Angelo Branduardi & Band live am 19. April 2009 in Dortmund

 

Bericht: Nicola Reder
Fotos: Christian Reder


An das erste Mal, an dem man seinen musikalischen Liebling hat spielen hören (und sehen), erinnert man sich besonders gut. In diesem Fall waren es die 70er Jahre, und man selbst war noch ein Kind. TV-Sendungen am Samstagabend gab es in Hülle und Fülle, jede Woche eine andere, und jede einzelne Sendung hatte einen ansprechenden und genreübergreifenden, musikalischen Teil. Ich kann es nicht mehr ganz genau sagen, in welcher Sendung das war... es war aber eine Samstagabend-Show im Ersten oder im ZDF (man hatte damals sowieso nur drei Sender). Diese Shows am Samstagabend durfte ich als Kind sehen, weil dabei die ganze Familie vor dem TV-Apparat versammelt war. Und dann kam dieser Moment, der für die nächsten 30 Jahre (und wahrscheinlich noch lange darüber hinaus) den eigenen Musikgeschmack prägen sollte. Ein Italiener namens Angelo Branduardi betrat die Showbühne und brillierte mit seinem Welthit "La Pulce D'Aqua", zu Deutsch: "Der Wasserfloh". Man verstand kein Wort von dem, was der Mann mit der riesen Lockenmähne da gesungen hat, aber die Musik zog einen förmlich in seinen Bann. Natürlich war man damals noch zu jung, um in den Plattenladen zu laufen, und sich gleich mit dem kompletten Backkatalog des Künstlers einzudecken. Das kam alles viel Später, aber im Verlauf der Jahre wurde ganz genau darauf geachtet, wann und wo der sympathische Musiker wieder zu sehen sein würde. Dabei erlebte man über Jahre ein facettenreiches Programm zwischen Pop, Folklore, Mittelaltermusik und Rock. Live war er zuletzt seit einigen Jahren nicht mehr in Deutschland zu sehen, aber untätig war er trotzdem nicht. Im vergangenen Jahr hatte er mit seinem Album "L'infinatamente piccolo" den größten Erfolg in seiner Heimat Italien. Die von ihm vertonten Gedichte Franz von Assisis' bescherten ihm ausverkaufte Häuser, wo immer er auch auftrat. Am gestrigen Sonntag jedenfalls war er wieder einmal in Deutschland, genauer in meiner Nachbarstadt Dortmund, zu sehen.
Solch ein Musiker und solch eine Musik kann man nur in einem würdigen Rahmen präsentieren, und das passierte am 19. April 2009 auch: Das Konzert aus seiner Tournee "In concerto 2009" fand im Dortmunder Konzerthaus statt. Ein brandneues und von architektonischer Meisterleistung geprägtes Gebäude, das schon von Außen neugierig macht. Hier haben bereits einige hochkarätige Musikveranstaltungen stattgefunden, und mit Angelo Branduardi würde die Liste der großartigen Künstler um einen weiteren Namen ergänzt werden. Das Konzerthaus ist nach dem Vorbild des Wiener Musikvereins entstanden. Das Gebäude ist ein schlichtes Rechteck mit ganz viel Glas. Der Konzertsaal befindet sich im ersten Stock, und eine Störung des Programms von außen wird durch ca 40 cm dicke Betonwände (dem Tresor einer Großbank ähnlich) nahezu unmöglich gemacht. Die Musik kann ihre Dynamik in einem solchen "Bunker" jedenfalls bestens entfalten, wovon wir uns gestern überzeugen konnten.
Angelo Branduardi spielte gestern in einem fast komplett ausverkauften Dortmunder Konzerthaus. Lediglich ein paar Plätze sind freigeblieben, was sicher dem Veranstalter, aber auch dem Musiker selbst, ein zufriedenes Lächeln ins Gesicht gezaubert haben dürfte. Der Meister betrat zusammen mit seinen Musikern, sichtlich erfreut über soviel Zuspruch, pünktlich um 20:00 Uhr die Bühne. In der Mitte dieser lag ein großer Teppich, bei dem es sich uns nicht erschloss, warum ein solcher dort ausgelegen hat, paßte er doch sonst so gar nicht zu dem Bühnenbild. Was hatte das zu bedeuten? Erst viel später sollten wir erfahren, was es damit auf sich hat. Mit den Worten "Ich bin der Troubadour und reise durch Länder und Städte. Bevor ich weiterziehe, lasst mich singen", begann er ein fast 2 1/2 Stunden dauerndes Konzert der Extraklasse. Angelo Branduardi zeigte sich zwischen den einzelnen Liedern als Geschichtenerzähler, der auch noch sehr gut Deutsch spricht. So erzählte er uns ein paar interessante Details über sich und seine Musik. Man erfuhr z. B., dass er viele Jahre in Deutschland verbracht hat, und dass er deshalb auch so gut die Sprache beherrscht. Das deutsche Publikum sei ihm in all den Jahren das treueste gewesen und hätte ihn auch dann immer unterstützt, wenn es mal nicht so lief wie gewünscht. Trotz seiner dreiköpfigen Begleitband mit Keyboard, Bass und Schlagzeug, stand Branduardi ganz im Mittelpunkt, kein Zweifel: der Mann hat Ausstrahlung und Charme. Jedes seiner Lieder war gestern Abend ein Feuerwerk der Klänge. Die eingangs erwähnten, von Branduardi vertonten Texte von Franz von Assisis brachte der Meister seinem Publikum ebenso zu Gehör, wie eine kleine Auswahl seiner Hits. Natürlich standen die aktuellen Songs im Vordergrund des gestrigen Abends. "Il cantico d'elle creature", "Il sultano di Babilonia", "Il Lupo di Gubbio" oder "La morte di Francesco", um nur einige Songs aus dem Album "L'infinatamente piccolo" zu nennen, spielte der Italiener live mit seiner Band, und fesselte das Publikum, das andächtig jeden einzelnen Ton dankbar aufnahm, und das die Interpretationen mit reichlich Beifall quittierte. Nach etwas über einer Stunde wurde das Publikum in eine kleine Pause entlassen. Branduardi war so in Spiellaune, dass es einer Pause für das Publikum gar nicht bedurfte. Es hätte gerne nahtlos weitergehen dürfen, aber man gönnte dem Künstler seine wohlverdiente Pause.
Nach der kurzen Unterbrechung ging es mit dem Programm weiter. Branduardi bildete mit seiner Band eine Einheit, die fehlerlos und mit sichtlicher Lust und Spaß an der Sache den Abend für die Gäste unvergesslich werden ließ. Das Zusammenspiel zwischen den Akteuren auf der Bühne und den Machern im Hintergrund war geradezu perfekt. Die Lichtshow war sehr beeindruckend und bildete mit den Songs eine perfekte Einheit. Überhaupt muss angemerkt werden, dass die über 1200 Besucher einen exzellenten Klang und eine perfekte Show geboten bekamen. Den Machern im Hintergrund kann man dafür nur großen Respekt zollen. Auch Branduardi vergaß bei der Vorstellung seines Reise-Trosses nicht die Kollegen, die ihn bei jedem Konzert der Tour mit Licht und Beschallung würdig in Szene setzen, und erwähnte sie sogar einzeln mit Namen. Das hört man heute nicht mehr oft, dass ein Künstler die Arbeit der Kollegen im Hintergrund eines Konzerts so schätzt, dass er sie zusammen mit der Band vorstellt. Mit "La pulce d'acqua", dem Welthit, den wohl jeder kennen dürfte, wollte der fast 60-jährige Italiener, dem man sein Alter wirklich nicht ansieht (weder am Aussehen noch an der Performance auf der Bühne), seine Gäste nach Hause schicken. Doch mit tosendem Beifall wurde er ein ums andere Mal wieder auf die Bühne zurück geklatscht und gejubelt. Trotzdem das Konzerthaus nur über Sitzplätze verfügt, und draußen im Lande die gängige Meinung vorherrscht, dass dadurch bei Konzerten keine Stimmung aufkommen könnte, ging das Dortmunder Publikum bei jedem Song mit. Damit widerlegten die Dortmunder diese "gängige Meinung". In drei Zugaben, in denen Branduardi viele Lieder nur solo mit seiner Geige oder der Gitarre interpretierte, wußte er trotzdem noch einige Anekdoten zu erzählen, so z.B. das "sein" Instrument, die Geige, eigentlich das "Instrument des Teufels" sei. Außerdem wußte er zu berichten, dass er in über 30 Jahren Karriere nur vier Liebeslieder geschrieben habe. Darum kündigte er dem Publikum als eine der Zugaben ein klassisches Liebeslied an: "O sole mio", das in Odessa von einem Neapolitaner geschreiben wurde. Dabei erzählte er, wie wunderschön er dieses Lied findet, und dass es sonst eigentlich nur von Opernsängern vorgetragen würde. Dies würde den Song aber zerstören, und man sollte ihn deswegen eigentlich nicht durch Opernsänger vortragen lassen. Und wirklich... Angelos eigene Interpretation dieses Songs war tatsächlich die bisher schönste Version, die ich gehört habe. Weitere Zugaben folgten. Das Publikum war nicht zu halten. Es klatschte beigeistert Beifall und wartet hoffnungsvoll aber vergeblich auf eine weitere Zugabe. Ein wirklich gelungenes Konzert fand nun sein Ende. Die Zeit verging wie im Fluge...
Als die Massen den Saal bereits verlassen hatten, hatte eine handvoll Leute noch die Gelegenheit, den Künstler zu treffen und ein paar Worte zu wechseln. Aber nach dem Konzert musste sich Angelo erstmal mit einer leckeren Portion Sauerbraten stärken (was sonst, ißt man bei einem Besuch in Westfalen???) Und dann wurde auch das Geheimnis des Teppichs aufgelöst ... dieser wurde nach dem Konzert wieder eingerollt, zum Tourbus gebracht und dort wieder gut verstaut. Er wird auch beim nächsten Auftritt wieder ausgerollt werden, denn Angelo Branduardi richtet sich auf den Bühnen der Welt stets häuslich ein. Kurz bevor Angelo den Spielort verließ, bestand er noch auf ein gemeinsames Foto mit mir. Dabei durfte keiner in der Nähe sein: "Eine Foto nur mitte Nicola und Angelo Branduardi bitte" ließ er die anderen Anwesenden, die sich sicher gerne dazu gestellt hätten, wissen. Als das Foto geschossen war, machte sich der Mann mit der Lockenpracht auf den Weg zum nächsten Veranstaltungsort. Seine Tour geht weiter und ich kann nur jedem wärmstens empfehlen, sich das Programm selbst anzuschau'n. Unser Dank gilt Angelo, dem es auch nach dem Konzert nicht zuviel war, mit einigen Besuchern noch zu plaudern, und Autogramme zu schreiben. Außerdem an den Veranstalter "Handwerker Promotion", der diesen Abend erst möglich gemacht, und uns Angelo Branduardi in unsere Nähe gebracht hat. Hier hat alles gestimmt. Man sollte auch weiterhin ein offenes Auge für die Veranstaltungen dieser Konzertagentur haben. Hier stehen uns in den nächsten Monaten noch einige Highlights ins Haus. Vielen Dank!

Die Setlist vom 19.04.2009:
- Il Cantico delle creature
- Il Sultano di Babilonia
- Il Lupo di Gubbio
- Audite Poverelle
- Il Trattato di Miracoli
- Nelle Paludi di Venezia
- La predica della perfetta Letizia
- La morte di Francesco
- Il Cantico delle creature breve
Pause
- Alla fiera dell'est
- Cogli La prima mela
- Vorstellung der Musiker und der Crew
- Ballo in fa diesis
- Vanita di vanita
- La pulce d'acqua
Zugaben:
- Confessione
- La Luna
- Tango
- La donna della sera con ragazzoni
- Il donna del cervo
- Cercando L'ore
- Il denaro dei nani
- O Sole mio



Foto Impressionen:

 


   
   
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