"Impro im Stadtpark"-Festival am
12. September 2009 in Magdeburg
(mit den Klosterbrüdern, Reform, Kellergeister, Juckreiz, Reggae Play, u.v.a.)
Foto: Petra Herz, Fred Heiduk
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Vorwort:
Da haben sich die Magdeburger wirklich etwas ganz besonderes einfallen lassen. Seit geraumer Zeit war es offiziell: Am 12. September 2009 steigt im Stadtpark eine Mugge, wie es sie in Deutschland wohl so noch nie gegeben hat. Ein paar Leute haben sich daran gemacht, dem "graue Maus"-Image Magdeburgs einen gehörigen Farbtupfer zu verpassen. Zu diesem Zweck besann man sich der langen und ganz und gar nicht langweiligen Traditionen der Musikstadt Magdeburg und lud große, klingende Namen der DDR Rockmusik sowie deren musikalische Erben zum Open Air "IMPRO IM STADTPARK" in den Kulturpark Rotehorn. Die Veranstalter um Holger Drews haben es damit fertig gebracht, eine ganze Musikepoche auf die Bühne zu zaubern und das Revival zugleich zu einer Reminiszenz an diese Musik zu machen. Als ob das nicht schon genug wäre: Drews und seine Mitstreiter setzen sogar noch ein Extrabonbon oben drauf und luden bereits am 11.09. zum "Klassentreffen", zum "Warm up" in eine Magdeburger Szene Kneipe, nämlich "Moll's Laden".
"Warm Up" in "Moll's Laden":
Der Einladung folgten einige Musiker wie auch eine ganze Reihe Fans. So wurde der Abend wirklich zum Klassentreffen und zum zwanglosen Auftakt einer großen Veranstaltung. Bis spät in die Nacht war die Möglichkeit mit den Helden von damals ein paar Worte zu wechseln und sich an gemeinsame Erlebnisse zu erinnern. Mit geschätzten 70 bis 100 Gästen wurde das Angebot zu diesem zwanglosen Treffen auch durchaus genutzt. Ab 20:00 Uhr füllte sich "Moll's Laden" nach und nach mit Gästen. Die Band des Abends war mit dem Aufbau beschäftigt und bereite sich mit einem kurzen Soundcheck auf ihren Auftritt vor. Etwas verwundert war ich, dass Peter von Ostmusik mich nicht erkannte, als ich ihn und seine Begleitung begrüßte. So nutze ich die Gelegenheit und die relative Ruhe, um mich im Lokal umzusehen, mit der Band ins Gespräch zu kommen, mich mit der Chefin ein wenig zu unterhalten und auch um den einen oder anderen Bekannten zu begrüßen. Eine Frage die mich bewegte war, warum "Moll's Laden" der Veranstaltungsort dieses "Klassentreffens" war, und nicht das "Cafe Impro", das heute "Gummibärchen" heißt. Dazu berichtete mir Ines Birkholz, die Chefin des "Moll's", dass im alten Impro, wie eigentlich in ganz Magdeburg, nur noch sehr selten Livemusik gemacht wird. "Moll's Laden" ist eine Ausnahme. In der Kneipe gibt es seit nunmehr 19 Jahren regelmäßig zumindest jedes Wochenende Liveauftritte. Hier haben Newcomer ebenso gespielt wie angesagte, große Namen. Da das "Moll's" so zu sagen der letzte Dinosaurier ist, wurde Ines von Holger Drews angesprochen und sagte gern zu. Womit wir mitten in der bewegten Geschichte der Musikgaststätte wären. Der Name "Moll's Laden" stammt vom ehemaligen Lebensmittelladen der Familie Moll, der sich hier als echter, privater "Tante Emma Laden" bis zur Wende befand.
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Mit der Wende machten ihm die großen Einkaufsketten den Garaus und der Sohn der Inhaberfamilie entschloss sich, aus dem Laden eine Gaststätte zu machen. Gesagt - getan. Von Beginn an wurde hier live gespielt, machte sich das "Moll's" einen Namen in der Musikszene. Die Gaststätte bietet eine wunderbare Clubatmosphäre. Sie besteht aus mehreren Flächen, von denen zwei als Emporen konstruiert sind, die über je 5 Stufen zu erreichen sind. Das Zentrum der Gaststätte bildet eine Fläche, auf der neben dem einen der beiden Tresen ein Bühnenpodest seinen Platz hat, auf dem an diesem Abend die Band "First Take" für die musikalische Umrahmung zuständig war. "First Take" ist eine in der Region bekannte Coverband, deren Musiker gestandene, echte Bühnenprofis sind, obwohl sie bis auf den Schlagzeuger reine Amateure sind. Axel, der Bandleader und Keyboarder der Band, mit dem ich mich unterhielt, meinte auf die Frage welches Repertoire die Band habe: "...gute Musik - egal welche, vor allem Rock'n Roll. Wir spielen, wenn's sein muss, auf Zuruf. Besonders gern und gut machen wir einen Stones Block, da unser Sänger 'Pony' da eine ganz irre Show macht. Er hat zwar keine große Stimme, kann aber mit seiner richtig gut umgehen". Darauf meldete sich der gerade Erwähnte zu Wort: "Weißt du warum heute schönes Wetter ist? Weil der liebe Gott sich freut, dass er mal wieder seine Lieblingsband hören kann. Wir machen im Geist der Blues Brothers eine Show mit Einlagen".
Pony, als großer Stones und Starfucker Fan hat unter anderem mit Sorje von den Starfuckern gespielt und versprach eine große Show. Dieses Versprechen hielten er und seine Musiker. Zum Teil in verrücktem Outfit, ich denke an die irren Spitzenstiefel oder Frack und Zylinder, spielten sie so ziemlich alles was man sich nur vorstellen kann. Von CCR bis ZZ Top. Wie versprochen, immer mit Herz. Eine richtige gute Laune Mugge. Da war nicht gut und schon gar nicht alles richtig. Aber das war eh nicht wichtig. Es ging um gute alte Songs, die Spaß und Freude machen, und die live gespielt sind. Das alles machten die "First Takes". Einziger kleiner Wermutstropfen: die Anlage war sehr laut, so dass man zeitweise doch sehr laut schreien musste, um sich unterhalten zu können. Und das wollten die meisten.
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Nach und nach kamen auch Musiker von den Klosterbrüdern, von Juckreiz, von den Sky Stones und von Charlies Crew. Die mittlerweile doch gealterten Herren richtig zuzuordnen, war gar nicht so einfach. Aber die angesprochen Herren halfen und gaben gern Auskunft. Meine ganz besondere Aufmerksamkeit galt den Juckreiz-Musikern, war die Band doch Anfang der 80er eine der absoluten Favoriten Micha Röschs. Ihren Mythos zu ergründen hatte ich mir gewissermaßen vorgenommen, doch scheiterte das irgendwie. Über ein kurzes Gespräch kam ich nicht hinaus. Wohl auch weil es so viel Interessantes und Kurzweiliges für alle Anwesenden gab. Das Ganze wurde ein sehr kurzweiliger Abend, von dem ein Teil an diesem lauen Spätsommerabend im Biergarten des Moll's stattfand. Dort gab es auch drei besonders erwähnenswerte Begebenheiten. Die erste war, dass Matze Blankenburg mir verriet, dass die Klosterbrüder eine CD mit alten Aufnahmen produziert haben. Mit der Frage, ob es eine Tour geben wird, verwies er mich an Dietrich Kessler. Trotz langer, interessanter Gespräche mit ihm, wie auch mit Andreas Kuhnt steht die Antwort auf diese Frage unverändert aus. Eine zweite erwähnenswerte Begebenheit ist die Begegnung mit Chris von ostrockwelle.de. Erstaunlich wie viele gemeinsame Themen und übereinstimmende Auffassungen es bei allen Unterschieden gab. Und schließlich waren da noch ein paar junge Leute mit Cowboyhut. Da man die Herren sozusagen auf der falschen Party wähnte, wurden sie angesprochen. Und die Antwort war so verblüffend wie toll. Michael Himmelstein sang, statt sich zu erklären. Was für eine Stimme?! Kein Wunder, ist der Angesprochene doch der Sänger der Skystones, die am 12. das "Impro im Stadtpark" eröffnen sollten. Sein spezielles Fable gilt Johnny Cash und Elvis. Wir kamen so zu einem kleinen nächtlichem Privatkonzert. Im Gespräch mit Holger Drews erfuhr ich, dass der Soundcheck am 12. September um 8:30 Uhr angesetzt war, dass es einen Überraschungsgast geben würde, der extra angereist war, und einige andere Dinge. So verging die Zeit wie im Fluge. Alle hatten Wort gehalten. Die Band "First Take" hatte eine große Show geboten, die Crew des Moll's ihre Gäste auf's trefflichste bewirtet, die Musiker und Veranstalter, gleich ob die Musiker von Juckreiz, von Charlies Crew oder den Klosterbrüdern, aber auch die, die ich nicht persönlich gesprochen habe, haben richtig Lust auf das eigentliche Konzert gemacht. So neigte sich der Abend gegen 1:00 Uhr dem Ende und nicht Wenige gingen sichtbar glücklich nach Hause, um sich etwa 10 Stunden danach auf den Weg zu machen, zum Hauptteil dieses außergewöhnlichen Musikereignisses, dem "IMPRO im Stadtpark".
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Sonnabend, der 12.09.2009 im Stadtpark Magdeburg
Wie am Abend zuvor zu erfahren war, begannen die letzten Vorbereitungen zum musikalischen Teil des "Impro im Stadtpark" recht früh. Die erste der 11 geladenen Bands startete mit dem Soundcheck bereits um 8:30 Uhr. Die betreffenden Herren hatten beim "Warm Up" bis zum Schluss durchgehalten und waren mit der Technik-Crew wohl recht allein auf dem Veranstaltungsgelände, als sie pünktlich und wie man mir sagte, hochdiszipliniert mit dem Check begannen. Wie am Vorabend füllte sich das Areal sehr langsam. Chris von ostrockwelle.de war einer der wenigen Gäste zu dieser frühen Stunde. Und er erlebte eine hochprofessionelle Probe, die seitens aller Beteiligter sehr konzentriert und kollegial durchgezogen wurde. Der Check zeigte, dass trotz aller vorhandener Aufregung der Beteiligten, mit der dem eigentlichen Höhepunkt, dem Konzert am Abend entgegenfiebert wurde, viel Spaß dabei war. Dass der Soundcheck wirklich gut verlaufen sein muss, das konnte man dann am Abend erleben. Der Sound, der genau wie die Lichtanlage von der Magdeburger Firma US Showtechnik um Uwe Senftleben betreut wurde, war einfach unglaublich gut. Vor der Bühne hatte man das Gefühl, das zu hören, was auch die Musiker auf der Bühne zu hören bekamen. Etwas davon entfernt erlebte man einen satten Live-Sound. Und das Schönste: wie auch immer es die Mannschaft um Senftleben machte, der Sound war auf dem gesamten Gelände ausgezeichnet. Da stimmten die Abstimmungen der Instrumente. Jedes war bestens herauszuhören, keins übertönte die anderen. Der Sprachsound, wichtig für die Textverständlichkeit, ließ keinen Wunsch offen. Das gilt sowohl für den Gesang, als auch für die Moderation zwischen den einzelnen Acts. Klar, dass bei den Voraussetzungen einem ganz großen Abend nichts zu im Wege stand. Aber weil ich gerade dabei bin, die Veranstalter und das Ambiente zu loben: der überaus bescheidene Holger Drews, trotz seiner Jugend der Mastermind des Ganzen, organisierte das Riesenevent mit Freunden und Familie und ließ dabei keinen Wunsch offen! Drews legt großen Wert darauf, seinen Logistikpartner David Rompe von Chapitau Events gebührend zu erwähnen. Er war der, der den reibungslosen Ablauf des gesamten Spektakels letztlich sichergestellt hat. Vom Auf-, Um - und Abbau der Bühne, über die Security, die an diesem Abend nahezu arbeitslos war, bis zum sehr gut organisierten Catering - Rompe hatte den Ablauf um das "Impro im Stadtpark" rundum gut im Griff, so dass man den Eindruck gewinnen konnte, das geht alles von allein. Rundum ein super Team, dem man sicher auch andere große Veranstaltungen anvertrauen kann und von dem man sich mehr wünscht. Aber zurück zu dem, weshalb die Besucher gekommen waren - zurück zur Musik.
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Der Beginn des Spektakels war für 16:00 Uhr avisiert, und die Macher hielten sich an den Zeitplan. Holger Drews begrüßte das noch gut überschaubare Publikum, das erst nach und nach auf die Elbwiesen strömte, und verkündete einige organisatorische Dinge. Ein Punkt der Eröffnung, der erwähnt werden muss, ist das exclusive Gästebuch in das sich alle Musiker des abends verewigen sollten. Das dieses Gästebuch etwas mit Musik zu tun haben muss, kann sich sicher jeder denken. Die Veranstalter hatten sich ausgedacht, eine Gitarre zu diesem "Gästebuch" zu machen und die Gitarre am Ende der Veranstaltung für einen guten Zweck zu versteigern. Dass das nicht ganz so aufging, wie es geplant war, sollte sich Stunden später zeigen. Vielleicht war auch die geringe Zuschauerzahl denen die Idee um 16:00 Uhr präsentiert wurde, ein Grund. Von Magdeburgern hab ich gehört, in einem wichtigen Veranstaltungsanzeiger habe eine falsche Startzeit gestanden. Möglicherweis ist das der Grund warum anfangs doch etwas wenig Publikum zugegen war. Doch das änderte sich zusehends, so dass etwa ab 18:00 Uhr geschätzte 4000 Zuschauer das Areal unweit der Stadthalle fest im Griff hatten.
Gleich wie - kurz nach 16:00 Uhr kündigte Holger die erste Band, die Skystones, an. Und die machten ihre Sache als Opener wirklich gut. Auch wenn die Jungs keinen Ostrock machten, sie machten das was sie machten toll. Wenn die Gitarre im besten Südstaatensound geslidet erklingt, dann gibt es auf der Bühne besonders für den Frontmann kein Halten mehr. Eine super Bühnenshow gepaart mit einer gewaltigen Röhre. Ja hallo?!- warum hörte man von den Skystones bisher nur vor allem in und um Magdeburg? Mich erinnerte das an die Crash Test Dummies, mit der markanten Stimme von Brad Roberts. Der steht die von Michael Himmelstein in nichts nach, und sie hatten mit dem Titel "mmm mmm mmm" einen Welthit. Aber die Skystones können auch anderes. Das Repertoire des Nachmittags war vor allem von Elvis- und Johnny Cash-Titeln geprägt. Auch optisch wussten die Magdeburger Coyboys mit Westernstiefeln und Texashut durchaus zu überzeugen, und musikalisch interpretierten die Skystones die großen Namen wirklich toll. Wenn man bedenkt, welche Rolle Elvis auch für den Ostrock, besser gesagt für die frühe Beatbewegung hatte, dann versteht man, dass das genau der Opener war, den das Festival brauchte. Der Spaß der Musiker auf der Bühne sprang, wenn auch anfangs spärlich, auf das Publikum über. Auch wenn die tolle Stimme sehr markant ist, sollte man bei der Band genauer hinhören. Die musikalische Begleitung des Leadsängers ist nämlich vortrefflich. Auch wenn die amerikanische Gitarre etwas anders klingt als die europäische - der Gitarrist eröffnete einen wahres Gitarrenfeuerwerk, das an diesem Abend noch auf die Zuhörer einstürmen sollte. Eins besser als das andere könnte man sagen, obwohl jeder Vergleich hinkt. Es bleibt der Fakt, dass die Skystones das Publikum bestens unterhielt und ein ganz toller Opener war, der das kommende, fantastische Niveau der meisten noch auftretender Bands andeutete. Dem Publikum gefiel es. Beim Klassiker "House of the rising sun" gab's den ersten Szenenapplaus.
Und so wurden die Herren, zu meiner Verwunderung in Anbetracht der Zahl noch ausstehender Künstler, nicht ohne Zugabe von der Bühne gelassen. Doch sollte sich herausstellen, dass das letztlich kein wirkliches Problem darstellte. Vielmehr war wohl für jede Band bei Gefallen eine Zugabe angedacht. Und sie wurde auch für jede Band eingefordert. Nach dem Auftritt der Band war Umbau angesagt. Anders als bei anderen Veranstaltungen übernahmen die Moderatoren das Heft des Handelns und zogen das Publikum in die Pause mit ein. Zunächst mussten die Skystone-Musiker auf der Bühne ihre Unterschriften auf die Gitarre setzen. Danach versuchten die Moderatoren eine Konversation mit dem Publikum aufzubauen, was ihnen routiniert gelang. Speziell Holger Drews hatte im Laufe des Abends mehrere flotte Sprüche und Gags, die die Pausen nie langweilig werden ließen. Es gab allerdings auch nicht wenige Anwesende, die den beiden Herren zu viel Moderation anlasteten. Dabei hat es sich meist gelohnt gut zuzuhören. Da wurden immer wieder Fakten zu den Bands mit Episoden und Detailles garniert, da gab es immer wieder die schon angesprochenen Gags. Ich fand die Moderation als durchaus gelungen, erreichte sie doch, dass das Publikum das Programm als Ganzes begriff, und dass durchaus Interesse geweckt wurde auf Musik und Musiker, für die man sich sonst vielleicht weniger interessiert hätte. Doch zurück zum "IMPRO" ans sich.
Nach den Skystones betraten Nachwuchsmusiker die Bühne. Jimmy Bounce - das sind Jimmi und seine Partnerin, 2 junge Rap Musiker, die eigentlich hervorragend platziert wurden. Sie hatten Gelegenheit zwei eigene Titel zu performen und machten das recht ordentlich. Sicher nicht jedermanns Sache, lohnte es sich doch zu zuhören, denn die beiden hatten etwas zu sagen und brachten in einem Titel eine tolle Hommage an Ihre Stadt, an Magdeburg, auf die Bühne. Als sie mit freundlichem Applaus verabschiedet worden waren kam mir bei der Anmoderation der folgenden Band der Gedanke - die waren vor 30 Jahren etwa das, was Jimmi Bounce und Co heute sind.
Nach Jimmi Bounce war der erste ganz große Ostrockhöhepunkt angekündigt: Juckreiz. Die Band war Anfang der 80er den NDW Bands in vielem etwas voraus. 1980 belächelt und zumindest die Ostrockgemeinde spaltend, weiß man heute, was für ein Juwel Juckreiz eigentlich war. Ob der gigantische Gesang Marion Sprawes, die weit mehr war als die Nena des Ostens - man höre sich mal die Titel von "FKK", über "Tanzmusik" oder den NDW Geniestreich "Zeck-zoff, trouble en masse" zu "Ich hab mich grade so an dich gewöhnt" oder "Jahrmarkt der Eitelkeit" an, man vergleiche einmal einen Nina Hagen Titel mit zum Beispiel "Ich mache Karriere" - , oder die für den Ostrock geradezu avantgardistische Instrumentierung - Juckreiz war etwas ganz Besonderes. Wenn man so will "Weltniveau" mit dem man sich ja in der DDR so gern verglich. Was uns dann allerdings geboten wurde, war ganz und gar nicht das, was erwartet worden war. Denn von den sehnsüchtig erwarteten Titeln wurde kaum einer gespielt. Um FKK kommt die Band nicht umhin. Aber die anderen sind nicht mehr im Programm. Das mag auch daran liegen, das Marion Sprawe nicht mehr singt und die neue Blondine eigentlich nur "gut aussieht", zumindest absolut nicht an dieses Niveau heranreicht. Darüber helfen auch nicht die Urgesteine Friedhelm, Ali und Rohmy hinweg, die unverändert eine muntere Show auf der Bühne veranstalten. Allerdings behaupteten einige Anwesende, vieles wäre zumindest Halbplayback gewesen. Ich hab da weniger drauf geachtet, war ich doch durch das Crossover durch die Bundesdeutschen NDW Klassiker etwas irritiert. Die beste NDW Band des Ostens spielt "Ich will Spaß", "Die Schule brennt" und "Bruttosozialprodukt" - das war dann doch etwas verwirrend. Aber warum eigentlich nicht? Die Stimmung fing sich ja schließlich, und diese und ähnliche Titel der NDW Barden sind mindestens so bekannt wie die originalen Juckreiztitel. Dennoch gab es viele, die sich mehr der eigenen Titel gewünscht hätten und sehr viele, die Marion Sprawe oder Anett Naval vermissten. Doch auch Juckreiz bekam die Zugabe, unterschrieb die Gitarre und machte Platz für die nächste Band.Scheselong ist eine Band, die mir eigentlich nur namentlich in Erinnerung war. Musikalisch verband ich wenig mit der Gruppe. Völlig zu Unrecht, wie sich nach wenigen Akkorden herausstellte. Das ist bester gutgemachter Rock mit ansprechenden Texten. Beeindruckend, wie gut die Band zusammenspielt. Absolut professionell. Dirk Münster an der Leadgitarre, Friedhelm Ruschak, der zuvor schon bei Juckreiz auf der Bühne stand und Bernd Schilanski der auch bei den Klosterbrüdern trommelt rockten das Elbufer. Mal hart und dreckig mit vollem Gitarrensound, mal mit leiseren, fast filigranen Tönen deren Wirkung vom Schifferklavier Uwe Hollatz' geradezu verstärkt wurde. Dazu eine markante Gesangsstimme. Sicher hat Dirk Münster keine große Stimme, aber eben eine markante und die setzt er supersicher und gekonnt ein. Für mich Grund genug am Merchandisingstand von Tamara einmal nachzufragen, ob es denn auch Tonträger dieser Band gibt. Die gibt es zwar, es gibt eine AMIGA LP und eine CD aus dem Jahr 2002, doch beides sind eher Raritäten. Scheselong, die schon als Vorband bei Rodger Chapman und Jethro Tull gespielt haben, waren für mich die überraschendste der Ostrockbands des Abends. Einfach rundum gut und stimmig.
Auf Scheselong sollte eine der aktuell abgesagtesten Bands Magdeburgs folgen. Charlies Crew wurde von Holger Drews angekündigt. Von der Band hatte ich bereits gehört und war daher umso erwartungsvoller. Und meine Erwartungen wurden auch hier übertroffen. Da kommen Herren mittleren Alters in weiten weißen Hemden auf die Bühne, so dass man geneigt ist zu denken, "wird das jetzt folkloristisch oder geht das gar in Richtung Volksmusikpop?" Doch dann beginnen diese Herren zu spielen. Nein, das ist ganz und gar keine Provinzgruppe, die da auf der Bühne steht. Da zupft einer die Saiten seiner Gitarre, dass es einem das Herz erfreut. Charlie Ludwig, das ist kompakte Musik, das ist einer der Großen. Hardcorefans werden sich vielleicht daran erinnern, dass Charlie über die Etappe Automobil zu Magdeburg kam, wo er der letzte der namhaften Gitarristen war, der das Verbot der Band miterlebte. Und er hat nichts verlernt. Dazu eine Stimme bei der ich ganz nah an die Bühne musste um zu sehen, singt der das wirklich? Er singt es wirklich! Hannes Andratschke heißt der Mann, der mich so begeisterte. Eine außergewöhnliche Stimmfärbung, am ehesten noch an Klaus Lage erinnernd, jedoch mit weit mehr Musikalität und virtuosen Momenten. Dazu eine Ausstrahlung die ihres Gleichen sucht. Ich fragte mich, "warum kennst Du den Mann nicht? Wo hat er gesungen?" Diese Fragen stellte ich ihm weit später persönlich. Und ich erfuhr, dass er zwar bei Quintessenz einmal gesungen hat, aber ansonsten die ganz großen Rocknamen in seiner Vita als Sänger gar nicht vorhanden sind. Andratschke ist ein ausnehmend guter Blueser und hat dort mit vielen Größen der Szene gearbeitet. Unbedingt empfehlenswert der Mann. Aber das tut Charlies Crew Unrecht. Denn dort machen sie großes Cover und geben ihrem Affen Zucker. John Fogerty hätten sicher die CCR Nummern gefallen, John Mayall Hideaway und andere Klassiker quer durch die Rock- und Bluessgeschichte. Charlies Crew zeichnet sich aber nicht nur durch die fantastischen Einzelkönner aus, sondern auch durch exzellenten Satzgesang und eine tolle Show. Ein besonderer Höhepunkt war das Schlagzeugsolo des jungen Sebastian Symanowski. Show pur. Zum einen sehr musikalisch zum anderen etwas fürs Auge, wenn der junge Mann sein Instrument ohne Sticks spielt. Das Publikum war begeistert. Hier spielte ein Lokalmatador und das Publikum ging entsprechend mit. Möglicherweise wollte das Publikum Andratschkes Version des Einmarschsong für Timo Hoffmann für dessen Kampf gegen Francois Botha hören. Doch den hat er mit Crossfire, einer anderen Magdeburger Musikgröße eingespielt. So gingen die Mannen um Charlie und Andratschke und machten Platz für eine der klingenden Namen des Ostrock.
Reggae Play wurde angesagt. Bei Reggae Play sang ja auch einmal Reinhard Fissler. Was lag in der Anmoderation also näher, als auf die Unterschriftenaktion "Eine Henne für Fissler" hinzuweisen. Holger Drews erledigte auch das souverän, um dann eine der schrägsten Bands des Ostrock, eben Reggae Play anzukündigen. Lutz Winkler kam passend zum Fahrradtitel mit Fahrrad auf die Bühne. Verkleidet wie es sich gehört, enterte er die Bühne. Und dann ging's los. Arnulf Wenning war ein Hingucker. Ob in kurzer Hose, in schickem Kaputzenanzug oder am Ende mit Baströckchen mit freiem Oberkörper, Wenning zeigte was er kann. Und er kann. Er sang nicht nur, sondern spielte auch Querflöte. Beides hochprofessionell. Eine ganz irre Show. Tempo, Witz und Klasse - Reggea Play ist sicher nicht jedermann Sache, aber wer sich drauf einlässt, erlebt ein Feuerwerk. Bleibt zu hoffen dass das Team Wenning / Winkler es lange miteinander aushält und die ihnen gebührende Aufmerksamkeit erringt. Ich kann das Programm nur empfehlen und dazu sagen: Wer Klamauk erwartet, der wird nicht enttäuscht werden. Doch derjenige, der sich die Mühe macht hinter die Fassade zu schauen, der entdeckt tiefen Sinn hinter dem vordergründigen Spaß. Ebenso, wie die alten bekannten Titel einmal wieder zu vernehmen. Chapeau meine Herren, das hatte Klasse. Dann gab's Vorschlusslorbeer.
Als die Moderatoren Reform mit Stefan Trepte ankündigten, tobte die Menge vor der Bühne. Auch wenn Reform nicht wirklich Reform war, wollten die Fans die bekannten Titel hören. Und sie bekamen was sie wollten. In der Besetzung Blankenburg (git), Kriese (dr), Schloussen (bg) und Trepte (voc) sowie Thomas Kolbe an den Keyboards, legten die Reformer los. Ich hatte Gelegenheit mich vorab mit Steffan Trepte zu unterhalten. Von daher weiß ich, dass Trepte mit der Lösung nicht sehr glücklich war, da man jahrelang nicht mehr miteinander gespielt hat und in der Formation nur einmal kurz in Berlin geprobt hatte. Doch bei den ersten Tönen merkte auch der Letzte, welche Klasse die Leute haben, die da gerade musizierten. Als wären sie ewig miteinander unterwegs. Und wir erleben einen fast historischen Moment. Neun Jahre ist es her, dass Trepte letztmals in Magdeburg mit seiner Band gesungen hat. Von der Bühne aus weist er darauf hin, dass er bis vor kurzem noch dagegen gewettet hätte, jemals wieder mit Reform in Magdeburg zu spielen. Dann ist es soweit. Matze Blankenburg lässt seine Gitarre singen, Marcus Schloussen, der - wenn auch nur kurz - ein echter Reformmann ist, und Delle Kriese machten musikalisch Druck. Die Tasten rundeten das alles zu einer Melodie ab, die einem schier den Atem verschlug. Das sind wohlgesetzte, vertraute Klänge, das ist der Soul wie man ihn lange nicht gehört hat. Mit "Ich suche Dich" begann der Konzertteil der Gruppe Reform, bei dem Trepte sehr wohl Spaß und Freude zu haben schien und entsprechend sang. Das war nicht die Trepte-Stimme wie man sie von Platten kennt, da fehlte schon mal hier und da ein Ton, da kamen nicht alle Höhen. Doch wen verwundert das, sind doch ein paar Jahre ins Land gegangen und ist das ganze doch auch nur ein einmaliger Kurzauftritt. Was diese kleinen Schönheitsfehler nicht verdrängen konnten war die Kraft und Intensität die in Treptes Stimme steckt. Darauf haben die Zuhörer gewartet, die versetzte sie in einen wahren Jubelrausch. Gesteigert wurde dieser durch das, was musikalisch von der Band geboten wurde. Jörg Blankenburg entlockte seiner Gitarre Töne für zwei. Alles klang, als spielte die Band nicht nur hier und heute einmalig miteinander. Es war rund und einfach nur schön. Das Trepte neben seinen Musikern einen vieltausendfachen Chor hatte, muss man wohl auch nicht extra betonen. Auf der Elbwiese waren viele, die jedes Wort der Reformtitel mitsingen konnten und das auch taten. Die Leute tobten nach dem ersten Stück, während Trepte es mit "ganz gut" bewertete. In die kurzen Pausen zwischen den einzelnen Titeln konnte man vereinzelte Rufe hören, was das Publikum hören wollte. Es waren natürlich die großen, bekannten Titel. Und Reform spielte sie. Auf "Das hab ich nicht so gern" folgte "Nebel" mit einem gigantischen Gitarrenintro Matze Blankenburgs. Diese Livevariante hatte unglaublichen Druck, und war vom ersten Ton an viel dynamischer als die alte Plattenaufnahme, die mir im Ohr war, aber wohl nur auf einigen Samplern zu finden ist. Ich finde diese Fassung mindestens ebenso gut. Sehr kraftvoll und frisch. Beim sich anschließenden "Schwester küss mich" - nach Trepte mittlerweile 30 Jahre alt - ging das Publikum richtig mit. Der Refrain tönte laut aus tausenden Kehlen in den Magdeburger Nachthimmel, der zumindest auf der Bühne von einer richtig guten Lichtshow erhellt wurde. Da stimmte alles. Trepte war mit jeder Faser in seinen Liedern, die Band war unglaublich gut und sicher. Das machte allen vor und auf der Bühne Spaß, auch wenn einige Töne nicht kamen, Passagen improvisiert wurden. Aber genau das zeigte, was für grandiose Musiker da auf der Bühne standen. Sie überspielten geradezu diese Kleinigkeiten. Spätestens hier ist anzumerken, dass ich zu meiner Schande nicht genau weiß, ob ich den Namen des Keyboarders richtig mitbekommen habe. Ich bilde mir ein, Thomas Kolbe, also ein alter Reformmann, habe an den Tasten gestanden (Richtig, Anm. d. Red.). Es war auf jeden Fall ein Könner, und er verlieh einzelnen Titeln sehr nachhaltig seinen Stempel. Wer die alten Originalsongs im Ohr hat, der wird ahnen was ich meine. Die Keyboards tragen einige der Melodien im Wechsel mit den Gitarren. Und das tat das Keyboard auch an diesem Abend. Da waren alte Arrangements durchaus wieder zu erkennen. Natürlich darf bei einem Reformkonzert im September ein Titel nicht fehlen. Reform läutete den Herbst mit "Wenn die Blätter fallen" ein. Warum auch immer, gerade bei diesem Titel "schwächelte" Trepte für mich am deutlichsten. Vermutlich wollte er eine besondere Livemugge machen, so dass er vor Kreativität fast aus dem Titel gekommen wäre. Doch sowohl der Chorus, als auch der Bass von Marcus Schloussen, fingen den Titel letztlich wieder ein und machten ihn zu dem was er ist, einem Meisterstück. Das Publikum tobte und johlte als der offizielle Teil des Auftritts beendet war. Natürlich kamen die Musiker nicht ohne Zugabe von der Bühne. Trepte scherzte. Auf Zurufe aus dem Publikum antwortete er: "Bitte wiederhol nochmal... wir waren auf sowas nicht vorbereitet..." um sich dann zum einen, wie mir schien, ehrlich zu bedanken und zum anderen um sich mit seinen Musikern abzustimmen was man als Zugabe spielt. Wunschgemäß ist das "Dicke Bohnen". Marcus gibt den Rhythmus vor, Matze nimmt ihn auf und als die Keys die Eingangsakkorde spielten, die nun wiederum von Marcus' Bass unterstrichen wurden, da waren sie drin in dieser Hymne. Die Reaktion des Publikums war entsprechend. Klatschen, laute Rufe, Mitsingen - das ganze Programm. Die Masse war wie elektrisiert und feierte Reform, das musikalische Magdeburger Schwergewicht um Stefan Trepte, der gerade hier noch einmal richtig loslegte. Sicher nicht nur für mich ein großer Auftritt, von dem man sich Fortsetzungen wünschte. Da das "IMPRO im Stadtpark" aber ein Festival ist, mussten auch Reform von der Bühne. Die wird für einen weiteren Giganten des Ostrock vorbereitet...
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Renft stand auf dem Plan. Die Überleitung der Moderatoren mit dem Hinweis auf das Gänselieschen hat mir nicht gefallen, aber das war nicht so wichtig. Viel wichtiger war, wie Monster und seine Mannen auftreten würden? Ich darf es vorwegnehmen: von dem was anderenorts neuerdings oft und häufig zu hören und zu lesen war, bekam man nichts mit. Monster zersang seine Lieder nicht mit Pseudoeinlagen, er war verhältnismäßig gut bei Stimme und machte so einen großen Auftritt aus der halben Stunde. Monster wäre nicht Monster, gäbe es nicht ein paar Einlagen. So schimpfte er wie ein Rohrspatz über die Monitoranlage, die doch bei allen anderen Bands funktionierte. Und er konnte es sich nicht verkneifen, in Renftklassiker, wenn gleich nicht exzessiv, ein paar Fremdkörper einzubauen. Das hat wenig mit modernen Interpretationen zu tun, finde ich, war aber erträglich, da es sich in engem Rahmen hielt. Der Renftblock begann mit "Ich bau Euch ein Lied". Dabei hatte nicht nur Monster Probleme in das Stück zu kommen. Pittis Gitarre sagte keinen Ton. Vielleicht verunsicherte das Monster, jedenfalls hörte sich das zeitweise recht schräg an. Doch am Ende des Titels hatte nicht nur Gisbert Piatkowski wieder Ton, sondern die Band sich gefunden und gab richtig Gas. Rock vom Feinsten, denn da standen wirklich richtige Könner auf der Bühne. Wie auf der LP ging "Ich bau euch ein Lied" in "Nach der Schlacht" über, einen der Paradestücke Monsters. Und sie brillierten als Band. Monster zeigte warum er geradezu eine Legende des Ostrock ist, Delle, dass er mit seinem Schlagzeugspiel sehr wohl eine Combo musikalisch zusammenhalten und führen kann und Pitti, dass er ein überaus banddienlicher Musiker und weit weniger ein selbstverliebter, exzentrischer Leadgitarrist ist. Renft hat diese Schlacht eindeutig gewonnen, auch wenn ich mich zeitweise fragte, spielt Monster wirklich Gitarre? Wie er über den Hals seines Instruments fegte... Egal - der Auftritt war ab der Schlacht wirklich richtig gut und wurde nur durch ein paar Kleinigkeiten getrübt. So ist "Mama" in der Reggae-Version doch irgendwie gewöhnungsbedürftig. Auch die Einlage "Rock Your Baby" empfand ich als überaus unpassend, was auch immer Monster damit bezweckte. Allerdings konnte er hier auch brillieren. Sagenhaft was für eine klare und hohe Kopfstimme der Mann hat und wie schnell er mehrere Oktaven fast mühelos zu überspringen scheint. Man ahnt, dass auch aus dieser Art Stimmakrobatik der legendäre Ruf Monsters völlig zu Recht gewebt wurde. Renft spielte auch das ein oder andere weniger bekannte Stück. "Tränen und Flüsse" zum Beispiel war eines davon. Ein in sich streitbarer Titel des Programms war "Zwischen Liebe und Zorn". Die Band beginnt ihn ganz nahe an der bekannten Interpretation Cäsars und modifizierte dem Monsterpart dann doch gewaltig. Das ist wohl vertretbar und hielt sich alles in allem in Grenzen, aber das Publikum - glaub ich - hätte lieber die Originalversion gehört. So konnten Monster und Pitti jedoch mit entsprechenden Parts glänzen, die für sich atemberaubend gut waren, nur eben nicht so viel mit dem Original zu tun hatten. Hier würde ich das Argument moderne Interpretation allerdings durchaus gelten lassen, wobei mir ein solches Urteil eh nur für mich selbst zusteht. Bei "Was mir fehlt" zum Beispiel wurde recht deutlich, wie gut die Originale ankommen. Und gerade bei dem Gitarrenriff, das den Titel so markant macht, konnte Pitti glänzen, auch wenn es nur wenige Töne sind. Da spielte so mancher im Publikum, angestachelt von Pittis virtuosem Spiel, selbst Luftgitarre. Der folgende Titel ist für Magdeburg sehr, sehr passend, kommt doch die Elbe darin vor. "Die Ballade vom kleinen Otto" spielte Renft geradezu schnörkellos und natürlich ging das Publikum erneut begeistert mit. Wie sehr sich gerade Monster am Mikro verausgabt hat, mit welcher Intensität und Leidenschaft er seine Musik "gearbeitet" hat, das lässt sich nach dem Song erahnen. Monster schnauft für eine Weile wie eine Dampflock, ist geradezu außer Atem. Das berichte ich mit höchstem Respekt, denn was immer man ihm vorhalten mag - sein Einsatz ist immer 110 % und grundehrlich. An diesem Abend hatte ich den Eindruck, die Band gab nicht nur 110 %, sondern noch weit mehr. Ein beeindruckendes, kurzes Konzert, das mit "Wer die Rose ehrt" enden sollte. Dabei ist besonders erwähnenswert, dass Pitti mit der Gitarre Cäsars Flötenpart übernimmt. Sagenhaft wie supersauber er die einzelnen, noch so kurzen Töne trifft und so eine ganz eigene Atmosphäre schafft. Die Variante ist allemal beeindruckender als der aufgesetzt wirkende Chor bei Ostrock in Classic. Klar, dass Renft eine Zugabe geben musste. Der "Apfeltraum" war der erste Titel. Danach von der Bühne zu gehen gelang den Renftlern auch noch nicht, zu euphorisiert war das Publikum. So musste das "Gänselieschen" wieder herhalten. Die Aufforderung den Refrain mitzusingen, brauchte es nicht, er wurde gewaltig in die Magdeburger Nacht geschmettert. Das Publikum wollte gar nicht wieder aufhören, hatte man den Eindruck. Aber dann musste auch Renft von der Bühne.
Folgen sollte "A little help for my frinds" des wohl besten deutschen Joe Cocker Imitators, Hans Walsch, eines Magdeburger Musikurgesteins. Geplant war ihn zu den Klängen des Liedes aus dem Nebel auf der Bühne auftauchen zu lassen, hatte mir am Vorabend Holger verraten. Irgendwas funktionierte aber nicht wie geplant, so dass Walsch ganz normal auf die Bühne kam, dann aber eine sehr überzeugende Show bot. Joe Cocker hat nun weniger mit Magdeburg zu tun, dafür Walsch umso mehr. Er gehörte einer legendären Band an, die viel mit der Magdeburger Rockschule zu tun hat, der Band des Asbestzementwerks der AZW Combo, aus der viele Profimusiker hervorgingen. Und man glaubt es kaum, im Publikum erinnerten sich viele an diese dem Normalfan sicher eher unbekannte Band. Walsch freute sich sichtlich mal wieder in der alten Heimat zu sein und im Rahmen dieses Events spielen zu dürfen. Ein lustiger und sehr gut gemachter Farbtupfer.
Nach diesem Urgestein leitete "Holli" zu den Primanern über. Einen riesen Lacher erntete der Moderator, der die Band als die Backstreet Boys Magdeburgs aus den 60ern bezeichnete. Alle jenseits des Rentenalters, spielten sie selbst nicht mehr... bis auf einen. So war die Geschichte der Primaner die Überleitung zu Crossfire, bei denen der einzige noch aktive Urprimaner, Bass Paule - Gerhard Paul, mitspielt. Crossfire ist einen schnörkellose Rockkapelle die sich durch die großen Rock- und Bluesklassiker coverte. Das ganze machten sie richtig gut und ernteten viel Beifall. Gleich ob "Born to be wild", "All right now" oder andere Klassiker, musikalisch wusste die Band einschließlich Paule zu überzeugen. Paules großer Auftritt ist beim Titel "Radar Love" mit seiner markanten Bassstimme. Paule zelebriert diese und macht das super. Logischerweise gibt es Szenenapplaus für den ältesten Musiker des Abends. Auch die Stimme des Sängers hat Charakter und war durchaus anhörenswert. Dass es bei ihrem Auftritt einige kleine technische Probleme zu geben schien, spielten sie sehr professionell weg, genauso wie die fehlenden Textzeilen in diesem und jenem Lied. Dieser kleine Mangel wurde in liebenswertem perfekten pseudoenglisch überspielt, genauso wie es vor 40 Jahren üblich gewesen sein soll. Passend zum Himmel über Magdeburg schließt Crossfire mit "Black night" ab. Der Auftritt war wirklich richtig gut.
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Genau wie der der Band "Kellergeister", die dann folgte. Bevor die aktuelle Band begann, kamen die so zu sagen weitere Urväter des Magdeburger Beat und Rock auf die Bühne, die Urkellergeister aus dem Jahr 1963 und gaben daher ein paar hochinteressante Einblicke in alte Zeiten. Bewegend war besonders die Erinnerung an Jürgen Halder, den "Cafe Impro"-Mitbegründer und legendären Bandleader aus Magdeburg, der vor 40 Jahren tödlich verunglückte. Und die Leute hörten zu. Ihr Erbe verwalten die aktuellen Geister ordentlich. Sie spielen wie ihre Vorväter Coversongs. Ihre Musik ist ähnliche der Crossfires, nur sind sie noch etwas rocklastiger und die Titel teilweise weit jüngeren Datums. Ein furisoer Beginn mit "Perfect stranger", gefolgt von Krachern wie "Locomotiv breath" und ähnlichen Rocküberhits. Die waren nicht perfekt kopiert, sondern wurden so gespielt, wie es die Band vermochte. Einen ganz besonderen Höhepunkt hatten sie im Programm, als sie Frumpys "How the Gipsy was born" anspielten, denn da war ich in meine Jugendzeit auf den Sälen rund um Magdeburg zurückversetzt. Wer weiß, vielleicht war ich auch mal bei einem Jugendtanz mit den Kellergeistern. Wenn dann sicher für solche Cover, die damals der eigentliche Grund waren, zu diesen Bands zu gehen. Das war schon toll, diese Hymne live zu hören, auch wenn der Sänger nicht Inga Rumpf ist und die Band ab einem gewissen Punkt die Melodie eher frei interpretierte. Trotzdem ganz großes Kino. Und das ging nicht nur mir so, wie man im Publikum sehen konnte. Die Pause vor den Klosterbrüdern überbrückte dann noch einmal Hans Walsch. Dieses Mal mit seiner Frau und Gesangspartnerin unter anderem mit einem Duett in dem sie einen Tina Turner Part übernahm. Dazu gibt es wenig zu sagen, zumal ob des bevorstehenden Auftritts der Klosterbrüder die Atmosphäre vor der Bühne wie elektrisiert war.
Die Leute erwarteten den Höhepunkt des Abends und sie sollten ihn bekommen. Kessler und Kneis in ihren langen schwarzen Mänteln wurden mit Jubel begrüßt als die "Klosterbrüder" die Bühne betraten. Dazu Jörg Matze Blankenburg an der Gitarre, Andreas Kuhnt am Bass, Bernd Schilanski am Schlagzeug... das sind Größen des Ostrock. Dazu ein für Lothar Kramer spielender Keyboarder, der seine Sache ebenfalls richtig gut machte (leider ist mir der Name der Vertretung entfallen). So demonstrierten die fünf Herren, warum sie Kultstatus genießen. Ihr Part begann mit "Untreue Freunde". Da schon war klar, dass die Herren super drauf waren, denn sie hatten ein wenig geprobt, die Anlage stimmte, und so konnte das ein denkwürdiger Auftritt werden. Und er wurde es. Die genialen Gitarrenparts Matze Blankenburgs, das fantastische Saxophon Dietrich Kesslers, die begnadete Stimme Hajo Kneis'... Gelegentlich sagt man ja so, "dass ich das noch erleben durfte". An diesem Abend traf das auf den Auftritt der Klosterbrüder zu. Da stimmte einfach alles. Live und ohne doppelten Boden spielten die Herren, als wären sie nie weg gewesen von der Bühne. Einfach ein Erlebnis. Ob die eigenen Klassiker oder ihre legendären Collosseum Adaption von "Walkin' in the Park", jeder Ton wurde vom Publikum aufgesogen. Unglaublich was die Männer gerade bei diesem Titel improvisierten. Gänsehaut, wenn Hajo aussang, Luftanhalten ob des Saxophons von Kessler, Mitspielen bei der Gitarre. Die Rhythmusgruppe darf nicht zu kurz kommen. Kuhnt geniest unter Kollegen den Status "Guru", und Schilanski versteht sein Fach nicht minder. Sie spielen unprätentiös und banddienlich, sind aber die Grundlage dafür, dass alles stimmig rüberkommt. Einzelkritik der Titel spare ich mir, denn die waren alle einfach nur durchweg toll gespielt. Ob "Wenn ich zwei Leben hätt", "Kalt und Heiß", "Rock'n Roll Preacher" von Atlantis, bei dem Hajo eine Brille aufsetzte, um das Stück vom Blatt zu singen (?), oder "Was wird morgen sein"... alles begeisterte gleichermaßen. Die Klosterbrüder lieferten Stück für Stück das versprochene große Kino. Und die Menge gab das zurück. Schließlich war aber auch die Zeit der Klosterbrüder an diesem Abend gekommen. Natürlich nicht ohne die Zugabe. Die bestand in einer Art Hommage an Magdeburg mit "Verkehrte Welt", dem Titel in dem es um die Magdeburger Halbkugeln im Text geht. Das Publikum vermisste noch alle möglichen Titel. Die aufzuzählen ist müßig. Dem Moderator fiel es zu, die Masse zu beruhigen. Er machte das unter anderem mit dem Verweis auf eine CD, die die Klosterbrüder extra für diesen Event aufgelegt hatten, und die es auch an Tamaras Stand zu kaufen gab. Danach sollte ein besonderer Höhepunkt folgen, der aber fast zum Desaster geriet. Die angekündigte Versteigerung der Gitarre stand an. Doch fand sich warum auch immer niemand, der dieses einmalige Stück, das sicher einmal etwas wie ein Artefakt werden kann, ersteigern wollte. Kleingeld traute sich wohl niemand aufzurufen und großes Geld hatten wohl die wenigsten, auch wenn der Preis nicht sofort zahlbar gewesen wäre.So blieb es beim Anfangsgebot von 500 Euro. Eine Ankündigung der Aktion oder eine entsprechende Internetauktion über eine der "IMPRO"-Seiten hätte möglicherweise mehr Erfolg gehabt. Das Geld, das die Versteigerung brachte, wird an die Musik Kids Magdeburg gehen.
Ja, und dann sagte Holger die letzte Band an: Die Lords. Der Stadtpark bebte, hatte man sich doch sehr gefreut, diese Band, die seit 50 Jahren musiziert, live zu erleben. Live war das aber nicht. Life sehr wohl. Die grauhaarigen Männer leben noch, machten auf der Bühne Halli Galli mit ihren und gecoverten Songs aus den 60ern und heizten damit zu Recht das Publikum richtig an. Wie sie das allerdings machten, war zum einen eine Frechheit, zum anderen zirkusreif. Die Herren spielten Vollplayback (!!!), allerdings mit einer Show die ihres gleichen sucht. Ich musste noch einmal an den Rand der Bühne, um zu sehen ob bei den gutaussehenden Verrenkungen der Finger und des Mundes Töne produziert wurden. Wurden nicht! Man veralberte das Publikum sogar soweit, dass dann sichtbar Unsynchronitäten auftraten, ja Instrumente ertönten, die nicht auf der Bühne waren oder gerade nicht gespielt wurden. So toll die Musik der Lords war und ist, das Publikum begann geradezu Party zu machen zu Titeln wie "Poor Boy" oder "Wild Thing" (ja, selbst die Lords kamen nicht ohne Covern aus), der Auftritt war ganz und gar nicht so toll, konnte aber den überaus positiven Gesamteindruck des unvergesslichen Abends nicht wirklich trüben.
Den prägte viel mehr das große Schlussbild, bei dem alle Musiker noch einmal auf die Bühne kamen. Ein besonderer Moment, so sah ich das, war es Pitti und Dietrich Kessler fröhlich, freundschaftlich Arm in Arm auf die Bühne kommen zu sehen. Nichts da mit "untreue Freude" oder ähnlichem. Der Chef des gesamten Spektakels, "Holli" Holger Drews, erfüllte sich schließlich noch einen Wunsch: Unter Begleitung von Andreas Kuhnts Bass und Mitwirkung von Hannes Andratschke und Peter Wengoborski, dem Sänger der Kellergeister, zelebrierte er die Magdeburger Drews Chöre. Er stimmte "Hang on Sloopy" an und forderte alle auf mitzumachen. Und wie die mitmachten... Ein schönes Ende eines tollen Events, bei dem die Musiker ebenso viel Spaß an der Sache hatten, wie die Zuschauer vor der Bühne. Das wurde mir immer wieder bei verschiedenen Gesprächen bestätigt. "IMPRO im Stadtpark" wird seinen Platz in den Musikanalen des Ostrock finden, da bin ich mir sicher. Für alle, die nicht live dabei waren bleibt zu hoffen, dass aus den vielen Kamera- und Bandaufzeichnungen ein Tonträger, vielleicht sogar eine DVD entsteht, mit denen man diesen denkwürdigen Tag und die Auftritte so vieler großen alter Magdeburger Bands und Gäste noch einmal erleben kann. Den Veranstaltern um Holger Drews bleibt für dieses ganz große Festival zu danken und den Musikern auf diesem Wege zuzurufen: "Das habt ihr toll gemacht. Danke für dieses einmalige Erlebnis!!!".
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