eisbrennerkakteen 20150212 1044801136 Titel:
Interpret:
Label:
VÖ:

Titel:
"Barfuß in Kakteen"
Tino Eisbrenner
Mañana Records/John Silver MV
Februar 2014

1. Barfuß in Kakteen
2. Zwanzig Meilen bis Uruguay
3. Was ich so liebe
4. So wie der Mond
5. Nur gehört davon
6. Luchin
7. Gigantisch
8. Das Licht Deiner Worte
9. Manchmal
10. Liebesgruß aus Russland
11. So anders
12. Immerhin





Es ist insofern ein "normales" Eisbrenner-Album, indem man sich dessen bewusst ist, dass kein Eisbrenner-Album "normal" ist. Oder gewöhnlich. Etwas typisch ist es aber schon. Unverwechselbar seine Stimme. Unverkennbar, spätestens seit seiner Beteiligung am WILDEN GARTEN, die Hinwendung zu einer Stilistik, die man Weltmusik nennt. Ansonsten und auch mittels dessen betritt er gerne musikalisch vielweisende Wege und bleibt am Ende doch immer er selbst. Das, was über sein Selbst hinausgeht, organisiert er sich durch den Einsatz unterschiedlicher musikalischer Partner und derer unterschiedlicher Stile und eigenen Vielfalt. Das tut man eben, wenn man neugierig und experimentierfreudig ist. Und das tut auch gut. Vor allem letzten Endes dem interessierten und geneigten Publikum, für das dieses Album wieder alles bereithält, nur keine Enttäuschung. Ferne und Meer spielen immer mal wieder eine Rolle bei Eisbrenner. Dass er singen kann, weiß man. Dass er texten und komponieren kann auch. Umso erfreulicher, wenngleich nicht ungeheuerlich überraschend, der musikalische Zugriff auf die Werke anderer international bekannter Musiker. Das machen andere auch, manchmal gelingt es, manchmal gelingt es nicht so sehr und manchmal geht es künstlerisch furchtbar in die Hose. Vielleicht je nach Lage des Marktzwangs oder des eigenen künstlerischen Einfühlungsvermögens. Dass das vorliegende Album sich selbst intensiv künstlerisch wohl zu preisen vermag, liegt eben vor allem am künstlerischen Einfühlungs- und Gestaltungsvermögen von Tino Eisbrenner. Hier ist nichts gekünstelt, gewollt, gemacht, der Gedanke kann gar nicht aufkommen beim Anhören dieses Albums. Und das ist Wohltat und musikalischer wie geistiger Genuss. Es ist tiefsinnig, tiefgründig und mit Seele. Selbst der beim ersten Anhören etwas albern anmutende Titel "Zwanzig Meilen bis Uruguay" entpuppt sich dann doch als alles andere als albern, sondern als empathische Zustandsbeschreibung und zwar eines, der uns allen wohl vertraut ist. Aus dem anfänglichen Gefühl, da etwas Lapidares übergestülpt zu bekommen, entwickelt sich etwas ganz anderes und durch dieses anfängliche Gefühl fühlt man sich gar ein wenig ertappt. Der Witz liegt an der Oberfläche, darunter liegen wir. Hinzu kam noch die Unterstützung langjähriger Musikerkollegen und musikalischer Mitstreiter. Betextet oder textlich ins Deutsche übertragen wurden alle Titel des Albums von Tino Eisbrenner. Übertragen wurden Titel von Isabel Parra, John Barry, Pablo Milanes, Victor Jara, Manuel Garcia und Luiz Bonfá. Eisbrenners Mitstreiter Heiner Lürig und André Drechsler unterstützten ihn kompositorisch bei den eigenen Werken. "Zwanzig Meilen bis Uruguay" trägt auch die kompositorische Handschrift Tino Eisbrenners. Im Studio wurde er unterstützt von den Musikern Heiner Lürig (Gitarren, Hammond Orgel, Piano), Martin Huch (Pedal Steel), Raoul Walton (Bass), Marius Lürig (Schlagzeug, Schellenring), Raphaela Beer (Geige) und Jens Lindenburger (Thin Whistle).

Lasst Euch nach dem Einlegen der CD nicht irritieren. Ausgewiesen sind 17 Tracks, auf der CD sind 12 Titel angegeben. Das hat so seine Richtigkeit, aber weshalb, werde ich nicht verraten. Ihr möget zu Recht gerne etwas neugierig bleiben. Mit dem Titelsong "Barfuß in Kakteen" wird die aktuelle Eisbrenner-Liedersammlung eröffnet. Das Leben hinter sich, treibend oder getrieben werden von diesem, unter den Füßen Kakteen, aber den Blick auf das Meer. Etwas verspielter verträumter, ich erwähnte diesen Titel bereits, "Zwanzig Meilen bis Uruguay". Surrealistisch anmutende fast albern sprachgespielte Träumereien mit dem oben von mir erwähntem Effekt. Zwischen brachialer Leidenschaft und tiefsinnlicher Melancholie, aber so oder so eben ein Fest, die Isabel Parra Adaption "Was ich liebe". Das Leben in allem, mit allem. Zärtlich streichelnd "So wie der Mond". Zu ihm möchte die markante Stimme des Barden minnend heraufsteigen. Das ist dann schon mal überraschend wie es auch sehr schön ist. "Nur gehört davon" legt sich den coolen rauen Mantel international bekannter Chansoniers aus den schönen Zeiten um. Mit der Erinnerung an das südamerikanische Flair der 70er Jahre. Diese Mischung von Melancholie und Wut mit etwas Resignation. Und einem für Menschen meines Alters und meiner geographischen Herkunft ein überaus allgemeinstimmiger Text. Gefolgt von einem adäquaten Victor Jara Lied, "Luchin". Dieser sanfte Hauch der Traurigkeit. Aber auch der Hoffnung. Das alles gehört ja zusammen. Schön, es nicht so, wie heutzutage leider oft üblich, auseinander gedröselt zu sehen, zu hören. Die Seele schwingt ja auch nicht in schubladisierten Kategorien therapeuthisch zuzuordnender Emotionen. Sie ist wahrhaftig in allen zugleich zu Hause. Seltsamerweise denke ich das und das darauffolgende Lied "Gigantisch" unterlegt diesen Gedanken. Ein bisschen Selbstironie und Keckheit, und das meine ich nicht nur aber auch im erotischen Sinne, textlich in die abendgestimmte Laune legend. Ja, fast süffisant. Sogar ein wenig schmachtend. Da muss auch mal das Böse ein wenig hindurch schmunzeln. Recht so. Bei "Das Licht Deiner Worte" (tut weh) hätte alleine schon diese erste Zeile gereicht, um es gut zu finden. Ein bisschen tat mir die Figur, in die sich der Sänger da einfühlte - möge er sich nun selbst beschrieben haben oder nicht ist dabei einerlei - schon leid bei dieser textlich fein geschliffenen Beschwerde. Vielleicht empfand ich ja sogar, mich erinnernd, ein wenig Selbstmitleid. Das verrate ich natürlich nicht. Wenn es so gewesen wäre, hätte sich diese Empfindung in "Manchmal" vertieft. Eine sachte leichte Komposition des bis vor Kurzem auch live miteinander agierenden Duos Tino Eisbrenner/André Drechsler. Man darf und sollte auch über sich selbst traurig sein können. Vielleicht muss man das sogar. Einfach auch aus psychischen Gründen. Selbstschutz bedeutet ja auch ab und an mal Schutzlosigkeit zuzulassen. Vielleicht können solche Lieder - ob auf Album oder live vorgetragen - sogar ein wenig dabei helfen. Der "Liebesgruß aus Russland" versteht sich von selbst. Die Heilung im Lieben. Eine Liebeserklärung. Ja, und so sehen wir, wie es bereits der Titelsong "Barfuß in Kakteen" aufzeigen möchte, es kann, wenn man es will, alles wieder schön werden. Nur nicht so ganz von alleine eben. Dann wieder Sehnsucht. Natürlich. Die Ferne, "So anders". Bravourös angegliedert an die guten alten Songs der guten alten Chansoniers. Ach, da beginnt man gleich aus mehreren Gründen zu schwelgen. Ich zitiere absichtlich keine Textzeilen, auch wenn es mich "juckt", weil ich befürchte, dass sie - obschon gut für sich stehen könnend - außerhalb der Musik die bei mir erreichte Wirkung bei Euch etwas verfehlen könnte. Damit mag ich unrecht haben können, aber austesten möchte ich es doch lieber nicht. Das alles, was empfunden werden durfte, wird zusammengefasst in "Immerhin". Für mich ist es so etwas wie ein Hochzeitslied. Hoffnungsvoller geht es nicht. Weil man sich bleibt. In der Liebe. Im Lieben. Weil alles bleibt. Was man je erlebt, erfahren hat.

Ein sehr schönes Album. Sehr gern hörte ich mehr von diesen Liedern. Und ebenso gerne diese auch live.
(Andreas Hähle)




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