Einmal Ostsee und zurück - Unterwegs mit Christian Haase (Teil 4)
(Ein Porträt. Ein Erlebnis. Viele Begegnungen.)

 

Bericht: Andreas Hähle
Fotos: Patricia Heidrich & André Kemnitz-Voigt

 


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Erics Song und Currywurst, egal wo geht
Bei dem beschriebenen Workshop in der Freien Schule Rerik saß auch ein Schüler, der später den Teufel spielen sollte. Sein Name ist Eric. Dieser nun hatte einen Hefter bei sich, den er ganz fest in den Händen hielt. Und dieser Hefter barg eine Überraschung für Christian Haase, nämlich einen Text. Was sich offenbarte, als die Sprache darauf kam, dass man während der Unterrichtsstunden auch darüber sinnierte, was denn ein Liedermacher eigentlich ist und was er so treibt. Das hat Eric in kurzen knappen Sätzen aufgeschrieben, aber nicht nur das. Vermutlich um dem ganzen inhaltlich etwas näher zu kommen, hat er auch gleich einen Liedtext entworfen, der der Stilistik von Texten eines Liedermachers, wie Eric sie sich vorstellte, recht nahe kommen sollte. Sogar mehr als das. Christian Haase fand den Text so gut, dass er sich vornahm, ihn bis zum nächsten Tag zu vertonen und vor den Schülerinnen und Schülern der Schule innerhalb seines angekündigten Mini-Konzertes vorzutragen.
Um es vorwegzunehmen: So kam es auch. Mittlerweile kann man diesen Song mit Erics Text und der Musik von Christian Haase auf Youtube bestaunen und so wie es aussieht, hat dieses Lied inzwischen auch einige Fans gewonnen. Wenn Ihr euch selbst überzeugen wollt, schaut einfach nach bei Youtube (HIER klicken). Es ist auch ein sehr tolles Lied geworden, vor allem wenn man bedenkt, dass ein Kind den doch recht tiefsinnigen Text verfasste und unter welcher Zeitknappheit die Komposition dazu entstand.

Im Prinzip konnte aber von Zeitdruck nach dem Workshop nicht die Rede sein. Es war Freizeit angesagt, befohlen gar. Vom Manager. Patti und ich fuhren, obwohl es eigentlich an der Zeit war, uns um unsere Übernachtungsmöglichkeit zu kümmern, gemeinsam mit den anderen dorthin, wo Haff und Ostsee sich von verschiedenen Seiten um ein kleines Stückchen Reriker Land stritten. Zum einen, weil wir dieses Naturschauspiel erleben wollten, zum anderen weil wir - zu Recht - hofften, dort etwas Schönes zu essen zu finden.
Patti ging aber erst einmal, weil sie die Nacht vorher nicht geschlafen hatte, in den stürmischen winterlichen Wind hinaus - für Flachländer fühlte dieser sich eher wie ein Sturm an - und fotografierte die wunderschöne Gegend. Wir drei Kerle kehrten in ein kleines Fischrestaurant ein. Fisch ist eine tolle Speise, fanden zumindest zwei von uns. André aber bestellte sich eine Currywurst. So sind sie, die Berliner, Currywurst, egal wo geht und mit Sicherheit auch in einem Fischrestaurant, in einem thailändischen Spezialitätenrestaurant, an der nächsten Dönerbude und in einer mexikanischen Diskothek. Warum auch nicht? Es kann jeder essen, was er mag. Interessant fand ich eher, dass es diese Currywurst nicht nur auch gab, sondern dass sie sogar auf der Speisekarte stand. André war also mit Sicherheit nicht der einzige Berliner, der hier schon einmal eingekehrt ist.

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Während wir aßen und tranken, spekulierten wir ein wenig über die Halbinsel Wustrow, die sich ganz in der Nähe befand. Man hörte ja so Merkwürdiges, auch von der Wirtin im Fischrestaurant. Eine Wache soll es da geben, die Eigentumsverhältnisse seien ungeklärt, daher kann man nicht sagen, ob und was aus diesem Erdenfleckchen irgendwann einmal werden sollen könnte. Das Betreten sei verboten. Das klang alles schon etwas mysteriös. Ganz so mysteriös ist die gegenwärtige Geschichte um Wustrow doch nicht, wie uns René Wiggers noch am selben Abend erklärte. Letztendlich ist es doch eher die übliche Geschichte, wie man sie nach der Wende vielerorts, wenn nicht gar meistenorts im Osten Deutschlands so oder so ähnlich zu hören bekommt. Nach der Wende wurde das bis dahin größtenteils als Militärgebiet der sowjetischen Armee genutzte Areal Eigentum des Bundes und nach intensivem Hin und Her und einigen Verwicklungen, die ich nicht weiter ausführen möchte (denn ich kenne sie ja auch nur vom Hörensagen und vom einmaligen Erzählen, was zur Folge haben könnte, dass ich die Hälfte vergessen habe und die andere Hälfte falsch verstanden), an das Immobilienunternehmen "Die Fundus-Gruppe" verkauft, die wohl schon Pläne für dieses Gebiet hatten. Aber wie es aussieht, können sie die wohl auch nicht umsetzen, so dass wilde Spekulationen darüber im Umlauf sind, was nun aus der Halbinsel Wustrow werden wird und ob sie nicht doch wieder noch einmal verkauft werden müsste. Seitdem jedenfalls liegt die Halbinsel unberührt und ohne Störungen durch Neugierige, weil das Betreten tatsächlich nicht erwünscht ist, still und brach und lässt der Natur ihren wunderbaren Lauf.

Über dieses und anderes unterhielten wir uns für den Rest des Nachmittags und des Abends bei René am Küchentisch, denn mittlerweile stand auch fest, dass Patti und ich ebenfalls dort übernachten würden. Später stellten wir fest, dass sich die ursprünglich von uns anvisierte Übernachtungsmöglichkeit gleich gegenüber der Schule befand. Aber so war es schöner. Und so hatten wir auch am nächsten Tag ein munteres Frühstück in froher Gemeinschaft, bevor wir dann zur Reriker Schule aufbrachen, um dort in der Turnhalle das kleine Theaterstück vom Workshop zu erleben und das anschließende Mini-Konzert von Christian Haase am selben Ort vor Schülern. Zuvor jedoch musste natürlich Erics Lied vertont und geprobt werden. Das Vertonen war nicht so schwierig, wie ich dachte, denn Christian Haase hatte bereits den Abend zuvor eine passende und sehr schöne Idee, die er über Nacht ein wenig ausfeilte. Also war nur das Proben wichtig und das war richtig witzig, denn Patti und André beteiligten sich an der Darbietung.

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So witzig war dann auch die Aufführung. Doch zuvor erst einmal das Theaterstück. Wir machten uns auf den Weg in die Schule, kamen rechtzeitig an, was einige Kinder freute, nämlich die, die am Theaterstück beteiligt waren. Denn wir wollten ja das Stück vorher noch proben und eigentlich wäre in dieser Zeit eine reguläre Unterrichtsstunde. Die Probe war recht munter, um es mal so auszudrücken. Da Christian sich um andere Dinge kümmern musste, durfte der mitreisende Schreibende mal seine Beobachterposition verlassen und die "Mittags-Regie" übernehmen. Die Kinder waren erstaunlich gut vorbereitet und auch wenn das eine oder andere verloren gegangen war, stellte sich das Stück wie von selbst wieder her. Natürlich ist die Atmosphäre einer Turnhalle etwas anders als die in einem Klassenraum, sie regt zu heftigeren Bewegungen und Lautäußerungen an. Ich kannte das schon, zumal ich ja meine Kinderprogramme schon öfter in Turnhallen aufführte und deshalb weiß, dass sich das ganz anders anfühlt und die Kinder ganz anders mitagieren als in einem wesentlich kleineren Raum, der nicht mal für sportliche Zwecke ausgerichtet ist.

Die Aufführung klappte unglaublich gut, die Darstellerinnen und Darsteller, so empfand ich es zumindest, waren sogar viel besser und spielten viel intensiver als bei der Generalprobe und überhaupt vorher. Und auch das "technische Personal" agierte auf den Punkt genau. Solch eine Disziplin wünscht sich mancher Regisseur mit Sicherheit in einem Ensemble mit Starschauspielern. Die Kinder der Schule, alle in der Turnhalle versammelt, waren begeistert und feierten ihre Mitschüler und deren Leistungen frenetisch.
Ein gutes - ein überwältigendes Warm Up für den Liedermacher Christian Haase, dessen Auftritt sich daran anschloss. Ich muss bestimmt nicht groß erwähnen, dass gerade Erics Lied einen großen Überraschungseffekt für die Kinder hatte, denn niemand rechnete wohl damit, dass in einem Konzert eines Leipziger Liedermachers ein Text eines ihres Mitschülers, dem wohl viele dieses Talent nicht einmal vorher zugetraut hätten, zu Gehör gebracht werden würde. Christian Haase begründete dieses bislang versteckte Talent auch damit, dass es sich wohl lohne, Geld in freie Schulen zu investieren. Bei seinen eigenen Songs war ihm die neu erworbene Fangemeinde sicher und es war sehr schön zu erleben, wie intensiv und begeistert Schülerinnen und Schüler einer Musik lauschten, die wohl kaum zum Standardprogramm ihrer Mp3-Player-Liste gehören dürfte. Vielleicht bis zu diesem kleinen Konzert in der Turnhalle. Bei manchen Texten wie "Liedermacher - Widersacher" war ich gespannt auf die kindgerechte Lösung, die auch immer kam. Auch da zeigte sich der Haase sehr flexibel und spontan-kreativ. "Du vom Dorf" schien ebenfalls in diesem kleinen Programm ein Hit für manche Kinder geworden zu sein. Womit ich selbst nicht rechnete, war eine der Zugaben, die Christian Haase selbstverständlich auch in diesem Rahmen geben musste. Aufgepasst, liebe Haase-Fans: Wenn Ihr mal die Überraschungs-Zugabe von Haase in einem seiner Konzerte selbst erleben wollt, dann solltet Ihr anstatt "Zugabe!" einfach etwas anderes rufen, damit er auch weiß, was Ihr von ihm hören wollt. Ruft doch einfach: "Dam dam, Dam dam..." Ein Versuch lohnt sich vielleicht.

Fortsetzung Folgt! Demnächst: Wein im Gemeindehaus

 


 

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