lautmaler2015 20150125 1987102029 Titel:
Interpret:
Label:
VÖ:

Titel:
"Hinter den Fassaden"
Lautmaler
EV
Januar 2015

1. Seelenschatten
2. Das Schauermärchen vom Graupelschauer
3. Sonnenphänomene
4. Reise ins Morgenland
5. Ma Navu
6. Glück im Sonderangebot
7. Ajde Jano
8. Ganges
9. Die Turmuhr
10. Lass es doch ein bisschen regnen





"Hinter den Fassaden" ... ja, da kann man selten hinter blicken. Zumindest nicht sofort. Das wissen wir inzwischen und haben sicher alle schon Erfahrungen damit gemacht, dass hinter den schönsten Frontseiten das schlimmste Übel stecken kann. Hinter den Fassaden stecken aber auch viele unterschiedliche Geschichten, von denen wir nichts wissen. Sie spielen sich in einem eigenen kleinen Kosmos ab, zu dem nur wenige Menschen Zugang haben. Die Welt ist voller Geschichten, und die Gruppe LAUTMALER erzählt einige von ihnen. Es sind Geschichten, die Sängerin und Gitarristin Miriam Bohse aufschreibt und mit ihrer Band in Lieder verwandelt. Das letzte Geschichtenliederbuch "Denkräume und Klangwelten" ist inzwischen sechs Jahre alt und es wurde Zeit, ein neues zu schreiben. "Hinter den Fassaden" heißt es und wartet darauf, von Euch gehört zu werden ...

Die neue CD wird mit dem Song "Seelenschatten" eröffnet. Der Wunsch, aus allem einfach auszubrechen und neue Wege auszuprobieren, wird hier zu Musik. Genauer gesagt zu Jazz-Musik. Gitarre, Saxophon, Percussion und nach hinten raus einen Männerchor. Mehr braucht Miriam Bohse nicht, um die Seelenschatten zum Leben zu erwecken. "Seelenschatten existieren doch nicht ohne Licht", man müsse sich nur umdrehen, um die Sonne direkt ins Gesicht zu bekommen - so heißt es im Refrain. Klingt alles sehr einfach, man müsste sich nur trauen.
Gar nicht einfach, sondern eher ziemlich schwer auf einem lastend wirkt das Lied "Das Schauermärchen vom Graupelschauer". Es ist ein Song über den Klimawandel und den Umgang des Menschen mit der Natur. Verpackt ist die Botschaft in ein Märchen über König Klima, der mit Fieber darnieder liegt. Es ist auch das Märchen von seinen Untertanen, die Ideen spinnen, wie man gegen den Menschen vorgehen kann, z.B. in dem man ihm Jahreszeiten und seine schönsten Begleiterscheinungen wegnimmt. Auch hier wandelt die Band musikalisch wieder auf jazzigen Pfaden, sogar ein leichter Hauch Ragtime findet sich in den knapp fünf Minuten wieder. Gute Idee, ausgesprochen gute Umsetzung!
Mit einem leicht keltischen Einschlag spielt zu Beginn des Songs "Sonnenphänomene" eine Gitarre. Wenn Miriam Bohse beginnt zu singen, ist man längst drin in dieser von Tönen geschaffenen Welt ... in dieser ruhig und gelassen wirkenden Landschaft aus angenehmen Klängen und einem großartigen Text. Es ist ein Song bei dem man hinhören und sich hinein fühlen muss. Ein ruhig arrangiertes Lied, das fast schon wie ein Schlaflied daher kommt und doch auch (oder besonders) für Erwachsene gemacht ist.
Orientalische Klänge erwarten den Hörer beim instrumental angelegten Stück "Reise ins Morgenland". Passt ja auch ... irgendwie. Flöten, Saxophon, Percussion und allerlei andere Instrumente kommen hier zum Einsatz und lassen den Hörer, so er sich denn entführen lassen möchte, gedanklich in eine fremde Welt reisen. Ebenfalls instrumental ist das Stück "Ma Navu", ein traditionell israelisches Lied, das ebenfalls als Musik für das Gedanken-Kino dient. Das folgende Lied "Glück im Sonderangebot" hat dann auch wieder einen Text. Die Band transportiert ihre Kritik an der Konsumgesellschaft in einem Bossa Nova-ähnlich arrangierten Song. Auch karibische Klänge meint man wahrzunehmen. Der Song beginnt mit einer wild durcheinander gemischten Menge von Wortfetzen, die wir aus der Werbung kennen. Dann schlüpft Sängerin Miriam in die Rolle des "Verkäufers", die ihre Waren "Glück" und persönliche Zufriedenheit feilbietet. Gerade die Zufriedenheit können wir in unserem Breitengrad ja besonders gut damit kaufen, wenn wir mit unserem Einkauf etwas Gutes tun ("Kaufen Sie 'ne Flasche Friede gegen die Kriege! Mit diesem Kauf haben Sie viel für die Welt getan, denn ein Cent des Erlös geht an Kriegsopfer aus Afghanistan"). Groß darüber nachdenken, wo was herkommt und wie es woanders auf der Welt aussieht, tun wir beim Kaufrausch ja nicht. Aber was soll's, denn "heute ist das Glück im Sonderangebot". Tolle Nummer!
Die musikalische Weltreise und damit auch die totale Abwechslung wird in dem Song "Ajde Jano" fortgesetzt. Hier haben die LAUTMALER eine traditionelle Liedkomposition aus Serbien auf eigene Art umgesetzt, die die Lebensfreude dieses Volkes besonders gut transportiert.
Wer glaubt, die Welt nun gesehen bzw. gehört zu haben, irrt sich, denn die LAUTMALER sind noch immer unterwegs und machen nun Station in Indien. Davon steckt eine große Portion im Song "Ganges", das nur einen Vierzeiler als Text hat. Mehr braucht es auch gar nicht, um in diese tolle Musik einzutauchen und sich von ihr über sechs Minuten lang treiben zu lassen.
Mehr Text und auch mehr Botschaft hat "Die Turmuhr", eine von Miriam bildhaft beschriebene Geschichte von der Turmuhr am Abend und den Gedanken, die dabei in den Kopf schießen. Auch wenn man sich wünscht, die Zeit anhalten oder zurückdrehen zu können, so setzt sie ihren Weg ohne Pause und ohne ihr entrinnen zu können fort. Arrangiert mit Gitarre, Percussion, Melodika und Akkordeon, liefert die Musik zum Text die passende Stimmung. Dank des eben erwähnten Akkordeons bekommt das Lied sogar noch einen maritimen Einschlag und einen weiteren Farbtupfer mehr auf der Song-Landkarte der LAUTMALER.
Mit "Lass es doch ein bisschen regnen" endet das neue Album dann auch ziemlich abrupt. Ohne Gesang und nur mit Klavier zeichnet uns die Band eine weitere Welt aus Musik, in der der Hörer wieder selbst gefordert ist. Der Name des Stücks gibt sicher nur den Anstoß, sich zur Musik das passende Bild zu malen. Und das schafft die Musik spielend, denn man meint in der einen oder anderen angeschlagenen Klaviertaste tatsächlich den einsetzenden Regen zu hören.

Es ist oft von "multikulturell" die Rede, allerdings ist damit das Zusammenleben verschiedener Völker innerhalb eines Landes gemeint. Die LAUTMALER geben dem Wort allerdings eine ganz neue Bedeutung. "Hinter den Fassaden" ist inhaltlich wie musikalisch total abwechslungsreich. Viele Elemente der Musik und ebenso viele Einflüsse aus Folkloren dieser Welt sind in diesem Album zusammengeführt und vereint worden. Hier lebt die Musik aus unterschiedlichen Teilen der Erde harmonisch zusammen, so wie man sich das auch auf die reale Welt übertragen wünschen würde. Die Vielfalt der Musik wird ergänzt durch tolle Texte aus der Feder Miriam Bohses. Wieder einmal hat sie es geschafft, die Hörer an die Hand zu nehmen und sie abzuholen. Die LAUTMALER zeigen uns einen Blick hinter die Fassaden. Einen kleinen zwar, aber einen sehr interessanten. Ihre kleinen Geschichten, geschickt vermischt mit Instrumentalstücken und unerwarteten Songideen, machen aus dem Album ein spannendes und inhaltsreiches Werk, das man einfach nur weiterempfehlen kann. Einziger Makel: Mit 10 Liedern und knapp 45 Minuten ist die CD einfach zu kurz!
(Christian Reder)




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