Subway To Sally live am 29. April 2009 im "DOCK'S" zu Hamburg
(Support: "Mono Inc.")
Foto: Pressefotos
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Gothic/Dark Wave/Mittelalter-Rock boomt seit einigen Jahren in unerwarteter Größenordnung, keine Frage. Sowohl in kommerzieller, als auch in ideeller Hinsicht, befindet sich die "Schwarze Szene" derzeit zweifellos im Aufwind. In den 70ern entstanden - damals noch reines "Nischenthema" einiger unbelehrbarer "Freaks" - in den 80ern, unterstützt durch New Wave/New Romantic und Artverwandtem, auf dem Weg in Richtung Charts (Stichworte: "The Cure", "Depeche Mode", "Lords of the New Church", "Sisters of Mercy", "The Mission" etc.) - in den (nicht nur) klanglich überwiegend "uncoolen" 90ern für wahre Musikfreunde die womöglich einzige genießbare "aktuelle" Stilrichtung - in den 2000ern, insbesondere in muttersprachlichem Kontext, bei uns Alt-80ern, wenn auch mehrheitlich für "Nachgeborene", welche die Coole Dekade auf Grund ihrer "Ungnade der Späten Geburt", nicht mehr miterleben konnten, heutzutage der Inbegriff der "Coolness" schlechthin.
Eine der kreativsten und zugleich auf dem Markt erfolgreichsten Bands jener Stilrichtung gastierte am vergangenen Mittwoch (29.04.2009) in einem restlos ausverkauften Hamburger Club namens "DOCKS" mitten auf der Reeperbahn, und begeisterte ein von Anfang an hingerissenes Auditorium zwischen 14 und 64 mit einer genialischen Mixtur aus hymnischem, rasanten, drallem (Hard)rock, mittelalterlichen Fragmenten bzw. ebensolchem Instrumentarium (Drehleier, Dudelsack, Schalmei, Ukulele usw.) und experimentellen, intelligenten, natürlich zumeist mystischen, melancholischen, "dunklen", teils surrealen Texten, die gleichsam aber auch zig maritime Elemente, Anspielungen auf religiöse Thematiken, sei es auf das Christentum oder die Germanische Mythologie zurückgreifend, beinhalten.
"SUBWAY TO SALLY", ein 1990 im Raum Brandenburg begründetes Septett um den charismatischen Frontmann Eric Fish, der "in der Szene" längst Kultstatus genießt, versetzte ca. 1500 nicht Scheuklappen-behaftete, aber in ihrer Mehrzahl selbstverständlich schwarz bekleidete Hanseaten knapp eineinhalb Stunden in schiere Ekstase. Doch immer der Reihe nach...
Zunächst startete gegen 20.45 Uhr die Vorband "MONO INC.". Die überaus talentierte, vierköpfige Combo aus Hamburg hat bereits mehrere Alben, E.P.'s bzw. Maxi-Singles am Laufen und präsentierte knapp 40 Minuten lang englisch gesungene, energetische Gitarrenrocker, die sowohl an die späteren "Sisters of Mercy" (Stichworte: "This Corrosion", "More"), als auch an den wiedergeborenen Iggy Pop 1988ff gemahnten, aber dem zum Trotz durchgehend Eigenständigkeit und künstlerische Power aufwiesen. Gut, warum super Bands aus Deutschland unbedingt ihre Muttersprache verleugnen müssen… die Leser meiner Rezensionen kennen meine Meinung hierzu… Davon abgesehen jedoch, denke ich, daß "Mono Inc." ob der hohen Qualität ihrer Lieder in Futuro die dunkle Szenerie mit "Pain, Love & Poetry" (so das Obermotto des Quartetts) gehörig aufwirbeln dürften. Die sonore, mystische, gleichsam eindringliche Stimme des Sängers Martin Engler trägt gleichermaßen Ernsthaftigkeit, Charme und Überzeugungskraft in sich; die Songs sind ausnahmslos von enormem Hitpotential beseelt - und nicht zu vergessen ist, daß es den vier Jungs aus des Rezensenten Heimatstadt, obwohl "nur" als "Vorgruppe" gebucht, gelang, die Fans des ‚Hauptacts' "Subway to Sally" während ihres Auftritts durchgehend und radikalst in ihren Bann zu ziehen.
Kurz vor 22.00 Uhr betraten SIE, die Bühne. Sie, DIE Heroen des deutschsprachigen Gothic-Rock: Der charismatische Eric Fish und seine, im obligatorischen Mittelalter-Outfit bekleideten Mitstreiter wurden von ihren Anhängern mit einem vielstimmigen Chorgesang des (lyrisch nicht unumstrittenen) Titels "Julia und die Räuber" frenetisch begrüßt. Der ca. eineinhalbstündige Gig betörte mit einer perfekt zusammengestellten Kollektion, bestehend aus den besten Songs ihres aktuellen, im März 2009 veröffentlichten Albums "Kreuzfeuer", ausgewählten älteren Titeln und speziellen Fanfavoriten.
"Kreuzfeuer" (Nuclear Blast/Warner), das zehnte Studioopus der sieben augenzwinkernden Mystiker aus Brandenburg, ist stark Metal-lastig ausgefallen, ohne jedoch die Wurzeln im Mittelalterrock zu verleugnen. Die 12-Track-CD stieg umgehend nach Erscheinen auf den formidablen Rang 5 der offiziellen "Media Control"-Listen und stellte somit einen erneuten Hitparadenerfolg für "Subway to Sally" dar.
Die so melancholische, wie tiefschwarze Ballade "Komm in meinen Schlaf" machte den Anfang; ein wunderbarer, gefühlvoller Gothic-Schleicher, mit einführenden Vocals von Streicherin "Frau Schmitt" versehen, eröffnete die mit viel Feuerzauber und entsprechenden -schluckern ausstaffierte Show. Daraufhin folgte sogleich der schnelle, dralle "Aufstieg" ("bis zur Sonne" - Textzitat).
Die grandiosen, rasanten Rocker "Besser Du rennst" bzw. "Die Jagd beginnt" (beide "Kreuzfeuer entnommen")… ja, wie soll ich dies nun am trefflichsten formulieren? Ihr, liebe Leserinnen und Leser, kennt bestimmt alle "Born to Run" vom sprichwörtlichen "Boss" Bruce Springsteen. Ich sage mal so: Wäre der Meister himself ein überzeugter Gothic, würde er vermutlich so gehetzte, temporeiche Dark Wave/Rock-Hymnen konzipieren, wie ebengenannte - sind "Subway to Sally" womöglich die "E. Street Band des Gothic-Rock"??
Mit traditionellem Instrumentarium, wie Dudelsack und Drehleier, erklang nun das "Knochenschiff", woraufhin ein "älterer" Fan-Favorit mit dem Titel "Unsterblich" aufgeführt wurde. Die - im positivsten Sinne der Wortes - "erdrückende", melodramatisch inszenierte Mid-Tempo-Klangkaskade "So fern, so nah" aus "Kreuzfeuer", leitete über in die biblisch inspirierte, orientalisch angehauchte Hardrock-Nummer "Judaskuss": "Sage dieses Trostwort allen / Hier ist, was sie retten kann / Denn wie tief auch Menschen fallen / Gott nimmt auch die Sünder an" (Textzitat) - wow : )
Bei "Liebeszauber" (1997) und dem seiner Betitelung alle Ehre machenden "Veitstanz" (2001) begann das buntgemischte, aus originären Gothics, "Hobby-Gothics" (wie dem Verfasser dieser Zeilen), Punks, Altrockern, Teenagermädchen und Normalos zusammengesetzt, erstmals Wort für Wort mit zu singen, weshalb Frontmann Eric Fish oft nur als "Dirigent" fungieren mußte. Ist Eric etwa der "Gotthilf Fischer des Mittelalterrock? ;))
"Kleid aus Rosen", entnommen dem 2001er-Opus "Herzblut", erklang nun NICHT in der allseits geläufigen "lauten" Version, sondern in der seinerzeit ebenjenem Album als Bonus-Track hinzu gekoppelten akustischen Auslegung. Eric dirigierte wiederum das hingerissene Publikum und wurde darüber hinaus ausschließlich von Violine, Akustik-Gitarre und Tambourine begleitet. Zu diesem Titel eine kleine Anekdote: Eine liebe Freundin des Verfassers dieser Zeilen hatte den Auftakt hier analysierter Konzertreise in Bielefeld besucht. Dort, so erzählte sie mir, habe Frontmann Eric berichtet, seit 13 Jahren, während seine Truppe "Kleid aus Rosen" spielte, regelmäßig Rosen an die Fans verteilt zu haben. Vor der aktuellen Tour habe man sich aber mal zusammengesetzt und erschrocken festgestellt, wie teuer diese Tradition für die Band im Laufe der Zeit war, weshalb man hoffte, es spräche sich im Zuge der Tournee herum, daß sich die Band wünsche, diesmal bekäme sie Rosen seitens ihrer Anhänger geschenkt und nicht, wie gewohnt, umgekehrt. Und tatsächlich: Nicht wenige Rosen landeten während der Aufführung von "Kleid aus Rosen" auf der Bühne des "DOCK's"!Nun war erst mal ein kleines Geburtstagsständchen angesagt: Bassist "Sugar Ray" feierte eben an jenem 29.04.09 seinen persönlichen Ehrentag, weshalb die gesamte Halle ihm aus voller Kehle ein paar Takte aus Stevie Wonders Evergreen "Happy Birthday" (1980) widmete. Nach ein paar weiteren "Unplugged"-Titeln, wurde mittels "Der Trommel" wiederum kraftvoll losgerockt, bevor das melancholisch/pessimistische Klangdrama "Einsam" ertönte, welches in erster Linie durch seine einerseits depressive, andererseits wiederum Hoffnung schöpfende Lyrik besticht.
Langsam, aber sicher, begann nun die Abteilung "Greatest Hits". Das Publikum geriet förmlich aus dem Häuschen, als Eric und die Seinen die Hymne auf die "Eisblumen" (2005) und den legendären "Falschen Heiland" (stilistisch eine Art "Rolling Stones meets Gothic", 2003) zelebrierten.
Ganz tief in ihre repertoirebezogene Schatzkiste griffen "Subway to Sally", in dem sie Dank der Frühwerke "Alle, psalitte cum luya" (auf Latein vorgetragen, 1997), "Mephisto" (1997) und "Sag dem Teufel" (1996) auf die Anfänge ihrer Karriere zurückblickten. Das "moderne Shanty" "Auf Kiel" beendete um 23.34 Uhr den "offiziellen" Teil des Konzertes.
Erneut mit lautstarker Intonation von "Julia und die Räuber", riefen die Fans "Subway to Sally" schnellstmöglich auf die Bühne zurück. Wir hörten nun weitere Hits der sieben "Schwarzen", die da hießen "Ohne Liebe" (1999) und - sic! - "Sieben" (2005) - das Publikum sang auch diese Gothic-Gassenhauer in vollster Lautstärke nahezu alleine. Die punkig/rasante Bandfassung bereits mehrfach erwähnter "Julia" und ihren Räubern entließ eine vollkommen zufriedene, glückliche Fan-Heerschar in die zwar verregnete, aber durchaus milde Hamburger Nacht.
Wenn man davon absieht, daß nicht wenige Songs der Truppe recht ähnlich untereinander klingen, fahren "Subway to Sally" ihren immensen Erfolg völlig zu Recht ein. Sie versöhnen puristische Schwarzbekleidete mit eigentlich szenefremden Musikfreunden mit Geschmack, ohne dabei jedoch jemals in die Untiefen des Mainstreams zu geraten. Wer sich von der Atmosphäre, der Stimmung eines Konzerts von Eric Fish und seinen Kollegen überzeugen möchte, dem sei eine erst vor wenigen Tagen erschienene Live-DVD-CD-Kompilation, bestehend aus der Live-DVD "Engelskrieger" und der Live-Silberscheibe "Schrei", sehr ans Herz gelegt. Ich werde diese bestimmt hochspannende Neuauflage demnächst an dieser Stelle ausführlicher vorstellen!