17 Hippies live in der Kulturbrauerei
zu Berlin am 30. Dezember 2009
Fotos: Rüdiger Lübeck
Wenn man zwei Abende in Folge das Kesselhaus der Kulturbrauerei füllen kann, und das zwischen den Feiertagen, wenn der geneigte Konzertgast seit langem für zwei Abende in Folge keine Chance mehr hat, auf "regulärem" Wege noch eine Eintrittskarte zu ergattern, und wenn im Publikum dann auch noch so ziemlich alles zwischen 7 und 70 anzutreffen ist, dann muss es wohl etwas besonderes sein, was sich da angekündigt hat.
Ich gebe zu, dass ich die 17 Hippies, die - wie wir inzwischen alle wissen - tatsächlich "nur" 13 sind, bislang lediglich als Lieferanten der originellen Filmmusik in Andreas Dresens "Halbe Treppe" kannte. So mag es auch dem einen oder anderen Leser ergehen, und die grundsätzlich wichtigste Frage, die eben dieser möglichst ohne Umschweife kurz und prägnant beantwortet wissen will, nämlich ob es denn lohne, sich dieses Spektakel einmal live anzutun, sollte mit dem Hinweis auf die ersten Zeilen dieses Beitrags bereits beantwortet sein.
Sie hatten sich einen "Special-Guest" mitgebracht, die Hippies, der spezieller nicht sein konnte: Elyas Khan aus Brooklyn/New York; ein Musiker, der nur schwerlich in die gängigen Genres einordbar ist. Orientalisch-melodiöse, mitunter gar an muslimische Gebete erinnernde Gesänge, untermalt mit krachendem Rock, der es wirklich in sich hat. Nicht zuletzt Verdienst seines (mir namentlich nicht bekannten) Vollblut-Drummers, der fast an das Tier aus der Muppet-Show erinnern würde, wenn da nicht dieser gehtgarnicht-Trainingsanzug nebst Schiebermütze gewesen wäre... Wie auch immer: Was anfangs noch etwas gewöhnungsbedürftig - weil fremd - daherkam, entpuppte sich dann doch recht schnell als hochinteressanter, markant-individueller und innovativer Musikstil, den es kennenzulernen lohnt. Seiner Homepage entnahm ich im übrigen folgenden Hinweis: "Elyas is now in Berlin preparing to record a new album for Winter 2009 at the historic Nalepastrasse FunkHaus".
Doch zurück zu den Hauptakteuren des Abends. Um dreizehn Musiker auf der alles andere als kleinen Kesselhaus-Bühne unterzubringen, bedarf es zunächst einer ausgeklügelten Logistik, um sich nicht gegenseitig in die Quere zu kommen, zumal die Positionen im Verlauf des Abends einem permanenten Wechsel unterlagen. Insgesamt drei Reihen wurden so gebildet, und jeder durfte auch mal vorne mit ran. Überhaupt war das Geschehen auf der Bühne von einer rasanten Dynamik geprägt, was angesichts der vor Lebendigkeit nur so strotzenden Musik auch nicht wirklich verwundert. Als gestalterisches Mittel zum Zweck also, auch wenn der Posaunenzug dabei einige Male bedenklich dicht an meinem üppigen Haarschopf vorbei pfiff.
Die Band ließ sich überdies nicht lumpen und hatte eine kleine, d.h. eigentlich sehr aufwändige Überraschung für's Publikum parat: An der Decke des Saales wurden einzelne Orgelpfeifen, die aus einer Parchimer Kirche stammen, angebracht. Diese wurden mittels voluminöser Ballons "beblasen", wofür sich wiederum die Zuschauer selbst verantwortlich zeichnen konnten, durch Betätigung heruntergelassener Strippen. So ergaben sich mehr oder weniger zufällige tieffrequente Töne, die die Musiker ihrerseits auf der Bühne begleiteten. Nach meinem Geschmack funktionierte das allerdings nicht wirklich; dennoch war es eine originelle Idee, die wohl auch als Anerkennung der stets interaktiven Fans gedacht war.
Die Facetten des Repertoires umfassen osteuropäische und jüdische Volkslieder ebenso wie französische Chansons oder amerikanischen Folk. Das ganze teils instrumental (macht bei dreizehn Musikern dreizehn Instrumente!); teils mit deutschem, französischem oder englischem Gesang. Was sich jetzt vielleicht etwas überfrachtet liest, passt aber durchaus zueinander. Und genau das ist es wohl auch, was dieses exotische Ensemble zuvorderst ausmacht: eine klare, vom alles (an-)treibenden Bass bestimmte verbindende musikalische Grundlinie, die Rhythmus hat, die Feuer hat, die Seele hat. Und die sich eben nicht in jedes 08/15-Schema einordnet, sondern stets die individuelle Note bewahrt. Ob ich mir deshalb je eine Platte der Band holen werde, habe ich noch nicht abschließend mit mir ausgemacht. Aber eines weiß ich ganz bestimmt: Wenn sie wieder in diese (i.ü. auch ihre) Stadt kommen, werde ich erneut dabei sein. Denn LIVE sind die 17 Hippies unschlagbar!