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Ein Bericht mit Fotos von Christian Reder




Ein Brückenbauer "auf Montage"
Er ist im Moment viel unterwegs. Tino Eisbrenner macht Wahlwerbung für eine neu gegründete Partei, die sich anschickt, den etablierten Vereinen in Berlin etwas Dampf zu machen. Aber Tino macht derzeit auch auf anderen Wegen auf sich aufmerksam. So reist er als Brückenbauer auch nach all den Sanktionen und Boykotten gegen Russland genau dahin, tritt dort als Sänger auf und für den Frieden ein.001 20240601 1522750413 Ein Besuch fand im vergangenen Jahr beim Festival "Doroga na Jalta" ("Der Weg nach Jalta") in Moskau statt, wo er unter dem Motto "Lieder des Krieges" die eigene Nachdichtung eines russischen Liedes in deutscher und russischer Sprache vortrug. Vor 6.000 Menschen tat er dies zusammen mit der russischen Sängerin Zara im Duett und dem Lied "Kraniche". In diesem Jahr saß er bei der gleichen Veranstaltung in der Jury - auf Einladung der Organisatoren. Sowas machen nicht allzu viele seiner deutschen Kollegen. Genauer gesagt: Kein anderer! Aus Gründen … Dass er dies tut, wird kontrovers diskutiert. Der Eine nennt ihn deshalb einen Putin-Versteher, der Andere lobt ihn für seinen Friedens-Einsatz. Ihm wird u.a. auch der Vorwurf gemacht, dass er ja so überhaupt keine Stellung zum russischen Angriffskrieg und zum großen Staatenlenker Putin bezieht. Mehr noch … dass er sich vor Putins Karren spannen lässt. Es haben zwar schon ganz viele Leute gesagt, dass Putin ein Kriegsverbrecher sei, aber eben noch nicht alle. Er, der Russlandreisende, auch nicht. Und so werden bevorzugt über die Medien und die Sozialen Netzwerke Fragen gestellt. Nicht direkt an den Künstler, aber stets werden gleich die passenden Antworten gleich mitgeliefert. Nicht seine, aber solche, die man sich selbst zusammenreimt. Man könnte es auch anders machen, und den Wahl-Mecklenburger direkt ansprechen, ihm diese Fragen stellen und sich die Antworten von ihm, statt von einem Journalisten oder Facebook-Nutzer geben lassen. Genau so, wie man es auch am vergangenen Donnerstag in Herne tun konnte und getan hat. Tino scheut keine Dialoge und auch keine Diskussionen. Er mag sich aber nicht öffentlich zanken, hat man den Eindruck, denn das widerspräche ja auch ein wenig seiner Mission als Friedensbotschafter. Aber Krieg, so konnte man in jeder Aussage und jeder Moderation von ihm heraushören, findet auch er voll kacke. Das sinnlose Morden sowieso. Und zwischen einem ukrainischen und einem russischen Soldaten mochte er auch keinen Unterschied machen. Und das eint uns alle ja irgendwie wieder, oder? Die, die nach "Woff'n, Woff'n, Woff'n" schreien, um einen Frieden zu erzwingen, und die, die mehr auf Dialoge setzen wollen. Auch wenn man - wie es so oft heißt - mit dem großen Diktator ja nicht reden könne. Ich weiß es nicht, ich kenne den Mann nicht persönlich. Tino übrigens auch nicht. Daher kann ich nicht sagen, ob man mit ihm reden kann oder nicht. Allerdings war das auch nicht das Thema bei Tinos Besuch im Ruhrgebiet. Es ging in erster Linie um Musik. Dafür hatten wir ihn eingeladen. Aber dann ging es am Ende doch um das Thema Frieden, aber auch um Gemeinsamkeiten und Menschlichkeit. Da kann man über Eisbrenner sagen, was man will … das alles vertritt er mit Hingabe und großem Herzen.

Fremde Strände
Tino Eisbrenner gewann Anfang 2023 die Wahl zum "Album des Jahres 2022". Unsere Leser, also Ihr, habt ihn und seine aktuelle Platte gewählt. Da war es eigentlich nur logisch, ihn dann auch auf unsere Bühne zu holen und Teil von "Deutsche Mugge live …" werden zu lassen. Norbert Egger, der Titelträger dieses Jahres, war bereits im März hier, nun also Tino. Etwas unruhig gestalteten sich die Wochen bzw. Tage vor dem Konzert. Die Wirtin unserer Location, dem "Haus Oestreich", musste Insolvenz anmelden. Plötzlich war der Laden zu und wir mit unserer Konzertreihe obdachlos. Zwar sind wir ab August in einer schönen neuen Lokalität mit unseren Konzerten aktiv, aber dahin ließ sich in der Kürze der Zeit die Mugge mit Tino nicht mehr verlegen. Ausgeholfen hat uns da mein Kumpel und Nachbar Holger, der in Herne ein spanisches Restaurant betreibt. Das "Las Buenas Tapas" an der Ortsgrenze zu Castrop war ja schon einmal Heimat für zwei unserer Konzerte, u.a. das mit Roman Shamov. Nun waren wir also wieder hier, damit das mit dem Brückenbauen und neue Leute kennenlernen für Tino doch noch was werden konnte. Also … auf ins "kleine" Spanien, das nur wenige 100 Meter hinter dem Ortsausgangsschild von Castrop-Rauxel liegt.


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Tino und der Osborne-Stier



Der Mann neben dem Stier ist kein Torero …
Pünktlich um 20:00 Uhr nahm Tino seinen Platz auf der kleinen Bühne in dem spanischen Tapas-Restaurant ein - direkt neben einem Stier. Natürlich keinem echten Tier, denn der Barde war ja nicht als Torero hergekommen, sondern sollte uns ja musikalisch unterhalten. An der Wand war vielmehr die Silhouette eines Stieres angebracht (genauer gesagt zwei), und dieser ist hinlänglich als "Osborne Stier" bekannt. Ursprünglich war er als Werbung für den Brandy Veterano gedacht, entwickelte sich mit der Zeit allerdings zu einem nationalen Symbol Spaniens. Das passte also absolut zum Ambiente. Tino griff zur Gitarre und stellte sich vor sein Mikrofon. Der Abend begann nicht mit einem Lied, sondern mit der Begrüßung des Publikums. Als erstes brachte der Musiker zum Ausdruck, dass er sich über jeden Besucher freue, der wegen ihm gekommen sei. Nebenan saßen schließlich auch eine Menge Leute, die nur des Essens wegen ins Lokal kamen. Tino merkte an, dass er den Ort Herne bisher nur aus einem Liedtext von Franz Josef Degenhardt kannte und selbst noch nie hier gewesen sei. Es war also eine Premiere für ihn - das wäre Castrop-Rauxel übrigens auch gewesen. Kurz lud er seine Gäste noch dazu ein, die Stühle in Richtung Bühne zu drehen, und legte sodann mit einem ersten Lied los.

Barfuß in Kakteen
Mitgebracht hatte uns Tino eine bunte Mischung aus seinem inzwischen 44-jährigen Bühnenschaffen, darunter sehr viele eigene Lieder, aber auch welche, die andere schrieben und zu denen er eine Textübersetzung anfertigte. Eine dieser Nachdichtungen bzw. Übersetzungen stammte im Original vom georgischen Liedermacher und Dichter Bulat Okudschawa, der in diesem Jahr 100 Jahre alt geworden wäre. Es handelt sich dabei um ein Lied über das Leben, dessen Beginn hier mit einem kleinen Weintraubenkern beschrieben wird. Dazu fügte Eisbrenner Lieder hinzu, die er als Solist oder als Sänger verschiedener Bands sang. "Barfuß in Kakteen" und "Fluss der Zeit" gehörten ebenso dazu, wie das weiter oben schon erwähnte "Kraniche", das er auch hierher nach Herne mitbrachte. Wenn man an Tino und Konzerte mit Band zurückdenkt, war sein Auftritt in Herne dann doch etwas komplett anderes. Kein opulenter Sound, kein großes Arsenal an Instrumenten, und vor allem keine Pop- oder Rockmusik … Wir bekamen nur den Sänger und seine Gitarre zu hören. In Liedermacher-Manier trug er die Stücke vor. Selbst die, die einst als Popsongs die Hitparaden erklommen und ihn berühmt machten.


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Das aktuelle Album "Kalumet"



Die ruhige Seite eines Popstars
Den Einstieg fand er mit dem Stück "Kein Tag mit Dir" von seinem 2020er Album "Indigo", das eher ruhig arrangiert und ebenso ruhig gesungen nicht gleich mit der Tür ins Haus fiel. Der Barde stellte sich den Leuten von seiner ruhigen Seite vor. Und diese zog sich wie ein roter Faden durch sein Herner Programm. Keine allzu lauten Töne, eher die ruhigen Klänge. Von Radaumusik und hektischen Bewegungen ist Eisbrenner weit weg … ganz weit weg. Das machte den Abend harmonisch, gemütlich und familiär. Nahtlos ging dieses recht neue Stück, das er als Opener wählte, in den Klassiker "Ich beobachte Dich" über, das ihn weiter in ruhigen Fahrwassern dahin gleiten ließ. Es war der Überhit seiner alten Band JESSICA, der ihn 1984 zum Popstar machte, und der sich natürlich auch heute noch in jeder Setlist eines Eisbrenner-Konzerts wiederfinden MUSS. Ohne geht es nicht, auch wenn hier - ganz tief im Westen - nur wenige im Saal von der Größe und dem Erfolg dieser Nummer gewusst haben dürften. Immerhin fand dies in einem anderen Land statt … damals, als es noch zwei Deutschlands gab. Der Titel indes ist mit den Jahren gereift, erwachsen geworden, aber wird von ihm nicht weniger reizvoll gestaltet, wie einst das Original. Auch wenn er heute ganz anders klingt. So richtig anders! Der Beginn war gemacht, der Abend war im vollen Gang und das Publikum bereits in des Künstlers Händen …

Geschichten erzählen und singen
Tino Eisbrenner ist ein geschickt plaudernder Gastgeber, der sein Publikum zu lenken und an die Hand zu nehmen weiß. Da ist es für ihn eine leichte Übung, die Menschen vor ihm dazu zu bringen, die Pausen beim Instrumentenwechsel mit Applaus füllen zu lassen, damit keine stillen Momente entstehen. Ebenso sie als Chor mit ins Geschehen einzubinden. Das ein oder andere Zwiegespräch passiert auch und lockert das alles dermaßen auf, dass wir uns nicht in einem Konzert sondern bei einer Familienfeier wähnen. Überhaupt kommt einem der Mann neben dem Stier nicht wie ein Fremder vor, sondern wie ein guter alter Bekannter. Er ist sofort einer von uns … ein Teil dieser Gruppe, die im Herner Tapas einen gemütlichen Abend mit schönen Liedern feiern will. Und da darf natürlich neben all der Liebe, die über die Texte verströmt wird, das Politische nicht fehlen, denn zeig mir eine Familienfeier, wo sowas nicht auch auf den Tisch kommt. Gleich nach Kaffee und Kuchen … oder wie hier am Donnerstag nach Fleischbällchen, frittierten Sardellen und Garnelen. Die Beobachtung unserer Zeit, in der aus einstmals guten Freunden plötzlich zerstrittene Parteien werden, weil sie nicht mehr einer Meinung sind, finden sich in seinen Liedern wieder. Genauso wie die über den Holzweg, auf dem sich unsere Damen und Herren "ganz oben" befinden, und über die Konsequenzen, die wir wegen ihnen auszubaden haben. Allerdings haut uns Eisbrenner dies nicht platt um die Ohren, sondern verpackt seine Botschaften, seine Kritik und seine Mahnungen in kunstvolle Textdichtungen und Wortspielen. Den erhobenen Zeigefinger suchst Du vergeblich. Als Missionar tritt er auch nicht auf. Nur als Geschichtenerzähler. Du musst gut zuhören und offen sein, dann erreicht Dich auch das, was in den Liedern steckt.


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Die Creme-Füllung
Dazwischen packt er Prosa … Texte zum Mitdenken, Inhalte zum Sacken lassen. Da wird Samuil Marschaks "Die 7 Sachen" lustig vorgetragen, Heinrich Heine zitiert, ein Gedicht von Erich Weinert über die Liebe ("Zerstörtes Liebesglück") und auch ein eigenes aus Tinos Feder vorgetragen, oder von "finsteren Zeiten", in denen wir leben, erzählt. Wer nun aber glaubt, der Künstler überfrachtet sein Publikum damit und führt es an die Belastungs-Grenze, täuscht sich. Das alles passt wunderbar zusammen und funktioniert. Niemand im Saal verliert den Spannungsbogen oder bleibt im Verlauf des Abends zurück. Man hängt an des Vortragskünstlers Lippen und bedenkt ihn nach jedem Text und jedem Lied mit viel Applaus. Es funktioniert also auch im "Pott", wo sonst nur der Party-Schlager und anderer Mumpitz funktionieren.

Zeit zum Reden
Eisbrenner trennte sein Programm in zwei Teile. Schon in der Pause wurde die Zeit zum Austausch mit den Leuten genutzt. Im Publikum saß auch ein aus TV und Kino bekannter Schauspieler, der sich mit Tino in einen regen Austausch begab. Auch wechselten schon die ersten Inhalte aus dem Fanartikel-Shop den Besitzer und das gerade Gehörte und Gesehene wurde erörtert. Das war spannend zu beobachten. Gleiches gilt für die Nachschau am Ende. Nach den Zugaben, in denen sich noch ein letztes Gedicht und das inzwischen zur Hymne gereifte "Lied für den Frieden", das vor wenigen Jahren bei Tinos Projekt HAUSBOOT entstand, befanden, setzte sich der Dialog zwischen Künstler und Publikum fort. Das nahm den Musikanten dermaßen in Beschlag, dass er erst sehr spät zum Abbau seines Arbeitsgerätes und der Technik kam. Und das ist auch gut so, denn es geht ja nichts über Kommunikation. Das räumt offene Fragen aus der Welt, klärt über Beweggründe auf und vermeidet Missverständnisse, noch bevor sie entstehen können. Am Ende konnte man sich live und in Farbe davon überzeugen, dass Tino Eisbrenner kein böser Mensch ist und dass er seine Friedensmission sehr ernst nimmt. Den Anti-Christen, den manch einer in ihm zu sehen glaubt, konnte man nicht ausmachen. Dieser würde nicht vermitteln und zusammenführen wollen. Und genau das ist Eisbrenners Anliegen: zwischen den Menschen will er diese schon erwähnten Brücken bauen. Die Politik ist oft der Störenfried, der das zu verhindern sucht. Das weiß er natürlich, das muss ihm niemand sagen. Und welcher Rat könnte schöner sein als der, sich nicht auseinander dividieren zu lassen? Von nichts und niemandem. Genau. Und darum …

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Termine:
• 02.06.2024 - Schmadebeck - KlangAtrium (Eisbrenner & Morgenstern)
• 06.06.2024 - Dresden - Kreuzkirche (Eisbrenner & Morgenstern)
• 08.06.2024 - Berlin - Theater Ost (Eisbrenner & Morgenstern)
• 09.06.2024 - Lychen - Exotik-Kunst-Garten (Eisbrenner & Morgenstern)

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