil oder Praeker gesetzte Meilenstein kann von Sander handwerklich nicht erreicht werden. So wirkt sein Vortrag speziell beim Song "Radio" nicht sehr souverän und ähnelt mehr dem eines Musical- als eines Rocksängers - eher gekünstelt und sich selbst verbiegend. Das gleiche Gefühl überkam mich beim Hören von "Tag für Tag". Ansonsten ist Sander für die Band - und da wiederhole ich gerne meine Worte aus dem Bericht über das Konzert in Castrop-Rauxel im Dezember 2017 - ein absoluter Gewinn. Auffallend auf dem Album sind des Weiteren der Einsatz eines Damen-Chores (u.a. auch beim eben schon erwähnten "Tag für Tag" oder beim Song "Augen zu") und der eines Perkussionisten, der Liedern wie z.B. "Jerusalem" und "Notausgang" eine zusätzliche Dynamik verpasst. Diesen "Inhaltsstoffen" begegnet man im Zusammenhang mit SPLIFF-Musik hier zum ersten Mal. Wie bei den Konzerten wird auch auf dem Album auf die Verwendung irgendwelcher Tasteninstrumente verzichtet. Den einen oder anderen Effekt steuert Potsch hier wohl mit Samples bei, so dass man als Einleitung des Songs "Radio" auf Fragmente aus der Spliff-Radio-Show trifft und bei "Augen zu" auch das markante Synthie-Klingeln wiederentdecken kann. Den Rest der einstmals vom Chip entnommenen Klänge erzeugt der Künstler mit seinen Gitarren. Sehr fein!
"Potsch Potschka spielt SPLIFF" ist eine gelungene Studio-Umsetzung dessen, was der Berliner Musiker mit seinen Kollegen schon seit über zwei Jahren auf den Bühnen des Landes perfekt rüber bringt. Es ist der pure Rock, die geballte Kraft und - so scheint es - die in mehreren Jahren aufgestaute Lust auf Krach, gitarrenmäßigen Krawall und das Ausleben eines Gefühls, das einem wohl wirklich nur die Rockmusik geben kann. Die weiter oben von mir als Volkslieder bezeichneten Songs der Gruppe SPLIFF klingen auf dieser Scheibe zeitgemäß und zeitlos zugleich. Nun wäre es vermessen, dieses Album mit den Göttergaben "85555" oder "Herzlichen Glückwunsch" auf eine Stufe zu stellen. Es zeigt aber sehr eindrucksvoll, dass handgemachte Rockmusik nach wie vor eine Menge Spaß machen kann, und dass man auch als älterer Herr noch glaubwürdig cooles Zeug abliefern kann. Es gibt eben nicht nur Musik, die nicht klein zu kriegen ist ... es gibt auch Musiker mit diesem Attribut.
(Christian Reder)
Es gibt Musik, die einfach nicht klein zu kriegen ist. Die hört man immer wieder, und sie verliert nichts an ihrem Reiz. Für mich gehören die Songs von SPLIFF und von Herwig Mitteregger zu eben dieser Musik, die ich zu jeder Tages- und Nachtzeit aus meinem Regal fingern und hören kann. Leider kann man weder SPLIFF noch Mitteregger heute mehr live erleben und neues Material der 80er-Kultband ist ebenfalls nicht zu erwarten. Umso schöner ist es, wenn Teile der Kapelle die alte Zeit wieder mal neu aufleben lassen. Frontmann und Drummer Herwig Mitteregger hatte auf seinen 2008 und 2009 erschienenen Alben je eine alte Komposition aus SPLIFF-Zeiten aufgemöbelt und nach seinem heutigen Musikverständnis neu eingespielt. Potsch Potschka, bekanntermaßen der Saitenhexer dieser Berliner Formation, hat dies bereits mit BOCKX AUF SPLIFF, einem gemeinsamen Projekt von ihm und dem leider schon verstorbenen SPLIFF-Bassisten Manne Praeker, getan, hatte nur vergessen diese Unternehmung zu dokumentieren und auf einem Tonträger für die Nachwelt festzuhalten. Die Idee hat er vor ein paar Jahren aber neu aufgegriffen, 11 Lieder seiner ehemaligen Band hergenommen und - mit seiner heutigen Handschrift versehen - neu in Umlauf gebracht. "Potsch Potschka spielt SPLIFF" heißt dann nicht nur das Bühnenprogramm, mit dem er seit 2016 inklusive Rockband auftritt, sondern auch die neue Langrille, die Potsch mit diesen Neubearbeitungen gefüllt und beim Label Inakustik veröffentlicht hat.
Zurückgelehnt und losgelegt mit "Deja Vu", das das Album eröffnet. Die Inhalte der elf Klassiker muss man dem Leser nicht mehr vorstellen. Einzelne Lieder sind inzwischen Evergreens, wenn nicht sogar schon Volkslieder. So auch eben erwähntes "Deja Vu", das von Hause aus schon mit einem düster-aggressiven Grundton daher kommt, der von Potsch in seiner Neubearbeitung noch eine Portion dessen obendrauf bekommen hat. Und so entdeckt man in jedem Lied auf der Platte die Lust auf Veränderung und Anpassung an den heute herrschenden rockmusikalischen Zeitgeist. Potsch und seinen Musikanten gelingt es dabei nahezu spielerisch, siedend-heiße und knallharte Rocksounds mit Radiotauglichkeit zu vermischen. Dabei haben die Musikanten an keiner Stelle den Fokus auf Dynamik und Druck verloren. Besonders viel Spaß - und das tat sie schon beim Live-Konzert - macht die Spielweise von Bassist Wolfy Ziegler, der jeder Nummer mit seinem Bassspiel das gewisse Etwas mit auf den Weg gibt und damit Manne ganz großartig "vertritt". Besonders gut zu hören ist das in den Stücken "Notausgang", "Carbonara" und "Augen zu". Spannend zu beobachten (und anzuhören) ist zudem die Leistung von Sänger Sven Sander, der die wohl größte und zugleich schwierigste Aufgabe in der Band zu wuppen hat, nämlich die, das Publikum mit Liedern abzuholen, die für drei verschiedene Sänger - von denen er keiner ist - gemacht worden sind. Live gelingt ihm das sehr gut und auch auf dem Album hinterlässt er bleibende Spuren, aber so mancher von Mitteregger, Heil oder Praeker gesetzte Meilenstein kann von Sander handwerklich nicht erreicht werden. So wirkt sein Vortrag speziell beim Song "Radio" nicht sehr souverän und ähnelt mehr dem eines Musical- als eines Rocksängers - eher gekünstelt und sich selbst verbiegend. Das gleiche Gefühl überkam mich beim Hören von "Tag für Tag". Ansonsten ist Sander für die Band - und da wiederhole ich gerne meine Worte aus dem Bericht über das Konzert in Castrop-Rauxel im Dezember 2017 - ein absoluter Gewinn. Auffallend auf dem Album sind des Weiteren der Einsatz eines Damen-Chores (u.a. auch beim eben schon erwähnten "Tag für Tag" oder beim Song "Augen zu") und der eines Perkussionisten, der Liedern wie z.B. "Jerusalem" und "Notausgang" eine zusätzliche Dynamik verpasst. Diesen "Inhaltsstoffen" begegnet man im Zusammenhang mit SPLIFF-Musik hier zum ersten Mal. Wie bei den Konzerten wird auch auf dem Album auf die Verwendung irgendwelcher Tasteninstrumente verzichtet. Den einen oder anderen Effekt steuert Potsch hier wohl mit Samples bei, so dass man als Einleitung des Songs "Radio" auf Fragmente aus der Spliff-Radio-Show trifft und bei "Augen zu" auch das markante Synthie-Klingeln wiederentdecken kann. Den Rest der einstmals vom Chip entnommenen Klänge erzeugt der Künstler mit seinen Gitarren. Sehr fein!
"Potsch Potschka spielt SPLIFF" ist eine gelungene Studio-Umsetzung dessen, was der Berliner Musiker mit seinen Kollegen schon seit über zwei Jahren auf den Bühnen des Landes perfekt rüber bringt. Es ist der pure Rock, die geballte Kraft und - so scheint es - die in mehreren Jahren aufgestaute Lust auf Krach, gitarrenmäßigen Krawall und das Ausleben eines Gefühls, das einem wohl wirklich nur die Rockmusik geben kann. Die weiter oben von mir als Volkslieder bezeichneten Songs der Gruppe SPLIFF klingen auf dieser Scheibe zeitgemäß und zeitlos zugleich. Nun wäre es vermessen, dieses Album mit den Göttergaben "85555" oder "Herzlichen Glückwunsch" auf eine Stufe zu stellen. Es zeigt aber sehr eindrucksvoll, dass handgemachte Rockmusik nach wie vor eine Menge Spaß machen kann, und dass man auch als älterer Herr noch glaubwürdig cooles Zeug abliefern kann. Es gibt eben nicht nur Musik, die nicht klein zu kriegen ist ... es gibt auch Musiker mit diesem Attribut.
(Christian Reder)