Einmal Ostsee und zurück - Unterwegs mit Christian Haase (Teil 1)
(Ein Porträt. Ein Erlebnis. Viele Begegnungen.)

 

Bericht: Andreas Hähle
Fotos: Patricia Heidrich

 


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Einleitung
Wenn man sich selbst vor die Aufgabe stellt, etwas über jemanden zu schreiben, den man jahrelang kennt, dessen Musik und Texte, dessen Lieder man richtig gut findet, dann hat man sich etwas Schweres vorgenommen. Nicht in dem Sinne, dass man Angst haben müsste, es nicht zu bewältigen. Nur in dem Sinne, dass man vorher schon weiß, dass der Prozess des Schreibens ein intensiver und anstrengender sein wird, wenn man sich nicht verzetteln möchte auf der einen Seite, aber auch nichts Wesentliches unter den Tisch fallen lassen möchte auf der anderen Seite. Ein Porträt sollte es werden, eine Beschreibung, eine biographische Aufarbeitung des bisherigen Lebens und Schaffens eines Künstlers, nämlich von Christian Haase. 15 Jahre ist er nun unterwegs als Liedermacher, als Rocksänger. Mit verschiedenen Etappen, Stationen, künstlerischen Versuchen, aber immer irgendwie geradeaus, was auch vollkommen seinem Wesen entspricht: geradeaus zu sein. Er ist ein Frühstarter, er ist 28 Jahre alt und für einen Künstler seiner stilistischen Art schon ziemlich populär, im Sinne von bekannt. Der Mainstream, wie man das übliche Hitfabrik-Gedudel auch nennt, ist nicht seine Baustelle und dennoch haben einige seiner Lieder Hitpotential. Nicht von der Art, wie es die Plattenfirmen auf der ewigen Suche nach jungen Talenten erkennen würden, nein "lediglich" von der Art, wie es ein Publikum erkennt auf der Suche nach Gutem, nach Wertvollem, ja auch nach Bleibendem. Die Hitproduzenten von gestern werden heute nicht mehr gebraucht und die von heute werden wir morgen nicht mehr kennen und beim Nennen ihrer Namen und Titel werden manche vielleicht erinnerungslos mit dem Kopf schütteln, andere selbstironisch grinsend zu Boden schauen. Wenn man die Namen solcher Künstler wie Christian Haase nennt, irgendwo in einer Gesprächsrunde, werden die einen vielleicht meinen, diesen Namen noch nie gehört zu haben und andere aber werden mit leuchtenden Augen zugeben, von ihm zu wissen. So einfach ist das, abseits aller "Wir spielen das, was wir für Hits halten so lange, bis ihr bei den ersten Takten dieser Songs schon kotzen müsst"-Radio-Logik.

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So schwer ist das. Patti (Fotografien) und ich wollten mehr erfahren, die künstlerische Biographie und einen Lebenslauf in Kurzfassung hat mir Christian Haase zugemailt. Wir wollten es uns auch nicht einfach machen, wir wollten auch mehr mitteilen, nicht nur über den Künstler Christian Haase, sondern auch über den Menschen. Und so ergab sich - wie Zahnräder, die ineinander greifen - eine Gelegenheit, aus der viele andere erwuchsen, genau eine solche Situation herbeizuführen, die uns das ermöglichen würde. Und spannend war es aus mehreren Gründen. Christian Haase unternahm als Solist eine Mini-Tour an der Ostsee, trat auf in Rerik und in Bad Doberan. Wir entschieden uns, ihn auf dieser kleinen Reise zu begleiten und ahnten nicht, was für ein unglaublich ausgefülltes Erlebnis dies werden würde. Wir entschlossen uns dazu, weil wir wussten, dass Christian Hasse in Gefilden auftreten würde, in welchen er nicht so bekannt ist wie im sächsischen Raum oder in Berlin. Zum anderen wollte er einen Workshop leiten in einer Schule mit Kindern, zum Thema "Theaterspielen", und in derselben Schule vor Schülern einen kleinen Auftritt wagen. Ein weiterer Grund für unseren Entschluss war die Landschaft, die Ostsee im Winter, eine äußerst spannende Atmosphäre. Da wir wussten, dass diese Auftritte dort zum Teil von Menschen mit organisiert wurden, speziell von einem, die an Haases Musik und an ihn selbst glauben, waren wir auch auf die Begegnungen mit diesen Menschen gespannt. Und wir konnten gar nicht enttäuscht werden. Was wir erfuhren, wem wir begegneten, wie wir Christian Haase erlebten, damit konnten wir aber auch nicht rechnen. Und hätten wir damit rechnen können, wären wir auf jeden Fall... auf dieser kleinen Tour mitgefahren, dann sogar erst recht.

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"Muss denn immer alles so früh sein?" oder "Mein Manager erledigt das für mich"
Haase hat einen Manager. Noch nicht sehr lange, aber er hat ihn. Er rief mich an, weil Haase selbst auf die Idee kam, dass wir doch alle zusammen mit seinem Tourbus nach Roggow fahren könnten. Warum nach Roggow? Das erkläre ich später. Der Manager also, André Kemnitz-Voigt, den ich zu diesem Zeitpunkt noch nicht persönlich kannte, machte den Vorschlag, wir könnten am Donnerstag, den 4.3. gegen 7.30 Uhr in Berlin-Mitte den Christian Haase abholen, um dann mit ihm den André ebenfalls in Berlin abzuholen, um dann in einer Stadt am Rande Mecklenburg-Vorpommerns neue T-Shirts für das Merchandising einzuladen, um dann von dort aus nach Roggow zu fahren. Ja, super... 7.30 Uhr... 7.30 Uhr. Ich habe keine Ahnung, zu welcher Uhrzeit Christian Haase das Licht der Welt erblickte, auf jeden Fall war es am 1. April 1981 in Leipzig. "Muss denn immer alles so früh sein?", fragte mich Patti, als ich ihr Andrés Tourplanung mitteilte. Ich zuckte mit den Schultern. Vor 15 Jahren stand Haase das erste Mal auf einer Bühne. Da war er 13. Vielleicht müssen manche Dinge doch recht früh sein.
Dieser Einsicht folgend waren wir an Ort und Stelle und zwar 7.30 Uhr. Wir bekamen ein Frühstück serviert, ein aufgeräumter Christian Haase empfing uns, was nicht heißen muss, dass er wirklich munter war. Wir selbst waren es auch nur teilweise. Mit Kaffee und Frühstück dann schon etwas mehr. Ein paar Gerätschaften von meinem eigenen Kinderprogramm, die wir für den Workshop in Rerik nutzen wollten, wurden umgeladen und dann ging es auf zu Herrn Kemnitz-Voigt.

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"Mein Manager erledigt das für mich", diese Rio-Reiser-Zeile bekamen wir in den nächsten Tagen des Öfteren von einem amüsierten Haase zu hören. Der Manager selbst ist ein spannender Mensch, ein kluger, ein umsichtiger, einer mit grossem Einfühlungsvermögen in Menschen und Situationen. Und einer, der Haase achtet, aber nicht unnötig respektiert. Manchmal erschien es mir im Laufe der nächsten Tage sogar ein bisschen so, als könnten der Künstler und sein Agent auch ein altes Ehepaar sein. Einige Dialoge ließen es so erscheinen. "Wo hast du denn das Kabel hingelegt?" - "Welches Kabel?" - "Na, das Kabel." - "Ich weiß nicht, welches Kabel du meinst." - "Ich hatte vorhin doch hier ein Kabel." - "Das ist möglich. DU hattest vorhin da ein Kabel." Gut, es ging nicht um die klischeebehafteten Theatereintrittskarten, aber irgendwie erinnerte mich das daran. Andrés Biographie ist sehr spannend und er scheint mir zu wissen, was er tut und wie er es tut. Dass er auch mal Pantomime war sollte ich erst am Nachmittag erfahren. Und sogar erleben. Da waren wir aber schon in Rerik und in Roggow schon gewesen.

Es war saukalt an diesem Tag. Es war - auch wegen der Kälte - viel zu früh an diesem Tag. Der Christian Haase war dennoch gut gelaunt, der André auch, Patti war müde, aber auch gut gelaunt und ich war da. Was zur Folge haben würde, egal, was jetzt kommen mag, ich werde darüber schreiben müssen. Nicht viel. Aber etwas. Ein Haase-Porträt mit ein paar Begebenheiten von einer kleinen Tournee.

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Ich war fröhlich und guten Mutes, denn ich hatte nicht die geringste Ahnung, wie viel ich am Ende über diese Tour und über Christian Haase zu schreiben haben würde. Warum denn sollte ich erwähnen, dass Schnee lag in jenem Ort, wo wir die T-Shirts abholten und dass der Schnee immer häufiger zu sehen war, je weiter wir in Richtung Norden fuhren. Warum denn sollte ich erwähnen, dass ein Hund mit schiefem Maul zu den Klängen der Film-Musik von "Fluch der Karibik" aus Haases Mp3-Player auf einem Schneehügelchen thronend für Pattis Fotoapparat posierte (siehe Fotos unten). Man kann ja die Songs von so einem Mp3-Player, wenn man die Frequenz richtig einstellt, ganz laut über das Autoradio wiedergeben. Das habe ich gelernt. Früh am Morgen. Das kann doch eh keiner nachvollziehen, der nicht dabei war. Oder doch? Immerhin gibt es ja die Fotos. Die zeigen zwar nicht, wie fröhlich wir waren, aber dass wir jeden Grund hatten, fröhlich zu sein. Wir alle vier.
Vielleicht müssen manche Dinge doch recht früh beginnen. Manche Entscheidungen müssen mitunter früh getroffen werden. Im Jahre 2002 begann Christian Haase ein Lehrerstudium. Er hat es 2004 abgebrochen "wegen unzulänglicher Studienbedingungen und der Unvereinbarkeit von eigenem Anspruch und fachlichen Möglichkeiten", wie er selbst einmal dazu schrieb. Vielleicht wäre uns bei einer Weiterführung des Studiums und einer Laufbahn als Lehrer in Christian Haase ein großartiger Rocksänger und Liedermacher verloren gegangen, denn es könnte ja sein, er hätte den musikalischen Weg nicht mehr so intensiv gehen können. Aber eines wurde mir - beim nachmittäglichen Workshop an der Freien Schule in Rerik - noch an diesem Tag bewusst. Den Schülern ist wohl ein großartiger Lehrer verloren gegangen. Ich war begeistert davon, wie sehr er Kinder liebt und diese auch gleich in ihn vernarrt sind. Seine Energie, seine fast ungeheuerlich wirkende positive Ausstrahlung, seine Lebendigkeit, seine spontane Kreativität, dies alles vermochte er in einer einzigen Stunde auszustrahlen, anderen Menschen zu geben und mitzuteilen, sie mitzunehmen auf dieser intensiven Reise und ihnen dabei auch noch die Gelegenheit geben, dieselbe Energie in sich entdecken zu können. Doch das erfuhr ich erst später an diesem Tag. Noch waren wir ja unterwegs... nach Roggow... Und ob wir da rechtzeitig ankommen würden trotz des frühen Starts und trotz Navigations-Systems? "Mein Manager erledigt das für mich".

Fortsetzung folgt! Demnächst: Yes, 'n Dorf oder Roggow am Salzhaff

 


 

weitere Eindrücke:

a 20130916 1151636387"Schiefmaulhund"

b 20130916 1656249467...im Cockpit

 


   
   
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