40 Jahre "PUHDYS" - Ein Abenteuer
oder alte Bäume rosten nicht
(Bericht über das Jubiläumskonzert vom 1.1. 2009 in der O2-World)
Fotos: Puhdys, Patricia Heidrich, Benjamin Weinkauf
"Die Puhdys" mit den Gästen u.a. City, Rainer Oleak, Jan Josef Liefers, Michael Hirte, De Randfichten, Karat
Man sollte nicht zwei Veranstaltungen gleicher Schattierung miteinander vergleichen. Auch nicht, wenn es sich um Bandjubiläen handelt. Auch nicht, wenn sie in kurzem Zeitabstand stattfanden. Auch nicht, wenn es sich - auf ihre verschiedene Art eben - um zwei Größen der deutschen Musikszene handelt. Auch nicht, wenn beide Größen - auch dies auf völlig unterschiedliche Weise - mit einer Ostidentifikation aufwarten können. Zumal dann nicht, wenn der gravierendste Unterschied, nämlich die Frage, wie freundlich und zuvorkommend man sein Publikum behandelt, höchstens in der Hinsicht in der Verantwortung der betreffenden Band liegt, für welchen Veranstalter in der organisatorischen Umsetzung sie sich entscheiden. Insofern wäre es eine Gemeinheit, "50 Jahre Renft" mit "40 Jahre Puhdys" im Veranstaltungscharisma zu vergleichen. "Renft" feierten u.a. mit Bernward Büker, "Ret Marut" und der "Ton Steine Scherben family". Für "Renft" selbst wurde ihr Jubiläums-Auftritt durch Abbruch der Veranstaltung nach ca. der Hälfte ihres Konzertes ebenso wie für ihr aus doch sehr weit entlegenen Gegenden angereistes Publikum zum Koitus interruptus. Und ich kann mir lediglich als geringste Bemerkung diesbezüglich erlauben, "Renft" zu wünschen, ihr 50jähriges Jubiläum mit den von ihnen selbst gewählten Gästen und sehr gerne auch noch einmal mit "Ton Steine Scherben family" und einigen anderen, welche mit ihnen am 30.12. in Berlin-Kreuzberg gemeinsam auftraten, in einem wirklich diesen Anlass würdigenden und huldigenden Event- und Organisationsrahmen richtig zu begehen, wie sich das für diese Band gehört und wie sie es auch verdient hat.
Den "Puhdys" brauche ich die für ihr 40-jähriges Jubiläum nicht zu wünschen. Die haben das am 1.1.09 in ihrer ureigensten Stilistik über die Bühne gebracht und ihr Publikum, das teilweise sie schon jahrzehntelang begleitete (manchmal auch begleiten musste aufgrund "Puhdys"-begeisterter Ehepartner oder Elternteile, wie Dieter "Maschine" Birr sehr wohl zu würdigen nicht vergaß) und teilweise sehr überraschend junge bis ins Kindesalter hinein, auf das Allerbeste bedient.
Ein bisschen sehr kommerziell, das Umfeld in der Berliner O2-Arena, passend zum Veranstaltungsort, passend aber auch zu den "Puhdys" selbst. Insofern war auch das stimmig und dem Charisma von Auftritten größerer Bands sehr entsprechend. Daß es anders gehen kann, wissen wir alle. Daß es anders gehen muß, halte ich bei den "Puhdys" für nicht vorstellbar. Obwohl ich mir einen Termin für Patti und mich notiert habe, bei dem ich mich von den Herren sehr gern eines anderen belehren lassen will, wenn sie es denn dann wollen sollten. Mal schauen. Ich werde Euch dann darüber berichten.
Siegmund von Treiber moderierte die Veranstaltung, die Party an. Er stellte sich vor als Oberinspektor vom Finanzamt, bat höflichst das Publikum mit Standing Ovations die Band zu begrüßen und zu feiern und ihr ein Geburtstagsständchen zu singen. Was auch geschah und recht bewegend war, als die ca. 17.000 Menschen in der O2-Arena bemerkten, dass sich die "Puhdys" im Publikum befanden, wo sie sich gerne und auch gerührt so feiern ließen. Grußbotschaften per Video wurden eingespielt. Es beglückwünschten und grüßten (in geordneter Reihenfolge): Frank Elstner, Inka Bause, Peter Kloeppel, Matthias Platzeck, Gregor Gysi, Dr. Dietmar Woidtke, Klaus Wowereit, Die Wildecker Herzbuben, Helmut Lotti, Helene Fischer, Wolfgang Lippert, Hans-Werner Meyer, Herbert Köfer, Silbermond, Peter Maffay, Die Fantastischen Vier, Die Prinzen.
Siegmund von Treiber, ein bis dahin mir völlig unbekannter sehr guter Comedian hat es mit Bravour geschafft, die ungeduldig wartenden Fans sehr gut zu unterhalten und auch anzuheizen. Es war also von Anfang an schon eine Riesenparty. Perfekter Sound, perfekte Lichtregie, perfekte Performance, perfekte Großbildschirmwiedergabe (sonst hätte ich ja gar nicht feststellen können, dass Dieter Birr auch schon eine Glatze bekommt) und eine Stimmung, welche nicht alleine die gefeierte und sich selbst feiernde Band, sondern den gesamten ca. dreistündigen Abend trug. Weniger lag ein Gefühl von Nostalgie über diesem als eher ein Hauch von Ewigkeit.
"Wir haben ein zweites Leben beantragt", sagte Dieter Birr bei einer Ansage und irgendwie glaubt man das plötzlich auch. Und er sang: "In 100 Jahren" als eine gemeinsam mit dem Publikum zelebrierte Hymne auf das ewige Leben bzw. zweier oder mehrerer Leben. Hartnäckig hält sich das Gerücht, dass diese "Abenteuer"-Tour zum 40jährigen Jubiläum und zur neuen CD, die ab dem 2.1. im Handel erhältlich ist, die allerletzte der "Puhdys" sein soll. Wenn dies stimmen sollte, könnte man dies sowohl als einen Abschiedssong für als auch ein Versprechen an die Fans sehen: "In 100 Jahren ist es so weit, dann werde ich wieder hier stehn." Aber die "Puhdys" überraschen ja gern, wohl noch ein wenig lieber sich selbst als ihre Fans, was aber im Endeffekt auf dasselbe hinausläuft.
Nicht überraschend fand ich, dass auch die neuen Songs, zumindest die live vorgestellten, über die altbewährten musikalischen und Soundmuster der "Puhdys" nicht hinausgingen. Was sicherlich auch ein gewisser Tribut an die Fans sein mag, zumal ja bei vielen anderen Bands immer wieder auffällt, dass sie zu Coverbands ihrer eigenen manchmal jahrzehntealten Songs mutierten, ohne Neues aufweisen zu wollen, zu sollen oder zu können. Insofern sind die "Puhdys" diesbezüglich doch sehr kreativ und auch, durch immer wieder neues Orientieren an Zeitgeisten, innovativ. Sehr schön, nicht nur aus Nostalgiegründen, die Fotoeinspielungen bei ihrem Lied für ihre Fans, "Abenteuer", dem Titelsong ihrer brandneuen CD. Die ersten Gratulanten auf der Bühne waren die Männer von "City" mit einer unplugged-Version ihres Welthits "Am Fenster" und Konfetti-Kanonen. Den ersten Teil des "Puhdys"-Überhits "Geh zu ihr" ließen diese vom Publikum mitsingen. Das anschließende Medley eigener Songs war sowohl eine musikalische Zeitreise als auch dank Videoleinwand ein optischer Querschnitt der mehr als umfangreichen Diskographie, wenn auch durch die leicht unfreiwillige Improvisation von "Maschine" bei "Geh zu ihr" etwas zeitverzögert im Verhältnis zu den entsprechenden Songs. Aber genauso etwas macht ein Konzert aus, daß sich da auch mal jemand in der Strophe irrt, überraschenderweise auch mal eines der "Puhdys".
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Bei "Ikarus" wurde die Gitarrencrew durch zwei Mädchen aus dem Publikum auf fünf erhöht, was unheimlich schön, publikumsnah und feierlich wirkte und sowieso sehr gut aussah. "Perlenfischer" in der unplugged-Version, verstärkt durch die "Puhdys-Söhne" Andreas Birr (Gitarre) und Nick Scharfschwerdt (Percussion) und Conrad Oleak (Keyboard). Wie schon an anderer Stelle verdeckt geschrieben, freue ich mich schon sehr auf ein unplugged-Konzert der "Puhdys". Dieselbe Besetzung bei "Hiroshima", der deutschsprachigen Coverversion des gleichnamigen Songs von "Wishful Thinking". In die "Kinder-Riege" reihte sich ein die Tochter von Dieter Hertrampf, Kimmi, interpretierend den Titel "Papa ist mein bester Freund", bei dem Conrad Oleak zum Akkordeon griff.
Zu "Wenn ein Mensch lebt" wurde der Produzent der beiden letzten "Puhdys"-CD´s, Rainer Oleak, auf die Bühne gebeten und auch darum, eine seiner Arrangements von "Puhdys"-Songs für ein Orchester per Synthesizer einzuspielen, was er auch artig machte. Welch ein wirklich bewegender Moment, als sich daraufhin die Leinwand hob und hinter dieser geöffneten Leinwand live und original das Filmorchester Babelsberg, geleitet von Bernd Wefelmeyer, zum Vorschein kam. So bewegend, dass diejenigen in der Arena, welche auf den Sitzen saßen, sich erhoben. Manche legten gar ihre Hand aufs Herz und sangen mit, als wäre "Wenn ein Mensch lebt" die neue Nationalhymne.
Gefolgt von "Auf Lebenszeit", wozu der Schauspieler und Sänger Jan Josef Liefers auf die Bühne kam und seinen Sangesbeitrag zur Gratulationscour leistete. Bei "Wenn Träume sterben" durfte Jan Josef Liefers, der 4 Jahre alt war, als die "Puhdys" ihre musikalische Laufbahn begannen, sogar Gitarre spielen. Eine Ehre für jemanden, der es sich wie Jan Josef Liefers es tut, auf die musikalische Fahne geschrieben hat, den Ostrock zu ehren. Und das immer noch gemeinsam auch mit Rainer Oleak und dem Babelsberger Filmorchester. Nachdem Liefers die Bühne verlassen hatte, stimmten die "Puhdys" die Hymne "Alt wie ein Baum" an und erneut erhob sich das Publikum wie ein Mann von den Sitzen.
Danach verabschiedete sich das Filmorchester nach einer phänomenalen sinfonischen Mitwirkung. Oleak aber blieb weiter mit auf der Bühne und begleitete das nun erscheinende "Supertalent 2008", den Mundharmonikaspieler Michael Hirte, bei dem instrumental dargebotenem Song "An den Ufern der Nacht". Ich würde ja die hartnäckigen Spekulationen um die "Puhdys" an dieser Stelle gerne um eine weitere ergänzen: Peter Meyer, so spekuliere ich, wird demnächst von Rainer Oleak am Keyboard abgelöst. Immerhin spielte dieser mit Michael Hirte auch das "Ave Maria" gemeinsam, ihn auf dem Keyboard begleitend. Beim nächsten Titel "Im Tivoli" über die Anfänge der "Puhdys" lieferte er sich mit dem (hoffentlich nicht mehr, es wäre ihm sehr zu wünschen) ALG-II-Empfänger Michael Hirte ein Mundharmonika-Duell. Bei diesem Titel erschien auch der junge Oleak wieder, der Conrad, sowie Andreas Birr und Nick Scharfschwerdt. Also folgt zwangsläufig die Spekulation Nummer drei, die ich in den virtuellen Raum werfe. Da wird an einer Erb-Band gebastelt und wir haben sie fast fertig gesehen, gemeinsam mit den heutigen "Puhdys".
Gleich danach und der Vorstellung der einzelnen Band-Mitglieder, endend bei dem derzeit ältesten lebenden "Puhdy" der Welt (Zitat Dieter Birr) Peter Meyer und der gerufenen Frage "Ja, lebt denn der alte Holzmeyer noch?" marschierten "De Randfichten" auf die Bühne und ließen das Publikum zum Kochen, Toben und Mitgrölen bringen. Worauf Peter Meyer in einem völlig den Unterkiefer herunterklappen lassenden glasklaren Sopran sang: "Ja, ich leb noch, ich leb noch... ich sterbe nie.", was Dieter Birr positiv, aber nicht im Sopran, konterte mit: "Wir sterben nie."
"Ich bin der liebe Gott, der zu euch hält" sangen die "Puhdys" nach einer langen Gästeriege wieder allein unter sich. Und doch auch ganz und gar nicht, denn das Publikum hörte gar nicht mehr zu singen auf, auch nicht bei den Strophen.
Kurz vor Tores-Schluss aus Warnemünde angeflogen kam die Band, die ja nun auch wieder so heißen darf wie sie nun mal heißt, nämlich "Karat" mit dem eigens für diesen Anlass umgetexteten Lied "Mich zwingt keiner auf die Knie", der nun ganz und gar auf "40 Jahre Puhdys" bezogen war.
"Bis ans Ende der Welt" bescherte uns Peter Meyer endlich (bezogen auf dieses Konzert) als Saxophonist. Worauf ein Schlagzeugsolo folgte und ein Schlagzeug-Duell zwischen Klaus und Nick Scharfschwerdt. Dezent verweise ich an dieser Stelle auf meine Spekulation Nummer Drei. Und hier noch eine Aufstellung der nach "Puhdys"-Meinung besten Ostrock-Songs aller Zeiten, welche sie uns in folgender Reihenfolge so tituliert nach dem Schlag-Feuerwerk darboten: "Am Fenster" (City), "Der blaue Planet" (Karat), "Kling Klang" (Keimzeit), "Sehnsucht" (Puhdys), "TV-Show" (Puhdys), "Melanie" (Puhdys), "Zeit, die nie vergeht" (Perl), "Jugendliebe" (Ute Freudenberg & Elefant), "Bataillon d´amour" (Silly), "Casablanca" (City).
Daß Dieter "Quaster" Hertrampf bei der "Rockerrente" wie Angus Young über die Bühne hüpfelte, trägt schon eine ganz besondere Message in sich, nämlich die, dass es bei allem am wichtigsten ist, dass es Spaß macht, einem selbst und dem Publikum. Das ist die Message der "Puhdys". Und um mehr geht es nicht, ging es nie und wird es nie gehen. Aber das alleine ist schon mehr als sehr sehr viel, wie dieses Konzert und "40 Jahre Puhdys" bewiesen haben.
Die Zugaben:
"Alt wie ein Baum", gesungen vom Publikum. Das ist ein Scherz, aber es stimmt. "Wir wolln die Eisbärn sehn" mit dem höchstspekulativ wahrscheinlich künftigem "Puhdys"-Keyboarder Rainer Oleak und dem Filmorchester Babelsberg unter Bernd Wefelmeyer inklusive eines Dankeschöns des Eisbären-Teams und der Übergabe von Eisbären-Trikots als Geschenk an die "Puhdys", danach das Dankeschön der "Puhdys" an die O2-World, an die gesamte Technik-Crew, an das Management und sowieso mal an alle.
"Das Buch" mit Andreas Birr, Nick Scharfschwerdt, Rainer Oleak und natürlich eingebettet in den furiosen Teppich des Filmorchesters Babelsberg. Und am Ende des Titels kamen natürlich zum Großen Finale alle Gäste dieser gigantischen Show auf die Bühne. "Bye, Bye", aber das kam schon ganz offiziell von der Konserve.
Wegweiser: Es folgen die Fotos von Patricia Heidrich, gefolgt von Benjamin Weinkaufs Aufnahmen. Am Ende der Seite findet Ihr noch zwei Links zu Fotoalben von Bernd Teichert (Puhdys-Forum) und seiner Nichte Kerstin.
Foto Impressionen:
Fotos von Patricia Heidrich:
Fotos von Benjamin Weinkauf: