Lift & Gastsolist Jan-Josef Liefers
am 18.10.2008 in Berlin-Grünau
(incl. Interview mit Werther Lohse)
Fotos: Petra Heinzel
An einem wunderschönen, goldigen Herbsttag machten wir uns auf den Weg in eine Kirche. Jeder, der mich gut kennt, wird sich wundern: Was will Petra in einer Kirche? Für jeden Weg, den man wählt, gibt es gewisse Gründe: Die Band LIFT hatte zum Konzert anlässlich ihres 35-jährigen Jubiläums eingeladen. Also fuhren wir durch das herbstlich bunte Berlin bis in den Ortsteil Grünau. Nicht weit vom Langen See entfernt befindet sich die Friedenskirche. Als wir auf dem Vorplatz ankamen, schlug es auf der in knapp 40 Meter Höhe befindlichen Kirchturmuhr zwei Mal... es war 17:30 Uhr. Die Techniker waren mit dem Soundcheck beschäftigt. Wenige Minuten später traf ich Werther. Er wollte mir Jan Josef Liefers vorstellen, worauf wir erwiderten uns bereits auf einem anderen Event kennen gelernt zu haben. In der Kirche herrschte wildes Treiben. Die Techniker horchten auf jeden noch so kleinen Ton. Sie wuselten durch die gesamte Kirche, belegten beinahe jeden Platz um einen optimalen Sound zu erzeugen. Dann fanden sich alle Musiker auf der Bühne ein, und auch manch ein Familienmitglied der Musiker nahm auf den dunklen Holzbänken Platz. Einige Songs wurden nun gemeinsam geprobt. So ganz zufrieden waren die Techniker aber nicht. Das hatte auch einen ganz bestimmten Grund. Immer wieder tauchte ein leises Brummen auf, bis dann endlich der Übeltäter entlarvt wurde: es war eine kleine Kirchenlampe, die später sowieso nicht benötigt wurde.
Um 19:00 Uhr begann der Einlass, so dass ich noch genügend Zeit für ein Gespräch mit Werther hatte (siehe Interview weiter unten). Die Kirche wurde richtig voll, sogar der obere Rang füllte sich. Zwei gut gebaute Männer traten in Erscheinung und begrüßten alle Anwesenden: "Wir sind noch nicht LIFT... wir sind die dicken Moderatoren... wir möchten einen prominenten Gast persönlich begrüßen. Herzlich willkommen Reinhard Fißler, Sänger von Stern-Combo Meißen (das Publikum applaudierte kräftig)... heute ist nicht irgendein LIFT-Konzert, denn 35 Jahre gibt es sie schon, und der spezielle Gast ist heute Abend Jan Josef Liefers." Sie verwiesen noch auf das anstehende gemeinsame Konzert von Renft und Ton Steine Scherben am 30.12. und wünschten viel Vergnügen mit LIFT.
Yvonne und Bodo betraten die Bühne. Yvonne durfte den ersten Ton des Abends auf ihrer Violine hervorzaubern, worauf Bodo mit seiner Gitarre einsetzte. Und kurz darauf begab sich Werther im begrüßenden Applaus an sein Keyboard. Schließlich komplettierte der Bassist Jens das akustische Intro. Mit seiner Stimme und "Die gelben Wiesen" erhellte Werther die Kirche. Er begrüßte dann das Publikum: "Schön euch zu sehen. 35 ist eine gewaltige Zahl. Obwohl, wenn ich hier so in die Runde gucke (ein Lachen ging durch die Reihen, da sich im Publikum Musiker älterer Bands befanden). Viel Spaß, hier ist LIFT!" Werther nahm zur rhythmischen Unterstützung einen Handshaker, was gar nicht nötig gewesen wäre, denn die Zuschauer fanden sofort den richtigen Einstieg zu "Jeden Abend". Die Textzeile "Komm zurück zu mir am Abend" erwies sich in der Kirche für einen Acappella-Gesang wunderbar geeignet. Mit Verstärkung eines Schellenkranzes wurden wir mal kurz in den "Winter" entführt. Kuschelig angezogen waren ja alle, da es in Kirchen immer recht frisch ist. Mit dem Lied "Komm her" erinnerte Werther an den Todestag der beiden vor dreißig Jahren verunglückten Bandmitglieder Gerhard Zachar und Henry Pacholski. Hierfür setzte sich Werther auf einen Hocker und ließ wieder seinen Schellenkranz vibrieren. Auf der Bühne herrschte ständig Bewegung. Den "Freitag" verbrachte Yvonne plötzlich auf der anderen Bühnenseite, zwischen Bodo und Jens. Dort zupfte sie auf ihrer Violine, während Werther seine Kastanietten durch die Lüfte schwang und Jens seinen Bass forderte. Auch wenn es sehr lebendig war, fanden alle Musiker ein punktgenaues gemeinsames Ende. Wie vielseitig Frauen sein können (!), bewies Yvonne an diesem Abend. Sie zeigte ihr musikalisches Können mit Violine, Mandoline, Keyboard und Gesang. Die Titelauswahl wechselte zwischen lebhaften und ruhigen Liedern. Für das in die Setlist eingeschobene "Liebeslied" verließ Jens die Bühne. Später sagte Werther: "In die Pause schicken wir euch mit einem Song, den ihr alle kennt". Er sang "Als ich ein Kind noch war, da war mir gar nicht klar...". Bei diesem Lied hätten mir auch Flügel wachsen können, ich wäre mit den Vögeln nach Süden geflogen. Alle sangen mit "Abzuhaun".
Nach einer 20-minütigen Pause erklang "Wenn die Abendbilder schwinden, Nebel ziehen mit lauen Winden, sinkt hinab Tagesmacht, steigt aus den Wiesen die Nacht...". Bodo und Yvonne mimten hier die Zweitstimmen. Bei "Wind trägt alle Worte fort" ließ Bodo nicht nur seine Gitarre singen, sondern er übernahm auch den kompletten Gesangspart. Das Publikum war begeistert. Nachdem alle "Scherbenglas" genießen konnten, sagte Werther: "Es gibt einen Song, der wurde 1980 Hit des Jahres, und der ging so: ‚Am Abend mancher Tage...'." Jan Josef betrat die Bühne und übernahm sofort die zweite Strophe. Jan Josef hielt eine kurze Ansprache: "Die Band wird 35 Jahre. Meinen herzlichen Glückwunsch an LIFT. Ich kann mich an diesen Song erinnern... ich durfte kein ABI machen, zu schlechte Kopfnoten. Ich hätte mehr draus machen können, sollte dafür bei der NVA unterschreiben und ich sagte, nein danke, ich bin nicht interessiert. Axel Prahl ist auch hier, Regisseur vom Film `Du bist nicht allein`. Er ist der Texter vom nächsten Lied `Lebe deinen Traum`. " Sehr ausdrucksstark und überzeugend präsentierte Jan Josef diesen Song im neuen Gewand. Kurz darauf stellt Werther seine Band vor: "An Mandoline, Keyboard, Geige und am Mikrofon Yvonne Fechner. An Gitarre, Synthesizer sowie Mikrofon Bodo Kommnick. Auf den Trommler mussten wir heute verzichten. Jens Brüssow am Bass. Und natürlich unser Special-Guest Jan Josef Liefers." Worauf Jan Josef erwiderte: "Und die graue Eminenz der Band: Werther Lohse". Mit "Mein Herz soll ein Wasser sein", Werther und Jan Josef wechselten sich beim Gesang ab, sollte sich der Abend dem Ende neigen. Aber daraus wurde natürlich nichts. Das Publikum forderte lautstark nach Zugaben. Die Kirche bebte fast, alle trampelten wie wild auf dem Holzfußboden. Drei Zugaben konnten dabei heraus geschlagen werden. Zum Abschluss sangen alle gemeinsam "Wasser und Wein". Der Pastor hätte sich bestimmt gefreut so vielen sangesfreudigen Menschen in einer Kirche zu begegnen.
Zum Interview: HIER KLICKEN