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Ein Konzertbericht mit Fotos von Thorsten Murr



Heute keine "Stille Nacht"
Ein Rockhaus-Konzert ist immer eine sichere Sache, dachte ich, und wenn die stets irgendwie jung und vor allem frisch gebliebene Band wieder einmal in der Vorweihnachtszeit ins Berliner Kesselhaus einlädt, bin ich natürlich da. Soweit ich mich erinnern kann, fanden die Berlin-Shows in den letzten Jahren immer als letzte der jeweiligen Tour und immer im November oder Dezember statt. Das muss wohl so.

Im Hof der Kulturbrauerei, vor dem Eingang ins Kesselhaus, drängen sich die Besucher des Weihnachtsmarktes. Eigentlich könnte es schön sein, an diesem Adventssonntagabend aber fühle ich mich von den meist in unförmigen Daunenmänteln auf doppelte Breite gepimpten und unelastischen Menschen genervt und auf meinem Weg behindert - nichts da mit "Stille Nacht", heute gibt's Rockhaus!


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Mike Kilian


Mit Tempo im Kesselhaus
Dann endlich drinnen und mit Spannung vor der Bühne postiert. Die Band lässt nicht lange auf sich warten und geht gleich in die Vollen. Es ist dieser typische Rockhaus-Sound, der sofort die Halle ausfüllt. Hart, fett und klar den Kern klassischer Rockmusik treffend. So mag ich es ja besonders. Das bislang letzte Album heißt "Tempozoo" - eine Anspielung auf einen Film mit Clint Eastwood und einer rasanten Rätseltour durch den New Yorker Zoo. Tempo macht die Band heute allemal, mir fast ein wenig zu schnell jagt ein Song den nächsten. Aber das hat nichts zu sagen, vielleicht liegt diese Wahrnehmung an meiner vorweihnachtlichen Trägheit, die sich immer zum Ende eines jeden Jahres in mir breitmacht.

Wie neugeboren zum zweiten Leben
Rockhaus hingegen sind alles andere als träge. Die Tour heißt "Willkommen im zweiten Leben", wohl als Anspielung auf die Corona-Live-Pause, die Mike Kilian in einer seiner Ansagen mit einer gewissen Verbitterung auch erwähnt. Ach Mike, was solls, es war für alle eine außergewöhnliche und auch harte Zeit, aber die ist inzwischen doch Geschichte. Zumal das zu Ende gehende Jahr übervoll war mit Live-Rockmusik-Angeboten aller Genres und Klassen. Den Rock and Roll kriegt man sowieso nicht klein, wie man heute eindrucksvoll erleben kann, denn ein bisschen wie neugeboren wirken Rockhaus in der Tat. Sie sind voller Energie, treiben sich gegenseitig an, wobei HeinzAngel Haberstroh an den Drums selbstredend am markantesten zu der allgemeinen Dynamik auf der Bühne beiträgt, während Mike Kilian am Mikro und Gitarrist Reinhard "Reini" Petereit äußerst vital und zwanglos wirken. Auf der TEMPOZOO-Tour 2019 war Bassist Robert Protzmann noch der Neue. Heute nun, drei Jahre später, gehört er, selbstbewusst und selbstsicher, fest zum Bild dieser Band - und klanglich passt das sowieso perfekt.

Ich erlebe ein richtig geiles, mitreißendes Rockkonzert. Vielleicht wirkt die Band auch deshalb so gelöst und losgelassen, weil es die letzte Show der Tour ist. Einen ähnlichen Effekt konnte man ja im Sommer auch bei den Rolling Stones in der Waldbühne beobachten, als sie ihr bislang letztes Konzert spielten.


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Herr Petereit


Setlist? Klar, Rock and Roll!
Mir jedenfalls macht Rockhaus heute Abend mehr Spaß als ich vermutet hätte. Und wie auch bei den Stones habe ich schon am Ende des Konzertes keine Erinnerung mehr, welche Songs nun genau in welcher Reihenfolge gespielt wurden. Das mag am bereits erwähnten Tempo liegen oder daran, dass es ganz einfach eine kluge Setliste ist, die diese Frage gar nicht erst aufkommen lässt. In der ersten Hälfte war es überwiegend jüngeres Material aus den letzten zehn Jahren, später dann einige der klassischen Überhits aus den Achtzigern - alles in allem eine pralle Packung feinster Rockmusik, ohne überflüssiges Polstermaterial und vorgetragen mit einem "gnadenlos" klasse Sound. So muss es sein!

Lob von Kollegen
Im Publikum sind erfreulich viele bekannte Gesichter, von denen ich allerdings etliche erst im Verlauf der Show entdecke - oder die mich entdecken. So geht es mir auch mit jemandem, der unmittelbar mit der Gründung und den ersten Jahren von Rockhaus und später auch mit einer anderen mir sehr am Herzen liegenden Band zu tun hatte - der heute in Las Vegas und Berlin lebende Bassist Ingo York. Ingo ist von der Show seiner Ex-Kollegen beeindruckt: "Eine fantastische Band und ein fantastisches Konzert!", sagt er. "Bei einigen älteren Songs, von denen ich den Text noch kenne, habe ich sogar unbewusst mitgesungen." Später, nachdem er vom heutigen Rockhaus-Bassisten Robert im Publikum erspäht wurde, begrüßen sich die beiden während der Show mit einem herzlichen Faustgruß.

Mit Bernd "Kuhle" Kühnert treffe ich an der Bar auch auf einen namhaften Vertreter der harten Bluesrock-Fraktion. Kuhles Kommentar: "Klasse Live-Band! Was sie machen, machen sie richtig. Immer wieder sehenswert." Gut, wenn sich die Wahrnehmung der Profis mit meiner deckt, denke ich, und freue mich weiter über das, was sich da vorn so rasant und kompromisslos abspielt. Rockhaus at it's best - so feiern wir ein frohes Fest!


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Robert Protzmann


In ihren Texten verarbeitet die Band bekanntlich seit Langem ernsthafte Themen und betrachtet die verschiedensten Facetten des menschlichen Daseins. Trotzdem werdet Ihr für mich, liebe Rockhäuser, tief in meinem Inneren, auf ewig die junge, freche Band sein, die im "Stadtpark Bänke angesägt" hat und einst die Puhdys vom Thron stoßen wollte. Das Rebellische und Wilde von damals habt Ihr Euch bewahrt - und lasst es heute nicht nur aufblitzen, sondern auch donnern.

Nachwuchsarbeit
Dass Rockhaus nun freilich nicht mehr die ganz, ganz Jungen im Business sind, wird deutlich, als zum Ende hin HeinzAngel einen seiner Schlagzeugschüler präsentiert: Max übernimmt für einen Song die Trommeln. Sich seiner Sache ziemlich sicher wirkt der junge Mann, wobei er innerlich vermutlich alles andere als entspannt sein dürfte. Wie auch immer, er macht einen guten Job und wird diesen Auftritt vor diesem begeisterten Publikum im Berliner Kesselhaus wohl noch lange in Erinnerung behalten.

Vielen Dank!
Mir selbst wird dieses ausgesprochen lebendige und mitreißende Konzert wohl auch lange in Erinnerung bleiben. So begeistert von einer Rockhaus-Show war ich noch nie, und ich habe sie seit 2009 recht häufig live erlebt. Vielen Dank, jetzt kann Weihnachten kommen!











   
   
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