Ein Bericht mit Fotos von Jens Kurze. Zus. Foto: Bodo Kubatzki
Was soll ich sagen?! Ich stecke in einem Dilemma: "Ich schreib was über dieses Konzert", hatte ich den Beteiligten und Christian versprochen. Aber erst einmal muss ich versuchen, das Erlebte zu genießen, um es dann später zu verarbeiten. Ein Konzertbericht ist eigentlich so wirkungsvoll wie eine vorgelesen Speisekarte - ganz nett, aber man wird weder satt noch froh. Ich könnte es (mir) ganz einfach machen und den Abend in wenigen Worten zusammenfassen: knapp drei Stunden hohes musikalisches Können und Herzblut - dazu ein wundervolles Miteinander von allen Beteiligten vor, auf und hinter der Bühne und im Saal - vielen Dank - ich war lange nicht so glücklich nach einem Konzert! Na gut, ein paar Worte mehr werden es dann doch.
Es hat unendlich lange gedauert und viele Anläufe gebraucht - entweder waren die Gigs dieses Duos Manuel & Marek geografisch zu weit weg oder ich stand zeitgleich selbst auf der Bühne. Aber ich wollte die beiden Ausnahmemusiker, die ich sehr schätze, unbedingt live erleben. Also habe ich bereits Anfang des Jahres mit Veröffentlichung der Tourdaten 2023 den 7. Oktober in meinem Terminkalender geblockt, denn diesmal waren sie nur wenige Kilometer von mir entfernt. Die Suche nach einem Parkplatz dauert leider fast genau so lange wie die Anreise ...
Es hat unendlich lange gedauert und viele Anläufe gebraucht - entweder waren die Gigs dieses Duos Manuel & Marek geografisch zu weit weg oder ich stand zeitgleich selbst auf der Bühne. Aber ich wollte die beiden Ausnahmemusiker, die ich sehr schätze, unbedingt live erleben. Also habe ich bereits Anfang des Jahres mit Veröffentlichung der Tourdaten 2023 den 7. Oktober in meinem Terminkalender geblockt, denn diesmal waren sie nur wenige Kilometer von mir entfernt. Die Suche nach einem Parkplatz dauert leider fast genau so lange wie die Anreise ...
Die Theaternative C in Cottbus ist immer eine gute Adresse, wenn es um exklusive Konzerte geht, bei denen man den Künstlern ganz nahe ist. Ein emsiges Team sorgt für einen reibungslosen Ablauf und kümmert sich um nahezu jedes Detail. Auch meine im Vorfeld geäußerte Bitte nach einem günstigen Platz für Fotos (im Sitzen) wurde erfüllt - Dankeschön dafür! So konnte ich einige Bilder machen, ohne andere zu stören - es war ja eine Theaterbestuhlung. Für Manuel war das Konzert fast ein Heimspiel, er kennt die Location und das Team bestens, war er doch mit Wolfgang Martin bereits mehrfach zu musikalischen Lesungen hier und ist auch in Kürze wieder vor Ort. Ich hatte mich von Manuel im Sommer in Heringsdorf beim Konzert von Stern Meißen mit Hinweis auf Cottbus verabschiedet, meine letzte persönliche Begegnung mit Marek ist schon ein paar Jahre her - aber es gibt ja elektronische Kontaktmöglichkeiten, und auch unsere Deutsche-Mugge-Seite hält mich auf dem aktuellen Stand. Prima, dass diesmal letztendlich doch alles geklappt hat.
Die knapp einhundert Sitzplätze in Cottbus waren restlos ausverkauft, die Nachfrage war größer als die Platzkapazität. Die kleine Theaterbühne war gut ausgeleuchtet, ein ganz kleines Set stand auf der Bühne: ein Keyboard, zwei Saxophone und der Hinweis "Ich bin keine Klarinette", zwei Mikrofone nebst dazugehörigem Stativ inklusive Effektgerät, der kleine digitale Mixer stand neben dem Keyboard und im Hintergrund waren rechts und links je eine Aktivbox und ein Banner aufgebaut - das wars. Wie es sich für ein Theater gehört, gab es die Signale für "gleich gehts los" und "jetzt gehts los", und pünktlich ohne künstliche Warterei eröffneten Manuel und Marek nach der Anmoderation das Konzert mit "10 Milliarden Sterne" vom aktuellen Album "Ziele" - zuerst vierhändig am Piano, dann übernahm Marek den Saxophon-Part. Und über allem glänzte Manuels hohe, unverkennbare Stimme. Ja natürlich habe ich in Vorbereitung dieses Abends beide Alben wieder raus gekramt und die teilweise doch recht komplizierten Melodien und vielschichtigen Arrangements im Ohr - und nun wird das ganze runter gebrochen auf eine geradezu minimalistische Instrumentierung. Das muss man sich erstmal trauen. Keine Backing-Tracks, keine Overdubs - Fingerkunst par excellence von beiden!
Ungekünstelte Ansagen, Blickkontakt, der berühmte Funke zwischen den Musikern und dem Publikum sprang sofort über - wir hatten ja lange auf diesen Abend gewartet. Auch diese Nähe macht den besonderen Reiz in der Theaternative C aus, Manuel konnte auf jeden Kommentar und jeden Zuruf aus dem Publikum sofort reagieren - und umgekehrt. Kein "Wo sind die Hände" oder "Und jetzt alle" - wir waren von Anfang an eine verschworene Gemeinschaft. Wohin das führen kann - dazu später.
Dajana hat im Januar hier in den "Live-Berichten" bereits vom Tourstart ausführlich berichtet, auch diesmal war das Konzert zweigeteilt. Im ersten Block gab es einen Querschnitt aus dem Schaffen der beiden Protagonisten, im zweiten wurden wir - passend zum Datum 7. Oktober - an Lieder erinnert, mit denen wir hier in unserer kleinen Welt aufgewachsen sind. Also ab in den ersten Teil. Mit einem Blick zurück in seine Anfangszeit als Liedautor schenkte uns Manuel einen Hauch von "Frühling" mit der Zeile "doch glaub nicht es geht von ganz allein - wir müssen kämpfen für das Schöne in der Welt" - genau das Richtige an diesem regnerischen Abend. "Kleines Glück" vom Vorgängeralbum "Zeiten" bleibt wirklich hängen in meinen Ohren - warum nicht in denen der Radio-Musikredakteure? Ohje, da kommt schon wieder der Fontane um die Ecke "Es ist ein weites Feld"... "Worte sind wie Bilder" habe ich länger nicht mehr gehört, kein Wunder, das ist ja auch schon aus dem Jahr 2016. Hier hat mir besonders das perkussiv gespielte Piano gefallen. Im Original slappte einst Peter Rasym den Bass, wenn ich mich nicht irre.
Die Moderation von Manuel war ungekünstelt, mal nachdenklich, mal witzig. "Jetzt gibt es einen Love-Song - wir haben versucht, den Idealzustand einer Liebe zu beschreiben" - okay, da kann man nicht ernst bleiben - und nach dem darauf folgenden Song "Hey Blues verlass mich" und unserer Swing-Unterstützung stellte er fest: "Cottbus ist des Schnippsens mächtig" (und er offenbar des Genitivs). "Das Spiegelbild" brachte im Stile eines Dreißiger-Jahre-Couplets eine schöne Farbe ins Programm. Spätestens an dieser Stelle muss ich auf des kongeniale Zusammenspiel der beide Musiker kommen. Wie gesagt: ich kenne die Songs im vollen Studio-Band-Sound. Aber was die beiden hier für ein Feuerwerk abgebrannt haben ist bemerkenswert. Scheinbar mühelos schüttelten sie vertrackte Läufe aus dem Ärmel, Marek brillierte mit tollen Melodieführungen oder einer schlichten zweiten Stimme auf den beiden Saxophonen. Das passte hervorragend zusammen. Für Manuels Stimme gab es dezente, abwechslungsreiche Vocal-Effekte, mal nur ein sanftes Reverb, dann ganz sachte Mehrfach-Delays - große Klasse! Diese Effekte wurden von der kleinen Kiste an Mareks Mikrofonstativ erzeugt (ich nenne jetzt die Marke nicht) und jeweils neu angewählt. Das ging auch eine ganze Weile gut, bis die Kiste ein gewisses Eigenleben am Stativ entwickelte und so für einen Running Gag sorgte. Irgendwann hatte Marek dann die Nase voll und griff zur Wunderwaffe jedes Bühnenmusikers: Klebeband. Polytechnisch gebildet befestigte er in Ersthelfer-Wickel-Manier das Teil am Ersatzständer, das Original wollte nicht bis zum Tourende warten. Klasse, Slapstick pur.
Für das "Ziel des Augenblicks" waren wir im Saal gefordert und haben nach Anleitung von Manuel im Ruf-Antwort-Prinzip den Refrain gesanglich verstärkt. Nun ist das mit dem Mitsingen für mich immer so eine Sache ... zudem ist Manuels Stimme wirklich sehr hoch ... also habe ich eine zweite Stimme drunter gesetzt wie früher in der Band ... hat funktioniert. Die beiden Protagonisten fanden den gesamten Cottbusser Chor so prima, dass sie ihn (also uns) zur Produktion der nächsten CD eingeladen haben. Okay, das könnte bei Marek etwas eng im Studio werden, wenn alle kommen, und der Kaffeeautomat läuft dann garantiert im Dauerbetrieb. Aber auch andere Bands haben einst Chöre im Flur aufgenommen, weil ihnen dort der Hall gefallen hat. Ich nehme die Einladung gern an und hab schon mal geschaut- also es sind etwas über 200 Kilometer von hier bis Remse, und vielleicht können wir das ja mit einem kleinen Workshop zum Thema Programmierung von Vocaleffekten verbinden, ich bringe mein Floorboard mit ... man wird ja noch träumen dürfen...
Eine beeindruckende Komposition mit einem Text von Joachim Krause schloss sich an: "Fremder Strand". Manuel bezeichnet es selbst als "ein sehr forderndes Stück". Oh ja - da bleibt einem im doppelten Sinn die Luft weg. Schwer zu singen, schwer zu verkraften. Und er setzte noch eins drauf - ich hatte gehofft, dass es im Programm ist: "Seelenlieder". Die Version gemeinsam mit CYRIL und Dirk "Scholle" Zöllner macht mir jedes Mal wieder eine Gänsehaut, und nach der nicht weniger intensiven Version des Duos Manuel/Marek wäre ich gern direkt in die Pause gegangen zum Durchschnaufen, aber es gab noch eine Kirsche auf die Sahne: "Ankunft/Arrival", ebenfalls im Original von CYRIL. Herrlich entspannend die Anmoderation von Manuel: "Marek du bist doch Lehrer, sag du doch was dazu" - Marek: "Ich bin Musiklehrer und gebe Einzelunterricht" - Manuel: "Ja und?" - Marek (mit verschmitztem Blick ins Publikum): "Aber das hier ist kein Einzelunterricht". -Gelächter - Na letztendlich hat er uns die Story zum Song erklärt und nach diesem großartigen Stück gings ab in die Pause.
Im zweiten Teil wurden wir auf unsere Textsicherheit überprüft. Na klar haben wir alle die Songs im Kopf, zu denen wir einst getanzt, geträumt oder auch geweint haben. Ohne sentimentale Verklärung dieser Zeit, einfach nur in Würdigung der Komponisten, Texter, Bands, Sängerinnen und Sänger von Veronika Fischer über Holger Biege bis Karat. Über manche Songauswahl lässt sich streiten, aber das ist ein Frage des persönlichen Geschmacks. Ich will nur einige nennen: Horst Krügers "Tagesreise" ist schon eine echte Herausforderung. Ich hab das Lied auch schon ganz allein von Gotte nur mit seiner Akustikgitarre gehört. Ein toller Song bleibt eben ein toller Song! Marek konnte sich hier total entfalten und brachte so eine Bewegung auf der Bühne, dass das Bilderbanner hinter ihm bedrohlich ins Schwanken kam. Gerade noch mal gut gegangen. "Klavier im Fluss" haben wir im Publikum komplett allein gesungen - ich hätte nicht gedacht, dass das funktioniert. Manuel als Text-Einsatzgeber - das hat schon was nicht Alltägliches.
Besonders habe ich mich gefreut über die "Nachtigall" von 4PS, unterstützt von einem zauberhaften E-Piano-Sound. Da muss ich doch glatt mal wieder meine Franz-Bartzsch-CD rausholen. "Am Abend mancher Tage" ist wieder so ein Meilenstein, der mich nie kalt lässt. Wolfgang Scheffler schrieb im Jahr 1979 diese sehr anspruchsvolle Komposition zu einem Text von Joachim Krause (siehe "Fremder Strand") nach den tragischen Ereignissen der Gruppe Lift. Es gehört schon eine Menge Mut und großes Können dazu, dieses Stück im Duo umzusetzen. Es sind irre Harmoniewendungen in diesem Lied, und den Basslauf zwischen Refrain und Strophe spielte Manuel oktaviert mit der linken Hand - Respekt! "Er ist Clown in einem Zirkus" von NRC/Neumis Rock Circus - die rote Schaumgummi-Nase wurde später dem Saxophon übergestülpt - damit ging die Mitsingestunde nach 12 Songs zuende. Eigentlich.
Aber irgendwie wollte keiner nach Hause, die Musiker nicht, das Publikum nicht. Also gab es einen musikalischen Nachschlag von sechs (!) Liedern - Applaus Applaus Applaus! Musikalisch und sportlich bewegten sich beide im "Raum der Illusion" - vierhändiges Stakkato im fliegenden Wechsel am Piano, abwechselnd sitzend. Sicherlich hätte man wohl zwei Keyboards hinstellen können, aber dann wäre ja dieser Gag weg. Ich hab keine Ahnung, wie Manuel das hinbekommt, in dieser gebeugten Stellung auch noch zu singen. Mein Physiotherapeut hätte die Hände vors Gesicht geschlagen. Marek beeindruckte mich erneut bei "Nach Süden" von Lift mit einem beeindruckenden Saxophon-Nachspiel. Erneut wankte das Banner bedrohlich. Es wankte, aber es fiel nicht. Marek hatte eben auch hier eine Lösung. Irgendwas geht immer. Und wenn es ein Zubehörkoffer ist, der zur Stabilisierung herhalten muss.
"Ich glaube an das Gute und dass es siegt" hieß es hoffnungsvoll in "Das Ende vom Lied", ein Song von Manuels "Seelenparadies". Grande finale: schöner als mit der wundervollen "Sommernacht" von Lift kann man sich kaum verabschieden, begleitet vom wieder vielstimmigen Cottbuser Chor. Noch einmal gemeinsam den Refrain von "Ziel des Augenblicks" singen - und dann raus, tief durchatmen.
Manuel und Marek waren unmittelbar nach dem Auftritt am kleinen Merch-Stand und nahmen sich Zeit für Gespräche und Fotos, CD-Booklets wurden signiert, Konzerttermine ausgetauscht. Der Regen hatte aufgehört, der kleine Innenhof leerte sich nur ganz langsam, irgendwie hatten alle mit ihrer Gefühlswelt zu tun - das war wirklich ein ganz besondere Abend. Vielen Dank euch allen, das tat wirklich gut. Manuel - wir sehen uns (wenn es klappt) wie üblich im Spätherbst im Neu-Helgoland. Marek - deine Einladung steht? Ansonsten tschüss bis 2024 in Dresden mit Manuel, Marek, Scholle und Gensi!