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"Nach der Schlacht II" Delle Kriese NADV September 2012 o 170 Seiten |
Bücher sind heute nichts als Dateien. Sie werden nach erscheinen in der deutschen Nationalbibliothek für die Nachwelt aufbewahrt. Alle Bücher, die sich seit 1913 mit Deutschland befassen oder erschienen sind, werden dort gesammelt. 1.400 neue Bände täglich. Da liegt es nahe, sie zu digitalisieren. Delle Kriese und Michael Abel haben dem schon vorgegriffen, und ihr zweites Buch über die (OST)Rocklegende RENFT gar nicht erst in den Druck gegeben. Es erschien digital, abseits der großen Buchmessen, im September diesen Jahres. Schade eigentlich, erzielen doch die Bücher der vergriffenen ersten Ausgabe längst einen beträchtlichen Sammlerwert - natürlich nur in gedruckter Form.
"Nach der Schlacht II" ist die Fortsetzung der 1998 erschienenen Erstauflage "Nach der Schlacht", der mittlerweile 50-jährigen Bandgeschichte RENFTs, die es nur bis zur Legende geschafft hat. Keine Welttournee, keine ausverkauften Stadien oder weltweite Nummer eins Hits. Dafür war damals das Land zu klein und ist heute zu groß. Geblieben ist ein kleines Einod deutscher Rockgeschichte, zu finden auf einigen Tonträgern und Büchern. Als der ganz große Erfolg drohte, kam ein Verbot der DDR-Kulturfunktionäre einer Bandauflösung 1975 zuvor. Eine Wiedervereinigung 1989 hat es nie gegeben, auch bei RENFT nicht. Aber untergegangen sind sie nicht. Die RENFTler spielen heute noch auf nebligen Bühnen - mit Baranschluss - ihrer alten Heimat und tragen, weitgehend unbeachtet, den rauen Charme ihrer Musik u.a. den Lesern dieses Buches nach.
Doch warum ist RENFT Legende? In dem Buch ist von den Musikern Jochen Hohl (Schlagzeug) und Christian Kuhnert (Gesang Keyboard) zu erfahren, dass sie sich Anfang der 70er Jahre eher als mittelmäßig bis schlechte Instrumentalisten sahen. Das Lob der Bandkollegen sei einmal ausgeschlossen. Die Konzerte waren gleichzeitig Proben, gemischt mit Alkohol und schlechter Technik. Doch hier muss etwas entstanden sein, ein Bauchgefühl in vollen Kulturhaussälen. Hier in den verqualmten Nahkampfdielen der zehntgrößten Industrienation der Welt wuchs der Widerstand der jungen Leute, genährt durch die ungestüme Ausstrahlung der KLAUS-RENFT-COMBO auf der Bühne. Hier erlebte das Publikum, wie man widersteht gegen die glattgebügelte Welt der Gesellschaftsziele. Die Unvollkommenheit des Protestes, der später das Land begrub, war in diesen Konzerten schon zu Hause. Oder war es eben doch nur Musik?
Es waren vor allem auch die Texte. Im Buch "Nach der Schlacht II" sind einige Texte abgedruckt, die diesen Geist von damals porträtieren. Texte, die so dann aber nicht auf den Platten erschienen sind oder erscheinen durften. Folgerichtig wird in dem Buch auch der zweite Haupttexter Kurt Demmler befragt. RENFT sang aber nicht nur vor Fans, sondern auch vor Funktionären, Lektoren und Spitzeln der Stasi. Sie wurden gehört im ganzen Land. 80% der DDR-Bürger sollten die Band RENFT 1975 gekannt haben, erfährt man in dem Buch, und doch schlug das Verbot der Band verhältnismäßig kleine Wellen. Immer wieder versucht Autor und heutiger Schlagzeuger der Band, Delle Kriese, in seinen Fragen die Protagonisten von damals auf diesen Umstand zu stoßen, jedoch ohne Erfolg. Groß sind die Lücken der Erinnerung, die oft mit den sehr sachkundigen Fragen wieder aufgefrischt werden. Großartig aber auch die Antworten eines Christian Kunert. Schon dafür lohnt es, sich für 5,00 Euro und ein paar Zerdrückte das Buch vom Downloaddealer seines Vertrauens zu laden und den alten Säcken nachzulesen. Nachzulesen ist auch die Zeit von 1999 bis 2008, als RENFT mit neuen Titeln wieder kreativ wurde. Doch diese Zeit beendete diesmal ein Gevatter und kein Genosse.
"Renft geht nicht unter", daran glaubt der Leser nach der Lektüre von "Nach der Schlacht II", und für die Nationalbibliothek ist die Bandgeschichte sicher wertvoll. Für die Musikindustrie war sie es nicht.
(Steffen Huth)
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