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Ein Bericht mit Fotos von Christian Reder



Es sind die letzten Tage im März und der Frühling kommt mit Riesenschritten. In der Natur hat die KEIMZEIT schon längst begonnen, und in der Kultur zog die Stadt Essen gestern nach, als man es auf der Bühne des Kulturzentrums GREND auch fleißig keimen ließ. Dafür, dass der kleine Saal des "Grend" innerhalb kürzester Zeit schon in voller Blüte stand,a 20190330 1864166235 sorgte die aus Brandenburg stammende Band KEIMZEIT um die Brüder Norbert und Hartmut Leisegang. Die wurde mit ihrem im Februar veröffentlichten Album hier vorstellig und lud zu einer Mugge am Freitagabend ein. Dem Publikum in Essen bescherte die Band ihre Lieblingsakkorde, fliegende Teppiche und den obligatorischen Ausflug nach Feuerland.

Pünktlich um 21:00 Uhr war es zappenduster im Essener "Grend" und Keyboard-Sounds waberten durch den Saal, der gerade mal doppelt so groß ist, wie manch ein Wohnzimmer. Es geht hier also eher gemütlich und überschaubar zu. Die Leute vor der Bühne standen dicht an dicht und die Lust auf die Kapelle und ihre Musik war nicht nur spür- sondern fast schon greifbar. Der Keyboard-Sound gehörte zum Intro des dann folgenden, knapp zweistündigen Spektakels, das das Brandenburger Sextett nun zelebrierte. Das Intro warf seine Hülle ab und legte den Blick auf das dem brandneuen Album seinen Namen gebende Lied "Das Schloss" frei, mit dem es richtig losging als die Scheinwerfer die Bühne und die darauf ihre Plätze eingenommen habenden Musiker in blaues Licht hüllte. Vorn an der Kante hatte es sich Frontmann Norbert Leisegang "bequem gemacht". Neben ihm Keyboarder Simon Anke, der den derzeit krank ausfallenden Andreas "Spatz" Sperling vertrat und Schlagzeuger Lin Dittmann. Die Bühne im "Grend" ist - wie auch der Saal - sehr klein, weshalb die Band offenbar an ihrer Aufstellung dort arbeiten musste. Der Platz von Dittmann und seiner Schießbude war für alle Beteiligten offenbar Neuland, wie auch Norbert Leisegang im Verlauf des Konzerts bei der Bandvorstellung zugab. Der Trommler sei mit dem Platz seines Arbeitsgeräts auch nicht glücklich gewesen, habe aber das Beste daraus gemacht und sich im Verlauf des Konzerts damit auch angefreundet, so Leisegang weiter. Dittmanns erstklassiger Leistung hat der ungewöhnliche Platz auf der Bühne jedenfalls keinen Abbruch getan. Im hinteren Bereich der Bühne hatten Bassist Hartmut Leisegang, neben Norbert das letzte verbliebene Gründungsmitglied der Band, Trompeter und Tastenmann Sebastian Piskorz und Gitarrist Martin Weigel Aufstellung genommen und operierten von dort aus. Viel Platz für großartige Einlagen hatte dort keiner der sechs KEIMZEIT'ler. Dafür ließen sie ihre Instrumente, Stimmen und den Ideenreichtum in Bezug auf die Darreichungsform ihrer Lieder für Begeisterung im Saal sorgen. Bei KEIMZEIT kommt es eh auf die Inhalte und die Musik, und weniger auf eine aufwändige Choreographie im Bereich des Tanzes und anderen vom Wesentlichen ablenkenden Schnickschnack an.b 20190330 1164118615 Und von der inhaltlichen und musikalischen Qualität dieser Band bekamen wir am Freitagabend in Essen reichlich serviert. Es brauchte übrigens nur Sekunden, bis man als Konzertbesucher in diese typische KEIMZEIT-Stimmung versetzt wurde. Es bedurfte keiner langen Warmlaufphase, man war sofort drin und voll dabei.

Dem "Schloss" folgten im Verlauf des Abends weitere Songs vom neuen Album, so dass sich der Konzertbesucher ein rundes Bild von der Platte machen konnte. Aber auch mit den Klassikern aus der fast 40-jährigen Bandgeschichte wurde nicht gegeizt. Logisch, dass Songs wie "Kling Klang", "Kintop" oder "Singapur" in der Setlist zu finden waren - Lieder, ohne sie gehört zu haben wohl niemand den Laden am Ende des Tages verlassen hätte. Und die bunte Mischung aus Klassikern und neuen Songs (siehe Setlist unten) bildete eine tolle Dramaturgie für dieses Konzert und einen wirklich spannenden Ablauf, der die Leute ein ums andere Mal überraschte. Dass auch die neuen Lieder bereits ihre Liebhaber unter den im Saal befindlichen Konzertbesuchern gefunden hatten, ließ sich deutlich an der Textsicherheit der Leute ablesen, die nicht nur bei den großen Hits mitsangen, sondern eben auch bei den ganz frischen Nummern aus der "Schloss-Langrille" vokale Unterstützung anboten. Von diesen Liedern stach besonders "Der fliegende Teppich" heraus, bei dem sich - wie auch auf dem Album - Norbert Leisegang und Gitarrist Martin Weigel ein gesangliches Zwiegespräch lieferten, und bei dem der eine die Rolle des Teppichs und der andere die des Fußbodens übernahm. Hierbei wurde seitens des Auditoriums nicht mitgesungen, aber man hing an den Lippen der beiden vortragenden Künstlern und hatte mächtig viel Spaß mit dieser doch ungewöhnlichen Geschichte. Ebenso auffällig war das Lied "Seeigel", dem eine etwas längere Einleitung durch Norbert Leisegang voraus ging, der in seiner Anmoderation (übrigens die längste des Abends) bis ins Jahr 1967 und zum Familienurlaub auf die Insel Rügen zurückreiste. Im Programm befanden sich übrigens nicht nur verschiedene Lieder aus den vielen gemeinsamen Jahren, sondern auch verschiedene Stile. Die Gruppe KEIMZEIT bedient sich nicht nur klassischer Rock-Elemente für ihre Musik, sondern unternimmt auch mal Ausflüge in den Bereich Reggae.c 20190330 1041101728 Ebenso werden Latino- oder Folk-Klänge mit verbaut. Selbst in einem Jazz-Club würde die Band gut hinein passen, was sie z.B. beim Song "Bunte Scherben" sehr eindrucksvoll zeigte, und auch beim Song "Flugzeuge" konnte man die Augen schließen und diese smooth-jazzige Stimmung einfach nur auf sich wirken lassen.

Die Stimmung vor und auf der Bühne war extrem locker. Seitens der Band wurde viel gelacht und dass man richtig Bock auf diesen musikalischen Vortrag hatte, verrieten besonders die instrumentalen Ausflüge einzelner Bandmitglieder sehr deutlich. Ohne irgendeine Leistung hervorheben zu wollen, kommt man aber an Martin Weigel an der Gitarre nicht vorbei. Es machte richtig viel Spaß, dem Mann auf die Finger zu schauen und ihm beim Spiel auf den sechs Saiten zuzuhören. Beim Song "Bunte Scherben" verlor er sich in einem Solo und entlockte seinem Instrument psychodelische Klänge, beim Song "Kintop" wirkte er auf einer Ebene mit Mark Knopfler, an dessen Spiel er stark erinnerte, und an einer anderen Stelle ließ er mal gepflegt einen Keith Richards grüßen. Eine unglaubliche Vielseitigkeit und einen nicht weniger großen Facettenreichtum legte der Saitenhexer da an den Tag und machte nicht nur dem Rezensenten mächtig viel Freude. Ganz nebenbei ließ er seinem Gesangspart beim "Fliegenden Teppich" noch einen Sologesang beim Stück "Maulwurf" folgen. Ebenso viel gute Laune verbreitete Sebastian Piskorz, der bei verschiedenen Liedern mit seiner Trompete ganz wunderbare Akzente setzte. Eher unauffällig, aber nicht unwichtig, war der Part der KEIMZEIT-Rhythmus-Abteilung. Schlagwerker Lin Dittmann hatte ich bereits in Bezug auf seinen ungewöhnlichen Platz rechts auf der Bühne schon genannt. Zusammen mit dem Leisegang-Bruder Hartmut sorgte er für das rhythmische Fundament, auf dem die Kollegen ihren Teil bauen konnten. Das groovte und schepperte ordentlich und besonders bei den flotteren Nummern hatten beide gut zu tun. Nicht unerwähnt lassen möchte ich den Einwechselspieler Simon Anke, der mir zuletzt im Zusammenhang mit Robert Gläsers neuem Album "Brich aus" und mit Veronika Fischers Tour am Anfang des Jahres auffiel, wo er ebenfalls für die Tastatur zuständig war. Am Freitag vertrat er - wie schon erwähnt - den erkrankten Keyboarder Andreas "Spatz" Sperling, und das gar nicht mal schlecht. Dass er sonst bei KEIMZEIT eigentlich nicht mitspielt, war an keiner Stelle des Konzerts auch nur zu erahnen. Entweder hat da einer für seine Vertretung mächtig viel geübt, oder wir haben es hier mit einem absoluten Vollprofi zu tun, der "mal eben" eine so große Aufgabe wie die bei KEIMZEIT mit all seinen komplexen Strukturen übernehmen kann. Lange Rede - kurzer Sinn: Bei dem Ensemble griff ein Rädchen ins andere und der Vortrag war von höchster Qualität.

Auch wenn anfangs eine Box der Meinung war, ihren Dienst nach eigener Lust und Laune verrichten zu wollen und der Ton deshalb mal mono, mal stereo zu hören war, war der Sound in dem doch eher kleinen Saal absolut perfekt. Sowohl von vorn als auch ganz hinten lieferte die Technik einen glasklaren Sound ab, der von der Lautstärke und vom Druck absolut perfekt gemischt war. Das Problem mit der Box wurde übrigens sehr schnell beseitigt, in dem die Technik relativ geräuschlos besagten eigensinnig agierenden Lautsprecher kurzerhand austauschte. Zum Ton kam auch noch das Licht dazu, das ebenfalls keine Wünsche offen ließ.d 20190330 1872540881 Dass mir trotzdem nicht viele gute Bilder gelungen sind lag daran, dass es im Saal extrem eng war. Um die Leute auf und vor der Bühne nicht zu stören, habe ich freiwillig nur während der ersten paar Songs fotografiert, denn ohne wie Ethan Hunt in der Filmreihe "Mission Impossible" an Seilen unter der Decke zu hängen, war ein störungsfreies Fotografieren kaum bis gar nicht möglich.

Kurz vor Toreschluss ließ es das Bad Belziger Tanzorchester nochmal richtig krachen. "Kling Klang" und "Kintop" bildeten den Abschluss des regulären Sets. Aus "Kling Klang" ist in der Live-Fassung inzwischen ein echter Deutschrocker geworden. Die Gitarre in dem Stück erinnert dezent an die guten Jahre der Gruppe KARAT, als Bernd Römer der Band noch einen typischen Sound gab, und der Rhythmus ging ja schon immer straff nach vorn. Damit fasste die Band seinem Publikum nochmals dezent ans Bein, denn vor der Bühne ließen die Leute ihrem Bewegungsdrang freien Lauf. Dem letzten Song "Kintop" verlieh einmal mehr Martin Weigel mit seiner Gitarre den besonderen Moment. Aber das erwähnte ich ja bereits. Nach dem obligatorischen Abgang mit Verlassen der Bühne seitens der Akteure, dem Jubel des Publikums im Saal und lauten Zugabe-Rufen, bog die Band nach ihrer Rückkehr an den Arbeitsplatz in den Zugabenbereich ab, dem ich leider nicht mehr beiwohnen konnte. Ich bog derweil auf den Parkplatz und mit meinem Kfz auf die Autobahn ab ... "Nach Hause - im Wiener-Walzer-Schritt".

Für mich war es die Live-Premiere. KEIMZEIT auf einer Bühne hatte ich - mit Ausnahme einer Konserve - noch nie erlebt. Das bereue ich seit gestern ziemlich doll, denn ich hatte einen Mordsspaß, den ich schon viel eher hätte haben können. Während ich den ersten Teil des Konzert fotografierend direkt vor der Bühne erlebte, suchte ich mir im zweiten Teil einen etwas "ruhigeren" Platz im hinteren Bereich des Saals. Von dort konnte ich aufmerksam zuhören. Die Musik der Band fährt Dir einfach in die Glieder und hast Du diese Band einmal live gesehen, hast Du umgehend Bock auf die nächste Runde. Man redet ja oft davon, dass eine Band Dich mit ihrer Musik abholt und Dich mit ihrem Live-Vortrag zum Wiederholungstäter macht. Bei KEIMZEIT ist das kein so dahin gesagter Satz, da trifft das voll und ganz zu. Die Band ist bekannt für ihre tollen Texte - für mich ist Norbert Leisegang einer der besten Texter und Songschreiber unseres Landes - und auch musikalisch hat sie schon reichlich Duftmarken gesetzt. Nicht umsonst war der Saal im "Grend" gestern so gut gefüllt. Ich bin - nachdem mich die Alben dieser Kapelle ja schon immer ziemlich angemacht haben - nun auch konzertmäßig angesteckt und werde nicht lange warten, bis ich mir die Brigade KEIMZEIT ein weiteres Mal anschaue.e 20190330 1721587417 Den Leuten unter Euch, die KEIMZEIT bisher auch noch nicht live erlebt haben, möchte ich das Schließen dieser Lücke nachdrücklich empfehlen. Da kriegst Du ordentlich was geboten, was Du woanders nicht bekommst. Gelegenheiten, den sechs Herren bei der Arbeit zuzuschauen und zuzuhören, gibt es reichlich (siehe Termine unten). Danke KEIMZEIT und Danke Dirk Tscherner für die Einladung und Eure Gastfreundschaft.



Setlist:
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Termine:
• 06.04.2019 - Pössneck - Schützenhaus
• 23.05.2019 - Kaiserslautern - Kammgarn
• 24.05.2019 - Konstanz - Kulturladen
• 07.07.2019 - Marienwerder - Inselleuchten
• 20.07.2019 - Bützow - Kloster Rühn
• 21.07.2019 - Zinnowitz - Blechbüchse
• 27.07.2019 - Bad Belzig - Burg Eisenhardt
• 02.08.2019 - Dresden - Alter Schlachthof
• 16.08.2019 - Brandenburg - Regatta-Strecke am Beetzsee
• 18.08.2019 - Magdeburg - Festung Mark

Alle Angaben ohne Gewähr! Nähere Infos und weitere Termine auf der bandeigenen Homepage.


Bitte beachtet auch:
• Off. Homepage von Keimzeit: www.keimzeit.de
• Homepage des Kulturzentrum GREND in Essen: www.grend.de



 
 
 
 
 




   
   
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