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"Therapie" Rockhaus Buschfunk 18. September 2015 1. Du tust mir gut 2. Hier und wir 3. Kaleidoskop 4. Warum 5. Sieg 6. Gift 7. Eine Woche 8. Neustart 9. Geisteskrank 10. Gegenverkehr 11. Ein Wunder |
Wirksame "Therapie" - das neue Album von Rockhaus
Ende September wurde mir das Privileg zuteil, das neue Rockhaus-Album beim Pressetermin im Tonstudio von Rainer Oleak bereits einige Tage vor seiner Veröffentlichung einmal komplett zu hören (Beitrag dazu siehe HIER). Ich konnte mit den Musikern und dem Produzenten sprechen und auch die ersten Reaktionen der anwesenden rund 20 Fans erleben. Nachdem mir die CD nun seit einigen Tagen vorliegt, habe ich sie ungefähr zehn Mal gehört, meist auf längeren Autobahnfahrten.
Darüber, dass der Entschluss, die Platte zu machen, bei einer Fotosession entstand, obwohl sich die Band vorher leer und antriebslos fühlte, wurde bereits berichtet. Das Ergebnis lässt sich in Kürze so zusammenfassen: Es ist ein hörenswertes Album, es ist ein gelungenes Album, es ist ein wichtiges Album.
Spannend und immer wieder überraschend
Musikalisch bewegt sich die Band auf einem sehr breiten Weg. Geradlinige Rockhaus-Rocksongs mit starken Riffs, wummernden Bässen und klaren Strukturen gibt es eher selten. Manche Intros legen zunächst eine feine Fährte, und gerade als man sich auf die Stimmung eingelassen hat, führt der Song dann in eine völlig andere Richtung. Das ist spannend und kurzweilig und fordert vom Zuhörer, dranzubleiben, um nichts zu verpassen. Hat man das Album dann erst einmal durchgehöhrt, stellt man verblüfft fest, dass man trotzdem immer in derselben Richtung unterwegs war.
Alles ist reich an Soundcollagen, stilistischen Versatzstücken und Akzenten jeder Art. Und trotzdem passt alles zusammen und klingt flüssig, schlüssig und extrem kompakt. Das ist das, was mich an diesem Werk am meisten fasziniert. Und es ist das, was mich dazu bringt, es gleich noch einmal zu hören, und dann gleich noch einmal - zumindest geht es mir auf der Autobahn so, wenn es nichts weiter zu tun gibt, als zu fahren und zuzuhören und hinzuhören. Aufmerksam hinzuhören ist auch mein spezieller Tipp an alle Musikfreunde, denn es gibt sehr viel zu entdecken.
Komplexer Sound, junge Melodien, reife Botschaften
Das Intro von "Du tust mir gut" ist fast schon eine kleine Ouvertüre. Ein schöner Text, einprägsam vor ruhigen Klängen vorgetragen - aber dann geht es los mit einem an U2 erinnernden sphärischen Sound, der einen mitnimmt und gewissermaßen entschweben lässt. "Hier und jetzt" kontert mit einem straffen akustischen Eingangsriff, einem volksliedhaften flotten Rhythmus und einem sehr fröhlichen "... uns kann nichts passieren!". Ein gelungenes Liebeslied, das einerseits jugendliche Freude ausstrahlt und andererseits die Selbstsicherheit einer in emotionalen Fragen gereiften Persönlichkeit reflektiert, der "böse Träume" kaum noch etwas anhaben können. Auch das ist eine der wohltuenden Komponenten dieser Rockhaus-Scheibe: Hier musizieren gestandene Männer - mit offenkundigem Spaß an jungen und frischen Melodien. Dazu bringen sie Themen und Texte, die angenehm frei sind von naiv in den Raum gestellten Fragen und vielmehr sagen, was Sache ist: "Weil wir wissen was wichtig ist und was richtig ist". Zwar geht es um Liebesbeziehungen, aber genauso kann man den Text dieses Stückes und etlicher anderer Songs des Albums auf die Band anwenden.
Viel zu entdecken
"Kaleidoskop" beginnt mit einem zarten Soundzitat aus "In the Evening" und startet dann mit einem kraftvoll getrommelten Rhythmus - da sehe ich schon die Fans im Konzert hüpfen. Die coole Leadgitarre erinnert an "Morning Dew" von Nazareth und ein bisschen auch an eine von Bruce Springsteens Stadionhymnen. Das verleiht Größe und eröffnet Weite. Dazu wieder ein eingängiger Text, "Du bist mein Kaleidoskop, mein Pulsschlag, mein Kompass, mein Tod - vergib mir ein letztes Mal!" Einer der Songs, bei denen Mike Kilians Gesangsqualitäten exzellent zur Geltung kommen. Etwas zu schlagerhaft wird es mir hingegen bei "Warum". Wenn es in diesem Lied darum gehen soll, jemandem Mut zuzusprechen, dürfte das Argument "Das Leben ist voll von Sternen, einer könnte auch dir gehören, egal ob groß, egal ob klein ..." für Erwachsene dann doch zu leichtfüßig und wenig überzeugend sein.
Griffig und ergreifend
Ausgesprochen schlüssig hingegen ist die nachfolgende Serie der Songs "Sieg", "Gift", "Eine Woche" und "Neustart". Vom Besinnen auf sich selbst, über die Erleichterung nach dem Ende einer alten Beziehung sowie der Spannung und das schnelle Scheitern einer neuen Beziehung, bis hin zum kompletten Neustart. Auch hier kann alles als sehr persönliches Erlebnis verstanden werden, während es aber deutliche Parallelen zur jüngeren Geschichte der Band gibt. Jedes der Stücke glänzt mit einer Menge musikalischer Highlights und markanten Textzeilen. Rockende Leadgitarre vor üppigem Streicherarrangement, Instrumentals à la "Kashmir" und vieles mehr gibt es zu hören und zu entdecken. Und immer wieder Texte, die es in sich haben. In "Neustart" heißt es: "Ich bin ein Niemand, werde es nie zu etwas bringen!", aber "Ich hör auf meine Stimme, mein Herz und meine Sinne - Neustart" - das passt! Und wenn der Chor am Ende wie eine Hymne "Yeah!" singt, dann ist das sehr ergreifend. Zwar in einem anderen Zusammenhang zu hören, aber passend zur weltgeschichtlichen Lage die Zeile aus "Sieg": "Der geringste Widerstand ist Krieg".
Rockhaus ist keine Sandburg
Bei "Geisteskrank" ist Mike Kilian wieder ganz bei sich. Eingängige Akkorde erinnern zwar ein bisschen an eine Chinn-Chapmann-Produktion aus den Siebzigern, aber "Die Verrückten seid doch alle ihr!" ist ein einfaches Statement, dem man sofort zustimmen kann. Im "Gegenverkehr" wird es dann noch einmal, passend zum Thema, ziemlich geradlinig. Auch hier ist die Botschaft, immer sein Ding zu machen, egal in welche Richtung der übrige Verkehr fließt. Waren die Songs bis hierher von Erkenntnis, Gewissheit und gereiftem Selbstbewusstsein getragen, geht es in "Ein Wunder" schließlich dann doch noch einmal um Zweifel. Da gibt es das Bild einer Sandburg am Strand, die vom Wasser weggespült wird. Dieses Rockhaus-Album jedenfalls wurde nicht auf Sand gebaut.
(Thorsten Murr)