copphertz 20150209 1950171509 Titel:
Interpret:
Label:
VÖ:

Titel:
"Hertzmaschine"
Coppelius
F.A.M.E.
30. Januar 2015

1. Tragisches Ende eines Luftpiraten
2. Der Luftschiffharpunist
3. Moor
4. Harmonie
5. Herzmaschine
6. Sternenstaub
7. Reise
8. Ein Experiment
9. Glad to be dead
10. Contenance
11. Killers
12. Es fiel ein Himmelstaue
13. Des Bettlers Traum
14. Black is the Colour
15. Der Musenkuss
16. Konzert





Ein Jubiläum steht an, werft hoch die Zylinder!
Mit der “Hertzmaschine” bringt Coppelius sein bisher steampunkigstes Album heraus, das sechste in der nun aufs Jahr genau 200-jährigen Kapellengeschichte. Auch wenn Coppelius wohl bereits für Steampunk stand, bevor dieser in den Fokus der Allgemeinheit rückte, ist es nach wie vor ein heikles Experiment, überall Zahnräder und Ventile anzuschrauben. Mehr Kraken, Luftschiffe und Maschinen hätten nicht sein dürfen, um den Duellen wegen Vorwurfs des “Mainsteam” aus dem Wege zu gehen.

Aber Coppelius wäre nicht Coppelius, wenn sie diesen Spagat nicht virtuos schaffen würden. So bleiben sie trotz der Luftschiffe und Dampfmaschinen ihren morbiden und romantischen Geschichten sowie ihrem durch klassische Instrumente dominierten Klang treu. Diesen bringen sie mit der Hertzmaschine voll wie nie auf die kleine runde Scheibe, so dass es eine reine Freude ist, den Bassschlägen und Celloläufen zuzuhören. Die instrumentale Reise im gleichnamigen Stück sei hier als lohnenswertes Beispiel für musikalische Weltenbummelei erwähnt. Ebenso trifft man natürlich alte Bekannte wie mysteriöse Damen im “Moor”, wahnsinnige Professoren mit riskanten Experimenten und den melancholischen Butler mit unter anderem einer wirklich herausragenden Ballade. “Sternenstaub”, wunderbar begleitet durch das bei Coppelius ungewohnte Klavier sowie Cello und Kontrabass, hat das Zeug, über die üblichen Szenegrenzen hinaus Spuren am Nachthimmel zu hinterlassen. Für Blumen mit ihren Köpfchen ist es in diesem Lied glücklicherweise einfach zu kalt. Jedoch war es wohl ein unerwarteter Zufall, dass ausgerechnet Eric Fish zu fraglicher Zeit auf dem Herrensitz logierte und dem nächtens eingenickten Komponisten den Zwischenteil einflüsterte, ehe das Stück seine ursprünglich klirrende Atmosphäre wieder aufnimmt und still und wunderbar sein Ende findet.

Eigentlich dürfte man schon gar nicht mehr staunen, denn wie so oft schafft es Coppelius, jedes Lied mit einer Besonderheit zu einer Preziose zu machen. Spaziert auch manche Ballade behäbig auf dem Cembalo daher, darf man sich nie einbilden, ein Lied oder gar das Album nach zwei Minuten bereits einschätzen zu können. Die unterschiedlichen Einflüsse der beteiligten Herren sowie die zunehmend mutige Verzerrung der eingesetzten Instrumente machen das ganze Werk vielgestaltig und mit sehr unterschiedlichen Stücken gesegnet. Herrlich beispielsweise das von Max Coppella sprachlich virtuos hervorgebrachte quietschende und knarzende “Experiment”, das den Hörer auf eine explosive und sehr anschauliche Phantasiereise mitnimmt. Auch der Rhythmus, mit dem man Damen bei Coppelius aus dem “Moor” errettet, ist erfrischend und würde auch einen Farin Urlaub erfreuen und zeigt deutlich, welch Klangfülle in den Köpfen unter den Zylindern herrscht. Neben dem gewohnt coppelianischen Klarinetten-Cello-Kammercore füllen die Hertzmaschine auch famos sinnfreie, doch stimmlich gekonnte A Cappella-Stücke über Tintenfische und den bei Coppelius nicht gänzlich unerwarteten Hang zur Zerstörung. Mit “Killers” und “Black is the colour” finden nicht nur zwei der wenigen englischen Stücke, sondern auch von treuen Fans sehnlichst erwartete coppelianische Klassiker auf der Platte Platz. Auch klassisches deutsches Liedgut wird mit “Es fiel ein Himmelstaue” wieder vertont, musikalische Experimente wie “Contenance” und “Konzert” machen das Album anspruchsvoll und nicht zum nebenbei Berieseln.

Und immer wieder wirken atmosphärische Geräusche wie das Gewitter während der desaströsen Luftschiff-Reise oder das Rattern eines Dampfzuges positiv auf die Gesamtatmosphäre des Albums, die wie immer zwischen Genialität, Wahnsinn, Melancholie und Morbidität pendelt. Leider wird viel treibendes dampfendes Liedgut bereits zu Anfang verheizt, so dass das Tempo des Albums zwar hoch ansetzt, dann aber deutlich abremst, was beim ersten Hören verwirrt. Es nimmt jedoch schon zur Mitte hin erneut an Fahrt auf, um nach dem deutlichen Ende “Aus und Schluss!” des “Musenkuss” mit dem rezitierten Gedicht “Konzert” einen meditativen Ausklang zu finden.

Das Artwork des Albums wird passend zum Inhalt ebenfalls industrialisiert. Waren noch beim “Extrablatt” nostalgische Schnörkel auf antikem Grund am Werk, so wird es nun düster-mechanisch. Der Moloch der schönen neuen Welt lässt grüßen. Töne, Text und Mensch werden auf Millimeterpapier gebannt und in ihre Einzelteile zerlegt. Die Coppelianer selbst erscheinen unbekleidet wie die Probanden eines Experiments, vielleicht lassen sie aber auch einfach nur tiefer blicken, bis ins (fast) titelgebende Maschinenherz?

Ein langer Text braucht ein Fazit: “Hertzmaschine” hält, was der Titel verspricht. Diese Maschine produziert akustische Schwingungen der feinsten Art und ist ein Album für alle – coppelianische Ersthörer, die sich von der Vielfalt des coppelianischen Schaffens mitreißen, aber auch alte Fans, die sich neu beeindrucken lassen wollen. Der Neuhörer wird vielleicht erst nach einer Weile bemerken, dass es keineswegs eine E-Gitarre ist, die am Mast des “Luftschiffharpunisten” fräst, aber so bleibt die Freude beim Herausfinden. Kein Stück ist wie das andere, manches eingängig, anderes erst nach mehrmaligem Hören zugänglich. So bleibt das Album lange frisch, denn es gibt immer etwas zu entdecken. Um es mit Coppelius zu sagen: Es quietscht und es knarzt, so wie ich es mag!
(K. von Koriolis)




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