Ein Bericht mit Fotos von Bodo Kubatzki
Meinen Bericht zum ROXSA Festival 2023 schloss ich mit diesem Satz: "... im nächsten Jahr werden wir mit Sicherheit wieder dabei sein, beim ROXSA Festival in der kleinen Stadt Bad Sülze." Und ja, wir sind wieder dabei, dieses Mal ganz aktiv als Teil des Teams, das dieses Event vorbereitet und durchführt. So werde ich mich in meinem Bericht weniger auf die musikalischen Acts beziehen. Vielmehr will ich die Aktivitäten des Orga-Teams und der vielen fleißigen Helfer und Helferinnen beschreiben, die in den vergangenen Monaten dazu beigetragen haben, dass das ROXSA Festival mit seiner außergewöhnlichen Atmosphäre erfolgreich über die Bühne gehen kann.
Als wir das Festival, welches seit 2015 stattfindet, im vergangenen Jahr zum ersten Mal besuchten, trafen wir auf viele freundliche Menschen, die bei spannender Musik gemeinsam ein schönes Wochenende verbrachten. Bereits da hatte ich den Gedanken, Teil dieser Gemeinschaft werden zu wollen. So kam es zu Gesprächen mit den Veranstaltern, die sich als Freundeskreis Popkultur e.V. organisiert haben. Die Evangelisch-Lutherische Kirchengemeinde Bad Sülze ist ebenfalls in die Organisation des Festivals involviert. Das ROXSA-Festival soll dazu beitragen, die ländliche Region, in der Bad Sülze liegt, kulturell zu beleben. Dies geschieht in enger Zusammenarbeit der Vereinsmitglieder mit vielen ehrenamtlichen und freiwilligen Helferinnen und Helfern.
Es bedarf monatelanger Vorbereitung, solch ein dreitägiges Festival zu organisieren. Finanzielle Mittel müssen ausreichend zur Verfügung stehen. Die Einnahmen durch den Ticketverkauf decken den Bedarf nicht. Die Tickets sollen erschwinglich bleiben. Zum Glück gibt es Sponsoren, die sich an der Finanzierung beteiligen, und es können Fördermittel beantragt werden. Doch dafür muss man dann auch den Zuschlag bekommen. Ist die Finanzierung gesichert, heißt es, Verträge mit Bands und Künstlern zu schließen. Mit Joy Denalane und Gregor Meyle wurden in diesem Jahr wieder Künstler gewonnen, die einen ausreichenden Bekanntheitsgrad haben, um neue Gäste für das Festival zu gewinnen. Tatsächlich kannte auch ich nur diese beiden Namen aus dem Line-Up. Einige Wochen vor dem Festival finden sich die Menschen zusammen, die sich bereit erklärt haben, für den reibungslosen Ablauf des Festivals zu sorgen. Für mich ist es erstaunlich, was alles bedacht werden muss und welche Aufgaben es zu verteilen gilt. Unterstützung beim Bühnenaufbau, Bereitstellung und Betreuung der Technik, Betreuung der Künstlerinnen und Künstler, Einlass und Kasse, Toilettenwart, Betreuung des ROXSA-Dorfs, Merchandising, Notfallteam, Ordnung und Sicherheit, all das muss gewährleistet sein. Ich selbst habe die Möglichkeit, während des Festivals eine Auswahl meiner Konzertfotos in einer Galerie zu präsentieren. In der Galerie wird auch der polnische Filmemacher und Fotograf Michał Zak einige Fotos von verfallenen Häusern in Bad Sülze zeigen, die durchaus erhaltenswert sind. Michał und seine Ehefrau Edyta Rogowska-Zak sind das Kreativ-Team, das mit unzähligen Ideen und Marketing-Strategien maßgeblich zum Erfolg des Festivals beträgt. Doch den Hut hat Uwe "Bobby" Bobsin auf. Nicht umsonst steht auf dem Schild, das er während des Festivals trägt, FESTIVAL DIRECTOR. Bei ihm laufen alle Fäden zusammen, die das Organisatorische und den Ablauf des Festivals betreffen. Kein einfacher Job, doch diesen erledigt er mit Ruhe und klaren Ansagen. Am Donnerstag vor dem Festival treffen wir uns zu einer letzten Einsatzbesprechung. Wir erhalten detaillierte Ablaufpläne, so dass jeder seine Aufgaben kennt. Es bleibt nur zu hoffen, dass uns der Wettergott am Wochenende gewogen ist.
Freitag, 12. Juli 2024
Das ROXSA-Festival 2024 startet gegen 17.30 Uhr. Musikalisch soll dieser Freitag vorrangig die jüngere Generation ansprechen, wenn man von Headliner Gregor Meyle mal absieht. Der Platz vor der Bühne sieht noch sehr überschaubar aus, als der erste Künstler die Bühne betritt. Das ist sehr schade, denn der Rostocker Liedermacher Leon Zeug überrascht uns mit seinen in Englisch gesungenen Liedern, die irgendwo zwischen Folk und Pop angesiedelt sind. Allein auf der Bühne, Gitarre, Cajon und Mundharmonika spielend, eine Schelle am Fuß, so begleitet er seine Lieder, von denen einige das Potenzial zum Ohrwurm haben. Ich hätte ihm an diesem frühen Abend ein größeres Publikum gewünscht.
Rapper Apollo34
Für etwas mehr Bewegung auf und vor der Bühne sorgt der Rapper Apollo34. Aufgewachsen ist er in Neubrandenburg, so wie ich, nur zu einer anderen Zeit. Die Tristesse des Lebens in dem Plattenbau-Stadtteil mit der Postleitzahl 17034 verarbeitet er in seinen Liedern. Seine Texte sind greifbar und ehrlich. Mit seinen beiden Mitstreitern, dem DJ Mister Willson und dem Rapper smallC, sorgt er für einen energiegeladenen Mix aus stampfenden Beats, Rap und Gesang. Auch wenn dies nicht meine bevorzugte Musikrichtung ist, vermag mich der Auftritt von Apollo34 zu überzeugen.
Mit Frittenbude geht es musikalisch ähnlich weiter. Die Berliner Band, die ursprünglich aus Bayern stammt, vermischt in ihrer Musik Elemente aus Hip-Hop, Synthi-Pop und Punk. Zur aktuellen Besetzung von Frittenbude gehören der Sänger und Rapper Johannes Rögner sowie Jakob Häglsperger, der für Keyboards, Drum Computer und Geschrei (laut Wikipedia) verantwortlich zeichnet. Zwei weitere Musikerinnen und Musiker stehen mit auf der Bühne und bereichern den Gesamtsound mit Gesang und Gitarre. Von der Bühne kommen also weiterhin stampfende Rhythmen, dazu deutsche Texte, die Themen aus dem Alltag aufgreifen. Frittenbude positionieren sich in ihren Texten und Ansagen auch immer wieder gegen rechts. Das mittlerweile zahlreiche jugendliche Publikum goutiert das Konzert und lässt sich zum Tanzen animieren.
Mit Spannung erwarte ich den Auftritt von Gregor Meyle mit seiner Band. Dieser zieht mich völlig in seinen Bann. Lange ist es her, dass es Gregor Meyle mit selbstgeschriebenen Balladen bis in Finale einer Casting Show beim Fernsehsender ProSieben schaffte. Inzwischen zählt er zu den Stars der deutschen Pop-Musikszene. Doch er ist bodenständig und nahbar geblieben. Mit seiner fantastischen neunköpfigen Band zelebriert er ein Konzert der Sonderklasse. Neben Songs seines aktuellen Albums "Individualität" hören wir Lieder, mit denen Gregor Meyle in den vergangenen Jahren immer wieder in den deutschen Musikcharts punkten konnte. Mit markanter Stimme und mit seiner natürlichen Art singt er sich schnell in die Herzen des Publikums. Er ist ein Song-Poet, dessen Liedtexte aus dem Leben gegriffen sind. Die hochkarätige Band sorgt mit den unterschiedlichsten Instrumenten für ein abwechslungsreiches Soundgewand. Bläsersatz, Geige, Cello, Flöte oder Mandoline gesellen sich zum typischen Rockinstrumentarium. Sänger und Band überzeugen mit großartigen Texten, feinen Melodien sowie mal leisen und mal lauten Tönen. Beim letzten regulären Song, "Einer der besten", gibt es kein Halten mehr. Das Publikum tanzt vor Begeisterung. Als Zugaben präsentiert uns Gregor Meyle die Songs, mit denen er bekannt geworden ist, "Finde dein Glück" in einer wunderschönen akustischen Version sowie seinen ersten großen Hit "Niemand". Man könnte meinen, dass es die nächste Band nach diesem grandiosen Konzert schwer haben wird. Doch dem ist nicht so.
Gregor Meyle
Nach einer längeren Umbaupause, in der es eine Feuershow zu bestaunen gibt, weist die Bühne ein komplett anderes Bild auf. Die Berliner Band Il Civetto agiert zwischen künstlichen Palmen und vor einem Neon Schriftzug ihres Bandnamens. Die Musik der fünf Berliner Jungs, die immerhin schon vier Alben veröffentlicht haben, kann man als Fusion-Pop bezeichnen. So geht es recht beschwingt und locker auf und vor der Bühne zu. Die flotten Rhythmen und eingängigen Melodien kommen beim Publikum gut an. Gesungen wird auf Deutsch, wobei hin und wieder Hip-Hop Elemente verwendet werden. Die Texte handeln meist vom Leben in der Großstadt Berlin. Insgesamt ist es ein Konzert, dass zu dieser späten Stunde durchaus Spaß verbreitet. Mit einer beeindruckenden Lasershow findet der erste Festivaltag einen würdigen Abschluss.
Samstag, 13. Juli - Klein.Stadt.Erwachen und Musik
Der Samstag steht traditionell im Zeichen des sogenannten Klein.Stadt.Erwachens. Von 11:00 bis 17:00 Uhr locken diverse Akteure und Künstler Gäste in die Stadt, die dafür extra herausgeputzt wird. Schon am frühen Morgen gibt es in Bad Sülze ein wahnsinniges Gewusel. Im Stadtzentrum und rund um den Markt baut man Stände und kleine Auftrittsorte auf. Vor dem Café Wunderbar werden Tische und Bänke platziert und ein Bierfass angezapft. Artisten nehmen ihre Plätze ein und Straßenmusikanten checken Instrumente und Mikrofone. Mittendrin sucht der riesige Nightliner von Joy Denalane nach einem Stellplatz. Ist da bei der Organisation etwas nicht bedacht worden? Wenn ich mir unsere Ausstellung ansehe, die wir unter dem Namen L'Art Checkers in einem ehemaligen Elektrogeschäft präsentieren, muss ich feststellen, dass auch unsere Organisation nicht ganz optimal verlaufen ist. Michał ist kurz vor elf immer noch damit beschäftigt, seine Bilder an die Wand zu bringen. "Ich stehe morgen früh um sechs auf und kümmere mich darum." erzählte er mir gestern. Während ich mir nochmal den Staubsauger greife, geht meine Frau Michał zur Hand, so dass wir pünktlich öffnen können. Von dem eigentlichen Klein.Stadt.Erwachen bekomme ich nicht allzu viel mit, denn wir haben ständig interessierte Besucherinnen und Besucher in der Ausstellung. Am Nachmittag verirren sich sogar zwei Feen auf Stelzen in die Galerie, nicht unbedingt, um die Bilder zu besichtigen. Vielmehr wollen sie die Kinder erfreuen, deren Eltern sich unsere Bilder anschauen. Draußen in der historischen Altstadt gibt es Artistik, Kleinkunst, Clownerie und Musik sowie einen kleinen Flohmarkt und Theater zum Mitmachen. Im ROXSA-Dorf finden Workshops zu verschiedenen Themen statt sowie Yoga-Sessions und Veranstaltungen für Kinder. Alles ist kostenfrei und für jeden zugänglich. Die kulturellen Angebote werden von Einheimischen und Gästen gut angenommen.
Ab 17:00 Uhr ist es Zeit, sich in Richtung Bühne zu bewegen. Als erster Künstler erwartet uns der aus Neuseeland stammende Singer/Songwriter Sam Alty, den man am Tage schon als Straßenmusiker erleben konnte. Lediglich mit einer Gitarre bewaffnet interpretiert er seine eigenen Songs, die sich zwischen Folk und Pop bewegen. Überrascht bin ich, als Edyta mit auf die Bühne kommt, um gemeinsam mit Sam den Song "Lavender Water" zu singen. Dass die beiden sich kennen, wundert mich nicht, als ich erfahre, dass Sam in Wroclaw lebt. Leider ist es auch heute so, dass sich um diese Zeit erst wenige Gäste auf dem Festivalgelände eingefunden haben. So erlebt nur ein kleiner Kreis von Musikbegeisterten die vielschichtigen Songs von Sam Alty.
Schampus Pankow
Die Rostocker Band mit dem eigenwilligen Namen Schampus Pankow spielt anschließend schon vor einem größeren Publikum. Ihre Musik, die mit der Neuen Deutschen Welle ins hier und heute geschwappt zu sein scheint, findet viel Anklang. Sie geht direkt ins Ohr und in die Beine. Doch interessant ist nicht nur die Musik. Die anspruchsvollen Texte der Songs beleuchten viele Dinge des Alltags kritisch. In Verbindung mit den immer wieder punkigen Rhythmen passt das wunderbar.
Der dänische Musiker Thorbjørn Risager schlägt mit seiner Band The Black Tornado musikalisch völlig andere Töne an. Es geht zurück zu den Wurzeln von Rock, Soul und Blues. Thorbjørn Risager und seine Tour erprobte Band begeistern mit einem beeindruckenden Konzert. Risager steht mit seiner kräftigen, ausdrucksstarken Stimme im Mittelpunkt des Geschehens. Um sich herum hat er sechs fantastische Musiker geschart, die für einen homogenen und modernen Sound sorgen. Stilistisch bewegt sich die Band gekonnt zwischen Funk, Blues, Soul und Rock'n'Roll. Da gibt es dominierende Bläsersätze, wabernde Hammond-Sounds und perlende Pianoklänge sowie immer wieder beeindruckende Gitarren-Soli. Doch ist es vor allem Risagers Stimme, die heraussticht und den Songs etwas Einzigartiges verleiht. Das Gedränge vor der Bühne und der euphorische Beifall zeigen, dass das Konzert der dänischen Band gefällt.
Es ist schon etwas dunkler geworden als Deutschlands Soul Sängerin Nr. 1 die Bühne betritt. Joy Denalane hat sich viel Raum auf der Bühne geschaffen, während die vier Musiker der Band und die Background-Sängerin sich in einem weiten Bogen um sie herum positioniert haben. Joy Denalane nutzt diesen Freiraum, um im Licht der Scheinwerfer über die Bühne zu tanzen. Dazu singt sie ihre Songs, die geprägt sind vom afroamerikanischen Rhythm and Blues und von Soul-Music. Die Texte sind mal in Englisch mal in Deutsch. In ihren Moderationen gibt sie viel aus ihrem Leben preis. Sie ist ganz der Star, den man aus Funk und Fernsehen kennt. Damit spielt sie auf sympathische Weise, und das gefällt. Neben ihrem fantastischen Gesang fasziniert mich vor allem die superb aufspielende Band, die mir eigentlich zu sehr im Hintergrund steht. Joy Denalane zeigt sich musikalisch sehr vielseitig. Bei der Coverversion von Nina Simones "Four Women", singt sie den bewegenden Text in vier Sprachen. Die Textzeilen zu Peter Maffays "So bist du", gerade populär aus der Fernsehshow "Sing meinen Song", liest Joy Denalane auf Knien ab, weil die Buchstaben zu klein sind. Aber gerade diese scheinbare Unvollkommenheit macht Deutschlands Soul-Königin so sympathisch. Auch wenn Joy Denalane und ihre Band an diesem Abend immer wieder Wohlfühlatmosphäre verbreiten, hat das Konzert dann doch Längen und wirkt auf mich ein wenig eintönig. Doch der Abend ist gegen elf Uhr noch jung.
Blind Bankers
Uns erwarten die Blind Bankers mit ihrem Bullshit Rock'n'Roll aus Berlin. Die Band hat sich auf die Fahne geschrieben, Spaß verbreiten zu wollen, indem sie Klassiker der Neuen Deutschen Welle und deutsche Schlager im Stil von AC/DC interpretiert. So geht die Reise mit dem "Goldenen Reiter" über den "Skandal im Sperrbezirk" bis hin zum "Major Tom", dessen "völlig losgelöst" durch die Fußball-EM gerade wieder in aller Ohren und Munde ist. So gerät das Konzert zu einem lautstarken Höhepunkt bis weit nach Mitternacht. Zum Schluss wird noch ein gewaltiges Feuerwerk gezündet.
Sonntag, 14. Juli - Im Zeichen der County-Music
Das ROXSA-Festival lädt am Sonntagvormittag zum Country-Picknick ein. Viele Gäste folgen dieser Einladung in zünftiger Westernkleidung. Die Bankreihen auf dem Kirchplatz sind schnell besetzt. So weichen viele auf mitgebrachte Decken aus, die vor der Bühne Platz finden. Wer sich sein Essen und seine Getränke nicht selbst mitgebracht hat, kann sich an den zahlreichen Ständen auf dem Festivalgelände versorgen. Das Wetter spielt an diesem Sonntag auch mit. Für den musikalischen Rahmen sorgen die Bands Rodeo FM mit zünftiger Country-Music im rockigen Gewand sowie die Country Sisters aus Tschechien. Mit einer feurigen Mixtur aus Country, Rock'n'Roll und Klassikern der Beatmusik sorgen die Mädels für ausgelassene Stimmung. Aus dem Publikum formiert sich eine Gruppe Square Dancer, die von der Musik zum Tanzen animiert wird. An der Kirche entdecke ich zwei Cowboys auf ihren Pferden. Man könnte meinen, wir sind im Wilden Westen und nicht im beschaulichen Bad Sülze. Nur das Bullriding findet nicht auf einem echten Bullen statt. Eine professionelle Rodeo-Anlage sorgt dafür, dass man beim unvermeidlichen Sturz auf einem weichen Luftkissen landet. Mit dem Country-Picknick zeigt sich das ROXSA-Festival nochmal als Fest für Alt und Jung. Die drei Tage mit den unterschiedlichsten Veranstaltungen sind vergangen wie im Fluge.
Doch es gilt der Spruch "Nach dem Festival ist vor dem Festival". Nach einem kurzen Innehalten heißt es, auszuwerten, neue Ideen zu sammeln und mit der Organisation zu beginnen, damit wir im nächsten Jahr möglichst noch mehr Menschen beim ROXSA-Festival begrüßen können. Die Early Bird Tickets sind jedenfalls schon verfügbar.
Als wir das Festival, welches seit 2015 stattfindet, im vergangenen Jahr zum ersten Mal besuchten, trafen wir auf viele freundliche Menschen, die bei spannender Musik gemeinsam ein schönes Wochenende verbrachten. Bereits da hatte ich den Gedanken, Teil dieser Gemeinschaft werden zu wollen. So kam es zu Gesprächen mit den Veranstaltern, die sich als Freundeskreis Popkultur e.V. organisiert haben. Die Evangelisch-Lutherische Kirchengemeinde Bad Sülze ist ebenfalls in die Organisation des Festivals involviert. Das ROXSA-Festival soll dazu beitragen, die ländliche Region, in der Bad Sülze liegt, kulturell zu beleben. Dies geschieht in enger Zusammenarbeit der Vereinsmitglieder mit vielen ehrenamtlichen und freiwilligen Helferinnen und Helfern.
Es bedarf monatelanger Vorbereitung, solch ein dreitägiges Festival zu organisieren. Finanzielle Mittel müssen ausreichend zur Verfügung stehen. Die Einnahmen durch den Ticketverkauf decken den Bedarf nicht. Die Tickets sollen erschwinglich bleiben. Zum Glück gibt es Sponsoren, die sich an der Finanzierung beteiligen, und es können Fördermittel beantragt werden. Doch dafür muss man dann auch den Zuschlag bekommen. Ist die Finanzierung gesichert, heißt es, Verträge mit Bands und Künstlern zu schließen. Mit Joy Denalane und Gregor Meyle wurden in diesem Jahr wieder Künstler gewonnen, die einen ausreichenden Bekanntheitsgrad haben, um neue Gäste für das Festival zu gewinnen. Tatsächlich kannte auch ich nur diese beiden Namen aus dem Line-Up. Einige Wochen vor dem Festival finden sich die Menschen zusammen, die sich bereit erklärt haben, für den reibungslosen Ablauf des Festivals zu sorgen. Für mich ist es erstaunlich, was alles bedacht werden muss und welche Aufgaben es zu verteilen gilt. Unterstützung beim Bühnenaufbau, Bereitstellung und Betreuung der Technik, Betreuung der Künstlerinnen und Künstler, Einlass und Kasse, Toilettenwart, Betreuung des ROXSA-Dorfs, Merchandising, Notfallteam, Ordnung und Sicherheit, all das muss gewährleistet sein. Ich selbst habe die Möglichkeit, während des Festivals eine Auswahl meiner Konzertfotos in einer Galerie zu präsentieren. In der Galerie wird auch der polnische Filmemacher und Fotograf Michał Zak einige Fotos von verfallenen Häusern in Bad Sülze zeigen, die durchaus erhaltenswert sind. Michał und seine Ehefrau Edyta Rogowska-Zak sind das Kreativ-Team, das mit unzähligen Ideen und Marketing-Strategien maßgeblich zum Erfolg des Festivals beträgt. Doch den Hut hat Uwe "Bobby" Bobsin auf. Nicht umsonst steht auf dem Schild, das er während des Festivals trägt, FESTIVAL DIRECTOR. Bei ihm laufen alle Fäden zusammen, die das Organisatorische und den Ablauf des Festivals betreffen. Kein einfacher Job, doch diesen erledigt er mit Ruhe und klaren Ansagen. Am Donnerstag vor dem Festival treffen wir uns zu einer letzten Einsatzbesprechung. Wir erhalten detaillierte Ablaufpläne, so dass jeder seine Aufgaben kennt. Es bleibt nur zu hoffen, dass uns der Wettergott am Wochenende gewogen ist.
Freitag, 12. Juli 2024
Das ROXSA-Festival 2024 startet gegen 17.30 Uhr. Musikalisch soll dieser Freitag vorrangig die jüngere Generation ansprechen, wenn man von Headliner Gregor Meyle mal absieht. Der Platz vor der Bühne sieht noch sehr überschaubar aus, als der erste Künstler die Bühne betritt. Das ist sehr schade, denn der Rostocker Liedermacher Leon Zeug überrascht uns mit seinen in Englisch gesungenen Liedern, die irgendwo zwischen Folk und Pop angesiedelt sind. Allein auf der Bühne, Gitarre, Cajon und Mundharmonika spielend, eine Schelle am Fuß, so begleitet er seine Lieder, von denen einige das Potenzial zum Ohrwurm haben. Ich hätte ihm an diesem frühen Abend ein größeres Publikum gewünscht.
Rapper Apollo34
Für etwas mehr Bewegung auf und vor der Bühne sorgt der Rapper Apollo34. Aufgewachsen ist er in Neubrandenburg, so wie ich, nur zu einer anderen Zeit. Die Tristesse des Lebens in dem Plattenbau-Stadtteil mit der Postleitzahl 17034 verarbeitet er in seinen Liedern. Seine Texte sind greifbar und ehrlich. Mit seinen beiden Mitstreitern, dem DJ Mister Willson und dem Rapper smallC, sorgt er für einen energiegeladenen Mix aus stampfenden Beats, Rap und Gesang. Auch wenn dies nicht meine bevorzugte Musikrichtung ist, vermag mich der Auftritt von Apollo34 zu überzeugen.
Mit Frittenbude geht es musikalisch ähnlich weiter. Die Berliner Band, die ursprünglich aus Bayern stammt, vermischt in ihrer Musik Elemente aus Hip-Hop, Synthi-Pop und Punk. Zur aktuellen Besetzung von Frittenbude gehören der Sänger und Rapper Johannes Rögner sowie Jakob Häglsperger, der für Keyboards, Drum Computer und Geschrei (laut Wikipedia) verantwortlich zeichnet. Zwei weitere Musikerinnen und Musiker stehen mit auf der Bühne und bereichern den Gesamtsound mit Gesang und Gitarre. Von der Bühne kommen also weiterhin stampfende Rhythmen, dazu deutsche Texte, die Themen aus dem Alltag aufgreifen. Frittenbude positionieren sich in ihren Texten und Ansagen auch immer wieder gegen rechts. Das mittlerweile zahlreiche jugendliche Publikum goutiert das Konzert und lässt sich zum Tanzen animieren.
Mit Spannung erwarte ich den Auftritt von Gregor Meyle mit seiner Band. Dieser zieht mich völlig in seinen Bann. Lange ist es her, dass es Gregor Meyle mit selbstgeschriebenen Balladen bis in Finale einer Casting Show beim Fernsehsender ProSieben schaffte. Inzwischen zählt er zu den Stars der deutschen Pop-Musikszene. Doch er ist bodenständig und nahbar geblieben. Mit seiner fantastischen neunköpfigen Band zelebriert er ein Konzert der Sonderklasse. Neben Songs seines aktuellen Albums "Individualität" hören wir Lieder, mit denen Gregor Meyle in den vergangenen Jahren immer wieder in den deutschen Musikcharts punkten konnte. Mit markanter Stimme und mit seiner natürlichen Art singt er sich schnell in die Herzen des Publikums. Er ist ein Song-Poet, dessen Liedtexte aus dem Leben gegriffen sind. Die hochkarätige Band sorgt mit den unterschiedlichsten Instrumenten für ein abwechslungsreiches Soundgewand. Bläsersatz, Geige, Cello, Flöte oder Mandoline gesellen sich zum typischen Rockinstrumentarium. Sänger und Band überzeugen mit großartigen Texten, feinen Melodien sowie mal leisen und mal lauten Tönen. Beim letzten regulären Song, "Einer der besten", gibt es kein Halten mehr. Das Publikum tanzt vor Begeisterung. Als Zugaben präsentiert uns Gregor Meyle die Songs, mit denen er bekannt geworden ist, "Finde dein Glück" in einer wunderschönen akustischen Version sowie seinen ersten großen Hit "Niemand". Man könnte meinen, dass es die nächste Band nach diesem grandiosen Konzert schwer haben wird. Doch dem ist nicht so.
Gregor Meyle
Nach einer längeren Umbaupause, in der es eine Feuershow zu bestaunen gibt, weist die Bühne ein komplett anderes Bild auf. Die Berliner Band Il Civetto agiert zwischen künstlichen Palmen und vor einem Neon Schriftzug ihres Bandnamens. Die Musik der fünf Berliner Jungs, die immerhin schon vier Alben veröffentlicht haben, kann man als Fusion-Pop bezeichnen. So geht es recht beschwingt und locker auf und vor der Bühne zu. Die flotten Rhythmen und eingängigen Melodien kommen beim Publikum gut an. Gesungen wird auf Deutsch, wobei hin und wieder Hip-Hop Elemente verwendet werden. Die Texte handeln meist vom Leben in der Großstadt Berlin. Insgesamt ist es ein Konzert, dass zu dieser späten Stunde durchaus Spaß verbreitet. Mit einer beeindruckenden Lasershow findet der erste Festivaltag einen würdigen Abschluss.
Samstag, 13. Juli - Klein.Stadt.Erwachen und Musik
Der Samstag steht traditionell im Zeichen des sogenannten Klein.Stadt.Erwachens. Von 11:00 bis 17:00 Uhr locken diverse Akteure und Künstler Gäste in die Stadt, die dafür extra herausgeputzt wird. Schon am frühen Morgen gibt es in Bad Sülze ein wahnsinniges Gewusel. Im Stadtzentrum und rund um den Markt baut man Stände und kleine Auftrittsorte auf. Vor dem Café Wunderbar werden Tische und Bänke platziert und ein Bierfass angezapft. Artisten nehmen ihre Plätze ein und Straßenmusikanten checken Instrumente und Mikrofone. Mittendrin sucht der riesige Nightliner von Joy Denalane nach einem Stellplatz. Ist da bei der Organisation etwas nicht bedacht worden? Wenn ich mir unsere Ausstellung ansehe, die wir unter dem Namen L'Art Checkers in einem ehemaligen Elektrogeschäft präsentieren, muss ich feststellen, dass auch unsere Organisation nicht ganz optimal verlaufen ist. Michał ist kurz vor elf immer noch damit beschäftigt, seine Bilder an die Wand zu bringen. "Ich stehe morgen früh um sechs auf und kümmere mich darum." erzählte er mir gestern. Während ich mir nochmal den Staubsauger greife, geht meine Frau Michał zur Hand, so dass wir pünktlich öffnen können. Von dem eigentlichen Klein.Stadt.Erwachen bekomme ich nicht allzu viel mit, denn wir haben ständig interessierte Besucherinnen und Besucher in der Ausstellung. Am Nachmittag verirren sich sogar zwei Feen auf Stelzen in die Galerie, nicht unbedingt, um die Bilder zu besichtigen. Vielmehr wollen sie die Kinder erfreuen, deren Eltern sich unsere Bilder anschauen. Draußen in der historischen Altstadt gibt es Artistik, Kleinkunst, Clownerie und Musik sowie einen kleinen Flohmarkt und Theater zum Mitmachen. Im ROXSA-Dorf finden Workshops zu verschiedenen Themen statt sowie Yoga-Sessions und Veranstaltungen für Kinder. Alles ist kostenfrei und für jeden zugänglich. Die kulturellen Angebote werden von Einheimischen und Gästen gut angenommen.
Ab 17:00 Uhr ist es Zeit, sich in Richtung Bühne zu bewegen. Als erster Künstler erwartet uns der aus Neuseeland stammende Singer/Songwriter Sam Alty, den man am Tage schon als Straßenmusiker erleben konnte. Lediglich mit einer Gitarre bewaffnet interpretiert er seine eigenen Songs, die sich zwischen Folk und Pop bewegen. Überrascht bin ich, als Edyta mit auf die Bühne kommt, um gemeinsam mit Sam den Song "Lavender Water" zu singen. Dass die beiden sich kennen, wundert mich nicht, als ich erfahre, dass Sam in Wroclaw lebt. Leider ist es auch heute so, dass sich um diese Zeit erst wenige Gäste auf dem Festivalgelände eingefunden haben. So erlebt nur ein kleiner Kreis von Musikbegeisterten die vielschichtigen Songs von Sam Alty.
Schampus Pankow
Die Rostocker Band mit dem eigenwilligen Namen Schampus Pankow spielt anschließend schon vor einem größeren Publikum. Ihre Musik, die mit der Neuen Deutschen Welle ins hier und heute geschwappt zu sein scheint, findet viel Anklang. Sie geht direkt ins Ohr und in die Beine. Doch interessant ist nicht nur die Musik. Die anspruchsvollen Texte der Songs beleuchten viele Dinge des Alltags kritisch. In Verbindung mit den immer wieder punkigen Rhythmen passt das wunderbar.
Der dänische Musiker Thorbjørn Risager schlägt mit seiner Band The Black Tornado musikalisch völlig andere Töne an. Es geht zurück zu den Wurzeln von Rock, Soul und Blues. Thorbjørn Risager und seine Tour erprobte Band begeistern mit einem beeindruckenden Konzert. Risager steht mit seiner kräftigen, ausdrucksstarken Stimme im Mittelpunkt des Geschehens. Um sich herum hat er sechs fantastische Musiker geschart, die für einen homogenen und modernen Sound sorgen. Stilistisch bewegt sich die Band gekonnt zwischen Funk, Blues, Soul und Rock'n'Roll. Da gibt es dominierende Bläsersätze, wabernde Hammond-Sounds und perlende Pianoklänge sowie immer wieder beeindruckende Gitarren-Soli. Doch ist es vor allem Risagers Stimme, die heraussticht und den Songs etwas Einzigartiges verleiht. Das Gedränge vor der Bühne und der euphorische Beifall zeigen, dass das Konzert der dänischen Band gefällt.
Es ist schon etwas dunkler geworden als Deutschlands Soul Sängerin Nr. 1 die Bühne betritt. Joy Denalane hat sich viel Raum auf der Bühne geschaffen, während die vier Musiker der Band und die Background-Sängerin sich in einem weiten Bogen um sie herum positioniert haben. Joy Denalane nutzt diesen Freiraum, um im Licht der Scheinwerfer über die Bühne zu tanzen. Dazu singt sie ihre Songs, die geprägt sind vom afroamerikanischen Rhythm and Blues und von Soul-Music. Die Texte sind mal in Englisch mal in Deutsch. In ihren Moderationen gibt sie viel aus ihrem Leben preis. Sie ist ganz der Star, den man aus Funk und Fernsehen kennt. Damit spielt sie auf sympathische Weise, und das gefällt. Neben ihrem fantastischen Gesang fasziniert mich vor allem die superb aufspielende Band, die mir eigentlich zu sehr im Hintergrund steht. Joy Denalane zeigt sich musikalisch sehr vielseitig. Bei der Coverversion von Nina Simones "Four Women", singt sie den bewegenden Text in vier Sprachen. Die Textzeilen zu Peter Maffays "So bist du", gerade populär aus der Fernsehshow "Sing meinen Song", liest Joy Denalane auf Knien ab, weil die Buchstaben zu klein sind. Aber gerade diese scheinbare Unvollkommenheit macht Deutschlands Soul-Königin so sympathisch. Auch wenn Joy Denalane und ihre Band an diesem Abend immer wieder Wohlfühlatmosphäre verbreiten, hat das Konzert dann doch Längen und wirkt auf mich ein wenig eintönig. Doch der Abend ist gegen elf Uhr noch jung.
Blind Bankers
Uns erwarten die Blind Bankers mit ihrem Bullshit Rock'n'Roll aus Berlin. Die Band hat sich auf die Fahne geschrieben, Spaß verbreiten zu wollen, indem sie Klassiker der Neuen Deutschen Welle und deutsche Schlager im Stil von AC/DC interpretiert. So geht die Reise mit dem "Goldenen Reiter" über den "Skandal im Sperrbezirk" bis hin zum "Major Tom", dessen "völlig losgelöst" durch die Fußball-EM gerade wieder in aller Ohren und Munde ist. So gerät das Konzert zu einem lautstarken Höhepunkt bis weit nach Mitternacht. Zum Schluss wird noch ein gewaltiges Feuerwerk gezündet.
Sonntag, 14. Juli - Im Zeichen der County-Music
Das ROXSA-Festival lädt am Sonntagvormittag zum Country-Picknick ein. Viele Gäste folgen dieser Einladung in zünftiger Westernkleidung. Die Bankreihen auf dem Kirchplatz sind schnell besetzt. So weichen viele auf mitgebrachte Decken aus, die vor der Bühne Platz finden. Wer sich sein Essen und seine Getränke nicht selbst mitgebracht hat, kann sich an den zahlreichen Ständen auf dem Festivalgelände versorgen. Das Wetter spielt an diesem Sonntag auch mit. Für den musikalischen Rahmen sorgen die Bands Rodeo FM mit zünftiger Country-Music im rockigen Gewand sowie die Country Sisters aus Tschechien. Mit einer feurigen Mixtur aus Country, Rock'n'Roll und Klassikern der Beatmusik sorgen die Mädels für ausgelassene Stimmung. Aus dem Publikum formiert sich eine Gruppe Square Dancer, die von der Musik zum Tanzen animiert wird. An der Kirche entdecke ich zwei Cowboys auf ihren Pferden. Man könnte meinen, wir sind im Wilden Westen und nicht im beschaulichen Bad Sülze. Nur das Bullriding findet nicht auf einem echten Bullen statt. Eine professionelle Rodeo-Anlage sorgt dafür, dass man beim unvermeidlichen Sturz auf einem weichen Luftkissen landet. Mit dem Country-Picknick zeigt sich das ROXSA-Festival nochmal als Fest für Alt und Jung. Die drei Tage mit den unterschiedlichsten Veranstaltungen sind vergangen wie im Fluge.
Doch es gilt der Spruch "Nach dem Festival ist vor dem Festival". Nach einem kurzen Innehalten heißt es, auszuwerten, neue Ideen zu sammeln und mit der Organisation zu beginnen, damit wir im nächsten Jahr möglichst noch mehr Menschen beim ROXSA-Festival begrüßen können. Die Early Bird Tickets sind jedenfalls schon verfügbar.