ewo 20121118 1355413587Die Gruppe Karussell im allgemeinen und ihre erste LP im besonderen folgten der Tradition einer Band, die eigentlich schon seit vier Jahren in der Versenkung verschwunden war: Renft. Gitarrist/Sänger Cäsar Peter Gläser, Schlagzeuger Jochen Hohl und Texter Kurt Demmler hatten ihre musikalischen Vorstellungen bereits unter diesem Banner verwirklicht, bevor es unter unglücklichen Umständen eingeholt wurde. Ihre Linie setzte sich nun mit dieser neuen Band beinahe nahtlos fort. Wie einst bei Renft war die Gruppe schon lange vor ihrem Debüt-Album bestens bekannt und die Schallplatte war logische Folge großen Erfolgs im Radio und in den Konzertsälen. Untermauert wurde diese Tradition zur allgemeinen Überraschung (auch der Musiker selbst) mit dem Remake des Titels "Besinnung" am Ende der LP, der in der Renft-Version seinerzeit wegen textlichen Beanstandungen der Verbannung anheim gefallen war. Renft-Fans hatten also mehr als nur einen Grund zur Freude. Doch natürlich kann und sollte man "Entweder oder" nicht allein auf die Renft-Nachfolge beschränken. Immerhin hatten vier beteiligte Musiker diesen Hintergrund nicht und verfolgten eigene Stile und Vorlieben. Sänger Reinhard "Oschek" Huth zum Beispiel paßte im Leben nicht in das Raster von "Monster" Schoppe oder "Kuno" Kunert, sondern brachte eine sehr sonore Singstimme und eine wesentlich liedhaftere Interpretationsweise mit, die Erfolgstiteln wie "Autostop", "Der Gitarrist" oder "Ehrlich will ich bleiben" erst die rechte Würze verlieh.

VÖ:
Label:

Titel:

 

 

 

 

 

Line up:

1979
AMIGA

Entweder oder
Der Gitarrist
Autostop
Whisky
McDonald
Fenster zu
Ehrlich will ich bleiben
Tanzen
Ein langer Weg
Besinnung

Peter Gläser (voc, g, ac-g)
Reinhard Huth (voc, 12 str-g)
Bernd Dünnebeil (g)
Jochen Hohl (dr)
Wolf-Rüdiger Raschke (keyb, org)
Claus Winter (bg)

Desgleichen Gitarrist Bernd Dünnebeil, der öfter zur Steel-Guitar griff und dem Karussell-Sound so eine exotische Note verlieh. Oder "Der Dicke" Claus Winter, dessen virtuoses Baßspiel diesem Instrument eine völlig neue Rolle zuwies. Und nicht zuletzt Tastenmann Wolf-Rüdiger Raschke, der mit Sounds und Teppichen operierte, die die Musik auf ganz eigene Weise geschmeidig machte. Diese Musiker-Zusammensetzung erzeugte gemeinsam einen völlig individuellen Sound, der beim Publikum auf offene Ohren traf und folgerichtig innerhalb kürzester Zeit vom Geheimtip zum Spitzen-Act aufstieg. Und das völlig zu Recht.
Und nicht nur musikalisch traf Karussell mit seiner Mischung aus Blues, Rock, Folklore und Ballade ins Schwarze - auch textlich ließ man nichts anbrennen. Kurt Demmler bescherte der Band hier und in der Folgezeit einige seiner besten Liedtexte überhaupt und das will schon etwas heißen, war Demmler doch ohnehin einer der renommiertesten Textdichter des Landes. Die Lyrics von Karussell sprachen mit traumwandlerischer Sicherheit die Jugend der DDR in ihrer innersten Seele an, brachten Träume und Wünsche zum Ausdruck, die mancher hegte ("Der Gitarrist", "Tanzen"), befaßten sich mit der Kluft zwischen jungen und erwachsenen Menschen ("Autostop", "Ehrlich will ich bleiben") oder mit allgemeinen gesellschaftlichen Problemen ("Fenster zu", "McDonald") und waren nicht selten so formuliert, daß man aus ihnen noch mehr herauslesen konnte, als eigentlich gesungen wurde.
So bleibt festzuhalten, daß "Entweder oder" ohne Wenn und Aber das ausgereifteste Debüt-Album einer DDR-Gruppe überhaupt darstellte, dessen wenige kleine Schwächen später auf der zweiten LP "Das einzige Leben" gänzlich ausgemerzt wurden. Daß damit allerdings der Höhepunkt bereits erreicht und eine weitere LP später schon das Ende dieser außergewöhnlichen Konstellation gekommen war, kann man aus heutiger Sicht nur bedauern. Denn eigentlich hätte Karussell das Zeug dazu gehabt, die Elefantenrunde aus Puhdys, Karat und City um eine vierte Band zu erweitern. Schade drum... (kf)


   
   
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