Dirk Michaelis: "Glaube Liebe Hoffnung" (Album)
VÖ: 06.08.2010; Label: ROCK CHAN SONG Records/Heart Of Berlin; Katalognummer: 4250594900194; Musiker: Dirk Michaelis (Gesang, Flügel), Thomas Maser (Gitarre, Keyboard, Programming), Sören Birke (Dukduk, Mundharmonika), Simon Pauli, Ingo York (beide Bass), Christian Wasdaris (Percussion), Carsten "Beathoven" Mohren (Orgel), Jan Lehmann (Flügel), Philipp Schulz (Schlagzeug); Produzent: Thomas Maser & Dirk Michaelis; Bemerkung: CD-Erstauflage im Digipak, die Zweitauflage erschien im Jewel-Case (Plastikhülle). Beide haben ein Booklet mit Abdruck der Songtext. Dieses Album kam als limitierte Auflage heraus und ist inzwischen nicht mehr erhältlich (vergriffen);
Titel: "Sexy Hexy", "Die Nacht (ist mein Feind)", "Wohlan", "Zielloser Passant", "Unser Abend", "Pas de deux", "Kinder (sind so kleine Hände)", "Glaube Liebe Hoffnung", "Pas de deux (Interlude)", "Seelenverwandt" |
Rezension:
Mit DIRK MICHAELIS' sechstem Studioalbum ist eine sehr traurige Geschichte verbunden. Es ist im Jahr 2010 erschienen, war aber schon lange vorher fertig und veröffentlichungsreif. Die Verzögerung war darin begründet, dass Dirks Gitarrist, Produzent und Freund, Thomas Maser, schwer erkrankt war. Dirk wollte mit der VÖ von "Glaube Liebe Hoffnung" (welch treffender Titel im Hinblick auf diesen Hintergrund) auf die Genesung seines Freundes warten oder zumindest auf den Moment, in dem es ihm besser gehen würde. Im August des Jahres 2010 sah es dann auch gut aus, und der Berliner Musiker brachte mit der Gewissheit, dass Maser das Gröbste überstanden zu haben schien, sein Album auf den Markt.
Wobei "auf den Markt bringen" eine wohl eher falsche Formulierung ist, denn "Glaube Liebe Hoffnung" war zuerst nicht im Fachhandel, sondern ausschließlich über die Homepage des Künstlers und auf seinen Konzerten zu bekommen. Dazu kam, dass das Album nur in einer limitierten Auflage zu haben war. Nur wer schnell war, bekam die Gelegenheit, einen der Silberlinge nach dem Tausch von EUROs gegen Album sein Eigen nennen zu können. Später erschien noch eine kleine Zweitauflage. Nun waren andere Michaelis-Alben sicher häufiger bzw. in ausreichender Stückzahl zu haben und sicher auch aus kommerzieller Sicht erfolgreicher als dieses hier, aber "Glaube Liebe Hoffnung" hinterließ beim Autor dieser Zeilen einen besonders tiefen Eindruck. Es ist also durchaus als Klassiker zu bezeichnen!
Den Sänger Dirk Michaelis muss man sicher nicht mehr großartig vorstellen. Er war lange Zeit die Stimme und das Gesicht von Karussell. Er prägte von Mitte bis Ende der 80er die Band mit seinem Gesang und seinen selbst geschriebenen Songs, aber nach der Wende stellte man ihm bei der Leipziger Band - aus welchen Gründen auch immer - den Stuhl vor die Tür und startete Anfang der 90er das Comeback mit einem anderen Sänger. Während das gepflegt in die Hose ging, startete Michaelis eine Solokarriere und setzte mit seinem Debüt, "Rockchansongs" (1992), auf seinem eigenen Label ein erstes Achtungszeichen. Während seine Ex-Band in der Versenkung verschwand (sie löste sich auf) gehörten die 90er und 2000er Jahre ihm. Plattenveröffentlichungen, Konzerte, TV-Auftritte, Projekte (Ostrock in Klassik) und Auftritte mit anderen Kollegen (Jose Carreras, Dirk Zöllner, André Herzberg, Sarah Connor, Matthias Reim, Anouk, etc.) … all das steht in seiner Vita, und eben auch dieses 2010 erschienene Werk, das ihn wohl mit am abwechslungsreichsten überhaupt zeigt.
Auf der neuen Scheibe befinden sich erstklassig produzierte Titel aus unterschiedlichen Richtungen. Michaelis bediente damals schon längst nicht mehr den einfachen Pop, und mit Schlager hatte er überhaupt nichts zu tun. Vielmehr hätte es eine eigene Schublade bedurft, um seine Musik kategorisieren zu können. "Rockchansongs" nannte er es bei seiner ersten, gerade genannten Platte, selbst. Aber bei dem auf der "Glaube Liebe Hoffnung"-CD zu Hörenden ist die Überschrift zu kurz gegriffen. Es gibt wunderschöne Soulmusik zu hören und nah am Zeitgeist angelehnte Pop-Songs. Folkige Lieder und Experimentelles, sogar orientalische Elemente sind eingestreut. Stets mit Tiefgang in den Texten. Dies alles, in Verbindung mit Michaelis' einzigartiger Stimme, die man unter zig Tausenden sofort wiedererkennen kann, macht das Album zu einer chilligen Autobahnfahrt ohne das Verlangen zu verspüren, zwischendurch mal eine Raststätte anzusteuern. Bemerkenswert auch, dass es auf der CD keinen einzigen schwächeren Titel gibt, der Musiker hält das Niveau vom ersten bis zum letzten Ton hoch. Selbst ein nur mit Piano vorgetragenes Instrumentalstück wie "Pas de deux" wirkt nicht wie ein Lückenfüller, damit die CD am Ende nicht zu kurz ausfällt, sondern wie ein gleichwertiger Nachbar zu den im Stil verwandten "Unser Abend" davor und "Sind so kleine Hände" danach. Man kann sich zu den schweren Tönen vor dem geistigen Auge die Tänzerin oder den Tänzer vorstellen, die/den sich der Komponist zur Melancholie eines jeden Tastenanschlags gekonnt bewegen lässt. Viele Feinheiten - sowohl in den Arrangements als auch in den Texten - verlangen vom Hörer deshalb auch ein genaues Lauschen.
Haben das im Stil der EAGLES klingende "Sexy Hexy" zu Beginn, das folgende Tango'eske "Die Nacht (ist mein Feind)" und auch das zeitlos schöne "Zielloser Passant" jeweils noch eine gewisse Ohrwurm-Qualität, so dass sie auch dem Ohr des Otto-Normal-Verbrauchers gefallen dürften, bergen Stücke wie z.B. "Wohlan" und "Seelenverwandt" ganz andere Elemente in sich, z.B. Art- und Psychodelic-Rock. Zuletzt genannte Nummer ist mit seinen über 11 Minuten auch ein eher außergewöhnliches Stück, das man vom Musiker bis dahin so nicht erwartet hätte. Auch die Balladen auf dieser CD unterscheiden sich deutlich von denen anderer, eher auf Kommerz gebürsteter Kollegen. Auf übermäßig schmalzigen Pathos oder schwülstige Formulierungen wird zugunsten einer guten Geschichte verzichtet. Da kann die eine oder andere Zeile auch gern mal nicht zur nächsten passen wollen. Wen stört es dann? Mich nicht! Speziell der Titel "Unser Abend" geht direkt unter die Haut und versprüht jazzig-angehaucht seinen Charme. Mit "Kinder (sind so kleine Hände)" bringt uns Michaelis eine wirklich beeindruckende und sehr gelungene Coverversion des gleichnamigen Bettina Wegner-Klassikers zu Gehör, und lässt den Hörer dabei ganz neue Facetten des Liedes entdecken. Bei "Glaube Liebe Hoffnung" zieht der Künstler sämtliche rockmusikalischen Register, begrüßt sein Publikum mit einer Blues-Harp (gespielt von Sören Birke) und lässt zwischen den einzelnen Strophen die Gitarren dem Anlass entsprechend krachen. Ein Deutschrocker vom Feinsten, um den ihn manche Band aus der Szene sicher beneidet. Die CD wird dann mit der eben schon erwähnten, 11-minütigen Klang- und Botschaften-Kollage namens "Seelenverwandt" abgeschlossen, die mich musikalisch beim ersten Hören ein Stück weit an Pink Floyd erinnerte. Dieser ruhig schwingende Synthie-Teppich, der das Lied einleitet, und auf den sich Michaelis mit seiner Stimme und der Gitarrist mit seiner Akustischen setzen, bilden den Grundstein für eine in Stein gehauene Liebeserklärung der anderen Art. Im Verlauf eine orientalische Flöte (ebenfalls von Sören Birke gespielt) und eine Gänsehaut erzeugende Santana-Gitarre, die den ruhigen Grundrhythmus aber nicht aufwühlen sondern das Gesamtbild erweitern. Ganz großes Kino!
"Glaube Liebe Hoffnung" macht schon nach dem ersten Hören unmissverständlich klar, dass hier ein detailverliebter Musiker seiner Kreativität freien Lauf gelassen hat, und dass man mit nur einem Hördurchgang nicht auskommen wird. Auch bei mehrmaliger Wiederholung des Programms kommt keine Langeweile auf, was an bereits beschriebenem Abwechslungsreichtum in den Arrangements, den Inhalten und der erstklassig besetzten Studio-Band liegt. So positiv das alles auch klingt, so ist das Album auch eine (wenn nicht sogar die) letzte Arbeit von Thomas Maser. Im Mai 2011 verlor er den Kampf gegen den Krebs. Trotzdem konnte er das Erscheinen dieses Albums noch miterleben, und wir ihm über diese CD bei der Arbeit lauschen.
(Christian Reder)
Mit DIRK MICHAELIS' sechstem Studioalbum ist eine sehr traurige Geschichte verbunden. Es ist im Jahr 2010 erschienen, war aber schon lange vorher fertig und veröffentlichungsreif. Die Verzögerung war darin begründet, dass Dirks Gitarrist, Produzent und Freund, Thomas Maser, schwer erkrankt war. Dirk wollte mit der VÖ von "Glaube Liebe Hoffnung" (welch treffender Titel im Hinblick auf diesen Hintergrund) auf die Genesung seines Freundes warten oder zumindest auf den Moment, in dem es ihm besser gehen würde. Im August des Jahres 2010 sah es dann auch gut aus, und der Berliner Musiker brachte mit der Gewissheit, dass Maser das Gröbste überstanden zu haben schien, sein Album auf den Markt.
Wobei "auf den Markt bringen" eine wohl eher falsche Formulierung ist, denn "Glaube Liebe Hoffnung" war zuerst nicht im Fachhandel, sondern ausschließlich über die Homepage des Künstlers und auf seinen Konzerten zu bekommen. Dazu kam, dass das Album nur in einer limitierten Auflage zu haben war. Nur wer schnell war, bekam die Gelegenheit, einen der Silberlinge nach dem Tausch von EUROs gegen Album sein Eigen nennen zu können. Später erschien noch eine kleine Zweitauflage. Nun waren andere Michaelis-Alben sicher häufiger bzw. in ausreichender Stückzahl zu haben und sicher auch aus kommerzieller Sicht erfolgreicher als dieses hier, aber "Glaube Liebe Hoffnung" hinterließ beim Autor dieser Zeilen einen besonders tiefen Eindruck. Es ist also durchaus als Klassiker zu bezeichnen!
Den Sänger Dirk Michaelis muss man sicher nicht mehr großartig vorstellen. Er war lange Zeit die Stimme und das Gesicht von Karussell. Er prägte von Mitte bis Ende der 80er die Band mit seinem Gesang und seinen selbst geschriebenen Songs, aber nach der Wende stellte man ihm bei der Leipziger Band - aus welchen Gründen auch immer - den Stuhl vor die Tür und startete Anfang der 90er das Comeback mit einem anderen Sänger. Während das gepflegt in die Hose ging, startete Michaelis eine Solokarriere und setzte mit seinem Debüt, "Rockchansongs" (1992), auf seinem eigenen Label ein erstes Achtungszeichen. Während seine Ex-Band in der Versenkung verschwand (sie löste sich auf) gehörten die 90er und 2000er Jahre ihm. Plattenveröffentlichungen, Konzerte, TV-Auftritte, Projekte (Ostrock in Klassik) und Auftritte mit anderen Kollegen (Jose Carreras, Dirk Zöllner, André Herzberg, Sarah Connor, Matthias Reim, Anouk, etc.) … all das steht in seiner Vita, und eben auch dieses 2010 erschienene Werk, das ihn wohl mit am abwechslungsreichsten überhaupt zeigt.
Auf der neuen Scheibe befinden sich erstklassig produzierte Titel aus unterschiedlichen Richtungen. Michaelis bediente damals schon längst nicht mehr den einfachen Pop, und mit Schlager hatte er überhaupt nichts zu tun. Vielmehr hätte es eine eigene Schublade bedurft, um seine Musik kategorisieren zu können. "Rockchansongs" nannte er es bei seiner ersten, gerade genannten Platte, selbst. Aber bei dem auf der "Glaube Liebe Hoffnung"-CD zu Hörenden ist die Überschrift zu kurz gegriffen. Es gibt wunderschöne Soulmusik zu hören und nah am Zeitgeist angelehnte Pop-Songs. Folkige Lieder und Experimentelles, sogar orientalische Elemente sind eingestreut. Stets mit Tiefgang in den Texten. Dies alles, in Verbindung mit Michaelis' einzigartiger Stimme, die man unter zig Tausenden sofort wiedererkennen kann, macht das Album zu einer chilligen Autobahnfahrt ohne das Verlangen zu verspüren, zwischendurch mal eine Raststätte anzusteuern. Bemerkenswert auch, dass es auf der CD keinen einzigen schwächeren Titel gibt, der Musiker hält das Niveau vom ersten bis zum letzten Ton hoch. Selbst ein nur mit Piano vorgetragenes Instrumentalstück wie "Pas de deux" wirkt nicht wie ein Lückenfüller, damit die CD am Ende nicht zu kurz ausfällt, sondern wie ein gleichwertiger Nachbar zu den im Stil verwandten "Unser Abend" davor und "Sind so kleine Hände" danach. Man kann sich zu den schweren Tönen vor dem geistigen Auge die Tänzerin oder den Tänzer vorstellen, die/den sich der Komponist zur Melancholie eines jeden Tastenanschlags gekonnt bewegen lässt. Viele Feinheiten - sowohl in den Arrangements als auch in den Texten - verlangen vom Hörer deshalb auch ein genaues Lauschen.
Haben das im Stil der EAGLES klingende "Sexy Hexy" zu Beginn, das folgende Tango'eske "Die Nacht (ist mein Feind)" und auch das zeitlos schöne "Zielloser Passant" jeweils noch eine gewisse Ohrwurm-Qualität, so dass sie auch dem Ohr des Otto-Normal-Verbrauchers gefallen dürften, bergen Stücke wie z.B. "Wohlan" und "Seelenverwandt" ganz andere Elemente in sich, z.B. Art- und Psychodelic-Rock. Zuletzt genannte Nummer ist mit seinen über 11 Minuten auch ein eher außergewöhnliches Stück, das man vom Musiker bis dahin so nicht erwartet hätte. Auch die Balladen auf dieser CD unterscheiden sich deutlich von denen anderer, eher auf Kommerz gebürsteter Kollegen. Auf übermäßig schmalzigen Pathos oder schwülstige Formulierungen wird zugunsten einer guten Geschichte verzichtet. Da kann die eine oder andere Zeile auch gern mal nicht zur nächsten passen wollen. Wen stört es dann? Mich nicht! Speziell der Titel "Unser Abend" geht direkt unter die Haut und versprüht jazzig-angehaucht seinen Charme. Mit "Kinder (sind so kleine Hände)" bringt uns Michaelis eine wirklich beeindruckende und sehr gelungene Coverversion des gleichnamigen Bettina Wegner-Klassikers zu Gehör, und lässt den Hörer dabei ganz neue Facetten des Liedes entdecken. Bei "Glaube Liebe Hoffnung" zieht der Künstler sämtliche rockmusikalischen Register, begrüßt sein Publikum mit einer Blues-Harp (gespielt von Sören Birke) und lässt zwischen den einzelnen Strophen die Gitarren dem Anlass entsprechend krachen. Ein Deutschrocker vom Feinsten, um den ihn manche Band aus der Szene sicher beneidet. Die CD wird dann mit der eben schon erwähnten, 11-minütigen Klang- und Botschaften-Kollage namens "Seelenverwandt" abgeschlossen, die mich musikalisch beim ersten Hören ein Stück weit an Pink Floyd erinnerte. Dieser ruhig schwingende Synthie-Teppich, der das Lied einleitet, und auf den sich Michaelis mit seiner Stimme und der Gitarrist mit seiner Akustischen setzen, bilden den Grundstein für eine in Stein gehauene Liebeserklärung der anderen Art. Im Verlauf eine orientalische Flöte (ebenfalls von Sören Birke gespielt) und eine Gänsehaut erzeugende Santana-Gitarre, die den ruhigen Grundrhythmus aber nicht aufwühlen sondern das Gesamtbild erweitern. Ganz großes Kino!
"Glaube Liebe Hoffnung" macht schon nach dem ersten Hören unmissverständlich klar, dass hier ein detailverliebter Musiker seiner Kreativität freien Lauf gelassen hat, und dass man mit nur einem Hördurchgang nicht auskommen wird. Auch bei mehrmaliger Wiederholung des Programms kommt keine Langeweile auf, was an bereits beschriebenem Abwechslungsreichtum in den Arrangements, den Inhalten und der erstklassig besetzten Studio-Band liegt. So positiv das alles auch klingt, so ist das Album auch eine (wenn nicht sogar die) letzte Arbeit von Thomas Maser. Im Mai 2011 verlor er den Kampf gegen den Krebs. Trotzdem konnte er das Erscheinen dieses Albums noch miterleben, und wir ihm über diese CD bei der Arbeit lauschen.
(Christian Reder)
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