Ostpoesie live am 20. April 2009 in Leipzig
(mit Suse Jank & Band)

 

Bericht: Fred Heiduk
Fotos: Promoflyer

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Ehrt man die Rose noch? Vortragskonzert Universität Leipzig am 20.04.09 - 19:00 Uhr
Halbzeit bei den Vortragskonzerten "Ehrt man die Rose noch?". Das mittlerweile 5. Konzert fand am 20.04. in Leipzig statt. Der Veranstaltungsort war ein Saal im Institut für Musikwissenschaft der Universität Leipzig. Ein wahrlich musikgeschichtsträchtiger Ort, ist die Goldschmidtstraße 12 doch auch das Mendelsohn Haus, das Wohnhaus des berühmten Komponisten, Musikpädagogen, Musikers und Gewandhauskapellmeisters, das er in seinen letzten Lebensjahren bewohnte. In dieser Umgebung wurde vor etwa 50 Gästen ein ganz besonderer und kurzweiliger Überblick über die Geschichte und Entwicklung der DDR Rockmusik gegeben. Das Skript der Veranstaltung wurde bereits beschrieben. In einer Verbindung von Vortrag und Musik werden besondere Etappen und Themen des Ostrock angeschnitten und musikalisch untermalt. Mich hat die Arbeitsteilung im Vortragsteil zwischen der Musikwissenschaftlerin Prof. Jank und Suse Jank, Sängerin der Band die diesen Abend musikalisch gestaltete, etwas überrascht. Angenehm überrascht. Denn so kam zu den trockeneren Fakten der Wissenschaft - die auf Grund des überaus engen Zeitrahmens teilweise etwas oberflächlich für die wirkten mussten, die sich mehr oder weniger gut im Ostrock auskannten - gewissermaßen die Übersetzung der Fakten in die Gefühlswelt der jungen Leute von heute. Und genau das ist das Anliegen der Vortragsreihe. Junge Leute in Kontakt mit der Rockmusik des Ostens zu bringen, gegen das Vergessen dieser Musik direkte Aktivitäten und Beschäftigung mit dem Thema zu stellen. Umso erfreulicher war es, dass die Hälfte der Besucher genau aus der Zielgruppe kam und der Altersdurchschnitt erfreulich niedrig zu sein schien. Und es sei an dieser Stelle ebenfalls betont, dass gerade die jungen Leute im Publikum geradezu begeistert von dieser Art, den Ostrock zu vermitteln, waren. Vor Konzertbeginn hörte ich einen jungen Mann zu Freunden sagen: "Das wird Klasse. Ich war gestern in Halle und musste mir das heute einfach noch einmal anhören". Durchaus verständlich.
Der Vortragsteil ist eine gigantische aber kurzweilige Informationsflut. 2 Stunden voll gepackt mit Informationen auf allen Ebenen. Fakten und Geschichten von den Moderatoren sicher, interessant und charmant dargeboten. Videoclips und andere Bilddokumente auf einer Leinwand passend zum jeweils vorgestellten historischen Abschnitt. Dazu die musikalische Umarmung, die ja zumindest zeitlich den Hauptteil bildete und wohl auch der Teil ist, der am meisten anspricht. Suse Jank & Band illustrieren die einzelnen Kapitel des Vortrages mit passenden Titeln aus der DDR Musikgeschichte. Die Titelauswahl hat sie weitgehend allein getroffen, wie sie mir sagte. Dabei stand das ganz persönliche Empfinden im Vordergrund. Sie wählte ihr gefallende Titel aus, die jedoch auch textlichen Aussagen haben sollten. Und sie traf eine gelungene Auswahl, die gewissermaßen die große Bandbreite der Musik in der DDR wiederspiegelte. Das reicht von Frühwerken wie z.B. "Sagen meine Tanten" (Scirocco) und "Wenn's draußen grün wird" (Manfred Krug) über "Schlager aus den befreundeten Ländern" (ANIKO - Tausendschön) und Petra Ziegers "Katzen bei Nacht" als Beispiel für einen 80ger Jahre Popsong, bis zu großen Titeln des Ostrock wie Lifts "Wasser und Wein", Vroni Fischers "Guten Tag" und Beispiele für "Überlieder" des Ostens. Denn in gewisser Weise sind das Titel wie "Als ich fortging" und "Wer die Rose ehrt" ja wirklich. Wie gesagt: niemand erhob den Anspruch, dass eines der ausgewählten Lieder DAS Lied für ein beschriebenes Kapitel der DDR Musikgeschichte wäre. Aber gepasst haben sie alle. Zugleich machte der Abend deutlich, dass man dieses Thema im Grunde weit umfänglicher und tiefer beleuchten kann, vielleicht gar müsste, und dass man an diesem Abend wirklich nicht mehr als Überblick und Anregung zu vermitteln im Stande war. Umso erfreulicher, dass es den einen oder anderen Zuhörer gab, der die Veranstaltung verließ mit dem festen Vorsatz, sich ein wenig mehr mit der Musik der Eltern zu beschäftigen. Die Diskussion im Anschluss an das Vortragskonzert war jedenfalls sehr lebhaft und setzte an einigen Punkten des Vortrages an. Zudem gaben die Musiker Einblicke in die Vorgeschichte des Konzertteils. Dazu sollte man wissen das Suse Jank eine wahrlich internationale Band zusammengestellt hat. Die meisten der Musiker hatten vor dem Ostpoesieprogramm kaum Berührungspunkte mit dem Ostrock, gingen also völlig unvoreingenommen an die Erarbeitung der zu spielenden Songs. Wie erwähnt wurden die einzelnen Titel von Suse Jank ausgewählt. Für die Bearbeitung zeichnet sie mit dem Jazzpianisten Clemens Süssenbach verantwortlich, wobei auch andere Bandmitglieder zumindest an der Feinarbeit beteiligt waren. So erzählte mir der Gitarrist der Band, der Italiener Enrico Antico, dass er in der Regel einen spielbaren Titelentwurf vorgelegt bekommen hat und dann seine Variationen einbringen konnte. So entstanden letztlich eine Reihe Titel in ungewohntem Jazzrockgewand. Im Verlauf des Konzerts konnte jeder der Musiker seine virtuosen Stärken zeigen. Süssenbach hat für die einzelnen Instrumente in verschiedenen Titeln Soli konzipiert. Diese waren vor allem auch deshalb erwähnenswert, weil sie allesamt relativ kurz gehalten waren, doch vermitteln konnten, dass die Musiker individuelle Klasse haben. Als Band verwandeln sie die einzelnen Lieder in eigene Interpretationen. Zumeist im jazzigen ¾ Takt und getragen von der wunderbaren Stimme Suse Janks. Was sich so einfach anhört erweist sich bei genauerem Hinhören als überaus vielfältig. Jedes der Stücke verbindet gegebene, bekannte Melodieteile und Arrangements mit neuen Teilen. So bleiben eigentlich alle Titel wiedererkennbar und sind dennoch vielfach ungewohnt und neu. Da wird aus Sciroccos "Sagen meine Tanten" ein Tango, und Bieges "Als der Regen niederging" swingte mächtig, was dem Titel ganz und gar nicht schadete. Einige Titel bleiben nahe an den Originalen, ohne diese jedoch zu kopieren. "Katzen bei Nacht" von Petra Zieger oder die Manfred Krug Interpretation von "Wenn's draußen grün wird", aber auch der Anfang von Sillys "Paradisvögel" können dafür als Beispiel stehen. Und gerade bei den Stücken darf kritisch gefragt werden, ob man mit so geringer Abwandlung eines Stückes wirklich etwas schaffen kann, das Ersthörer, die bisher wenig mit Ostrock konfrontiert waren, mehr als die Originale begeistert und zur Beschäftigung mit der Materie Ostrock anregt. Eine Antwort darauf maße ich mir nicht an. Aber ich will einmal spekulieren: die Titel werden sauber gespielt, die Arrangements sind stimmig. Und dann kommt das Besondere, das Einzigartige. Das ist in aus meiner Sicht Suses Stimme. Frisch, voller Kraft, gleich in welchen Tonlagen zu singen ist. So spielt sie mit allen Titeln. So schafft sie sogar nahe am Original Besonderes. Ich möchte zu gern "Als ich fort ging" in Suses Version im Duett mit Dirk Michaelis hören. Nahe am Original bleibt trotzdem streitbar, zumal man die Originale zumeist noch live erleben kann. Stellt sich die Frage, darf man die Originale zeitgemäß ändern? Dass man das darf, und wie man es machen kann, zeigen Suse Jank und Band bei zwei wahren Hymnen des Ostrock. "Guten Tag" von Veronika Fischer und Lift /Treptes "Wasser und Wein". Bei beiden Titeln, die hörbar verändert sind, brilliert Suse Jank. Ich hatte das Gefühl, wenn man die Originale schon verändert, dann muss man das so machen. Suses Stimme führt die Band in diesen beiden Titeln geradezu. Sie reißt mit ihrem Einsatz mit und schafft es, die Intensität der Originale zu erreichen. Zwei überaus hörenswerte Versionen dieser beiden, zu den "Übersongs" des Ostrock gehörenden Lieder. Obwohl die Band nicht nur ein Mal ihre hohe Musikalität und das handwerkliche Können ihrer Mitglieder unter Beweis stellt, ragt Suse Jank doch hinaus. Super sicher in verschiedenen Tonlagen, mal gefühlvoll intonierend, mal kraftvoll rockend, immer engagiert machte sie alle Lieder zu ihren. Bleiben noch zwei Titel zu erwähnen. Den ersten des Konzertes "SOS" von Silly. Der war für mich nicht ganz so stark interpretiert wie die übrigen. Aber das kann sehr wohl daran gelegen haben, dass - vermutlich nicht nur bei mir - eine gewisse Skepsis gegenüber dem vorhanden war, was angekündigt worden war. Möglicherweise brauchte es das erste Lied, um mit dem Gedanken an sich vertraut zu werden, dass veränderte Ostrocksongs Ostrock bleiben und nichts von ihrer Faszination und Besonderheit verlieren müssen, wenn man sich ihm mit Verstand und Respekt nähert und sich bemüht diese Faszination und Besonderheit in Neuem zu bewahren. Und genau das machen Suse Jank und Band in ihrem Programm. Und darum ist es auch rundum gelungen. Einschließlich der durchaus gewöhnungsbedürftigen Interpretation von Renfts "Wer die Rose ehrt" im ¾ Takt. Und wer weiß, vielleicht ist sogar das der größte Verdienst dieser Veranstaltungsreihe, den Ostrock und seine großen Hits in Frage zu stellen und sie durch eine unvoreingenommene Betrachtung neu zu entdecken und damit möglicherweise vor dem Vergessen zu bewahren. Auf jeden Fall war es ein kurzweiliger Abend mit gut gemachter Musik, interessanten Gesprächen und Gesprächspartnern sowie der Information Suse Janks, dass es geplant ist, die Titel des Konzertes auf einer CD zu veröffentlichen. Bis dahin ist noch etwas Zeit. In der wird das Vortragskonzert an 3 Hochschulen in Bayern (Regensburg, Augsburg und Würzburg) präsentiert. Dort werden die Beteiligten des Konzertes feststellen, ob auch dort die Rose (noch) geehrt wird. Dafür drücke ich die Daumen und wünsche Toi, Toi, Toi. Für Leipzig glaube ich feststellen zu dürfen: Ja, man ehrt die Rose noch. Und wer weiß, vielleicht gibt es ja wirklich wie auch immer eine Fortsetzung des Projektes, möglicherweise sogar mit einer Suse Jank Band. Themen gäbe es da noch sehr, sehr viele.

 


   
   
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