Rock, Trash-Metal & Punk auf'm Dorf -
der Nachwuchs rockt live am 24. Januar 2009 in Hohenleipisch
(mit AUDIBLE, WATTS & REBELLS)
Fotos: Hartmut Helms
Rock'n'Roll entstand und entsteht dort, wo die Probleme, die Konflikte und die Sehnsüchte sowie die Träume junger Menschen zu Hause sind, ganz weit "unten". Irgendwo in Großstadthinterhöfen, in Kellern, viel zu engen Wohnungen und draußen in der abgelegenen Provinz, zwischen Seitenstraßen, Feldern und umgebauten Schuppen am Wiesenrand. In einen solchen Dorfschuppen (= Jugendklub) hatte es mich gestern verschlagen. Ein Gebäude, das ich noch aus meiner Sturm- und Drangzeit kenne und gestern kaum wieder erkannte, der Jugendklub Hohenleipisch, der zu DDR-Zeiten mal "Che Guevara" hieß.
Gestern trafen sich dort junge Leute, die aus den Orten zwischen Finsterwalde und Elsterwerda eintrudelten. Darunter einige, die sich der Musik verschrieben hatten und dies mit Haut und Haaren. Die Bands heißen AUDIBLE, WATTS & REBELLS, und sind eigentlich als Ganzes der "Schacksdorfer Clan", denn jeder spielt bei jedem mal mit.
Was ich zu hören und sehen bekomme, ist rau, ungeschliffen und gibt sich manchmal den Anschein von böse. Ich würde es eher originell und einfallsreich nennen. Texte, wie die vom "Herr Schmidt" und "Wiedermal' nen Tag verschenkt" sprechen aus den Erfahrungen der Anwesenden. Die Musik hat nicht den Anspruch in einer Casting-Show zu bestehen, sie kommt aus dem Bauch sowie aus laut eingestellten Boxen. Kein Soundmixer, kein Produzent und (noch) kein "Manager" zu entdecken.
Die Mädels und Jungs nehmen sich selbst nicht so ernst, wollen Spaß haben. Das merkt man daran, wie ungezwungen mit großen Vorbildern umgegangen wird, die andere schon lange auf dem heiligen Sockel zu stehen haben, wo sie eigentlich nicht hingehören. So macht WHATTS aus Dylan's "Knocking On Heavens Door" ein flockiges "Nackig in Hellersdorf" und orientiert sich dabei am Habitus und der Vorlage von Guns'n'Roses. Den Uriah Heep-Klassiker "Lady In Black" verehrt unsereiner als emotionale Slow-Ballade mit Kult-Charakter. Gestern Abend wurde daraus ruppiger Punk-Rock unter dem Titel "Marzipan". Ich konnte mir ein Grinsen nicht verkneifen und hätte Ken Hensley, der alten Diva, gewünscht, das erleben zu können.
Der Sound im Klub ist laut, manchmal Trash und immer gitarrenlastig und trotzdem stechen talentierte Lichtblitze zwischendurch auf. Man braucht nur hin zu sehen und zu hören. Letzteres geht quasi von selbst, bei dem ungeschliffenen Sound. Vor allem die zierliche Bassistin Anja Wendt, die mal gleich bei allen drei Bands spielt, sowie die beiden Gitarristen Lars Kamer und Tino Schulz, der auch am Keyboard eine gute Figur macht, stechen hervor. Zu dem letztgenannten könnte ich jetzt schon sehr weit ausholen, aber das wird sicher, so hoffe ich sehr, mal eine ganz andere Geschichte.
Ich liebe die Klassiker, von den Beatles, über Led Zeppelin bis hin zu Bob Dylan, keine Frage. Doch irgendwie hatte ich wohl verdrängt, daß auch ich mich mal an Gitarre und Mundi versucht hatte, und auch bei mir in der Musik eine Menge Frust, Sex und Hoffnung steckte. Gestern beim "Schacksdorfer Clan" bin ich wieder daran erinnert worden. Mal sehen, ob ich in ein paar Jahren die Typen irgendwo auf einer Bühne wieder treffen werde. Allerdings müßten sich dann Silbermond, Tokio Hotel & Co. ziemlich warm anziehen...
Link-Tip:
www.wirsindrocker.de
www.jchohenleipisch.de
Foto Impressionen: