Es ist nicht Kraftwerk, aber ein bisschen schon... Es muss aber auch nicht Kraftwerk sein, denn es ist La Düsseldorf! Der ehemalige Kraftwerk-Schlagzeuger Klaus Dinger, sein Bruder Thomas Dinger und Hans Lampe formierten 1975 LA DÜSSELDORF, hervorgegangen aus der Gruppe "NEU".
Nicht nur den Schlagzeuger, sondern auch die Musikrichtung hatten Kraftwerk und La Düsseldorf zumindest teilweise gemeinsam. Trotzdem streiten sich die Geister, wie man die Musik eigentlich "einsortieren" soll... Ist es Elektronik? Ist es Deutschrock? Ist es Pop? Irgendwie ist es von Allem etwas. Die Gesangspassagen erinnern sogar an Punk. Man kann sagen, dass das hier für unsere "Klassiker"-Rubrik hervorgekramte Album anders als alles andere ist, was zu der damaligen Zeit veröffentlicht wurde. Einzigartig eben! La Düsseldorf verstand es wie keine andere Band, schöne Melodien, sentimentale Harmonien und Aggression gleichzeitig in einen Song zu verpacken. Sphärische Keyboards und Gitarren erzeugten einzigartige Melodien, die einem so schnell nicht wieder aus dem Gehörgang gehen wollten. Mit der Single-Auskopplung "Rheinita", eine Hymne auf den deutschen Fluss, hatte die Band 1978 einen großen Erfolg, hielt sie sich doch wochenlang in den Hörercharts der WDR2-Sendung "Schlagerrallye". Nicht ohne Grund. Dieser Titel besticht durch seine Schlichtheit und seine eingängige Melodie. Auch ohne viel Tamm-Tamm überzeugt der Song heute noch. Das 20-minütige "Cha Cha 2000" ist ebenfalls schlicht aufgebaut. Schlagzeug, Gitarre, Keyboard... trotzdem hat es fantastische Klangbilder für den Hörer parat.
Eine wahre Hymne in Überlänge. Die Musik auf "Viva" ist gewollt einfach. Schnörkelloser Keyboard-Sound, gezielt eingesetzte Gitarren und schräge Gesangsparts. All das wußte La Düsseldorf perfekt in Szene zu setzen. Wer das Gefühl nicht kennt, im Rausch zu sein, ohne etwas eingenommen zu haben, der muss sich einfach nur die Platte der drei Düsseldorfer Klangschrauber auf den Teller legen. Das Suchtpotential von "Viva" ist auch bei der jüngeren Generation mit garantierter Sicherheit enorm hoch (wer braucht Alkopops, wenn es "Viva" gibt?). Das Album ist Qualität pur und beweist als eines der besten Beispiele seines Genres, dass elektronische Musik keineswegs billig, nach Plastik riechend oder gar minderwertig sein muss. Die Scheibe ist ein Meilenstein deutscher Musikgeschichte, auch wenn sie außer Szeneinsidern kaum jemand kennt.
Thomas Dinger verstarb im Jahre 2002, sein Bruder Klaus in diesem Jahr (die Nachricht kam in unserem Forum). Sie haben sich einfach aus dem Staub gemacht und uns ein musikalisches Vermächtnis der Extraklasse hinterlassen. Wer auch nur ein klein wenig für elektronische Musik und Rock übrig hat und dieses Album noch nicht kennt, der sollte den nächsten Plattendealer seiner Wahl ansteuern und "Viva" in den Warenkorb legen. Ihr werdet die Platte lieben - Leute, die sie kennen, wissen, wovon ich hier rede ...
Es sei noch angemerkt, dass es das Album inzwischen wieder auf CD zu kaufen gibt. Nach langjährigen Rechtsstreitigkeiten zwischen der Band und der Plattenfirma war es am Ende doch möglich, die Alben von La Düsseldorf wieder auf CD neu aufzulegen. Vorher erzielte speziell dieses Album auf CD nicht selten Preise zwischen 40 und 60 Euro auf den einschlägigen Plattformen für gebrauchte Tonträger.
(Christian Reder)
VÖ: 1978; Label: Strand/Teldec; Titel: Viva · White Overalls · Rheinita · Vögel · Geld · Cha Cha 2000; Bemerkung: inzwischen auch wieder auf CD erhältlich; Musiker: Klaus Dinger (Gesang, Gitarre, Keyboards) · Thomas Dinger (Gesang, Percussion) · Hans Lampe (Percussion, Elektronik)
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