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Ein Bericht mit Fotos von Dajana Prosser-Gehn



"Ich wollte immer ein Popstar sein, einer, der was bewegt." Das war der erste Satz von Micha Ehrenreich im legendären Film "Sonnenallee" (1999) - meine erste Begegnung mit dem Darsteller dieser Figur, Alexander Scheer. Auch wenn das nicht seine erste Filmrolle war, so trat er ab 1999 über zahlreiche Fernsehfilme und -serien oder auch mit Theaterrollen verstärkt ins Bewusstsein einer breiten Öffentlichkeit. Im Jahre 2019 wurde er bei der Verleihung des Deutschen Filmpreises mit der LOLA für seine Rolle als Gundermann im gleichnamigen Film ausgezeichnet. Dies war aber nur einer der vielen Preise, die er für seine Darstellungen erhielt.

Alexander Scheer ist ein sehr vielseitiger Mensch und daher verwunderte es nicht, dass er auch als Musiker mit Band auftritt. So z.B. am 8. Oktober 2022 im "Kleist Forum" von Frankfurt/Oder bei der Premiere seines Programms "I´m only dancing - Scheer singt Bowie" vor ausverkauftem Haus. Wie es der Titel schon verrät, handelt es sich bei dem Programm um eine Hommage an David Bowie, der seiner Zeit weit voraus war und viel zu früh verstarb. Eine große Herausforderung, die Scheer mit seiner sympathischen und euphorischen Art meisterte. An dieser Stelle sei vorab schon verraten, dass er trotz nah am Briten angelegtem Outfit mit weiten Hosen, Seidenhemd nebst Krawatte und Schulterpolster verstärktem Sakko gar nicht erst versuchte, eine Kopie von Bowie zu sein. Vielmehr zeigte uns Alexander Scheer den David Bowie, der er für ihn war. So, wie er ihn spürte, wahrnahm und für sich in Erinnerung behalten wird, bildete er ihn auf der Bühne ab. Dies tat er in der Gundermann-Rolle bereits äußerst beeindruckend und überzeugend. Mit dem Vortrag der Bowie-Lieder einmal mehr!


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Als ich las, dass es sich um eine Konzertlesung handeln würde, konnte ich mir zunächst nichts darunter vorstellen. Was wollte er vorlesen? Aus den Biografien, die über David Bowie verfasst wurden, oder hatte er selbst etwas niedergeschrieben? Nein, es kam alles ganz anders. Aber von Anfang an.

Um 19.30 Uhr sollte es losgehen. Bereits eine Stunde vorher war das "Kleist Forum" in Frankfurt/Oder gut gefüllt und man hörte die Gäste aufgeregt reden. Einige - so wie ich - trugen ein David Bowie Shirt. Die Presse schlängelte sich durch die Menge und fing die Stimmung vor dem Einlass ein. Jeder wollte, dass es endlich los geht und obwohl wir erst um 19.20 Uhr in den Saal hineingelassen wurden, begann die Veranstaltung relativ pünktlich.

Es ging Schlag auf Schlag. Bereits in der Fernsehserie "Die Kinder vom Bahnhof Zoo" hatte der singende Schauspieler im Jahre 2021 einen Auftritt als David Bowie, in seinem Bühnenprogramm kann er nun wieder in die Rolle seines Lieblingsmusikers schlüpfen, und in FFO wurden wir Augen- und Ohrenzeuge davon … Es wurde dunkel, die Musiker von Scheers Band (Fee Aviv Marschall an der Gitarre, Fabian Leu am Bass, Steffen Kieslich am Schlagzeug und Steve Patuta am Keyboard) kamen auf die Bühne und dann erschien auch Alexander Scheer. Der Song "Rebel Rebel" erklang. Er performte diesen auf einem Schrank hockend. Ein Möbelstück, das David Bowies Schrankgarberobe auf Konzertreisen symbolisierte. Mit seinen geliebten Büchern, Sachen und all den anderen Dingen, die ihm so wichtig waren. Während des Songs wurde die Musik leiser und Alexander Scheer - dem Schrank inzwischen entstiegen - griff zu einem Buch aus dem er vorlas. Sofort spürte man seine Liebe zum Wort. Er las nicht einfach nur vor, er verlieh dem geschriebenen Wort eine Stimme und füllte die Texte mit Gesten und Mimik. Dies sollte im Verlauf des Abends noch öfter passieren - immer verbunden mit einem passenden Titel aus dem reichhaltigen Fundus des britischen Musik-Chameleons.


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Nach der ersten "Lesung" erzählte er, dass David Bowie immer eine mobile Bibliothek mit sich führte. Knapp 1.500 Bücher soll er immer dabei gehabt haben. An dieser Stelle erklärte sich dann auch der Begriff "Konzertlesung". David Bowie erstellte wenige Jahre vor seinem Tod eine Liste mit Büchern, die ihn prägten. Allen voran war es das Werk "Clockwork Orange", welches Bowie in einem ganz besonderen Maße beeinflusste. Weiß man doch, dass so sein "Ziggy Stardust" entstand. Alexander Scheer las etwas von Dante, Christa Wolf, James Baldwin und vielen anderen Autoren vor. Er schlüpfte wortgewandt in jede dieser Geschichten, und wir versanken dadurch in ihnen. Mich würde es nicht verwundern, wenn der eine oder andere aus dem Publikum im Anschluss eines jener Bücher selbst lesen wird. Der Satz, "Wenn du weißt, woher du kommst, kannst du unendlich weit laufen" (James Baldwin), lässt einen nicht mehr los. In wenigen Worten wurde eine offensichtliche Wahrheit gepackt, deren wir uns viel öfter bewusst werden sollten.

"Berlin Alexanderplatz", ein Buch von Alfred Döblin verfasst, versetzte uns in die Zeit, als David Bowie in Berlin verweilte und drei Alben aufnahm ("Low", "Heroes", "Lodger"). Ein Foto auf der Leinwand im Hintergrund zeigte David Bowie mit Iggy Pop in einem typischen Ostberliner Café. Scherzhaft verwies Alexander Scheer auf die Zigarettenschachtel JUWEL auf dem Tisch. "Wer die rauchte, rauchte sie nur einmal und weilt heute bestimmt nicht mehr unter uns" merkte er lachend an. Anscheinend hatten einige im Publikum die gleiche Erfahrung mit diesen Zigaretten gemacht, denn sie stimmten Scheers Aussage zu. "Where are we now" erklang und auf der Leinwand flimmerten Berliner Impressionen. Die Leinwand zeigte selten David Bowie, eher Menschen, Straßen, Filme und seine geliebten Bücher.


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Beim Song "China Girl" begann Alexander Scheer sich langsam zu entkleiden, verschwand von der Bühne und war nunmehr auf der Leinwand zu sehen, wie er mit nacktem Oberkörper im Hintergrund weiter performte, mal sich auf dem Boden räkelnd, mal "tanzend". Zum Schluss kam er mit einem recht farbenfrohen und von Janina Brinkmann entworfenen Bademantel zurück auf die Bühne, und stimmte eine sehr reduzierte Fassung von "Ashes to Ashes" an. "Das Mädchen auf dem Delphin" von dem italienschen Arzt Alberto Denti Pirajno war ein weiteres von David Bowies Lieblingsbüchern. Inspiriert von diesem Buch fanden schließlich auch Delfine in den Songtext von "Heroes", womit sich die Herkunft dieser Tiere in seinem Lied nun erklären lässt. Bowie wurde in den 70er Jahren mal gefragt, ob er bei einer Verfilmung mitwirken würde. Er verneinte unverzüglich und meinte, dieses Buch sei nicht verfilmbar. Als er sich Jahre später mit seiner Frau Iman darüber unterhielt, kam heraus, dass auch sie dasselbe gefragt wurde und auch sie erwiderte, dass diese Erzählung nicht verfilmbar sei. Nach Alexander Scheers Ausführungen zum Buch spielten er und seine Band das eben schon erwähnte "Heroes". Das Publikum feierte sie dafür und die Sitzplätze im Saal wurden nutzlos.

Alexander Scheer gab alles. Er wirbelte auf der Bühne herum und fand trotzdem noch genug Atem, um eindrucksvoll kleine Geschichten aus Bowies geliebten Büchern vorzulesen. Ich freute mich sehr, dass er nicht einfach die kommerziellen Lieder für den musikalischen Teil wählte, sondern Stücke wie "Stay", "Starman" oder in der Zugabe "Life on Mars". "Wir sind eine Tanzkapelle, also tanzt", und das letzte Lied des Abends erklang: "Let´s Dance".


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Völlig erschöpft, verausgabt und glücklich über das wunderbare Konzert verließen Alexander Scheer und die Band die Bühne. Abschließend sei noch erwähnt, dass "I'm only Dancing - Scheer singt Bowie" durch die Initiative Musik mit Projektmitteln der Beauftragten der Bundesregierung für Kultur und Medien gefördert wurde und es sich dabei um ein Auftragswerk von Pop-Kultur 2021 handelt. Ob man es nach der Premiere in FFO auch woanders noch sehen kann, ist hier nicht bekannt. Das Publikum ging am Samstag nach der Show jedenfalls beschwingt nach Hause und mich würde es nicht wundern, wenn noch am gleichen Abend die eine oder andere Bowie-Platte gehört wurde.











   
   
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