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Ein Bericht mit Fotos von Petra Meißner (zusätzliche Fotos
von Adam Glagla, Jens Kurze & Gundolf Zimmermann)




"Kundiland"
Dieser Landstrich, wo die Ortseingangsschilder in Deutsch und Sorbisch geschrieben sind, heißt für mich seit vielen Jahren nur "Kundiland". Geografisch gesehen ist es die Bautzener Ecke. Dort lebte einer meiner besten Freunde, Gundolf Zimmermann, genannt "Kundi". Er war ein begnadeter Konzertberichtschreiber und Fan diverser Bands von hier. Er hatte das Herz am rechten Fleck und ihm fielen immer die richtigen Worte ein, um auch über die kleineren Musikprojekte zu berichten,a 20220815 2059557246 die sonst nicht so im Blick der Öffentlichkeit stehen. Ich meine hier die Musiker, die landauf landab mit ihrer Gitarre unter dem Arm zu kleinen und größeren Festen pilgern und dort zur Unterhaltung beitragen. Das hat uns in den letzten Jahren so gefehlt. Die Gegend ist für uns nicht gerade der nächste Weg und damit sich die Sache richtig lohnt, besuchten wir kurzentschlossen gleich zwei Konzerte.

Tom's Daddy in Uhyst
In der Bautzener Ecke spielte Tom's Daddy in Uhyst und 30 Kilometer weiter Dieter Hertrampf, bekannt als Quaster, in Neugersdorf. Uhyst, das kannten wir nur als Hinweis auf den Autobahnschildern. Tom's Daddy spielte zu einem Oldtimertreffen. Ich glaube, zu sowas sind wir inzwischen richtig. Gemeint waren aber alte Autos. 400 Stück aus allen Epochen waren da zu bewundern. Richtig toll für mich: die vielen Barkas, der Blitz des Ostens aus Frankenberg. Aber eigentlich waren wir wegen Tom's Daddy erschienen. Es war Gundolf Zimmermann, der eines Tages glaubte, mir einen Tipp geben zu müssen, ich solle mal zu Tom's Daddy gehen. Als wir mitbekamen, wer hinter diesem Namen steckt, waren wir platt. Es ist Jens Kurze, des Hinweises hätte es nicht bedurft, wir kennen uns aus einem anderen Land und einer anderen Zeit. Wer aus Rochlitz ist, dem sagt der Name Kurze auf jeden Fall etwas. Seitdem fühlen wir uns berufen, immer mal zu gucken, was der Gute so macht. In Uhyst bestritt er den ersten Teil seines Programmes unter dem Thema "Zeit,die nie vergeht - Oldies aus Ost & West". Extra für die Schreiberin wurde es dann sehr ostlastig und das fand ich natürlich klasse.

Jens besuchte extra einen Polnisch-Lehrgang an der Volkshochschule und es war sein Ziel, mindestens eine Strophe vom "Weißen Boot" der Roten Gitarren in Polnisch singen zu können. Hut ab, ist ihm geglückt. Ostrock trällern und Ostrock verstehen, dazwischen liegen Welten. Der Jens ist ein Versteher.b 20220815 1619958869 Für einen Musiker, der seit 1977 landauf landab unterwegs ist, spielt die Musik von hier eine große Rolle. Er leistet sich den Luxus, fern jeder Ballermannanmache nur die Songs zu spielen, hinter denen er 100% steht. Die tanzbaren Halbplaybacks macht er selbst und setzt sich mit den Stücken auf seine Art und Weise auseinander. Für "Hallo Erde, hier ist Alpha" bastelte er ein neues Intro. Nicht nur die (Entschuldigung) ollen Kamellen brachte er zu Gehör, auch solche neuen Songs wie von "Nimm die Welt in die Hand" von Stern Meissen waren zu hören. Für mich ein Highlight war Silbermonds "Ein anderer Sommer", der über die Befindlichkeiten aus dem Corona-Sommer 2020 erzählte.

Als wir vor der Bühne Platz nahmen, waren nur wenige Leute da. Es wurden immer mehr, die Jens in seinen Bann zog. Man muss sich darüber klar sein, zu einem Oldtimer-Treffen kommen 90 Prozent der Leute keinesfalls wegen der Künstler, es ist dann Sache des Barden, sie zu ihrem Glück zu zwingen. Das ist Jens Kurze wieder mal toll gelungen. Jens ist ja so ein sympathischer Typ mit dem ewigen Lausbubengesicht. Seine Zwischenmoderationen sind gekonnt, nicht langatmig und immer informativ. Kein Wunder, er ist mitunter auch als Moderator tätig. Er hat auch noch eine andere musikalisch Liebe, das ist die New American Country Music. Bei den Linedancern ist Jens eine feste Größe. Als aktiver Teilnehmer an den Linedance-Weltrekorden 2013 in Chemnitz und 2014 in St.Anton /Österreich hat er das Programm in der Songauswahl und in der Moderation speziell auf die Linedance-Tanzformen zugeschnitten. Und das sollten wir in Uhyst noch erleben. Ein Tanzpaar war anwesend, und die hielt es nicht auf ihren Plätzen. Unser Freund "Kundi" wäre sicher bei beiden Muggen dabei gewesen, war ja ein Heimspiel für ihn. Im Dezember 2020 ist er leider plötzlich verstorben und uns blieb nur, ihn gestern auf dem Friedhof seiner Heimatgemeinde Göda zu besuchen und an alte Zeiten und tolle gemeinsame Konzerterlebnisse zu denken. Wo man hinkommt und mit Fans spricht, kommt ganz schnell die Rede auf "Kundi". Er ist nicht vergessen.

Quaster in Neugersdorf
Dann ging es nach Neugersdorf. Die Veranstaltungsstätte Restaurant Pavillon ließ mich staunen, ist wirklich gut gemacht. Eine große überdachte Fläche mit Sitzgelegenheiten und eine feste Bühne werden den Konzertbesuchern geboten. Die Veranstalter haben im Laufe des Sommers viele tolle Künstler eingeladen und ein beachtenswertes Programm auf die Beine gestellt. Das Restaurant selber ist leider für den Tagesbetrieb geschlossen, keine Leute, keine Leute … Das Personal des Pavillons ist übrigens einmalig freundlich und um die Gäste bemüht.

Quaster wollte ich schon lange wieder mal besuchen. Ich hatte einfach Sehnsucht nach den alten Songs, nach Gesprächen am Bühnenrand und einfach wieder mal richtig lauter Mugge. Alles das erhielt ich gestern zu dem fast schon unanständigen Eintrittspreis von 15,00 Euro. Man überlege mal, was dafür geboten wurde:c 20220815 1242520063 Erstens Quaster als gut gelaunter Ex-Puhdy, den man in unserem Landstrich als echte Rocklegende bezeichnen kann. Zweitens eine prima Band mit einem weiteren Puhdy namens Peter Rasym am Bass, dem altgedienten Gitarristen Stefan Schirrmacher sowie dem Schatten und Freund des Herrn Hertrampf, der scheinbar eine erfolgreiche Umschulung als Musiker durchlaufen hat. Frank Toeffling ist auch der Stichwortgeber und Organisator für viele Projekte dieser Band. Im wirklichen Leben ist er ein erfolgreicher Geschäftsmann. Drittens wurden die Musiker noch mit aufwändigem Blink Blink auf der Bühne toll in Szene gesetzt. Ich denke mal, da kann ich großmütig darüber hinwegsehen, dass mir als Eintrittsband ein Bändchen von Vanessa Mai ans Handgelenk gemacht wurde, die auch dort gespielt hat. Im Notfall hätte ich es ja verstecken können.

Das Programm im Pavillon war eine Unplugged-Variante von Quasters Bühnenshow "Ich bereue nichts". Inhaltlich und musikalisch war es eine authentische Zeitreise zu den Songs aus längst vergangenen Zeiten. Im ersten Block gab es die Nachspiellieder aus den Anfängen der Rockmusik. Später kam die Band zum Thema, was Quaster 46 Jahre beschäftigt und ihn groß gemacht hat: Die Puhdys. Die aufwändigen Videoeinspielungen, die es sonst gab, fehlten mir eigentlich nicht. Aber leider haben sie bei dem Unplugged-Programm auch die witzigen Dialoge zwischen Quaster und Schatten eingespart. Das ist schade. Aber auch eigene Sachen aus den Nach-Puhdys-Zeiten hatten sie im Angebot. Davon gefällt mir besonders "Unterwegs". Von den Puhdys-Titeln spielte der große Meister die Sachen, die auf ihn zugeschnitten waren. Zum Lied "Erinnerung" bemerkte er lapidar, "Prost Klaus". Wir wissen, wie es gemeint ist und der Tod des Puhdys-Schlagzeugers hat ihn und uns mitgenommen.

Natürlich kommt Quaster nicht von der Bühne, ohne "Alt wie ein Baum" und den unsäglichen "Eisbären". Zum Schluss des Konzertes traute auch ich mich mal an den Bühnenrand und es war für einen kurzen Moment so, als sei die Zeit stehen geblieben. Allein für diesen Moment hat sich die lange Fahrt gelohnt. "Ich bin auf Reisen, ganz normal, graue Haare, scheißegal …", so singt es Quaster und so empfanden es die vor der Bühne feiernden Fans.






Fotostrecke:
 
 
Tom's Daddy
 
 
 
 
 
Quaster
 



 

 

 


   
   
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