VÖ: digital 07/2017 und physisch 11/2017; Label: DosSantos; Katalognummer: 0674376679001; Musiker: Roberto Schumann (E-Gitarre), Maximilian Semrau (Tenor- und Sopransaxophon, Klavier), Michael Peter (Kontrabass); Kompositionen: Roberto Schumann, Maximilian Semrau; Bemerkung: CD im aufklappbaren Digipak, kein Booklet;
Titel: Intro • Flotter Dreier • Sonnenschein • Hitzefrei • Still Waiting • Surfing Samba • Geilato Espressivo • Girl vom Borkenstrand |
Rezension:
Der Name Schumann ist im Bereich Jazz ein Besonderer. Zwischen 1961 und 1989 gab es in der DDR die THEO SCHUMANN COMBO; auch mit der Firmierungsendung "Band" und "Formation" statt "Combo" unterwegs. Namensgeber war Theo Schumann, der mit seiner Band insgesamt vier Alben und im Jahre 1981 sogar ein Solo-Album beim staatlichen Plattenlabel AMIGA veröffentlichte. Zwar unternahm er mit seiner Kapelle auch Ausflüge in den Bereich Beat und Rock, die Wurzeln und auch die später befahrenen Wege lagen beim Jazz. Doch noch bevor Theo Schumann seine eben erwähnte Band gründete, sorgte er schon für musikalischen Nachwuchs. Sein Sohn Roberto kam 1957 zur Welt und bekam eine gehörige Anzahl der musikalischen Gene vom Vater vererbt. Der Vater war Saxophonist und Klarinettist, sein Sohnemann ist ein Könner an der Gitarre. Einzig das Spiel auf dem Klavier hatten beide als Schnittstelle. Sein Handwerk erlernte Schumann junior an der Musikhochschule in Dresden. Erfahrungen sammelte er u.a. im Erich-Weinert-Ensemble, arbeitete später für die DEFA und das Metropol-Theater und frönte dem Jazz in der Hartmut-Kupka-Bigband. Nach der Wende versuchte der junge Mann die Band des Vaters wiederzubeleben und trat mit der Theo Schumann jr. Combo auf, in der u.a. auch Wilfried Peetz mitwirkte, der schon in der Band des Vaters aktiv war. Das war u.a. auch Thema in der Ausgabe "Juni 2010" von Deutsche Mugge - die Radioshow, in der Roberto mein Gast war und in der wir natürlich auch über den Vater sprachen. Im Sommer vor zwei Jahren traf ich Roberto am Rande der "Blue Summer Night" in Berlin wieder, als er mit seinen Berlin Rock´n´Rollers einen Auftritt nach der Gruppe PANTA RHEI hatte und das Publikum dort begeisterte. Über all die Jahre war er als Musiker immer irgendwie aktiv und zeigte sich ab und an auch einem größeren Publikum. Nun liegt mit "Girl vom Borkenstrand" des JAZZ TRIO SCHUMANN eine neue CD vor, auf der sich Schumann junior als Bandleiter eines Jazz-Trios, bestehend aus ihm selbst (E-Gitarre), Maximilian Semrau (Tenor- oder Sopransaxophon, Klavier) und Michael Peter (Kontrabass), präsentiert und aufhorchen lässt.
"Girl vom Borkenstrand" ist - um es gleich vorweg zu nehmen - ein viel zu kurz geratenes Werk, das in seinen 34 Minuten Laufzeit und in sieben Stücken (nebst Intro) die Kreativität des Roberto Schumann nicht einfach nur andeutet, sondern in komprimierter Form wie ein Feuerwerk aufsteigen lässt. Titel wie "Flotter Dreier" (ist ja schließlich ein Trio, das da spielt, nicht wahr?!), "Hitzefrei" oder "Surfing Samba" sind allesamt Instrumental-Titel, die Lebens- und Spielfreude transportieren. Auch wenn sich sowohl Roberto Schumann auf seiner E-Gitarre und auch Maximilian Semrau auf seinen wahlweise eingesetzten Tenor- oder Sopransaxophonen zu Soli und Improvisationen hinreißen lassen - und das, lieber Leser, kommt in der knappen halben Stunde reichlich oft vor - wirkt die Musik an keiner Stelle verquer, sperrig oder gar unzugänglich. Ganz im Gegenteil! Offenbar inspiriert von und gewidmet dem wunderschönen Borkenstrand am Berliner Müggelsee liefert das JAZZ TRIO SCHUMANN mit Smooth-Jazz, dem mal südamerikanische Latino-, klassische Rock-, heiße Funk-, schwere Blues- oder auch einfache Pop-Elemente hinzugefügt werden, eine intelligente Musik für die Masse ab. Aus den Liedern kann man den "Sonnenschein" und das "Hitzefrei" förmlich heraushören und bei geschlossenen Augen tänzelt das "Girl vom Borkenstrand" leichtfüßig zu sanften Klavier- und Gitarrenklängen über den warmen Sand - die Naturgeräusche im Hintergrund inklusive. Insbesondere die vielen Momente, in denen einzelne Musiker des Trios zuerst ausbrechen und solistische Ausflüge unternehmen, um im nächsten Moment wieder zu einer brillanten Einheit zu verschmelzen, machen "Girl vom Borkenstrand" zu einem Ereignis und Hörerlebnis der ganz besonderen Art. Nicht nur für Jazz-Fans!!!
Der einzige Makel, der sich neben allerlei Positivem finden lässt und den ich auch schon angesprochen habe, ist die viel zu kurze Laufzeit des Albums von knapp 34 Minuten. Echt jetzt ...?! Erst wird man heiß gemacht, und gerade in dem Moment, in dem man so wunderbar in Flammen steht, wird der Feuerlöscher rausgeholt? Geht gar nicht!
(Christian Reder)