
Ein Bericht von Christine Thom-Schindowski mit Fotos von
Carsten Lüdtge. Zusätzliches Bild (oben): Pressefoto Band

Die Liedgefährten hatten vorab Konzerte absagen müssen, nichts Ungewöhnliches derzeit. Viele der Macher in der Musikszene sind ein wenig in die Jahre gekommen und müssen sich auch mal um ihre Gesundheit kümmern. Und das Publikum zittert mit, hofft und liebt - und dann im Februar 2024, zur Feier von Gundermanns 69. Geburtstag, standen die Liedgefährten im großen Saal der Kulturfabrik in Hoywoy wieder auf der Bühne. Und es war auch deswegen ein ganz besonderes Konzert, ungeheuer teuer dem Publikum, aber sichtlich auch den Liedgefährten selbst. Und Feuerstein Hugo Dietrich zitierte mit einem Augenzwinkern den Oktoberklub: "Da sind wir aber immer noch…".
Die Liedgefährten haben aus ihrer Schatzkiste alles mitgebracht was geht, fast alle je eingeübten Lieder - aus gutem Grund: "weil die Lieder uns immer wichtiger werden", sagte Conny, Gundermanns Ehefrau und seine erste Kritikerin, "und sie passen immer mehr in diese Zeit". Carmen Orlet singt ein so bedrückendes und beängstigendes Lied (Dante di Nanni, die Musik ist von Stormy Six), wie es kaum je gehört wurde, es schildert, wie nachts junge Leute einem alten Mann den Weg versperren und ihn schließlich zusammenschlagen, "kocht es ab, das rote schwein". Und Gundermann wäre nicht Gundermann, wenn er sich nicht fragen würde: "Alter, dass es so viele sind, muss doch auch an uns gelegen haben". Und aber auch sagt: "wenn uns heut nichts bleibt als zurück zu schlagen". Musikalisch wird Angst, Verzweiflung und Selbstzweifel in der Interpretation der Liedgefährten sowohl gesanglich als auch musikalisch so eindringlich wiedergegeben, dass es bis ins tiefste Mark trifft. Ein unglaublich intensives Stück Musik, so etwas habe ich noch nie gehört, Carmen Orlet weiß, was sie tut und was sie singt.

Die Lieder waren in ihrer Reihenfolge auch thematisch sehr geschickt und einfühlsam arrangiert. Eine große Stärke des Liedgefährten-Programms ist auch, dass sie Gundermann selbst so viel zu Wort kommen lassen - so ist er doch immer mit dabei, mit seiner Klugheit und seinem Humor. Alle zwei Minuten, ach was, manchmal alle zwei Sekunden ein neuer Denkanstoß, das ist garantiert. Und gedacht wird nicht in einfachen Bahnen, sondern auch mal gehörig um die Ecke, alles andere wäre nicht Gundermann. Die Liedgefährten, zu Anfang die Schauspielerin Petra Kelling und Linda Gundermann, jetzt inzwischen Linda und Liedermacher Melvin Haack, haben wahre Schätze ausgesucht. Manches ist dem Publikum lange vertraut, auch viel Unbekanntes ist dabei, an dem man lange zu knabbern hat. Auch Melvin Haacks "In der Nachbarschaft" macht richtig Laune, mit Flöte und weiblichen Stimmen begleitet, eine echte Perle. Udo Seidel sorgt mit Original-Feuerstein-Feeling für einen lässig-souveränen, lebendigen Bass. Und Hugo Dietrich "Hoywoy II" singen zu hören, das ist so unfassbar schön, für mich ist es, als hörte ich es zum ersten Mal. Auch die Aufführung von "Rastatt" durch Conny Gundermann und Hugo Dietrich ist einzigartig, da hat sich noch keiner herangewagt.

Hugo Dietrich und Conny Gundermann sind die Seele des Programms, und doch ist es bei den Liedgefährten so, dass jeder Einzelne ein sehr kostbarer Teil des Ganzen und absolut unverzichtbar ist, wunderbar zur Geltung kommt. Sie sind ja alle auch jeder eine echte Koryphäe auf ihrem Gebiet, z.B. Bunki Bunkenberg als Leiter des Erich-Fried-Chors oder Tina Powileit als Schlagzeugerin der Seilschaft. Bunki, einst zur Singegruppe REGENMACHER gehörig, macht Neil Young alle Ehre, wenn er bei "Keine Platte mehr" gesanglich richtig ordentlich eskaliert, wundervoll! Tina Poweileit webt mit ihren Percussion-Künsten im dichten Klangteppich der Liedgefährten den goldenen Faden und brilliert mit einem großartigen Schlagzeug-Solo. Bernard P. Bielmann (Flober) singt das wunderbare"Hungerherzen". Es passt zu ihm und zur ganzen Band, es ist das Lieblingslied von Heiner Kondschaks Randgruppencombo und seinem Publikum, wunderschön neu interpretiert, es wird weitergetragen. Die Arrangements der Liedgefährten sind abwechslungsreich mit ihren vielen Instrumenten, vielfältig. Ganz eindrücklich auch das Lied "Erste Reaction", auch ganz unbekannt, ein Lied, das für das Jahr 2024 geschrieben scheint, "wir verstehen manchmal gar nicht, wie weitschauend jemand gewesen ist", sagt Hugo Dietrich. Der Jemand ist natürlich Gundermann, und 2024 ist er schon mehr als ein Vierteljahrhundert nicht mehr da.

Natürlich lässt das Publikum die Liedgefährten nur mit mehreren Zugaben gehen. Es ist ein Jahrhundertkonzert, ein Feuerwerk, unvergesslich, unvergleichlich, und Gerhard Gundermann ist hier, in jeder Sekunde, bei jedem Ton, bei jedem Solo, bei jedem Lied. Und die Liedgefährten haben sich längst mit ihrer Musik so in die Herzen ihrer Zuhörer manövriert, dass auch sie für die Ewigkeit da zu finden sein werden, ganz sicher, neben Gundi. Radio Slubfurt hat die Darbietung in die große weite Welt, also in ihren Sendebereich natürlich, übertragen. Die Stadt Hoyerswerda, Gundis Verein und die Bands machen sich auf, nächstes Jahr Gundermanns 70. Geburtstag zu feiern. Sie schauen nach vorn, aber im Moment ist mir danach, dass ich dieses Konzert nochmal erleben will, nochmal zurück zum Beginn, zurück zum tosenden Beifall am Anfang, "so lasst uns gehen", Hugo Dietrich begrüßt das Publikum… bitte nochmal von vorne…