Ein Konzertbericht von Matthias Ziegert mit Fotos von
Matthias & Sebastian Ziegert & Bodo Kubatzki (oben)
Der Schockrocker ist wieder da
Am 2. Juli gastierte der Musiker Vincent Damian Furnier, den die Welt aber wohl viel besser unter dem Künstlernamen ALICE COOPER kennt, in der "Jungen Garde" im Großen Park von Dresden. Nach sieben Jahren stattete er der Stadt an der Elbe mal wieder einen Besuch ab. In Deutschland startete er einen Tag zuvor in Nürnberg, und würde mit einer Mugge auf dem Schlosshof in Butzbach (4.7.) und einer weiteren in Breisach (6.7.) noch zwei weitere Muggen im Freien folgen lassen. Den Open Air-Terminen jetzt im Sommer werden sich noch weitere Termine im Oktober dieses Jahres anschließen. Der Erfinder des "Schockrock" ist nach wie vor viel unterwegs, dabei steht er bereits seit 60 Jahren auf der Bühne. Das ist bemerkenswert, denn er feierte im Februar bereits seinen 76. Geburtstag. Aber das ist nur eine Zahl, die man ihm aufgrund seiner Agilität und Präsenz auf der Bühne nicht mal ein bisschen anmerkt. Auch stimmlich kann er immer noch auf ganzer Linie überzeugen.
Das aktuelle Album "Road" auf Doppel-Vinyl und CD
Cooper, erstklassiges Personal und massig Hits
Die aktuelle Tour steht unter der Überschrift "Too Close for Comfort", und damit bereisen Cooper & Band derzeit die Welt. Als Begleitung setzt der Meister einmal mehr auf bewährtes Personal. Alice Cooper wird als Sänger und Entertainer bei seinen Konzerten von Nita Strauss (Gitarre & Backing-Vocals), Ryan Roxie (Gitarre & Backing-Vocals), Tommy Henriksen (Gitarre & Backing-Vocals), Chuck Garric (Bass & Backing-Vocals) und Glen Sobel (Schlagzeug) auf der Bühne tatkräftig unterstützt. Cooper, Sohn eines Mormonenpriesters, dessen unverkennbares Markenzeichen die schwarz gefärbte Mähne und die schwarz geschminkten Augen sind, kommt ja bekanntlich aus der US-Amerikanischen Industriestadt Detroit. Die einstige Hochburg der amerikanischen Automobilindustrie ist auch eine wichtige Musikmetropole, der viele bekannte Musiker und Bands entstammen, und die deshalb auch Rock City genannt wird. Dort wurden Cooper und seine damalige Kapelle im August 1969 von keinem geringeren als Frank Zappa entdeckt, und seitdem ist er eine bekannte Größe, die von Rock City aus die Welt eroberte. Eine geballte Ladung Hits aus den 55 Jahren seiner Bühnenkarriere brachte der US-Musiker nun mit nach Dresden und präsentierte sie zusammen mit seiner Band an diesem Abend den etwa 5.000 Konzertbesuchern.
Black Mirrors
Kurz nach 19:00 Uhr startete die große Rock'n'Roll-Party in der Freiluftarena mit dem Support, der Gruppe BLACK MIRRORS. Dieses Ensemble machte bereits im vergangenen Jahr beim Wacken-Festival von sich Reden. Die im Jahre 2013 in Brüssel gegründete Band vereint die verschiedensten Stilrichtungen des Rock der letzten 40 Jahre in ihrem Sound. In einem Pressetext hieß es einmal: "Wenn sich Janis Joplin, Jack White, Anouk, Nirvana und Queens Of The Stone Age fortpflanzen würden, wäre Black Mirrors ihr Lieblingskind". Frontfrau Marcella Di Troia hat die für feinsten Rock nötige Stimme und das dafür erforderliche Charisma. Die blonde Rock Lady und ihre drei männlichen Kollegen kamen auf Anhieb beim sich langsam einfindenden Publikum in der "Jungen Garde" an und heizten das Terrain vor der Bühne für den Hauptakt ordentlich ein. Dabei lagen sie mit ihrem ca. dreißig Minuten langen Set und ihrer Songauswahl zwischen Garage-, Blues-, Hard- und Psychedelic-Rock genau richtig. Aber auch die etwas eigenwillige Bühnen-Performance der Frontfrau Di Troia sorgte für gesteigertes Interesse bei den inzwischen in der "Jungen Garde" anwesenden Cooper-Fans. Ein gelungener Einstand und ausgesprochen gute Leistung dieser Band, deren Namen man sich merken sollte.
Es geht los …
Gegen 20:00 Uhr war es dann endlich soweit. Zwei schwarz gekleidete Statisten mit Pestmasken schritten unter Glockengeläut die Bühne ab. Da fehlte eigentlich nur noch der Karren mit den Pestleichen, um die Inszenierung zu vervollständigen. Nach einem kurzen eingespielten Intro fiel zu den ersten Tönen des Songs "Look me up" der große Vorhang auf die Bühne, der sogleich von verkleideten Komparsen weggeräumt wurde. Alice Coopers Silhouette erschien hinter einer erdachten riesigen Zeitungsseite, auf der zu lesen stand: "Verboten in Deutschland: Alice Cooper". Diese Zeitungsseite durchschnitt der Schockrocker mit einem Säbel und schritt durch die Fetzen wie durch einen Vorhang hindurch. Wie ein Wirbelwind preschten die schon auf der Bühne positionierten und wartenden Gitarristen an seine Seite. Der Bühnenhintergrund war eine große Videowand auf der vier große Fenster zu sehen waren, auf denen ständig wechselnde Videoanimationen liefen. Davor befand sich ein Holzgeländer. Flankiert wurde das Ganze von zwei großen Holztreppen, was dem Bühnenbild das Flair eines Spukschlosses wie aus einem Dracula- oder Frankenstein-Film verlieh. Allein das sorgte für eine unglaubliche Stimmung und war ziemlich beeindruckend. Mit dem zweiten Song "Welcome to the Show" erfolgte gewissermaßen die musikalische Begrüßung des Publikums. Cooper ist auf der Bühne kein Mann der großen Worte. Er lässt lieber seine Lieder für sich sprechen. Dieser zweite Titel, der vom 2023 erschienenen Album "Road" entnommen wurde, war auch der einzige von dieser Scheibe, der es in das Set des aktuellen Tour-Programms geschafft hatte. Es dürfte Mr. Cooper inzwischen wohl alles andere als leicht fallen, die passenden Songs für seine Konzerte auszuwählen. Zu viele geile Nummern, zu viele Hits, und immer noch kommt neues Material nach, das ebenfalls zu begeistern weiß. In seiner Haut möchte man da nicht stecken. Oder doch?
Musik und Show
Fällt ihm die Auswahl der zu spielenden Lieder schwer, so ist es für den Rezensenten nicht weniger leicht, diese neunzig Minuten Konzert mit 23 Songs in Worte zu kleiden. Das Spektakel an diesem Abend folgte zwar dem bekannten Grundmuster aller Cooper-Shows, die er in den vielen Jahren seiner Solo-Karriere schon auf die Bühnen gebracht hat, aber es ist immer wieder ein ganz neues Abenteuer mit vielen einzufangenden Eindrücken. Das Psychomonster Alice Cooper tötet Menschen, wofür man ihn in einer Zwangsjacke in die Psychiatrie steckt, wo er weiter tötet und dafür auf spektakuläre Art mit der Guillotine hingerichtet wird. Und auch das stoppt ihn nicht, denn er kommt trotzdem immer wieder. Soweit die Story, die auf der Bühne gezeigt wird. Das Ganze ist wie ein Musical perfekt inszeniert. Kostüme, Gesten und Posen sind perfekt auf die jeweiligen Songs abgestimmt. Dabei fließt natürlich auch viel Kunstblut, das vielleicht nicht jedermanns Sache ist, was aber von den Fans geliebt wird, da es seit Jahrzenten zur Show gehört. Wie schon erwähnt, besteht der musikalische Teil, der die erzählte Geschichte ummantelt, natürlich aus vielen Hits und bekannten Songs. Diese stammen hauptsächlich aus den sechziger, siebziger und achtziger Jahren, und werden von den Fans lautstark mitgesungen.
Nita Strauss
Mit "No More Mr. Nice Guy" folgte ein Hit aus der Zeit mit der Originalband aus den Sechzigern, das vom Album "Billion Dollar Babies" entnommen wurde. Die Nummer feierte im vergangenen Jahr den fünfzigsten Jahrestag. Einige der in Dresden lautstark mitsingenden Konzertbesucher waren damals noch gar nicht geboren. Von der gleichen Platte hatten es noch drei weitere Songs ins Set geschafft. Zum Klassiker "I Am Eighteen" holte Cooper seine alte Metallkrücke heraus und schwang sie bedrohlich. Dem folgte der Song "Under My Wheels" - einer meiner Lieblingslieder. Bei dem aus den End-80ern stammenden Hit "Bed of nails", der damals vor allem durch den Clip auf MTV bekannt wurde, kam das Publikum einmal mehr richtig in Fahrt. Die vier Gitarristen rockten auf der Bühne so richtig ab und schienen sich bei ihrem Vortrag gegenseitig übertrumpfen zu wollen. Dabei gewann die langhaarige Blondine Nita Strauss eindeutig das Gefecht, und das nicht nur weil sie besser als die Herren aussah. Handwerklich und vom Erscheinungsbild zog sie die Blicke des Publikums immer wieder auf sich. Bei ihren zahlreichen Soli im Laufe der Show bewies Sie, dass sie das Spielen auf der Sechssaiter perfekt und virtuos beherrscht.
Show-Effekte
Kleine Einlagen und Besonderheiten durchzogen immer wieder das Live-Programm. So verteilte Alice Cooper beim Stück "Billion Dollar Babies" früher gerne mal grüne "Cooperdollars", die er auf seinem Florett aufgefädelt hatte, ins Publikum. Dies tat er in diesem Jahr nicht mehr, dafür holte er sich beim Lied "Man Behind The Mask" als "Maskenmörder" ein arglos auf der Bühne herumlaufendes Opfer ab. Immer wieder war man von irgendeinem Geschehen auf der Bühne gefesselt. Aber nicht so sehr, dass man von der Musik nichts mitbekam. Die Lieder erkannte man zumeist schon nach den ersten Takten. Zu "Be My Lover" vom Album "Killer" nahm das Publikum z.B. bereits direkt zu Anfang den Rhythmus begeistert auf. Auch Kostümwechsel fanden statt. Für "Lost in America", dem Abgesang für die Abhängigkeiten in Amerika, hüllte sich Cooper extra in eine Lederjacke mit Sternenbanner auf dem Rücken. Immer wieder gab es was Neues zu entdecken, immer wieder ließ sich der Meister des Rock was einfallen, um Abwechslung in sein Wirken zu bringen. Und es gelang ihm spielend leicht …
Mit "Hey Stoopid", dem Song bei dem im Video ein Totenkopf durch eine Geisterbahn rast, wurde weiter abgefeiert. Keine Atempause … Es ging Schlag auf Schlag (und Stich auf Stich). Zum nach "Hey Stupid" folgenden Schlagzeugsolo überließen die Musiker ihrem Kollegen Glen Snobel die Bühne, um ihm nicht nur die Gelegenheit zu geben, die Felle und Becken seines Drum-Sets ordentlich zu bearbeiten, sondern dabei auch komplett allein im Mittelpunkt zu stehen. Einer von vielen Gänsehautmomenten des Abends. Ein weiterer folgte … Danach ging es nämlich mit meinem persönlichen Lieblingssong, dem sehr mystischen "Welcome To My Nightmare" weiter. Das war der Moment, an dem ich mal kurz ausschalten und die Nummer einfach nur auf mich wirken lassen musste. War was? Hab nix mitbekommen … außer die Musik! Zu "Cold Ethyl" vom gleichnamigen Album hatte ich all meine Sinne wieder beisammen und Cooper legte ein Tänzchen mit einer lebensgroßen Puppe im schwarzen Glitzerkleid hin, die er später sogar küsste, danach herum wirbelte und anschließend hinter sich herzog und würgte. Er ist eben ein echter Schocker … Bei "Go To Hell" wurde es noch gruseliger, als über die Videowand mehrere Skelette mit Zylinder scheinbar ins Publikum kriechen wollten. Bei dem Song kam zudem eine leicht bekleidete und dämonisch anmutende Domina mit einer Peitsche auf die Bühne. Statt selbst Hiebe zu kassieren, versohlte Cooper der Dame aber den Hintern. Funfakt: Die junge Frau, die die Domina spielt, ist eins von Coopers drei Kindern, nämlich seine älteste Tochter Calico Cooper, die den Sinn für das Theatralische von ihren Eltern geerbt hat. Sie selbst macht ebenfalls Musik und hat auch eine eigene Gruppe, in der u.a. der Bassist aus der Band ihres Vaters, Chuck Garric, mitspielt. Ja, ja … die Welt ist klein.
Öl ins Feuer
Der ´89er Megahit "Poison", den die Mitglieder der MTV-Generation im Publikum scheinbar alle auswendig kannten und mitsangen, brachte einen weiteren Höhepunkt des Abends. Cooper und seine Mitspieler brachten die Arena trotz der schon etwas kühlen Temperaturen damit regelrecht zum Kochen. Die Nummer "Feed Of My Frankenstein", die vielen vor allem durch Coopers Auftritt im zweiten Teil von Mike Myers Musikkomödie "Wayne's World" bekannt sein dürfte, goss da noch ein wenig Brandbeschleuniger ins Feuer. Zu dem Song erschien ein riesiges, etwa drei Meter in Ketten gelegtes Frankensteinmonster auf der Bühne. Und weiter ging die wilde Fahrt … Ein besonderes Schmäckerchen bei jeder Show von Alice Cooper ist der Song "Black Widow", an dessen Anfang Schauspieler Vincent Price, den viele aus alten Horrorfilmen kennen dürften, über die Besonderheiten des riesigen Spinnentiers berichtet. Der Song wurde als Jam-Session der Gitarristen genutzt, die von "Her Majesty" Nita Strauss eröffnet wurde . Für mich persönlich war das der musikalische Höhepunkt des Abends. Ein regelrechtes Feuerwerk und Hochgenuss für jeden Fan von Gitarren-Akrobatik.
Ach was … Höhepunkt. Der ganze Abend bestand aus solchen und weitere sollten noch folgen. Für den Titel "Ballad of Dwight Fry" wurde Cooper in einer Zwangsjacke von einem Wärter mit Maske in eine Gummizelle in die Psychiatrie gebracht, wo er mehrere Elektroschocks kassierte. Letztendlich kann er sich aber - wie weiter oben schon gespoilert - befreien und geht auf den Wärter und die herbeieilende Domina los, die ihn aber überwältigen und zur gerade hereingefahrenen Guillotine schleifen können, um ihn dort zu Köpfen. Zu dieser äußerst makabren Szene spielte die Band den Song "Killer". Nachdem ihm das Beil scheinbar den Kopf abgetrennt hat, holte sich die als Domina verkleidete Tochter Coopers den Kopf und stolziert wild gestikulierend damit auf der Bühne herum. Dazu spielte die Band das passende Stück "I Love The Dead". Dann ging alles ganz schnell: Eine der beiden die Bühne flankierenden Treppen wurde - mit zwei Sternenbannern geschmückt - auf die Bühnenmitte gerollt, um vom wieder auferstandenen Alice Cooper als Rednerpult für seinen als Wahlauftritt inszenierten Auftritt zum Song "Elected" genutzt zu werden. Mit dem Stück vom Album "Billion Dollar Babies" machte er sich schon in den sechziger Jahren über das Wahlsystem in Amerika lustig. Das kann man in der heutigen Zeit in Anbetracht der beiden aktuellen Kandidaten ja auch wieder tun und sich wünschen, Cooper selbst würde tatsächlich bei der US-Wahl antreten. Er wäre die absolut bessere Wahl und der erste Präsident, der von der Showbühne aus regieren würde.
Schön war's
Nach der Doppelstunde Theatralik, Horrorshow und Rockmusik vom Feinsten wurden die Konzertbesucher durch den schrillen Ton einer amerikanischen Schulklingel aus ihrem Alptraum geweckt. Beim Medley "Schools out"/"Another Brick in the Wall", also dem letzten Song der Show, wurde von den Musikern auf der Bühne nochmal alles gegeben. Mit Riesenluftballons, die in die Arena geworfen wurden, feierten die Fans mit ihren Idolen das Ende der Show. Während der Schlusszeremonie, die Cooper sichtlich genoss, stellte er seine Musiker vor, die allesamt vom Publikum mit reichlich Applaus bedacht wurden. Übrigens völlig zurecht! Der Altmeister des Schockrock mit seiner energiegeladenen Superband konnte an diesem Abend in der rappelvollen "Jungen Garde" wieder einmal zeigen, was gute Unterhaltung ist, und was vielen Kollegen der jüngeren Generation heute fehlt, um ihr Publikum auch nur annähernd so gut zu unterhalten. Ihm merkt man an, dass er seinen Job lebt und liebt. Er müsste in dem Alter längst nicht mehr auf der Bühne stehen, aber er will es. Und das spürt man in jeder Minute des Treibens. Ich kann nur jedem empfehlen, sich die Termine der Herbsttour, bei der als Support Doro Pesch angekündigt ist, zu checken, zu notieren, und sich eine der Shows anzusehen. Danke an das Management von Alice Cooper und den Veranstalter, die Bernd Aust Kulturmanagement GmbH, die uns die Berichterstattung über die Dresdener Mugge ermöglicht haben.
Am 2. Juli gastierte der Musiker Vincent Damian Furnier, den die Welt aber wohl viel besser unter dem Künstlernamen ALICE COOPER kennt, in der "Jungen Garde" im Großen Park von Dresden. Nach sieben Jahren stattete er der Stadt an der Elbe mal wieder einen Besuch ab. In Deutschland startete er einen Tag zuvor in Nürnberg, und würde mit einer Mugge auf dem Schlosshof in Butzbach (4.7.) und einer weiteren in Breisach (6.7.) noch zwei weitere Muggen im Freien folgen lassen. Den Open Air-Terminen jetzt im Sommer werden sich noch weitere Termine im Oktober dieses Jahres anschließen. Der Erfinder des "Schockrock" ist nach wie vor viel unterwegs, dabei steht er bereits seit 60 Jahren auf der Bühne. Das ist bemerkenswert, denn er feierte im Februar bereits seinen 76. Geburtstag. Aber das ist nur eine Zahl, die man ihm aufgrund seiner Agilität und Präsenz auf der Bühne nicht mal ein bisschen anmerkt. Auch stimmlich kann er immer noch auf ganzer Linie überzeugen.
Das aktuelle Album "Road" auf Doppel-Vinyl und CD
Cooper, erstklassiges Personal und massig Hits
Die aktuelle Tour steht unter der Überschrift "Too Close for Comfort", und damit bereisen Cooper & Band derzeit die Welt. Als Begleitung setzt der Meister einmal mehr auf bewährtes Personal. Alice Cooper wird als Sänger und Entertainer bei seinen Konzerten von Nita Strauss (Gitarre & Backing-Vocals), Ryan Roxie (Gitarre & Backing-Vocals), Tommy Henriksen (Gitarre & Backing-Vocals), Chuck Garric (Bass & Backing-Vocals) und Glen Sobel (Schlagzeug) auf der Bühne tatkräftig unterstützt. Cooper, Sohn eines Mormonenpriesters, dessen unverkennbares Markenzeichen die schwarz gefärbte Mähne und die schwarz geschminkten Augen sind, kommt ja bekanntlich aus der US-Amerikanischen Industriestadt Detroit. Die einstige Hochburg der amerikanischen Automobilindustrie ist auch eine wichtige Musikmetropole, der viele bekannte Musiker und Bands entstammen, und die deshalb auch Rock City genannt wird. Dort wurden Cooper und seine damalige Kapelle im August 1969 von keinem geringeren als Frank Zappa entdeckt, und seitdem ist er eine bekannte Größe, die von Rock City aus die Welt eroberte. Eine geballte Ladung Hits aus den 55 Jahren seiner Bühnenkarriere brachte der US-Musiker nun mit nach Dresden und präsentierte sie zusammen mit seiner Band an diesem Abend den etwa 5.000 Konzertbesuchern.
Black Mirrors
Kurz nach 19:00 Uhr startete die große Rock'n'Roll-Party in der Freiluftarena mit dem Support, der Gruppe BLACK MIRRORS. Dieses Ensemble machte bereits im vergangenen Jahr beim Wacken-Festival von sich Reden. Die im Jahre 2013 in Brüssel gegründete Band vereint die verschiedensten Stilrichtungen des Rock der letzten 40 Jahre in ihrem Sound. In einem Pressetext hieß es einmal: "Wenn sich Janis Joplin, Jack White, Anouk, Nirvana und Queens Of The Stone Age fortpflanzen würden, wäre Black Mirrors ihr Lieblingskind". Frontfrau Marcella Di Troia hat die für feinsten Rock nötige Stimme und das dafür erforderliche Charisma. Die blonde Rock Lady und ihre drei männlichen Kollegen kamen auf Anhieb beim sich langsam einfindenden Publikum in der "Jungen Garde" an und heizten das Terrain vor der Bühne für den Hauptakt ordentlich ein. Dabei lagen sie mit ihrem ca. dreißig Minuten langen Set und ihrer Songauswahl zwischen Garage-, Blues-, Hard- und Psychedelic-Rock genau richtig. Aber auch die etwas eigenwillige Bühnen-Performance der Frontfrau Di Troia sorgte für gesteigertes Interesse bei den inzwischen in der "Jungen Garde" anwesenden Cooper-Fans. Ein gelungener Einstand und ausgesprochen gute Leistung dieser Band, deren Namen man sich merken sollte.
Es geht los …
Gegen 20:00 Uhr war es dann endlich soweit. Zwei schwarz gekleidete Statisten mit Pestmasken schritten unter Glockengeläut die Bühne ab. Da fehlte eigentlich nur noch der Karren mit den Pestleichen, um die Inszenierung zu vervollständigen. Nach einem kurzen eingespielten Intro fiel zu den ersten Tönen des Songs "Look me up" der große Vorhang auf die Bühne, der sogleich von verkleideten Komparsen weggeräumt wurde. Alice Coopers Silhouette erschien hinter einer erdachten riesigen Zeitungsseite, auf der zu lesen stand: "Verboten in Deutschland: Alice Cooper". Diese Zeitungsseite durchschnitt der Schockrocker mit einem Säbel und schritt durch die Fetzen wie durch einen Vorhang hindurch. Wie ein Wirbelwind preschten die schon auf der Bühne positionierten und wartenden Gitarristen an seine Seite. Der Bühnenhintergrund war eine große Videowand auf der vier große Fenster zu sehen waren, auf denen ständig wechselnde Videoanimationen liefen. Davor befand sich ein Holzgeländer. Flankiert wurde das Ganze von zwei großen Holztreppen, was dem Bühnenbild das Flair eines Spukschlosses wie aus einem Dracula- oder Frankenstein-Film verlieh. Allein das sorgte für eine unglaubliche Stimmung und war ziemlich beeindruckend. Mit dem zweiten Song "Welcome to the Show" erfolgte gewissermaßen die musikalische Begrüßung des Publikums. Cooper ist auf der Bühne kein Mann der großen Worte. Er lässt lieber seine Lieder für sich sprechen. Dieser zweite Titel, der vom 2023 erschienenen Album "Road" entnommen wurde, war auch der einzige von dieser Scheibe, der es in das Set des aktuellen Tour-Programms geschafft hatte. Es dürfte Mr. Cooper inzwischen wohl alles andere als leicht fallen, die passenden Songs für seine Konzerte auszuwählen. Zu viele geile Nummern, zu viele Hits, und immer noch kommt neues Material nach, das ebenfalls zu begeistern weiß. In seiner Haut möchte man da nicht stecken. Oder doch?
Musik und Show
Fällt ihm die Auswahl der zu spielenden Lieder schwer, so ist es für den Rezensenten nicht weniger leicht, diese neunzig Minuten Konzert mit 23 Songs in Worte zu kleiden. Das Spektakel an diesem Abend folgte zwar dem bekannten Grundmuster aller Cooper-Shows, die er in den vielen Jahren seiner Solo-Karriere schon auf die Bühnen gebracht hat, aber es ist immer wieder ein ganz neues Abenteuer mit vielen einzufangenden Eindrücken. Das Psychomonster Alice Cooper tötet Menschen, wofür man ihn in einer Zwangsjacke in die Psychiatrie steckt, wo er weiter tötet und dafür auf spektakuläre Art mit der Guillotine hingerichtet wird. Und auch das stoppt ihn nicht, denn er kommt trotzdem immer wieder. Soweit die Story, die auf der Bühne gezeigt wird. Das Ganze ist wie ein Musical perfekt inszeniert. Kostüme, Gesten und Posen sind perfekt auf die jeweiligen Songs abgestimmt. Dabei fließt natürlich auch viel Kunstblut, das vielleicht nicht jedermanns Sache ist, was aber von den Fans geliebt wird, da es seit Jahrzenten zur Show gehört. Wie schon erwähnt, besteht der musikalische Teil, der die erzählte Geschichte ummantelt, natürlich aus vielen Hits und bekannten Songs. Diese stammen hauptsächlich aus den sechziger, siebziger und achtziger Jahren, und werden von den Fans lautstark mitgesungen.
Nita Strauss
Mit "No More Mr. Nice Guy" folgte ein Hit aus der Zeit mit der Originalband aus den Sechzigern, das vom Album "Billion Dollar Babies" entnommen wurde. Die Nummer feierte im vergangenen Jahr den fünfzigsten Jahrestag. Einige der in Dresden lautstark mitsingenden Konzertbesucher waren damals noch gar nicht geboren. Von der gleichen Platte hatten es noch drei weitere Songs ins Set geschafft. Zum Klassiker "I Am Eighteen" holte Cooper seine alte Metallkrücke heraus und schwang sie bedrohlich. Dem folgte der Song "Under My Wheels" - einer meiner Lieblingslieder. Bei dem aus den End-80ern stammenden Hit "Bed of nails", der damals vor allem durch den Clip auf MTV bekannt wurde, kam das Publikum einmal mehr richtig in Fahrt. Die vier Gitarristen rockten auf der Bühne so richtig ab und schienen sich bei ihrem Vortrag gegenseitig übertrumpfen zu wollen. Dabei gewann die langhaarige Blondine Nita Strauss eindeutig das Gefecht, und das nicht nur weil sie besser als die Herren aussah. Handwerklich und vom Erscheinungsbild zog sie die Blicke des Publikums immer wieder auf sich. Bei ihren zahlreichen Soli im Laufe der Show bewies Sie, dass sie das Spielen auf der Sechssaiter perfekt und virtuos beherrscht.
Show-Effekte
Kleine Einlagen und Besonderheiten durchzogen immer wieder das Live-Programm. So verteilte Alice Cooper beim Stück "Billion Dollar Babies" früher gerne mal grüne "Cooperdollars", die er auf seinem Florett aufgefädelt hatte, ins Publikum. Dies tat er in diesem Jahr nicht mehr, dafür holte er sich beim Lied "Man Behind The Mask" als "Maskenmörder" ein arglos auf der Bühne herumlaufendes Opfer ab. Immer wieder war man von irgendeinem Geschehen auf der Bühne gefesselt. Aber nicht so sehr, dass man von der Musik nichts mitbekam. Die Lieder erkannte man zumeist schon nach den ersten Takten. Zu "Be My Lover" vom Album "Killer" nahm das Publikum z.B. bereits direkt zu Anfang den Rhythmus begeistert auf. Auch Kostümwechsel fanden statt. Für "Lost in America", dem Abgesang für die Abhängigkeiten in Amerika, hüllte sich Cooper extra in eine Lederjacke mit Sternenbanner auf dem Rücken. Immer wieder gab es was Neues zu entdecken, immer wieder ließ sich der Meister des Rock was einfallen, um Abwechslung in sein Wirken zu bringen. Und es gelang ihm spielend leicht …
Mit "Hey Stoopid", dem Song bei dem im Video ein Totenkopf durch eine Geisterbahn rast, wurde weiter abgefeiert. Keine Atempause … Es ging Schlag auf Schlag (und Stich auf Stich). Zum nach "Hey Stupid" folgenden Schlagzeugsolo überließen die Musiker ihrem Kollegen Glen Snobel die Bühne, um ihm nicht nur die Gelegenheit zu geben, die Felle und Becken seines Drum-Sets ordentlich zu bearbeiten, sondern dabei auch komplett allein im Mittelpunkt zu stehen. Einer von vielen Gänsehautmomenten des Abends. Ein weiterer folgte … Danach ging es nämlich mit meinem persönlichen Lieblingssong, dem sehr mystischen "Welcome To My Nightmare" weiter. Das war der Moment, an dem ich mal kurz ausschalten und die Nummer einfach nur auf mich wirken lassen musste. War was? Hab nix mitbekommen … außer die Musik! Zu "Cold Ethyl" vom gleichnamigen Album hatte ich all meine Sinne wieder beisammen und Cooper legte ein Tänzchen mit einer lebensgroßen Puppe im schwarzen Glitzerkleid hin, die er später sogar küsste, danach herum wirbelte und anschließend hinter sich herzog und würgte. Er ist eben ein echter Schocker … Bei "Go To Hell" wurde es noch gruseliger, als über die Videowand mehrere Skelette mit Zylinder scheinbar ins Publikum kriechen wollten. Bei dem Song kam zudem eine leicht bekleidete und dämonisch anmutende Domina mit einer Peitsche auf die Bühne. Statt selbst Hiebe zu kassieren, versohlte Cooper der Dame aber den Hintern. Funfakt: Die junge Frau, die die Domina spielt, ist eins von Coopers drei Kindern, nämlich seine älteste Tochter Calico Cooper, die den Sinn für das Theatralische von ihren Eltern geerbt hat. Sie selbst macht ebenfalls Musik und hat auch eine eigene Gruppe, in der u.a. der Bassist aus der Band ihres Vaters, Chuck Garric, mitspielt. Ja, ja … die Welt ist klein.
Öl ins Feuer
Der ´89er Megahit "Poison", den die Mitglieder der MTV-Generation im Publikum scheinbar alle auswendig kannten und mitsangen, brachte einen weiteren Höhepunkt des Abends. Cooper und seine Mitspieler brachten die Arena trotz der schon etwas kühlen Temperaturen damit regelrecht zum Kochen. Die Nummer "Feed Of My Frankenstein", die vielen vor allem durch Coopers Auftritt im zweiten Teil von Mike Myers Musikkomödie "Wayne's World" bekannt sein dürfte, goss da noch ein wenig Brandbeschleuniger ins Feuer. Zu dem Song erschien ein riesiges, etwa drei Meter in Ketten gelegtes Frankensteinmonster auf der Bühne. Und weiter ging die wilde Fahrt … Ein besonderes Schmäckerchen bei jeder Show von Alice Cooper ist der Song "Black Widow", an dessen Anfang Schauspieler Vincent Price, den viele aus alten Horrorfilmen kennen dürften, über die Besonderheiten des riesigen Spinnentiers berichtet. Der Song wurde als Jam-Session der Gitarristen genutzt, die von "Her Majesty" Nita Strauss eröffnet wurde . Für mich persönlich war das der musikalische Höhepunkt des Abends. Ein regelrechtes Feuerwerk und Hochgenuss für jeden Fan von Gitarren-Akrobatik.
Ach was … Höhepunkt. Der ganze Abend bestand aus solchen und weitere sollten noch folgen. Für den Titel "Ballad of Dwight Fry" wurde Cooper in einer Zwangsjacke von einem Wärter mit Maske in eine Gummizelle in die Psychiatrie gebracht, wo er mehrere Elektroschocks kassierte. Letztendlich kann er sich aber - wie weiter oben schon gespoilert - befreien und geht auf den Wärter und die herbeieilende Domina los, die ihn aber überwältigen und zur gerade hereingefahrenen Guillotine schleifen können, um ihn dort zu Köpfen. Zu dieser äußerst makabren Szene spielte die Band den Song "Killer". Nachdem ihm das Beil scheinbar den Kopf abgetrennt hat, holte sich die als Domina verkleidete Tochter Coopers den Kopf und stolziert wild gestikulierend damit auf der Bühne herum. Dazu spielte die Band das passende Stück "I Love The Dead". Dann ging alles ganz schnell: Eine der beiden die Bühne flankierenden Treppen wurde - mit zwei Sternenbannern geschmückt - auf die Bühnenmitte gerollt, um vom wieder auferstandenen Alice Cooper als Rednerpult für seinen als Wahlauftritt inszenierten Auftritt zum Song "Elected" genutzt zu werden. Mit dem Stück vom Album "Billion Dollar Babies" machte er sich schon in den sechziger Jahren über das Wahlsystem in Amerika lustig. Das kann man in der heutigen Zeit in Anbetracht der beiden aktuellen Kandidaten ja auch wieder tun und sich wünschen, Cooper selbst würde tatsächlich bei der US-Wahl antreten. Er wäre die absolut bessere Wahl und der erste Präsident, der von der Showbühne aus regieren würde.
Schön war's
Nach der Doppelstunde Theatralik, Horrorshow und Rockmusik vom Feinsten wurden die Konzertbesucher durch den schrillen Ton einer amerikanischen Schulklingel aus ihrem Alptraum geweckt. Beim Medley "Schools out"/"Another Brick in the Wall", also dem letzten Song der Show, wurde von den Musikern auf der Bühne nochmal alles gegeben. Mit Riesenluftballons, die in die Arena geworfen wurden, feierten die Fans mit ihren Idolen das Ende der Show. Während der Schlusszeremonie, die Cooper sichtlich genoss, stellte er seine Musiker vor, die allesamt vom Publikum mit reichlich Applaus bedacht wurden. Übrigens völlig zurecht! Der Altmeister des Schockrock mit seiner energiegeladenen Superband konnte an diesem Abend in der rappelvollen "Jungen Garde" wieder einmal zeigen, was gute Unterhaltung ist, und was vielen Kollegen der jüngeren Generation heute fehlt, um ihr Publikum auch nur annähernd so gut zu unterhalten. Ihm merkt man an, dass er seinen Job lebt und liebt. Er müsste in dem Alter längst nicht mehr auf der Bühne stehen, aber er will es. Und das spürt man in jeder Minute des Treibens. Ich kann nur jedem empfehlen, sich die Termine der Herbsttour, bei der als Support Doro Pesch angekündigt ist, zu checken, zu notieren, und sich eine der Shows anzusehen. Danke an das Management von Alice Cooper und den Veranstalter, die Bernd Aust Kulturmanagement GmbH, die uns die Berichterstattung über die Dresdener Mugge ermöglicht haben.
Termine:
• 03.10.2024 - Stuttgart - Porsche-Arena
• 04.10.2024 - Lingen - Emsland Arena
• 06.10.2024 - Oberhausen - Rudolf Weber Arena
• 08.10.2024 - München - Olympiahalle
• 09.10.2024 - Berlin - Max-Schmeling-Halle
• 11.10.2024 - Leipzig - Arena
Alle Angaben ohne Gewähr. Weitere Infos auf Alice Coopers Homepage
• 03.10.2024 - Stuttgart - Porsche-Arena
• 04.10.2024 - Lingen - Emsland Arena
• 06.10.2024 - Oberhausen - Rudolf Weber Arena
• 08.10.2024 - München - Olympiahalle
• 09.10.2024 - Berlin - Max-Schmeling-Halle
• 11.10.2024 - Leipzig - Arena
Alle Angaben ohne Gewähr. Weitere Infos auf Alice Coopers Homepage