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Ein Konzertbericht von Dajana Prosser-Gehn. Fotos:
Polydor (oben), Dajana Prosser-Gehn (Konzertfotos)




"Was bleibt nach dem Tode", wird in einem Song der Stern-Combo Meißen gefragt. Ja, was bleibt, wenn man gegangen ist? Viele Menschen geraten auf kurz oder lang in Vergessenheit, andere bleiben auch Jahre nach ihrem Ableben nicht nur in den Köpfen ihrer Mitmenschen, sondern dank der Erinnerungsarbeit von Freunden und Familien noch so präsent, als wären sie gar nicht weg. Einer der auf diese Erinnerungsarbeit seiner Freunde und der Familie stolz wäre, ist wohl Holger Biege, denn an ihn wird auch nach über fünf Jahren seit dem rabenschwarzen Mittwoch im April 2018 immer wieder erinnert, über ihn wird nach wie vor gesprochen und für ihn finden auch weiterhin Veranstaltungen statt, bei denen seine Lieder in die Welt getragen werden. In diesem Jahr und zu seinem 70. Geburtstag sogar zwei: Eine an seinem Geburtstag am 19. September in der Geburtsstadt Greifswald, und am vergangenen Freitag im Berliner "Neu-Helgoland".


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Die eisige Kälte der letzten Tage verwandelte die Umgebung vom "Neu-Helgoland" in einen wunderschönen Zauberwald. Alles glitzerte und unser Atem blies weißen Rauch in die kalte Abendluft. Eine wärmende musikalische Umarmung erwartete uns, denn Thomas Putensen und Manuel Schmid luden zu einem Holger-Biege-Konzertabend ein. Beide waren auch schon bei der Mugge in Greifswald im September auf der Bühne zu erleben. Michael Bahlk am Kontrabass sowie Simon Wupper am Schlagzeug waren auch wieder mit dabei. Im Gepäck hatten sie dieses Mal nicht nur die schönsten Kompositionen von Holger Biege, sondern auch Maike Virk an der Geige. Wer schon mal auf einer Veranstaltung von Thomas Putensen war, weiß, dass einen alles erwarten kann. Niemals wird es so sein wie beim vorherigen Mal oder das Mal davor. So sollte es auch am Freitag sein.

Normalerweise geht um 20:00 Uhr das Licht aus. Ja, irgendwie war das am 16. Dezember 2022 im "Neu-Helgoland" auch so, aber nur Sekunden später ging das Licht wieder an. Zwischen den Reihen erschienen Manuel Schmid, Thomas Putensen sowie die Violinistin Maike Virk - singend, spielend, das Publikum herausfordernd. "Sagte mal ein Dichter", die "Nationalhymne von Holger Biege", wie Putensen sie nannte, erklang und das Publikum durfte ALLE Strophen singen. Sehr viele von uns waren textsicher. Kaum waren die drei auf der Bühne, spielten sie das Lied erneut mit der Band und alle sangen mit. Das war mal ein ganz grandioser Beginn eines Gedenkkonzertes.

"Verlieb dich nicht so sehr,
dass du aufhörst frei zu sein."


Holger Biege wäre in diesem Jahr am 19. September - wie schon erwähnt - 70 Jahre geworden. Leider verstarb er vor vier Jahren viel zu früh. Wir hätten sicherlich noch viele zeitlose, gesellschaftskritische und nachdenkliche Texte und Kompositionen von ihm gehört. Seine Lieder aus den 70ern und 80ern sind aber dennoch aktuell, als hätte Holger Biege die Zukunft bereits damals schon gekannt. Nichts an seinen Songs ist oberflächlich oder dem Kommerz verschrieben. Alles hatte Inhalt und eine starke Aussage, verbunden mit grandiosen Kompositionen und ebenso genialen Arrangements. Da liegt es auch nahe, dass ein Künstler wie Thomas Putensen, der Holger in vielen Dingen sehr ähnlich ist, bei einer Veranstaltung wie dieser dem Leben und Wirken seines Kollegen gedenkt. Als Musiker von Thomas Putensen zu einem Konzert eingeladen zu werden, um mit ihm zu spielen, ist hier und da sicherlich eine Herausforderung, denn ein Thomas Putensen spielt Lieder nicht einfach runter, er improvisiert. Es ist wie eine Jam-Session auf der Live-Bühne. Manuel Schmid nahm die Herausforderung an. Gemeinsam mit den Musikern interpretierten sie die Lieder von Holger Biege auf ihre Weise und so hörten wir u.a. "Wenn der Abend kommt", "Will alles wagen" oder "Sklavin".


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Manuel Schmid wunderte sich nach wenigen Songs, warum alle außer ihm wussten, welche Songs gespielt wurden und fragte sich, ob die anderen vielleicht eine Setlist hatten? Der Gesichtsausdruck von "Pute" als Antwort war recht schelmisch. Während des Konzertes warfen sich die beiden immer wieder die "Bälle" gegenseitig zu. Es herrschte eine lockere Atmosphäre auf der Bühne. Micha und Simon sind ja von "Pute" im Hinblick auf spontanes "Was spielen wir jetzt?" oder "Wir ändern einfach mal die Tonart, das bekommt ihr schon hin" bereits einiges gewohnt. Das merkt man ihnen beim Spielen in solchen Momenten auch an, denn sie wirkten total relaxt. Thomas Putensen ist eine Art Orchesterleiter und holt so ganz nebenbei mit einer Leichtigkeit das Beste aus seinen Musikern heraus.

Holger Biege komponierte und textete bekanntermaßen nicht nur für sich, sondern auch für andere Künstler, so auch für seinen Bruder Gerd Christian. Ich hätte getippt, dass Manuel den Song "Sag ihr auch" singen würde, aber Thomas Putensen nahm sich dessen an. Er erzählte, dass Holger Biege genau beobachtete und lauschte, wenn damals Gäste in sein Haus kamen und seine Lieder sangen. Er hatte ein wachsames Auge. Seine Frau Cordelia gab "Pute" und Manuel den Tipp, nur nicht zu versuchen, wie Holger Biege zu klingen. Recht hatte sie. Die Künstler machten sich darum auch den Song zu eigen, fühlten ihn und nur so kann man Holger auch am besten ehren. Und das taten Thomas Putensen und Manuel Schmid auf einem sehr hohen Niveau.


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Aber kann man an nur einem Abend und mit einem Konzert diesem Künstler und seinem Schaffen gerecht werden? Holger Biege hat einen wertvollen Schatz hinterlassen. Seine Kunst, seine Liebe, sein Leben. Es müsste eigentlich ein Holger-Biege-Festival geben, um einen "größeren" Einblick in die Brillanz von diesem wunderbaren Musiker zu erhalten. Dies ist bei einer Veranstaltung wie am Freitag aber nur in kleinen Dosen möglich. Und so endete nach zwei Stunden ein Konzert, an dessen Ende man dachte, "Es hat doch gerade erst begonnen." Wann Freunde und Familie wieder an ihren Holger erinnern und ein Konzert wie dieses hier auf die Beine stellen werden, ist noch nicht bekannt. Aber am 31. März 2023 gibt Thomas Putensen gemeinsam mit Joro Gogow von City ein Konzert im "Neu-Helgoland". Manuel Schmid kommt mit seinem Freund und Musikerkollegen Marek Arnold bereits am 14. Januar 2023 hierher und am 15. Januar 2023 ins "Studio 7" in Panketal. "Pute" und Manuel sind, wie auch Holger Biege, grandiose und tiefsinnige Musiker, die uns am Freitag auch ohne Worte die Frage, "Was bleibt nach dem Tode", am Beispiel Holger Biege ausgesprochen gut beantworten konnten: Lebendiges Erinnern …











   
   
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