tielschkleinestadt 20150906 1932273188 Titel:
Interpret:
Label:
VÖ:

Titel:
"Kleine Stadt - Großes Kino"
Jördis Tielsch
105 Music/SONY
28. August 2015

1. Kleine Stadt, Großes Kino
2. Herz ans Licht
3. Wenn Du mich suchst
4. Die kleinen Dinge
5. Alles Glück der Erde
6. Sehnsucht nach Leben
7. Nein
8. Hollywood
9. Wir tanzten
10. Hinter dieser Tür
11. Nur bei Dir
12. Genau wie Du
13. Zufall
14. Leben





Vom Cover des Albums "Kleine Stadt - Großes Kino" lächelt uns eine junge Frau mit einer Violine in der Hand entgegen. Auf den ersten Blick könnte es sich um das Album einer jungen Musikerin aus dem Bereich Klassik handeln, doch von der Klassik ist das, was auf dem Silberling drauf ist, ganz weit weg. "Kleine Stadt - Großes Kino" ist das Debüt-Album der 19-jährigen Musikstudentin Jördis Tielsch, die laut Pressetext "vom Land" kommt, und im Bereich "Popmusik" operiert.

Und wer "vom Land" kommt - immerhin ist es dort oft langweilig, und diese Langeweile bietet Platz für Phantasie und Kreativität - hat sicher noch frische Ideen und vielleicht auch etwas mehr zu sagen, als die vielen gedankenleeren Partypeoples aus der Stadt. Könnte man meinen ... In 14 Liedern hören wir Geschichten einer jungen Frau, die ganz offenbar (und das verpetzt auch der Pressetext) noch auf dem Weg zu sich selbst ist. Es ist da vom Erwachsenwerden die Rede, und von der Suche nach sich selbst und dem richtigen Platz im Leben. Dies zum Thema gemacht und in glattpolierte Popmusik verpackt, könnte die Kurzbeschreibung zu dieser Platte sein. Klingt alles ein bisschen nach Nicki aus den 80ern, aber Nicki und ihre Songs waren für die damalige Zeit anders und neu. Das ist hier definitiv nicht der Fall! Viele der Stücke auf diesem Album sind einfach radiotauglich. Irgendwie uninspiriert und niemand kann sich an ihnen weh tun. So kommt es auch, dass "Kleine Stadt - Großes Kino" nur in Nuancen anders klingt, als der Wegwerf-Pop in den derzeitigen Charts. Musikalisch stellenweise mehr als vorhersehbar, manchmal sogar wie schon mal woanders gehört (Amy MacDonald, Graziella Schazad), und vom Text her oft wie nach einem Griff in den Reimbaukasten und wie Schüttelreime klingend ("Regentropfen ... die an die Fensterscheiben klopfen") dudeln die Lieder fröhlich vor sich hin und sind auch ruck zuck wieder aus dem Gedächtnis verschwunden. Die Musik und (fast alle) Geschichten erreichen mich als Hörer überhaupt nicht, dabei habe ich mir das Album inzwischen mehrfach angehört. Stellenweise habe ich mich während des Hörens sogar dabei erwischt, dass ich mich plötzlich mit etwas anderem beschäftigt habe. Mag sein, dass ich nicht wirklich der Adressat von Jördis Tielschs Botschaften bin, die dann doch eher in der Generation BRAVO oder der ganz jungen Schlager-Generation zu finden sein dürften, aber es gelingt mir auch nicht in Ansätzen, mich in die Geschichten und die Künstlerin hinein zu versetzen. Für den Massengeschmack aber durchaus tauglich, überfordert die Sängerin ihr Publikum so erst gar nicht. Einzige Ausnahme bildet das Stück "Leben". Mit der Geschichte und der musikalischen Umsetzung hat mich die Künstlerin dann am Ende ihres Albums doch noch erwischt. Tielsch singt ein Lied aus der Sicht einer schwer kranken und sterbenden Frau, und der Hintergrund des Stücks ist real. Die Musikerin hat auf der Beerdigung der Frau gespielt, aus deren Perspektive sie jetzt erzählt, und es war eine Beerdigung, die am Ende ein buntes und lebendiges Ereignis war - so, wie es die Verstorbene selbst haben wollte. Davon und vom besonderen Lebenswillen dieser Frau war Jördis Tielsch so beeindruckt, dass sie aus der Geschichte eben dieses Lied gemacht hat. Schade, dass dies nur eine Ausnahme ist.

Tiefgründing und gleichzeitig leichtfüßig, bisweilen voll leisem Humor, wie die Stücke laut Pressetext sein wollen, sind sie für meinen Geschmack nicht. Nach dem Konsum der Platte klingen solch vollmundige Beschreibungen im Pressetext eher wie ein leeres Versprechen. Mit einer Ausnahme, nämlich eben beschriebenen "Leben", wirkt das Gesamtprogramm nicht so, als hätte hier der Spaß am Musizieren, sondern der Wunsch, mit dem Produktionsergebnis in die Charts zu kommen, im Vordergrund gestanden. Es steht außer Frage, dass das Album vom Sound und vom (akustischen) Arrangement perfekt produziert ist, aber das sind viele andere Alben auch. Auch in das Loblied über die Stimme der Künstlerin mag ich nicht so euphorisch einstimmen, wie es der Verfasser des Pressetextes tut. Dass Jördis Tielsch eine gute Gesangsstimme hat, steht genauso völlig außer Frage, wie die eben erwähnte "perfekte" Produktion der Musik. Allerdings hapert es hier wie auch dort mit dem Wiedererkennungswert, denn ob sie nun für sich auf einem eigenen Album singt, oder den Job einer der zahlreichen Frontfrauen deutscher Rock- und Popbands dieser Zeit übernimmt, würde gar nicht großartig auffallen. Für den Mainstream und die eintönigen Format-Radios dürfte "Kleine Stadt - Großes Kino" ganz bestimmt ein Highlight sein. Insgesamt betrachtet fehlt es hier aber an guten Ideen und Experimentierfreude. Neue Einflüsse oder gar ein Abheben von anderen Produktionen vermag man hier nicht herauszuhören. Gleiches gilt für die Inhalte. Songs aus Themen zu machen, die "einen selbst umgeben", ist sicher keine schlechte Idee, aber nicht alle Gedanken sind auch das Aussprechen wert.
(Christian Reder)