VÖ: 17.03.2017; Label: Rakete Medien/Rough Trade; Katalognummer: 9485660; Bemerkung: 2 CDs im aufklappbaren Digipak; Titel: CD 1 (Studioalbum): Das ist die Zeit • Du bist da • Da denkste jetzt mal drüber nach • Es reicht • Schweigen • Ab heute ist für immer • Das ist nicht fair • Ich wünsch mir du bleibst • Nimm es mit • Das letzte Mal CD 2 (Live-Album): Sehnsucht 2017 • Viel zu wenig Zeit • Das ist nicht fair • Weitergehen • Kinderleicht • Spiegeln • Der letzte Koffer • Unter der Haut • Kleine Geschichte vom Ende einer großen Liebe • Wir werden das schaffen

Rezension:
Als ich den Vorschlag erhielt, die neue CD von Purple Schulz, "Der Sing des Lebens", zur rezensieren, hab ich erst mal kurz gezögert, denn dafür bin ich bestimmt nicht Fachfrau genug, um diesem tollen Künstler voll gerecht werden zu können. Aber wenn ihr damit leben könnt, dass ich euch erzähle, was ich beim Hören der Doppel CD empfunden habe, dann lasst euch auf diese Zeilen ein.

Zu Purple Schulz bin ich durch meine Freundin Peggy gekommen. Sie legte mir das Schaffen des Musikers ans Herz. Ich war skeptisch, da ich mich mehr als Ostrockfan sehe und eigentlich keine Ahnung von Purple Schulz hatte. Aber dann hat er "Feuer gemacht". Ich habe ihn in Freiberg live erlebt und bin wieder mal Peggy dankbar für die Horizonterweiterung. Seitdem gehe ich ab und an zu seinen Konzerten, habe bisher in vier Jahren vier Programme gesehen, jedes einmalig und anders. Und nun war wieder was im Busch, nämlich eine neue CD. Am 17. März 2017 erschien die Doppel CD "Der Sing des Lebens". Ein ungewöhnlicher Titel, "Sing mit Sinn" könnte man es auch nennen.

Da ich es nicht erwarten konnte, bis die CD bei mir eintrifft, machte ich mich am 12. März 2017 auf den Weg nach Leipzig in die Peterskirche. Dort trat Purple im Rahmen der Veranstaltung "Nacht der erleuchteten Kirche" mit dem Programm "Lichtblicke" auf. Ahnungslose haben manchmal Glück, es war gleichzeitig die Premiere seiner zehn neuen Titel. Er hat sie fast ausnahmslos alle gespielt. Und bei mir damit voll ins Schwarze getroffen. Geschrieben hat er die neuen Songs mit seiner Frau Eri, und auch sein Sohn Ben sowie sein Gitarrist Markus Wienstroer steuerten etwas bei. Die Schulzens sind sozusagen ein erfolgreiches Familienunternehmen.

Selbst ohne die phantastische Beleuchtung in der Kirche in Leipzig, die neuen Titel beeindrucken mich heute auch bei Tageslicht. Sowohl die Auswahl der Themen, die der Künstler anspricht, als auch die musikalische Umsetzung streicheln die Seelen der Menschen, die in der heutigen schwierigen Zeit Antworten suchen. Der Song "Das ist die Zeit" entstand im Dezember 2016 am Küchentisch bei Familie Schulz, und es sind ihre Gedanken zu dem Anschlag in Berlin. Dieser Titelsong ist einer meiner Favoriten auf der neuen CD. Aber auch mit dem zweiten Lied hat er einen Treffer gelandet. Er heißt "Du bist da" und erzählt vom Phänomen Katastrophengucken, nach dem Motto: "Mann is das 'ne Gaudi, da drüben brennt 'n Audi", um dann die Kurve zu den Menschen zu kriegen, die uneigennützig für die Mitmenschen da sind und heutzutage gern als Gutmenschen beschimpft werden. Hat mir echt gefallen, dieses musikalische Statement. Aber auch "Da denkste jetzt mal drüber nach", dieser Reklamationsbericht von Purple und Eri an den lieben Gott, ist ein "Hinhörer". Alle diese sinnsuchenden Themen sind musikalisch locker und flockig verpackt. Im ersten Moment hatte ich das Gefühl, hier passt ja Text und Musik nicht zusammen. Aber gerade dieser scheinbare Widerspruch macht den Reiz dieser CD aus. Musikalisch geht es von rockigen Stücken zu Poparrangements bis hin zu Country und Chanson. Die meisten Titel sind sehr beschwingt. Ein hintersinniger Humor macht schwere Themen verständlicher und Purple erreicht, dass genau hingehört wird. Er ist ein Liedermacher, der nicht bedeutungsschwer die Stirn in Falten legt und dann gegen die böse Welt wettert. Ich kann nur für mich sprechen, aber ständiges Lamentieren über die Zustände stumpft eher ab und macht mutlos. Wir alle brauchen aber Mut und Optimismus. Diesen in der heutigen Zeiten zu verbreiten ist eine Kunst, die Purple Schulz beherrscht.

Mit "Es reicht" setzt er zu diesem Thema noch mal einen drauf. Eben diese spannende musikalische Verpackung seiner Geschichten lässt an den Titeln immer wieder was Neues entdecken, auch bei wiederholtem Hören. Die Scheibe darf bei mir im Auto mitfahren. Das darf nicht jede. Laut lachen muss man bei "Es ist nicht fair". Dass Männer mit ihrem Älterwerden kokettieren, das hört man bei vielen Künstlern unserer Generation. Aber Purple macht das aus der Sicht von Männern und Frauen, und noch dazu total witzig. Mit "Ich wünsch mir, du bleibst" macht sich Familie Schulz eine rührende Liebeserklärung. Auf solche Titel stehe ich eigentlich nicht so, aber dieser gefällt mir prima.

"Der Sing des Lebens" beinhaltet noch eine zweite CD. Es sind Live Mitschnitte von seiner Tour 2016, die zuvor auf keinem Studioalbum waren. Zu meiner großen Freude ist "Der letzte Koffer" dabei. Aber auch solche Klassiker wie "Sehnsucht" wurden ganz neu arrangiert und schafften es auf die Bonus CD. Mich hat in Leipzig dieser Titel am meisten berührt. Die Konzertbesucher haben Purple dafür gefeiert. Der Letzte von den insgesamt 20 Titeln heißt "Wir werden das Schaffen" und ist eine köstliche Parodie. Es geht um Integration und Leitkultur. Anstatt mit Schaum vor dem Mund, handelt Purple dieses Thema gelassen und mit Witz als südländischen Schlager ab. Live tritt er mit Kostüm als muslimischer Schlagerbarde auf und am Ende singt der ganze Saal "Wir werden das schaffen, hat schon Mutti gesagt". Nur ein Problem habe ich mit diesem Titel, seit Sonntag hat er sich bei mir als Ohrwurm festgesetzt, den ich nicht loswerde. Also, das geht gar nicht, Herr Schulz, holen sie bitte das Tier ganz schnell wieder ab.

Heutzutage kann man CDs zum Runterladen kaufen. Das geht schnell und man hat sie gleich auf dem Handy. Dies klappt natürlich auch bei Purples neuer CD. Aber damit verpasst man etwas Entscheidendes. Die Aufmachung ist sehr schön, nicht in Plastehülle, sondern mit Pappcover. Es ist etwas zum in der Hand halten. Im integrierten Booklet kann man die Texte nachlesen und es sind wunderschöne Fotos zu sehen. Ich empfehle also, auf den Postboten zu warten.
(Petra Meißner)